Kapitel 6
Kapitel 6
Die Göttin deutete auf das Seil und gab ihm dann das weiter, was die Elfe gesagt hatte. „Ich besitze noch genügend elfische Währung", sagte sie und zog einen kleinen Lederbeutel aus ihrer Tasche. „Ich brauche das Geld sowieso nicht, daher können wir es hierfür nutzen."
Die elfische Währung, genannt Elyrium, gab es, seit die Rasse existierte. Ihre Münzen waren alle mit dem Mutterbaum versehen. Je nach Wert war dieser größer oder kleiner. Wenn etwas teuer war, wurde es mit Münzen bezahlt, auf denen der Mutterbaum am größten war.
Travis nickte. „In Ordnung", sagte er und hatte anscheinend nichts dagegen.
Gemeinsam traten sie an das Seil heran und Isanami bat Travis daran zu zupfen. Sie selbst traute sich nicht, sich so weit vorzulehnen. Das Seil ging bis nach unten, weshalb es ein Loch gab, durch das sie durchaus fallen konnte.
Scheinbar mühelos griff Travis danach und zupfte mehrmals. Danach trat er zurück und sie warteten, was passieren würde.
Wie die Elfe gesagt hatte, kam ein Korb zu ihnen hinauf. Darin saß ein junger Mann, der ihnen zulächelte. „Wo darf es hingehen?"
Fragend sah Travis zu Isanami, da sie diejenige war, die wusste, wohin sie wollte.
„Wir wollen in die Bibliothek", sagte Isanami höflich.
„Wie Ihr wünscht. Das macht zehn Winzlinge", sagte er und streckte seine Hand aus. Isanami wusste, dass es sehr günstig war. Winzlinge waren die kleinste Währung.
Sie nahm diese aus ihrem kleinen Geldbeutel und reichte sie dem jungen Elf, bevor sie mit Travis zusammen einstieg. Allerdings krallte sie sich dabei etwas an ihn, denn so ganz geheuer war ihr dieser Aufzug nicht.
Es ruckelte kurz und der Elf begann, sie mit erstaunlichen Kräften nach oben zu befördern. Da er das mit reiner Muskelkraft tat, ging es nicht so schnell voran, wie sie es sich erhofft hatte. Das Wackeln war unangenehm. Außerdem entfernte sich der Boden unter ihnen immer mehr.
Einzig und allein Travis, der neben ihr stand und den Arm um sie gelegt hatte, beruhigte sie. Sein Blick war nach oben gerichtet und er sah aus, als würde er anhand der Gerüche lokalisieren wollen, was sich wo befand.
Isanami folgte seinem Blick und stellte fest, dass es so viel angenehmer war. Dennoch blieb sie angespannt, obwohl sie spürte, wie sie einer Macht näherkamen, die sie anzog. Es war nicht einfach nur ein Fragment. Es war ihre Harfe! Mit dieser würde sie sehr viel Kraft aufbringen und die Wölfe beschützen können, da war sie sich sicher.
Sie warf Travis einen verstohlenen Blick zu. Konnte er etwas spüren? Oder waren diese Mächte nur ihr vorbehalten? Sie wusste, dass einige Anführer der Rassen machtvolle Gegenstände aufspüren konnten.
Sie schluckte leicht. „Spürst du das?", fragte sie leise.
„Ja." Jedoch schien er nicht mehr verraten zu wollen. Wohl auch, weil der Elf mit seinen langen, spitzen Ohren zu viel erfahren konnte.
Isanami ließ es erst einmal so stehen und konzentrierte sich darauf, nicht zu panisch zu werden. Wann waren sie endlich oben?
Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Konnte der Elf nicht schneller machen? Langsam wurde es zu einer Tortur! Das musste Travis spüren, denn seine Finger streichelten sanft ihre Schulter.
Das beruhigte sie etwas und am liebsten hätte sie sich noch weiter an ihn gekrallt, doch sie wollte ihm nicht wehtun.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hielt der Elf und wünschte ihnen einen schönen Tag.
Als Isanami den Korb verlassen wollte, waren ihre Beine zittrig.
Das Ganze hatte sie doch mehr mitgenommen. Aber endlich waren sie da!
Travis wartete, bis der Elf sich wieder auf den Weg nach unten machte. „Alles in Ordnung?", fragte er Isanami leise und warf den Wachen, welche die Tür zur Bibliothek bewachten, einen Blick zu.
„Ich bin solche Höhen nicht gewohnt", sagte sie ehrlich und gemeinsam mit Travis lief sie auf die Bibliothek zu.
Nicht wie beim Eingang stellten sich die Wachen in den Weg. Sie begrüßten lediglich die Besucher. Dennoch spürte Isanami, dass ihnen Misstrauen entgegengebracht wurde.
Was nicht so verwunderlich war, denn sie mussten seltsam wirken.
Trotzdem ließ man sie durch und gemeinsam betraten sie einen riesigen Raum, der vollgestopft mit Büchern und anderen Relikten war.
Obwohl sie ganz oben waren, reichte die Bibliothek über mehrere Etagen. Natürliches Tageslicht erhellten die Gänge zwischen den Regalen und lud dazu ein, es sich gemütlich zu machen.
Dieser Ort war sehr angenehm und wie ein Paradies, denn sie liebte Bücher und Relikte. Was wohl Travis darüber dachte?
„Hier gibt es auch noch andere Dinge außer Bücher", erklärte sie, denn die Bibliothek der Elfen beherbergte alles mögliche, was für die Elfen wichtig waren.
„Weißt du, wo du das Gesuchte finden kannst?", fragte Travis leise. Absichtlich schien er ein anderes Wort für Fragment zu benutzen, da sie nicht wussten, wie die Elfen reagieren würden.
„Nein", gestand sie und sah sich um. „Es muss die Harfe sein", murmelte sie unruhig.
Travis sah sich um und ließ seinen Blick schweifen. Dann beugte er sich zu Isanami hinab und sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Ohr. Dieser verursachte eine Gänsehaut. „Wenn deine Harfe wertvoll ist, werden sie diese vielleicht in einem speziellen Raum haben", flüsterte er.
„Das kann sein", murmelte sie. „Wahrscheinlich ist sie gut geschützt", gab sie zu bedenken und musste sich zurückhalten, nicht zu erschaudern. Sein Atem ließ ihre Haut kribbeln.
„Lass uns nachfragen", schlug er vor und nickte in die Richtung einer Elfin.
Diese hatte langes, blondes Haar und trug eine Brille. Es wirkte, als kenne sie sich hier aus und das ließ Isanami nicken. Vielleicht war das sogar die neue Bibliothekarin. Damit wäre sie die Hüterin der Geheimnisse und eines der angesehensten Mitglieder der elfischen Gesellschaft.
Zielstrebig ging Travis genau in die Richtung, als hätte er gemerkt, dass Isanami die Elfin fixiert hatte.
Diese schien die beiden bereits bemerkt zu haben und lächelte, als sie die beiden begrüßte. „Wie kann ich euch helfen?", fragte sie mit singsangartiger Stimme.
„Wir haben gehört, dass ihr hier eine besondere Harfe habt", bemerkte Isanami höflich. „Ist es möglich, diese zu betrachten?"
Nachdenklich legte die Elfin den Kopf schief, als würde sie hinter die Stirn von Isanami sehen wollen. Es gab anscheinend nicht sehr viele, die wegen der Harfe gekommen waren. „Sie ist in einem gesonderten Raum", erklärte sie und machte ein Handzeichen, dass Isanami kannte. Sie sollten ihr folgen.
Je näher sie den Raum kamen, desto deutlicher spürte Isanami das Kribbeln. Ohne Frage: Es war ihre Harfe!
Isanami spürte, dass Travis wohl etwas bemerkte. Er hatte gesagt, dass er es spüren konnte. Aber wie stark konnte er es?
Die Elfin führte die beiden durch mehrere Gänge und Isanami fragte sich, ob es eine Art Sicherheitsvorkehrung war. Die Gänge wiesen verschiedene Türen auf. Auf diesen war ein Hinweis, was sich dahinter befand. Die Bibliothek wirkte schlicht, aber gut organisiert.
Das Kribbeln in Isanamis Körper nahm zu, als die Elfin um eine Ecke bog und auf eine weitere Tür zuhielt, die von zwei Elfen bewacht wurde.
Die Bibliothekarin öffnete die Tür mit einem Schlüssel und ließ Isanami und Travis ein.
Mitten im Raum, unter einer Glaskuppel, stand die Harfe. Sie wirkte alt und ein wenig mitgenommen, doch die Kraft war deutlich zu spüren.
Als Isanami näher kam, begann die Harfe sogar zu spielen. Es war, als würden die Saiten von Zauberhand gezupft werden.
Die Melodie war anziehend und wunderschön. Lieblich, aber auch voller Kraft. Isanami spürte, dass sich Travis neben ihr leicht versteifte. Kam er mit der Macht nicht klar? Oder spürte er den Blick der Wachen?
Sie alle waren überrascht und verwirrt. Isanami konnte es ihnen nicht übelnehmen. So etwas war noch nie vorher passiert. Die Harfe begrüßte ihre Herrin und am liebsten würde Isanami diese sofort spielen. Doch noch ging es nicht.
Zumal die Wachen ihnen näher kamen und auch die Bibliothekarin anscheinend vorsichtig war.
„Eine wirklich schöne Harfe", zwang sich Isanami zu sagen, während sie spürte, wie die Macht sie durchdrang.
„Sie ist unser Nationalschatz", erklärte die Bibliothekarin und klang sichtlich stolz. Dennoch wirkte sie, genau wie die anderen Anwesenden, irritiert, dass die Harfe spielte.
„Wie gelangte sie in Eure Hände?", wollte Isanami wissen. „Immerhin ist sie ein Instrument der Götter."
„Vor langer Zeit wurde sie gefunden. In der Nähe des Ortes, an der Göttin Isanami verschwunden war. Wir wissen, dass sie ihr gehörte. Daher ist sie unser Schatz", erklärte die Elfin.
Isanami senkte die Lider. Sie glaubten also, dass sie verschwunden war? Interessant. „Würdet Ihr sie zurückgeben, wenn Euch die Göttin darum bitten würde?"
„Sie lebt nicht mehr", erwiderte die Elfin härter, als sie wohl gewollt hatte.
Isanami spürte, wie sich Travis leicht versteifte.
„Seid Ihr Euch da ganz sicher?", wollte Isanami wissen. „Götter sterben nicht. Sie fallen nur."
„Richtig", bestätigte die Bibliothekarin und lächelte schief. „Wir geben die Harfe niemanden. Wenn sie in falsche Hände gelangt, wird es ein Chaos geben. Es gab schon einige solcher Fälle, in denen andere sich als Göttin Isanami ausgegeben haben", erklärte sie mit einem Blick auf die Harfe.
„Verstehe", murmelte Isanami und die Harfe begann, eine traurigere Melodie zu spielen.
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