Zerbrochen
Regulus führte Harry zurück in das Gästezimmer. Der Junge schien sich in seiner Nähe inzwischen einigermaßen wohlzufühlen, denn immerhin ließ er leichte Berührungen nun zu.
»Hast du einen Pyjama?«, wollte der Black wissen. Harry nickte, ging zu seinem Koffer und holte einen vollkommen abgenutzten und ausgeblichenen Pyjama hervor. Nicht nur, dass er abgenutzt war, Regulus war sich sicher, dass er mindestens drei Nummern zu groß für den kleinen Jungen war. Sie mussten ihm dringend andere Sachen besorgen, vielleicht hätte ja Draco noch etwas, was ihm bereits zu klein war. Für heute musste es aber so gehen.
»Gut, wie wäre es, wenn du dich im Bad schnell umziehst, und ich mache das Bett neu?«, sagte Regulus und Harry nickte wieder, ehe er die Badezimmertür hinter sich schloss. Der Black hob seinen Zauberstab und bezog das Bett neu, ehe er mit einem weiteren Wink des Stabes, Harrys Sachen in den Schrank fliegen ließ. Kurz darauf kam der Junge zurück. Wie Regulus vermutete hatte, war der Pyjama um einige zu groß. Er wollte aber nicht daran herumzaubern, denn im schlimmsten Fall, würde die Kleidung einfach auseinanderfallen. Harry kroch indessen wieder ins Bett und deckte sich zu. Regulus zog sich einen Stuhl heran.
»Okay, also ich weiß, das war alles heute sehr schwer für dich, aber ich verspreche dir, dass niemand dir mir wehtun wird. Du bist hier sicher! Severus ist nicht ganz leicht, aber du wirst sehen, er wird sich bald an dich gewöhnt haben und du an ihn. Also wenn heute Nacht irgendwas ist, wir schlafen direkt im Zimmer gegenüber, in Ordnung?«, Harry nickte und lächelte schüchtern.
»Gut, dann schlaf gut, Harry«, sagte Regulus und strich Harry kurz über die Hand und zum ersten Mal zuckte der Junge nicht zurück.
Regulus ging zurück zur Bibliothek, fand diese aber verlassen vor. Er konnte sich denken, wo Severus war. Er fand seinen Partner im Salon, vor sich ein Glas Wein, ein zweites, leeres Glas stand ebenfalls auf dem Tisch.
»Schläft er?«, wollte der Lehrer wissen und goss seinem Partner etwas Rotwein ein. Dieser nickte und nahm das Glas entgegen, ehe er sich in einen der anderen Sessel setzte.
»Ich habe aber einen Alarmzauber auf den Raum gelegt, nur für den Fall«, sagte er.
»Bist du sauer?«, wollte Severus wissen und legte sein Buch auf die Seite. Regulus leerte sein Glas und stellte es ab.
»Okay, hör zu Sev. Ich liebe dich, das weißt du, aber manchmal verstehe ich dich einfach nicht. Der Junge hat ein schweres Trauma, das sehe ich auch ohne, dass ich Heiler bin und du setzt ihn unter Druck. Er kann nichts dafür, wessen Sohn er ist und auch wenn ich verstehe, dass es nicht leicht für dich ist in ihm nicht James Potter zu sehen, so ist er doch einfach nur ein kleiner Junge, der Furchtbares erlebt hat...«
»Reg, ich weiß das doch und doch ... ich kann nicht so einfach aus meiner Haut, du kennst mich. Was soll ich denn machen?«
»Wie wäre es, wenn du zuerst mal damit beginnst, ihn Harry zu nennen, und nicht mit Sie ansprichst? Hier ist nicht Hogwarts und er ist im Moment, weniger dein Schüler, als ... als dein Schützling«, Severus nickte nachdenklich. Ja, er wusste, dass Regulus recht mit allem hatte und doch würde es Zeit brauchen, den Jungen so zu nehmen, wir er war.
»Ja, ich werde es versuchen. Trotz allem müssen wir uns überlegen, was wir mit ihm machen, sobald die Ferien enden. In diesem Zustand kann er nicht zurück zum Unterricht«, sagte Severus.
»Mhm ... na ja, je nachdem, wie er und Tom klarkommen, könnte er eine Weile hierbleiben«, sagte Regulus.
»Schatz, du glaubst doch nicht, dass Dumbledore das zulässt, selbst wenn wir ihm erzählen, du seist hier. Dumbledore weiß natürlich, dass Tom durchaus am Leben ist, aber er weiß nicht wo und er ist der Annahme, dass dieser am Tod von James und Lily Schuld hat und dass er nur stärker werden muss, um neue Anschläge zu planen.«
»Schon richtig, aber was sollen wir sonst machen?«, Severus stand auf und ging eine Weile im Raum auf und ab.
»Wir wissen, dass er bei den Gryffindor nicht besonders beliebt ist, dass sie in vermutlich sogar verprügeln. Es wäre fahrlässig ihn weiter dort zu lassen. Ich könnte mir vorstellen, dass er in Slytherin ganz gut aufgehoben ist. Draco und Blaise mögen ihn offenbar und unter ihrem Schutz wäre er sicher. Die wenigen radikalen Todesserkinder, werden sich nicht an ihn heranwagen und den Rest habe ich im Griff. Für die erste Zeit könnte er auch bei mir wohnen, nur bis er sich einigermaßen erholt hat. Er wäre nicht das erste Kind, welches einige Wochen unter meiner Obhut wäre«, Severus kam es als eine gute Option vor. Auch wenn sein Verhältnis zu dem Jungen im Moment noch schwer war, so konnte er sich doch vorstellen, ihn einige Wochen aufzunehmen. Es gab bei den Slytherins immer wieder mal Fälle von Kindesmisshandlung, zum Glück nicht sehr oft, aber es kam vor. So kümmerte sich Severus immer mal wieder um eines dieser Kinder, bis geklärt war, was mit diesen geschehen sollte. Bei Harry wäre das etwa schwerer, denn er hatte im Sommer keinen Ort, an den er zurückkehren könnte und es schien, als hätte Regulus denselben Gedanken.
»Ja ... ja das wäre sicher eine Option, aber was wird im Sommer?«
»Bis dahin muss uns was einfallen. Durchaus möglich, dass Dumbledore ihn wegen des Blutschutzes zurückschickt, wenn wir keine stichhaltigen Beweise für die Misshandlungen haben.«
»Das würde er doch nicht machen!«
»Ich wäre mir da nicht so sicher. Harry ist sein Trumpf gegen Tom, so glaubt er. Wer weiß, vielleicht denkt er ja, dass die Misshandlungen ihn stärker machen«, entsetzt starrte Regulus seinen Partner an.
»Glaubst du wirklich, dass er so grausam wäre?«, Severus wandte sich um und seufzte.
»Inzwischen ja...«, plötzlich zuckte der Tränkemeister zusammen, sein ganzer Körper prickelte, auch Regulus sprang auf.
»Schnell, der Alarmzauber!«, sagte er und rannte aus dem Raum.
Als sie das Zimmer betraten, sahen beide sofort, dass sich Harry nicht im Bett befand. Severus machte Licht und entdeckte den Jungen in der hintersten Ecke des Zimmers. Er hatte sich ganz klein gemacht und die Knie angezogen. Regulus ging langsam näher und hockte sich vor das bebende Kind. Harry schwitzte und Tränen liefen ihm die Wangen hinab. Er hatte sich wieder die Arme aufgekratzt, wenn auch diesmal weniger schlimm. Er schluchzte und starrte wie ein gehetztes Tier hin und her. Severus hielt es für besser, etwas auf Abstand zu bleiben, da Harry Regulus wohl mehr vertraute.
»Harry? Komm, sieh mich bitte an. Es ist alles in Ordnung«, sagte Regulus sanft. Harry sah ihn zögernd an.
»So ist es gut. Hast du schlecht geträumt?«, wollte der Black wissen. Harry nickte schwach. Severus konnte sich vorstellen, wie schlimm es für den Jungen war. Er war in einer fremden Umgebung, hatte Angst und niemanden, der ihn trösten konnte und er war sich sicher, dass er auch noch nie so etwas wie Trost erfahren hatte. Severus wandte sich um und ging aus dem Raum. Regulus sah ihm kurz nach, ehe er sich wieder Harry zuwandte.
»Es ist alles gut. Ich bin hier und niemand tut dir etwas. Komm, lass uns aufstehen und wieder ins Bett gehen, okay?«, vorsichtig streckte Regulus die Hand aus. Zitternd griff Harry danach. Er war komplett durchgeschwitzt. Schnell trocknete Regulus die Sachen und führte ihn zum Bett zurück. Severus kam mit einigen Tüchern zurück.
»Wir müssen deine Verletzungen behandeln«, sagte er ungewohnt sanft und es schien Wirkung zu zeigen. Harry blickte auf und hielt seinem Lehrer die blutigen Arme hin. Dieser träufelte etwas Diptam-Essenz auf ein Handtuch und betupfte die Wunden damit. Einige Augenblicke später hatten diese sich geschlossen.
»Trink das hier, das ist ein Traumlos-Trank. Er lässt dich ohne Träume schlafen«, sagte Severus dann und reichte Harry ein Fläschchen mit einer lila schimmernden Flüssigkeit. Diese griff zögernd danach und schluckte den Trank. Nur Sekunden danach, sackte er zusammen. Severus hatte ihn gefangen, legt ihn nun vorsichtig wieder auf das Bett und deckte ihn zu, ehe er Regulus leise nach draußen folgte.
»War gar nicht so schwer, oder?«, wollte dieser vor der Tür wissen.
»Was meinst du?«
»Ihn so zu behandeln, als läge dir etwas an ihm«, sagte Regulus lächelnd.
»Mir liegt etwas an ihm ... es hat mich eben beinahe zerrissen ihn so zu sehen. Immer und immer wieder stelle ich mir vor, wenn Draco an seiner Stelle gewesen wäre. Ich ... keine Ahnung ich hätte Quirrell einen Avada auf den Hals gehetzt und ja du hast recht, kein Kind hat so etwas verdient und Harry hat es nicht verdient, dass ich ihn so behandle. Ich kann nicht versprechen, dass ich nie unfair sein werde, aber ich bemühe mich!«, sagte Severus. Regulus ging auf ihn zu und küsste ihn sanft.
»Mehr will ich gar nicht und mehr wird auch Harry gar nicht erwarten«, sagte er.
Am nächsten Morgen saßen Tom und Draco gemeinsam beim Frühstück. Lucius war bereits arbeiten und Narzissa machte Besorgungen. Sie hatten sich beide schon von ihrem Sohn verabschiedet und wollten spätestens am Weihnachtsabend nach Riddle Manor kommen.
»Tom, darf ich dich was fragen?«, wollte Draco wissen.
»Sicher, frag nur«, sagte dieser und leerte seine Kaffeetasse.
»Wirst du Harry aufklären, also über das, was du bist ... also na ja du weißt schon.«
»Du meinst über mein magisches Wesen?«, Draco nickte.
»Wenn es deine Onkel nicht getan haben, dann sicher.«
»Ne, ich denke nicht, dass sie das gemacht haben«, sagte Draco und stopfte sich das letzte bisschen Rührei in den Mund.
»Wie meinst du, nimmt er das auf?«, wollte Tom belustigt wissen. Draco zuckte mit den Achseln.
»Mhm ... keine Ahnung. Ich finde es ganz schön cool und ich weiß nicht, ich denke er auch!«
»Sag mal Draco, warum magst du ihn so? Ihr habt doch bisher kaum etwas miteinander zu tun gehabt, oder?«, wollte Tom kryptisch wissen.
»Weiß nicht. Ich mag ihn halt ... mhm ... irgendwie will ich ihn beschützen, schon von Anfang an. Er hat ... er hat das alles nicht verdient«, sagte Draco niedergeschlagen.
»Kein Kind hat so etwas verdient. Ich denke, deine und Harrys Verbindung ist etwas Besonderes, vielleicht kannst du ihm ja wirklich helfen«, sagte Tom. Irritiert sah Draco ihn an.
»Wie meinst du das?«
»Nicht so wichtig, so und nun sollten wir langsam los«, sagte Riddle und stand auf. Sie liefen in das Arbeitszimmer von Dracos Vater und Tom reichte Draco eine Handvoll Flohpulver.
»Äh ... ich darf noch nicht alleine flohen, sagt Mum«, sagte der Junge und starrte auf das Pulver.
»Nun, wir müssen es Narzissa ja nicht verraten, oder?«, fragte Tom augenzwinkernd. Draco strahlte ihn an, trat in den Kamin und rief: »Riddle Manor!«, Augenblicke später war er in den grünen Flammen verschwunden.
»Bei Salazar möge er in einem Stück ankommen, sonst hext mich Narzissa ins nächste Jahr«, murmelte Tom, ehe er Draco folgte.
Dieser landete sicher, aber etwas unsanft im Salon des Manors. Kräftige Hände zogen ihn auf die Beine.
»Onkel Reg!«, rief Draco und umarmte den Black.
»Hey, Drache. Alles klar?«
»Ja, ich durfte alleine flohen, aber...«
»Aber, das bleibt unter uns«, kam es von Tom, der soeben auch aus dem Kamin stieg.
»Schon klar, Narzissa macht dich einen Kopf kürzer, wenn sie das erfährt«, sagte Regulus grinsend.
»Wo ist Harry?«, wollte Draco nun wissen.
»Bei Sev in der Bibliothek. Geh ruhig zu ihm, wir kommen gleich nach«, sagte der Black und schon war Draco aus dem Raum gerannt. Regulus trat auf Tom zu und umarmte ihn.
»Wie geht's ihm«, wollte dieser wissen.
»Beschissen wäre noch untertrieben. Gestern hat er sich beim Duschen die Haut von den Armen und der Brust gekratzt und nachts nach einem Albtraum auch noch mal, wenn auch nicht ganz so schlimm. Er spricht nicht, isst kaum und Berührungen lässt er nur nach langem Zureden zu. Alles in allem Tom, weiß ich nicht, ob wir ihm wirklich helfen können«, sagte Regulus sichtlich deprimiert.
»Wir kriegen das schon hin. Wie macht sich Severus?«, fragte Tom.
»Er bemüht sich inzwischen wirklich. Ich denke, er hat verstanden, dass Harry vor allem Zeit braucht«, Tom nickte nachdenklich.
»Weiß er alles über mich?«
»Harry? Nein, also nur das Wichtigste, dass du nicht schuld am Tod seiner Eltern bist zum Beispiel.«
»Also nichts über mein magisches Wesen?«
»Nein, wir dachten, du willst ihm das lieber alleine erklären.«
»Ja, dann lass uns mal zu ihm gehen«, sagte Tom und folgte Regulus aus dem Salon.
»Draco, es reicht. Lass Harry doch erst mal alles verarbeiten«, sagte Severus streng. Sein Patenkind hatte seit seiner Ankunft in der Bibliothek ununterbrochen erzählt. Vom Manor, von Tom, seinen Eltern und Weihnachten hier. Harry schien sich wirklich zu freuen, dass Draco da war, aber er wirkte auch etwas überfordert.
»O-Okay, tut mir leid«, sagte Draco schnell, aber Harry schüttelte nur lächelnd den Kopf. In diesem Moment klopfte es an der Tür und Regulus kam in den Raum. Hinter ihm trat ein Mann hervor und Harry drückte sich etwas weiter in das Polster seines Sessels.
Er wusste nicht, wie er sich Tom Riddle oder Voldemort vorgestellt hatte, aber so sicher nicht. Der Mann sah aus wie Mitte vierzig, hatte schwarzes, kurzes und leicht gewelltes Haar. Seine Augen hatten das Grün von Meeresalgen und seine Haut war blass, wirkte dabei aber fast wie perlmuttfarben. Was Harry am meisten irritierte war aber die Tatsache, dass Lord Voldemort ihm freundlich zu lächelte.
»Darf ich vorstellen Harry, das ist Tom Riddle«, sagte Regulus. Harry blickte dem Mann ängstlich entgegen.
»Nett dich kennenzulernen, wenn auch unter nicht so schön Umständen«, sagte Tom. Harry schluckte schwer, nickte dann aber zustimmend.
»Also, du musst wirklich keine Angst vor mir haben. Ich weiß, das sagt sich leicht, aber ich verspreche dir, ich werde dir nichts tun«, Harry starrte Tom noch immer ängstlich an.
»Tom ist ein Freund, wirklich Harry!«, sagte Draco sacht.
»Wir lassen euch kurz allein«, sagte Regulus und machte in Severus Richtung eine auffordernde Kopfbewegung. Dieser verstand und ging zur Tür.
»Komm Draco!«, sagte er. Sofort wurde Harrys Blick panisch.
»Nein, schon gut. Draco kann bleiben«, sagte Tom schnell und Harry begann sich etwas zu entspannen. Regulus und Severus nickten und verließen den Raum. Tom nährte sich zögernd und setzte sich etwas entfernt von Harry auf einen Stuhl. Regulus hatte recht, der Junge war in einem schlimmen emotionalen Zustand. Seine Angst und Panik, war für Tom beinahe greifbar. Vor ihm saß ein Kind dessen Seele zerbrochen war und schon als er ihn das erste Mal nach all den Jahren gesehen hatte, wollte er nur eines, helfen dass diese Seele heilen konnte.
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