Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

VIII - Rotwein

~oOo~

"You cannot love her," They whisper. "For it is a sin."

~~~~

Eine Stunde war nun schon vergangen seit Adrienne das Büro der Oberin verlassen hatte. Sie saß noch immer unter dem Fenster, der Regen topfte auf sie nieder, vermischte sich mit den Tränen, welche glühend ihre Wangen hinunterliefen. Ihr Kopf schmerzte noch immer, ein stechendes, pulsierendes Gefühl, welches unaufhörlich sich zu intensivieren schien. Ihre Gedanken hingen bei Dumais Aussage ‚Bedeutet dir ein Kuss auf die Hand wirklich mehr als ein Kuss der Lippen?'. Welch unsinniges Gleichnis, dachte sie sich. Auch Manuela hatte sie geküsst, vor acht Jahren, als sie ihr die Rolle des Romeos näherbringen wollte. Wie ignorant sie damals gewesen war sich einzureden, das Kind habe sie nur in Erfüllung seiner Rolle geküsst. Sie hätte es sehen sollen, genauso wie sie hätte bemerken sollen, dass Adrienne das Auftauchen Manuelas als ein Angriff auf ihr Monopol sah, welches sie glaubte zu haben.
Sie senkte den Kopf und observierte langsam den Raum. Frau Oberin... Sie erinnerte sich noch gut, dass sie glaubte all ihre inneren Probleme würden sich in Luft auflösen, würde sie erst einmal eine Stellung beziehen, welche ihr genügend Distanz zwischen sich und anderen jungen Damen brachte. Sie glaubte, sie würde sich aufhören diese quälenden Fragen nach gesellschaftlicher Akzeptanz und Regelkonformität zu stellen. Dieser Plan war schon an ihrem ersten Tag als Oberin zersprungen wie fallengelassenes Glas.
Die Kaiserin persönlich war letztes Jahr zu ihrer Ernennung im Stift erschienen, zusammen mit den Broschen, welche nun jede ihrer Lehrerinnen trug. Auch Manuela und Adrienne trugen die kleine Spottdrossel über ihrem Herzen. Sie erinnerte sich gut, wie die Kaiserin mit unvergleichlicher Eleganz ihr die Hand gegeben hatte, sie aus ihrem Hofknicks erhob, um ihr dann die Broschen zu überreichen. ‚Auf eine lange und glückliche Zeit, Frau Oberin von Bernburg', hatte sie damals gesagt. Aus ihrem kaiserlichen Mund klang das Wort der Oberin so klein und unbedeutend, dennoch hatte Elisabeth den Titel nie mit mehr Respekt im Ton gehört als von ihr.
Offiziell war an der Erscheinung der Kaiserin nie etwas gewesen, dass jemand hätte vermuten lassen, sie würde einen ihrer Untertanen mehr lieben als den anderen. Für alle schien sie wie eine Mutter zu sein. Die Mutter des Reiches in welchem sie lebten. Hinter verschlossenen Türen aber hatte sie durchaus ihre Art zu zeigen, wenn sie jemanden bevorzugte...

[Potsdam, Frühjahr 1917 – der Abend nach der Ernennung der Oberin]
„Ich kann das wirklich großzügige Geschenk eurer Hoheit nicht annehmen", sprach Elisabeth und sank in einen tiefen Knicks während die Kaiserin sich auf den Stuhl vor Elisabeths neuem Schreibtisch sinken ließ, auf welchem in einem Behältnis aus Glas, gemarkt mit dem Wappen der kaiserlichen Familie, gebettet auf beigem Samt, die Broschen lagen, welche ihr vorhin feierlich überreicht worden waren. Ein schelmisches Lächeln stahl sich für einen winzigen Moment auf die kontrollierte Mine der Kaiserin. „Sie können und werden, Elisabeth", ihr über alles erhabene Blick fixierte Elisabeth kurz bevor sie weitersprach: „Und jetzt erheben Sie sich doch bitte, ich möchte mich mit Ihnen unterhalten. Es ist einige Zeit her, dass ich von Ihnen hörte" Über all die Zeit, welche vergangen war, hatte Elisabeth vollkommen vergessen, welche unfassbare Wirkung die Stimme der Kaiserin auf sie ausüben konnte. Sie war in jedem Belang königlich und doch so zuvorkommend. Die neue Oberin erhob sich und nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz, welcher sich für sie noch immer so ungewohnt anfühlte. Etwas unsicher sah sie in die kristallblauen Augen der Frau vor ihr. „Sagen Sie mir, können Sie erahnen, warum ich die Spottdrossel wählte?", fragte sie, die Hände ordentlich mit weißen Handschuhen verdeckt im Schoß gefaltet. Mit ihren glänzend weißen Haaren in dem beigefarbenen Kleid, den stechend blauen Augen und der hellen Haut, sah die Kaiserin fast wie eine heilige Erscheinung aus. Elisabeth nickte langsam: „Als Ihr mich in dem Jahr, indem ich den Hof verließ, zu einem Tee zu Euch batet flog eine Spottdrossel in den Palast, obgleich alle Fenster geschlossen waren. Sie hatte sich dann auf den Tisch gesetzt und das Gebäck gefressen", bei der Erinnerung daran mussten beiden Frauen schmunzeln. „Ganz recht, meine Liebe. Ich möchte, dass Sie immer sind wie dieser Vogel, Elisabeth. Getrauen Sie sich Dinge, welche zu Beginn unmöglich scheinen, vergessen Sie dabei aber nie, wer Sie im Innersten sind". Fasziniert von ihren Worten sah Elisabeth hinab auf die Broschen. Die Kaiserin beobachtete sie dabei. „Wenn Sie mich fragen, Fräulein, dann hätten Sie es schon sehr viel früher zur Oberin bringen können. Ihr plötzlicher Schulwechsel verzögerte das jedoch. Zu meinem Bedauern, wie ich anmerken darf". In der Brust der jüngeren bildete sich ein schmerzhafter Knoten. „Ich verließ den Stift aus freien Stücken, Hoheit. Die Oberin und ich hatten zu verschiedene Vorstellungen", sie drehte ihren Kopf leicht zur Seite, antwortete in der Hoffnung das Thema würde fallengelassen. „Natürlich. Manuela von Meinhardis muss für große Zerwürfnisse zwischen ihnen beiden geführt haben". Überrascht sah Elisabeth zurück in das Gesicht der Kaiserin, welche nur weise lächelte. „Ihr wisst davon...", es war keine Frage, die Elisabeth stellte und die Ältere wusste das. „Ich weiß Vieles, besonders, wenn es sich um zwei Damen handelt, die in meinen Diensten waren oder sind". Elisabeth senkte den Blick in Gedanken. Ihr leichtes Lächeln schien der Kaiserin aufzufallen. Beide schienen gerade an dasselbe zu denken. Aus ihrer geraden, eleganten Haltung heraus sah sie Elisabeth an. „Was war der wahre Grund für Ihr gehen, Elisabeth? Sie sind niemand der einfach wegen einer Auseinandersetzung über eine Schülerin den Konvent verlässt, dafür sind Sie zu ehrgeizig". Und schon war die innere Anspannung um ein Vielfaches zurück. „Hoheit, ich...", sie wurde von der Kaiserin unterbrochen, welche lässig die Hand hob. „Ich bin mir sicher, Liebes, mein Name ist Ihnen bekannt. Verwenden Sie ihn bitte, wir sind nicht bei Hofe". Etwas verdutzt schluckte Elisabeth den Kloß in ihrem Hals herunter und versuchte den durchdringlichen Blicken der Kaiserin standzuhalten. „Ich möchte Euch nicht erbosen, Auguste und noch weniger als das möchte ich dem Ruf von Meinhardis schaden" Auguste-Viktoria hob eine Braue. „Meine Tochter erzählte mir, das Mädchen habe bei ihrem Besuch im Stift fürchterlich blass ausgesehen. Hat das etwas damit zu tun?" Der eindringliche Blick der Hoheit ließ Elisabeth keine Wahl. „Wie Ihr vielleicht wisst, starb die Mutter des Kindes nur kurz vor ihrem Eintritt in den Stift. In ihrer emotionalen Einsamkeit begann sie wohl sich Gefühle und Emotionen einzubilden und diese zudem falsch zu deuten". Die Kaiserin lächelte mild. „Armes Kind. So verzweifelt, dass es sich Liebe einbildet. Ich nehme an, diese Liebe projizierte sich auf Sie?" „Ganz richtig". Für einen Moment war es still. „Und wie stand es um Sie?" Die Frage schockierte Elisabeth zutiefst. So sanft sie auch versucht hatte zu umschreiben und abzumildern was passierte, so hatte die Kaiserin es doch genauso verstanden, wie es gewesen war, doch diese Frage..."Mit Verlaub, Auguste, Ihr glaubt doch nicht, ich hätte Gefühle dieser Art für ein Kind gehegt". Die Kaiserin hob verteidigend die Hände als sie den leicht entrüsteten Ton in der Stimme der Oberin hörte. „Nicht doch. Verzeihen Sie mir, diese Frage war taktlos. Wie alt war Meinhardis zu diesem Zeitpunkt?" „Vierzehn", antworte Elisabeth nach einer kurzen Pause. „In diesem Alter sind Gefühle etwas sehr Dehnbares in den Köpfen der Kinder. Sie können Zuneigung von romantischer Liebe nicht unterscheiden, das wissen Sie ja selbst". Erneut fixierte die Kaiserin Elisabeth mit ihren blauen Augen, welche dieses Mal nicht standhalten konnte.
„Wie viele Jahre liegen zwischen uns, Elisabeth?", fragte sie ruhig nach einer kurzen Pause. „Achtzehn, euer Hoheit" „Und wie viele zwischen Ihnen und Meinhardis?". Elisabeth überlegte kurz. „Zwanzig Jahre". Zufrieden nickte die Kaiserin. „Junge Frauen suchen sich immer Halt an Frauen, welche sie bewundern. Sie sehen zu ihnen auf, kämpfen um die Aufmerksamkeit. Natürlich spielen die Emotionen der jungen Mädchen verrückt". Unauffällig wanderte der Blick der Kaiserin an der Jüngeren kurz auf und ab, bevor sie sich langsam erhob, Elisabeth tat es ihr gleich. Mit einer Handgeste befahl die Kaiserin Elisabeth vor sie zu treten. „Kinder entwickeln sich und haben schwierige Zeiten, aber jede von Ihnen wird einmal eine Frau werden, die ihr Land stolz macht", die Kaiserin öffnete das gläserne Behältnis, nahm eine der Broschen heraus und steckte sie direkt über Elisabeths Herz als sie sprach: „Und wenn Sie zweifeln, meine Liebe, dann sehen sie nur in den Spiegel", lächelnd nahm sie das Gesicht der Jüngeren in ihre Hände, "Trotz kleinen Unklarheiten und Verirrungen in der frühen Jugend, haben Sie sich dennoch zu einer ganz hervorragenden Frau entwickelt, auf welche ich und unsere Gesellschaft nur stolz sein können". Sie ließ von Elisabeth ab und reichte ihre eine Hand, welche sie annahm und in einen Knicks sank. „Auf Wiedersehen, Elisabeth.", sie umfasste mit ihrer Hand Elisabeths Gesicht, „Ich hoffe, ich werde noch Großes von Ihnen hören".

[1918, Potsdam, Büro der Oberin]
Als die Vergangenheit langsam vor ihren Augen verblasste, konnte Elisabeth nicht anders als erneut in Tränen auszubrechen. Wie hart hatte sie doch versucht eine Frau gesellschaftlicher Norm zu sein. Eine Frau, auf welche die Gesellschaft stolz sein konnte, doch war sie das überhaupt je gewesen? Wie lange keimte diese teuflische Saat schon in ihr? Hätte sie sie ersticken, ausmerzen können, bevor sie so groß und unbändig wurde?
Sie vergrub ihre Hände in ihren Haaren, während der Regen von draußen auf sie niederfiel. Mit zitternden Beinen stützte sie sich an der Wand hoch, blickte auf ihren Schreibtisch, auf die Zeitung dort. Sie trug den Stempel des vergangenen Tages, des 9. Novembers 1918. Ihr Blick flackerte zur Decke, ihre Lippen formten ein stummes Gebet. Das Kaiserreich war gefallen, niedergetreten von seinem eigenen Volk. Eine Republik ausgerufen aus zweierlei Mündern. Der eine proklamierte Frieden, der andere den Beginn einer Revolution. Die Krone war gefallen in eine Menge deren Köpfe getränkt von Hass und Hunger die Köpfe der kaiserlichen Familie forderten. Der Krieg war vorbei.
Elisabeth wankte zu ihrem Schreibtisch, wo ein Bild der Kaiserin stand. Einen Moment lang betrachtete sie das Portrait emotionslos mit getrockneten Tränen auf den Wangen, sah in die Augen der Frau, welche ihr die härteste Lektion von allen gelehrt hatte: Liebe hatte nichts mit Freude zu tun. Liebe war Schmerz und die kurzweilige Illusion von Glücklichkeit. All die Jahre hatte Elisabeth versteckt, wer sie war, wollte sich selbst jetzt in Anblick eines neuen Zeitalters, wollte sie sich nicht eingestehen was sie fühlte, wie ihr Herz, ihre Seele beschaffen war und das alles dank einer Frau, welche sie lehrte, dass die Wege des Herzens unergründlich waren.
Sanft fuhr sie mit ihren Fingern über den Rahmen des Bildes bevor sie ihn griff und den Rahmen mit dem Foto nach unten umklappte. Ein Schauder durchfuhr sie als ein Windstoß vom Fenster her sie erfasste. Erst jetzt fiel ihr auf, dass ihre Bluse nass war von dem nächtlichen Regen. Sie richtete sich gerade auf, sog zittrig die Luft ein, ließ sie ihre Lungen füllen. Ablenkung. Sie brauchte Ablenkung. Mit schnellen Schritten trat sie in ihr Zimmer, sie fühlte sich eingeengt in ihrer Kleidung als würde die Bluse selbst ihr die Luft abschnüren. Mit zittrigen Händen öffnete sie hektisch die Knöpfe am Hals ihrer Bluse und sank für einen Moment in den Sessel nieder, welcher sich in ihrer Nähe befand. Sie fand keine Ruhe, also erhob sie sich, öffnete einen Schrank und griff wahllos nach einer der Weinflaschen, welche sie dort lagerte. Sie trank nicht oft, aber es gab Abende, die es förmlich verlangten. Ein Glas nur, ein einziges. Rotwein beruhigte die Nerven. Zumindest hatte das ihre Mutter immer gesagt, wenn sie abends die Kristallkaraffe mit der roten Flüssigkeit auf den Tisch stellte.
Mit leicht zittrigen Händen goss sich Elisabeth ein Glas des Edelgetränkes ein und ließ sich langsam und besonnen wieder in den Sessel sinken. Ihre Gedanken wirbelten umher. Von ihrer Zeit bei Hof, zu ihrer Zeit im Marienstift in Potsdam und zu ihrer Zeit hier. Alles war so unbegreiflich, so unorthodox. Es war als würde ihr ganzes Leben schon etwas in ihr hausen, etwas, wie eine Blume, welche sich öffnen wollte und doch nicht konnte, weil kein Sonnenlicht sie je erreichte. Mit einem tiefen Atemzug nahm die Oberin einen Schluck aus dem Glas. Ihr Blick war leer an die Wand ihr gegenüber gerichtet. Was war diese Blume? War es zurückgehaltene Wut? Nein, dafür machte sie das Gefühl zu nervös, dafür war es zu unbekannt. Sie wusste es mit nichts zu vergleichen. Es war aufgetaucht, wann immer sie Paare gesehen hatte. Wenn ein Herr seiner Gattin die Hand küsste, doch war es dann nicht warm, sondern eher eisig, als fürchte sie sich davor. War das Gefühl Liebe? Aber warum war es ihr dann so fremd? Sie liebte doch. Sie liebte die Kinder, sie hatte ihre Mutter geliebt, ihren Vater, aber nein, das war andere Liebe. Wieder nahm sie einen Schluck, schwenkte den Wein in seinem Glas. Sie kannte die Antwort auf die Fragen, die sie sich stellte. Sprich es aus, verlangte die Blume, sei ehrlich zu dir selbst. Elisabeth lehnte sich zurück, schloss die Augen. Du weißt welches Gefühl. Ignoriere es nicht.
Romantische Liebe. Unkonventionelle romantische Liebe. Liebe für Frauen, für die Damen der Gesellschaft. Sie hatten Elisabeth schon immer fasziniert mit ihren bunten Kleidern und geschnürten Silhouetten. Mit ihren langen Haaren, die über ihre Rücken fielen, wenn sie die hohen Frisuren lösten. Mit ihren sanften Gesichtern und leuchtenden Augen. Mit ihren stolzen Haltungen und von Handschuhen bedeckten Händen. Sie sah den Frauen nach mit ihren rot bemalten Lippen und den erröteten Wangen. Sie liebte, wie Frauen sich aufrecht hielten, den Raum einnahmen ohne jede Gewalt oder laute Stimme, sie liebte es wenn sie ihr etwas zuflüsterten. Es bereitete ihr eine wohltuende Gänsehaut, ließ ihr Herz schneller schlagen. Frauen hatten eine Sanftheit an sich, die Männer nie erreichen würden, nicht mit all der Übung der Welt. Sie waren ungestüm, ungeduldig. Frauen wussten zu umgarnen, zu spielen, mit Blicken zu reden, ohne dass ein Wort ihre roten Lippen verließ. Sie bewunderten auf eine Art, welche purer und ehrlicher nicht sein konnte. In den Blicken der Männer war Hast und Lust. In denen von Frauen Leidenschaft und Vergötterung. Sie sahen den weiblichen Körper nicht als Gegenstand, den man vor anderen zu Schau stellte, sondern als von Göttern geschaffenes Kunstwerk mit all seinen Kurven und all seiner Eleganz.
Während sie nachdachte, füllte das Fräulein ihr Glas erneut. Sie fühlte, wie ihre Wangen warm wurden, wie der Alkohol sich in ihrer Blutbahn ausbreitete. Sie empfing das Gefühl mit offenen Armen, ließ sich darin fallen, wie in die Arme einer Liebhaberin. Liebhaberin... Sie wiederholte das Wort langsam in ihrem Kopf. Ein wahrlich sexuelles Wort. Sex. O, wie war dieses Thema in der Gesellschaft verpönt. Besonders für Frauen. Keine Frau schien etwas darüber zu wissen und doch sah man es in jedem Blick, wenn der Wein über ihre Lippen floss.
Elisabeth holte tief Luft. Warm. Ihr war sehr warm geworden. Ruckartig stand sie auf und knöpfte sich die Bluse auf, zog sie aus und warf sie auf ihr Bett, es folgte kurz darauf ihr Überrock. Ein Winterrock, er war zu warm. Etwas zerstreut von ihren Gedanken lief sie durch ihr Zimmer, kam vor ihrem Ganzkörperspiegel zum Stehen. Es war dunkel, sie konnte sich nicht erkennen, aber etwas in ihr schien ihr zu befehlen sich anzusehen. Die Blume. Und sie konnte fühlen, dass sie sich leicht geöffnet hatte. Sie legte eine Hand über ihr Herz, welches ruhiger, aber kräftiger schlug und mit einer Hand auf ihrem Busen, das Gefühl in ihrem Inneren größer werdend, begann sie Kerzen anzuzünden. Der Raum erleuchtete in goldenem Licht, tauchte alles in eine angenehme Wärme. Wieder griff Elisabeth nach dem Weinglas und trat vor den Spiegel. Sie sah an sich herab. Das rote Korsett, der weiße Unterrock, ihre helle Haut, die dunklen Haare, welche in der Dimmrigkeit des Zimmers keine grauen Strähnen zu besitzen schienen, ihr Gesicht schien wieder das einer jungen Frau. Sie nahm einen großen Schluck des Weines. Das Korsett war ein Geschenk gewesen. Ein Geschenk der Kaiserin. ‚Es unterstreicht Ihren Charakter, Fräulein. Elegant und Edel.'
Langsam fuhr Elisabeth mit ihrer freien Hand die Stickereien auf dem Korsett nach. Es hielt Erinnerungen, welche sie verdrängen wollte. Sie war es gewesen, die sie das erste Mal auf diese Seite von sich aufmerksam gemacht hatte. ‚Was sehen Sie, wenn Sie mich ansehen, Elisabeth?', hatte sie gefragt, hatte ihr Gesicht in ihre Hände genommen. ‚Eine Göttin', hatte sie geantwortet, ohne dass es ihr bewusst gewesen war, was für eine Tragweite diese Worte haben würden. Das Lächeln der Kaiserin war wissend gewesen, das Gefühl ihrer Lippen auf ihren eigenen, ein einmaliges Ereignis.
Mit einem Mal liefen Tränen über die Wangen der Oberin. Sie hatte sie verlassen. Hatte ihr die eisige Schulter gezeigt und doch jedem zu verstehen gegeben, sie sei die beste Lehrerin, die der Hof je hatte. Sie hatte ihr das Herz gebrochen und plötzlich wurde Elisabeth klar: Frauen wie sie waren nicht etwas, worauf die Gesellschaft stolz war. Frauen wie sie wurden versteckt. Ein erstickender Schrei verließ ihre Kehle. Sie ließ das Glas fallen, es zersprang. Die rote Flüssigkeit tränkte ihre Füße, den Saum ihres Unterrockes. Sie krümmte sich, der Schmerz in ihrem Herz war groß, brachte sie zum Schluchzen. Die Angst kochte in ihr auf es würde sich wiederholen. Frauen wie sie wurden weggesperrt. Frauen wie... wie Manuela.
Wo kam sie auf einmal her? Plötzlich war Elisabeths Kopf voll von ihr, von Manuela. Dieses Kind, welches auf einmal zu einer Frau von Eleganz und Würde geworden war, welche sich aufrecht hielt, ihre Augen auf sie richtete. Elisabeth raufte sich die Haare. Was war nur los? Warum gerade jetzt? Ein erneuter kurzer Schrei verließ ihren Mund. Nicht wissend, wohin mit ihren Emotionen, mit der Trauer und der sich gleichzeitig zu öffnen scheinenden Blume, griff sie nach der Weinflasche und schleuderte sie mit all ihrer Kraft gegen die Wand. Das darauf ertönende Geräusch war so laut, dass es die Oberin aus ihrer emotionalen Trance holte. Schockiert über sich selbst stand sie da, betrachtete die Unordnung. Tränen liefen ihre Wangen hinunter. Könnte sie jemand gehört haben? Geistesabwesend griff sie nach der Scherbe mit dem Wappen der Hohenzollern, ließ sie aufgewühlt in ihren Sessel fallen. Sie zitterte und gleichzeitig war in ihrem Bauch eine liebliche Wärme. Manuela... Diese Frau war anders als das Kind, welches sie zurückgelassen hatte. Sie war hinreißend, liebevoll, anziehend. Mit geschlossenen Augen erinnerte sich Elisabeth an den ersten Handkuss, welchen Manuela ihr gab. Sie erinnerte sich, wie sie nach Luft schnappen musste, wie ihr Herz einen Schlag austat.
Das Geräusch der sich öffnenden Bürotür holte Elisabeth zurück aus ihren Tagträumen. Sie sah wie Manuela den Raum betrat, sich umsah und zum Fenster lief. Sie war hier... Am liebsten wäre sie aufgesprungen, doch sie hielt sich zurück, holte tief Luft und sprach: „Man hat mich also doch gehört". Es dauerte einen Moment, doch dann erschien Manuela im Türrahmen. „Elisabeth".

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro