Verzweiflung
»Du kannst gerne hierbleiben«, sagte Severus am nächsten Morgen, als Harry gerade im Bad war. Tom schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, ich kann ihm hier nicht wirklich helfen. Es wäre besser, wenn ich nach Hause gehe und mich mit Regulus um die Blutadoption kümmere.«
»Ja, wie du meinst, aber du hilfst ihm auch hier sehr, das weißt du!«
»Schon, aber du bist ja auch noch da«, sagte Tom augenzwinkernd.
»Ich bin nicht gerade, dass was Harry sicher als Vertrauensperson bezeichnen würde«, sagte Severus.
»Meinst du das ernst? Er mag dich und du ihn, leugne es nicht. Er vertraut dir inzwischen vollkommen, das kannst du nicht abstreiten!«, sagte Tom und lächelte. Severus nickte.
»Ja, kann schon sein. Ich sehe nun, dass er sehr viel von Lily hat«, sagte er, als im selben Moment Harry in die Küche trat.
»Bist du bereit?«, wollte Tom wissen und der Junge nickte.
»Wenn du willst, dann bleibe ich!«, sagte der Mann, aber Harry schüttelte den Kopf.
»Ich komme zurecht, wirklich!«, sagte er, wenn auch nicht vollkommen sicher. Tom trat auf ihn zu, hockte sich vor ihn und zog das Kind, welches schon jetzt einen festen Platz in seinem Herzen hatte, in seine Arme.
»Ich bin stolz auf dich. Wir sehen uns bald wieder und bis dahin hast du hier Freunde, die dir helfen«, flüsterte er und fuhr Harry durch die wirren schwarzen Haare.
»W-Wie kommst du nach Hause?«, wollte dieser wissen, als sie sich voneinander gelöst hatten. Tom grinste.
»Trinket holt mich ab. Du musst wissen, dass Hauselfen die einzigen sind, bis auf Dumbledore, die innerhalb Hogwarts apparieren können«, Harry nickte, als sich Salazar Slytherin in seinem Porträt räusperte.
»Entschuldigen Sie, aber die Herren Malfoy und Zabini stehen vor der Tür«, sagte er. Severus nickte.
»Sie holen dich ab«, sagte er an Harry gewandt.
»Okay, also ich sollte dann«, sagte er, schlang dann ein letztes Mal die Arme um Tom, griff nach seiner Tasche und rannte aus der Wohnung.
»Er wird doch klarkommen, oder?«
»Sicher, wir passen auf ihn auf. Mach dir keine Sorgen, bald ist er dein Sohn und dann kann ihn dir keiner mehr wegnehmen«, sagte Severus und sah nachdenklich zur Tür, durch die Harry soeben verschwunden war.
Die nächsten Wochen verliefen ruhig. Harry lebte sich bei den Slytherins ein, die ihr Versprechen wahr gemacht hatten und den kleinen Jungen mit der Blitznarbe beschützten. Selbst die Todesser-Kinder begegneten ihm mit einem vorsichtigen Respekt und ließen ihn meist einfach in Ruhe. Draco und Blaise nahmen ihre Rolle als Beschützer sehr ernst. Sie ließen Harry nie aus den Augen und nahmen ihn bei jedem Essen in der Großen Halle in ihre Mitte. Die Gryffindor hielten sich zurück. Sie ignorierten den Jungen, nur die Zwillinge und Hermine winkten ihm ab und an. Ron, Seamus und Dean allerdings warfen Harry all zu oft hasserfüllte Blicke zu. Sie hatten nicht nur viele Punkte verloren, sondern mussten auch noch immer regelmäßige Strafarbeiten bei Filch ableisten. Harry versuchte sie zu ignorieren, aber er konnte nicht verleugnen, wie groß seine Angst noch immer war. Er schlief zwar wesentlich besser, aber alle paar Tage, schreckte er aus dem Schlaf, weil Draco oder Blaise ihn weckten, nachdem er im Traum geschrien hatte. Im Unterricht kam er gut mit. Den Anschluss hatte er schnell gefunden und auch in Zaubertränken hatte er sich stark verbessert. Severus hatte nur selten Anlass für Tadel. Bisher hatte Dumbledore noch keinen neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste gefunden. Harry mochte das Fach eigentlich sehr gerne. Es war interessant aber Dumbledore nutzte den Unterricht hauptsächlich, um über Todesser und Voldemort zu referieren. Harry ignorierte er komplett. Er sprach ihn nicht an, nahm ihn nie dran, wenn dieser sich meldete, und gab ihm immer dieselbe Note. Ein »A«, egal was Harry auch tat. Dieser konnte damit leben, denn er wusste, dass es auch an Dumbledore lag, was mit ihm geschehen sollte. Severus hatte ihm zwar versichert, dass er nicht mehr zu den Dursleys musste, aber ein Restzweifel blieb und schien sich zu bewahrheiten, als Dumbledore ihn nach er Stunde Verteidigung aufhielt.
Es war Ende Mai und schon bald sollten Prüfungen sein. Das Wetter war in den letzten Tagen nicht gerade so, wie man es von Mai erwarten konnte. Der Sommer in den schottischen Bergen ließ sich zwar immer Zeit, aber so kalt und nass war es wohl schon seit Jahren nicht gewesen. Es war die letzte Stunde an diesem Freitag und Harry freute sich auf das Wochenende. Draco, Blaise und er wollte fürs Quidditch üben, denn alle drei wollten sich im nächsten Jahr für die Mannschaft bewerben. Während Harry Gefallen an der Position des Suchers gefunden hatte, wollte Draco Hüter werden und Blaise Treiber. So passte des Harry gar nicht, dass der Direktor mit ihm sprechen wollte. Der Mann machte ihm Angst, auf eine Art, die er selber nicht verstand. Sein Vertrauen in Erwachsene war zwar wieder gewachsen, aber vollends würde es vielleicht nie wieder kommen.
»Mr. Potter auf ein Wort bitte«, sagte Dumbledore, als die meisten Schüler bereits gegangen waren. Blaise und Draco sahen fragend zu Harry.
»Ähm ... geht doch schon vor, ich komme dann nach«, sagte er.
»Wir warten vor der Tür«, sagte Draco energisch.
»Mr. Malfoy, Sie und Mr. Zabini gehen bitte in ihren Gemeinschaftsraum und dann zum Abendessen. Es wird etwas länger dauern«, Dumbledores Ton erlaubte keinen Widerspruch. Die beiden Slytherins funkelten den Mann wütend an, gingen aber. Draco hielt es für besser zu folgen und nahm sich vor seinem Onkel zu berichten.
»Also Harry, setz dich doch«, sagte Dumbledore, als sie alleine waren, und wies auf einen der Stühle. Zögernd nahm Harry, Platz.
»Also, wie geht es dir? Die Lehrer sind sehr zufrieden mit dir«, begann Dumbledore.
»J-Ja, mir geht es gut, danke«, sagte Harry und starrte auf seine Fingernägel.
»Das freut mich. Nun die Sommerferien sind nicht mehr weit und ich wollte mit dir besprechen, wie es dann weitergeht...«
»Ich darf zu Blaise«, fiel Harry dem Mann sofort ins Wort. So hatten Severus, er und die Jungen es besprochen. Blaise' Mutter war alleine, hatte aber schon einige Männer überlebt. Sie war nachweislich kein Todesser und somit die beste Wahl als Ausrede. Überrascht hob Dumbledore die Augenbrauen.
»Nun, das ist sehr nett von Mrs. Zabini, aber ich sehe da ein Problem«, sagte Dumbledore. Sofort schlug Harrys Herz schneller, seine Hände wurden feucht und er wünschte sich, dass er einfach woanders sein könnte.
»Ich weiß, dass die Dursleys dich nicht so behandelt haben, wie es angemessen wäre und dies bedaure ich sehr. Ich war inzwischen bei ihnen und habe sehr lange mit deinem Onkel und deiner Tante gesprochen. Sie haben ihre Fehler eingesehen und es tut ihnen wirklich leid, was geschehen ist. Sie würden dich gerne wieder bei sich aufnehmen. Du würdest ein eigenes Zimmer bekommen und auch deine Eule dürfte mit«, sagte der Direktor und klang so, als sollte Harry mehr als dankbar sein. Dieser blickte nun auf und schüttelte mit Tränen in den Augen den Kopf.
»N-Nein, ich will nicht zurück. Bitte nicht! I-Ich kann auch hierbleiben oder ... bei Professor Snape, aber schicken Sie mich nicht zurück«, flehte er.
»Harry, ich weiß du hast Schlimmes erlebt, aber ich verspreche dir, dass dir bei den Dursleys nichts geschehen wird. Sie haben sich geändert. Du kannst nicht hier alleine im Schloss bleiben und du willst doch Professor Snape und seinem Partner sicher nicht zur Last fallen, oder? Er hat schon sehr viel für dich getan. Außerdem schützt dich das Haus deiner Verwandten vor den Todessern und dem Dunklen Lord, denn auch wenn viele es nicht glauben, ich weiß er ist noch da draußen und er wird dich töten, wie er deine Eltern tötete, wenn wir keine Maßnahmen ergreifen«, schloss Dumbledore. Harry liefen inzwischen Tränen über das blasse Gesicht. Er atmete schwer und wollte nur noch weg.
»N-Nein ... «, stotterte er.
»Wie nein?«, fragte Dumbledore.
»I-Ich werde nicht zurückgehen«, sagte Harry mit fester Stimme. Dumbledore stand auf und sah nun wütend aus. Sofort drückte sich der Junge etwas weiter in den Stuhl.
»Du wirst! Ich bin für dich verantwortlich, solange du hier bist, und ich lasse keinen Widerspruch zu. Du wirst zurückgehen und dortbleiben! Wir ... ich will nicht, dass dir etwas geschieht und damit ist dieses Gespräch beendet«, sagte er so streng, wie Harry ihn noch nie gehört hatte. Er hatte furchtbare Angst, doch schon im nächsten Moment lächelte der Direktor wieder.
»So und nun geh zum Abendessen. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende«, sagte er und sortierte einige Unterlagen auf dem Lehrertisch. Mit weichen Knien und noch immer schluchzend stand Harry auf, griff nach seiner Tasche und ging aus dem Raum.
Ohne weiter darüber nachzudenken rannte er los. Immer weiter die Treppen empor, bis er in einem leeren Gang stand und sich weinend an der Wand hinunterrutschen ließ. Harry vergrub das Gesicht in den Händen und wimmerte. Er würde zurückkehren müssen und keiner konnte etwas tun. Wenn Severus ihn mitnahm, dann würde der Lehrer mit Sicherheit Ärger bekommen und das wollte Harry nicht. Er weinte solange, bis er plötzlich Stimmen und Lachen hörte. Schnell wischte er sich über die Augen und stand auf.
»Ach wen haben wir denn da? Der edle Harry Potter. Suchst du deine Bodyguards? Hier ist unser Bereich, Schlange«, höhnte Ron Weasley, der begleitet von Dean und Seamus vor ihm stand.
»Las mich in Ruhe, Weasley«, knurrte Harry. Ron grinste seine Freunde an.
»Habt ihr das gehört? Ganz schön mutig, für einen wie dich«, sagte er und zog seinen Zauberstab.
»Zeit für eine Lektion«, rief er und ehe Harry reagieren konnte, traf ihn ein Fluch, er flog durch den Gang und knallte mit dem Kopf an die Wand. Er hört noch, wie Dean fragte: »Was machen wir mit ihm?«, und Ron, der antwortete: »Ich habe da eine Idee«, dann wurde alles schwarz.
Draco und Blaise hatten Snape in seiner Wohnung nicht angetroffen. Nun warteten sie im Gemeinschaftsraum der Slytherins auf Harry, aber dieser tauchte nicht auf.
»Vielleicht ist er direkt zum Abendessen gegangen«, sagte Blaise.
»Mhm ... ja, vielleicht. Ich habe ein komisches Gefühl, lass uns bitte gehen und nachschauen«, sagte Draco und stand vom Bett auf.
Als sie in die große Halle kamen, waren alle Haustische gut besetzt. Auch Dumbledore saß am Lehrertisch und sprach gerade mit Professor Flitwick. Severus saß ebenfalls am Tisch und sein Blick wanderte zu Blaise und Draco, die sich nun zu den anderen Slytherins setzten und den Tisch nach Harry absuchten.
»Pansy, sag mal hast du Harry gesehen? War er schon hier?«, Pansy Parkinson sah auf.
»Ne, der war nicht da. Ich bin gleich nach dem Unterricht her und er war nicht da.«
»Okay, danke«, sagte Draco resigniert.
»Wo kann er stecken?«, wisperte Blaise, aber der Blonde schüttelte den Kopf. Er suchte Snapes Blick und hob entschuldigend die Schultern. Der Lehrer verstand offenbar sofort, stand auf und machte den Jungen ein Zeichen. Blaise und Draco verließen nun unauffällig die Halle und folgen Severus, der bereits in den Kerkern war, als sie ihn einholten.
»Wo ist Harry?«, wollte er sofort wissen.
»Wir wissen es nicht. Dumbledore wollte mit ihm reden und hat uns weggeschickt. Wir sollten nicht warten, er meinte, es dauert länger. Es tut uns leid. Er war nicht im Gemeinschaftsraum. Keiner hat ihn gesehen«, sagte Draco verzweifelt. Severus nickte, sah sich um und schob die Jungen in seine Privaträume. Er wies sie an sich an den Küchentisch zu setzen und zauberte einige Sandwiches herbei.
»Also gut, esst erstmal was. Wisst ihr, was Dumbledore von ihm wollte?«, fragte er ruhig.
»Nein, er wirkte sehr ernst«, sagte Blaise und griff nach einem Brot, während Draco nichts aß und besorgt zu seinem Onkel sah.
»Was machen wir jetzt?«, wollte er wissen.
»Ihr nichts. Ihr wartet hier und ich suche nach ihm. Vielleicht kommt er ja her, wenn irgendwas passiert ist. Vielleicht will er alleine sein. Ich gehe zu Dumbledore und frage, was er von ihm wollte. Keine Sorge, wir finden ihn schon«, sagte Severus und hoffte, dass er Recht behielt.
Zuerst lief er zum Gemeinschaftsraum der Slytherins. Wie zu erwarten war Harry nicht da. Mehr und mehr Schüler kamen vom Abendessen, aber keiner hatte den Jungen gesehen.
»Mr. McNair, Miss Aberdeen«, rief Severus seine Vertrauensschüler zu sich. Die beiden Siebtklässler kamen zu ihm gelaufen.
»Sollte Mr. Potter hier auftauchen, dann holen Sie mich bitte umgehend und achten darauf, dass er nicht wieder verschwindet.«
»Ja, Sir. Ist etwas passiert?«, wollte Hannah Aberdeen wissen.
»Ich hoffe nicht«, sagte Severus und verschwand aus dem Gemeinschaftsraum.
Er eilte durch die Gänge, immer nach Harry ausschauhaltend, aber er konnte den kleinen Slytherin nirgends entdecken. Als er vor den steinernen Wasserspeiern stand, sagte er das Passwort und rannte beinahe schon in das Büro des Schulleiters.
»Severus mein Junge, was ist geschehen?«, wollte ein sichtlich irritierte Dumbledore wissen.
»Was passiert ist? Was haben Sie Harry erzählt?«, knurrte Snape.
»Was meinst du? Ich habe mich nur mit ihm unterhalten. Der Sommer naht und ich wollte mit ihm besprechen, was dann in den Ferien sein wird.«
»Er wird zu Blaise Zabini nach Hause gehen«, sagte Severus sofort.
»Ja, das sagte er auch, aber ich sehe das nicht so. Ich habe mit den Dursleys gesprochen und sie nehmen ihn wieder auf und ehe du nun was sagst ... sie waren sehr einsichtig und haben versprochen keine Hand mehr an den Jungen zu legen. Er bekommt sein eigenes Zimmer und ...«
»Spinnen Sie?«, Severus hatte nun seine Sprache wiedergefunden und kochte vor Wut.
»Sie können ihn doch nicht wirklich wieder zurückschicken. Diese Muggel haben ihn misshandelt und das Schlimmste ihn missbraucht! Die ändern sich doch nicht einfach ... nein er wird ganz sicher nicht zurückgehen und wenn ich selber zum Ministerium gehen muss...«
»Das Severus, würde ich mir überlegen. Du weißt, er müsste aussagen und ...«
»Ja, dann wird er das!«, schrie der Tränkemeister, drehte sich um und stürmte zur Tür, dann blieb er stehen und sah noch einmal zu Dumbledore.
»Er ist verschwunden und wenn er sich etwas angetan hat, dann mache ich Sie persönlich dafür verantwortlich«, sagte er kalt und verschwand aus dem Büro.
Nun rannte Severus wirklich. Wo konnte Harry stecken? Er suchte auf dem Astronomieturm und in leeren Klassenräumen und Kammern, aber er war wie vom Erdboden verschluckt. Es hatte keinen Sinn, alleine weiter zu suchen. Er lief wieder in die Kerker und in seine Wohnung. Blaise und Draco waren noch immer alleine und der Lehrer rieb sich die Augen.
»Wo ist er?«, wollte Draco sofort wissen.
»Ich weiß es nicht. Dumbledore hat ihm gesagt, dass er im Sommer zurück zu seinen Verwandten muss und nun ...«
»Was?«, rief Blaise.
»A-Aber ... Onkel Sev, er wird doch nicht ...«, Draco schluchzte. Sofort legte Severus ihm einen Arm um die Schulter.
»Keine Sorge, wir finden ihn«, sagte er.
»Was machen wir denn jetzt?«, wollte Blaise wissen.
»Wir trommeln die Slytherins zusammen und suchen das Schloss und die Ländereien ab. Irgendwo muss er sein«, sagte Severus energisch und hoffte, dass es nicht zu spät war.
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