Mitternachtsgespräch
Als ich das nächste Mal meine Augen öffne, fühle ich mich schon besser. Das Zelt wird nur von einer kleinen Öllampe erhellt, welche allerdings genügend Licht spendet, dass ich meine Umgebung gut erkennen kann.
Neben mir liegt Nephlimian, seinen schmalen Körper nur unter einer dünnen Decke zusammengerollt, während ich in mindestens drei Decken eingehüllt bin, was mich wieder zu meiner Anfangsfrage zurückbringt. Warum tut er das? Sein schmaler Körper zittert in der Kühle der Nacht.
Langsam kommen mir die Ereignisse der Vortage in den Sinn. Das Gespräch mit Rowan fällt mir wieder ein. Ich soll das Königreich zu neuer Größe führen und Nephlimian soll mir helfen, genau wie Elide Nezryn auf seinem Weg hilft, aber was wenn ich versagte? Was wenn ich nicht stark genug bin um ihre Hoffnungen zu erfüllen? Seufzend reibe ich mir die Augen.
Auch wenn es mir schon besser zu gehen scheint, fühlt sich mein Kopf noch immer zu schwer zum Denken. Doch kann ich keinen Schlaf mehr finden, deshalb drehe ich mich stöhnend so um, dass ich Nephlimian beobachten kann.
Auch wenn ich ihn erst seit wenigen Tagen kenne, gibt mir sein Anblick eine ungewöhnliche Sicherheit und Vertrautheit. Irgendwoher kenne ich ihn und ich hoffe mir fällt bald ein wo her. Ich spüre eine unbändige Anziehungskraft von ihm ausgehen, auch wenn wir uns gerade erst kennengelernt haben, fühle ich mich einerseits als würde ich ihn schon ewig kennen, andererseits will ich alles über ihn wissen.
"Ihr starrt schon wieder eure Hoheit" nuschelt mein Gegenüber und blinzelt mir zu. "Tut mir leid, ich kann nicht mehr schlafen." flüstere ich zurück und Nephlimian setzt sich auf. "Ich werde das Licht löschen, dann könnt ihr bestimmt bald weiter schlafen." meint er und steht auf um das Licht zu löschen, danach setzt er sich wieder neben mich. "Ihr solltet versuchen zu schlafen eure Majestät." Seine schmalen Finger liegen auf meiner Stirn und wandern hoch um mir durchs Haar zu fahren. Langsam und stetig fahren mir seine Finger durchs Haar.
"Warum tust du das Alles für mich?" frage ich flüsternd. "Sch...sch...es ist alles in Ordnung, schlaft mein Prinz. Ich passe auf euch auf." erwidert er ausweichend, müde lege ich meinen Kopf auf seinen Schoß und schließe die Augen und wieder hüllen mich seine sanften Finger und Stimme ein. Es fühlt sich so vertraut an und so richtig, ihm so nahe zu sein. Als würde ich zum ersten Mal in meinem Leben verstehen, was es heißt sich sicher zu fühlen.
[...]
"Guten Morgen kleiner Bruder." weckt mich am nächsten Morgen Nezryns sanfte Stimme. "Du siehst viel besser aus, dein Glück das Nephlimian dir so zugetan ist, jeden anderen hätte er vermutlich sterben lassen." fügt er hinzu und lächelt zu mir herab, als ich die Augen aufschlage. "Ich hab dir Essen mitgebracht." Wie zur Bestätigung seiner Aussage hält er mir einen Teller mit gut riechender Suppe unter die Nase und ich nicke dankbar, bevor beginne hungrig zu Essen.
"Also, Rowan hat dich vermutlich in alles eingeweiht, auch wenn du zu diesem Zeitpunkt halb ohnmächtig warst. Ich will nur, dass du weißt, dass du nicht allein bist. Sowohl Elide, als auch ich werden dich nach allen Kräften unterstützen. Rowan wird dir ein treuer Berater sein und Nephemia, die Heilerin, die dich zusammen geflickt hat, wird dich auch unterstützen und dann ist da noch Nephlimian, der wird vermutlich nur noch auf Befehl von deiner Seite weichen." sagt mein Bruder und lacht belustigt. Ich seufze. "Was wenn ich es nicht schaffe?" frage ich, während ich weiter die Suppe löffle. "Mach dir keine Sorgen, du musst es nicht allein schaffen. Wir werden, dass zusammen durchziehen." erwidert er ohne meine Frage direkt zu beantworten und legt mir eine Hand auf die Schulter. Ich nicke und reibe mir den Kopf.
"Danke...warte...wo...wo..." setze ich an. "Ist dein neuer Wachhund?" unterbricht mein Bruder mich lächelnd. "Er ist trainieren, aber versprich mir nicht zu sabbern." "Warum sollte ich?" gebe ich kopfschüttelnd zurück. "Weil es zwischen den Herren und den für sie ausgewählten Wachhunden eine Verbindung gibt. Eine tiefe Anziehung, der sich keiner entledigen kann. Sieh zum Beispiel Nephemia und Rowan, sie ist eine Zauberin und er ihr Herr. Beide sind seit ihrer Begegnung zusammen, auch wenn du an sowas nicht glaubst, diese Verbindungen gibt es.
Doch Zauberer ohne Herren sind gefährlich und tödlich. Meist sterben sie mit oder für ihre Herren, doch manchmal überleben diese Seelen und wenden sich der Dunkelheit zu....aber das ist jetzt egal." unterbricht sich mein Bruder und scheint seinen Faden wieder zu suchen. "Ach ja, wir waren bei Zauberern und ihren Herrn. Elide ist auch ein Zauberer, wenn auch kein sehr mächtiger und ich bin sozusagen sein Herr, naja und unsere Beziehung kennst du ja." Ich nicke, langsam wird mir die Situation klarer. "Ich bin Nephlimians Meister willst du damit sagen?" frage ich nachdenklich nach und er nickt und klatscht in die Hände wie ein kleines Kind.
Meint mein Bruder damit dieses unbändige Vertrautheit die ich zu ihm verspüre? Dann streckt er mir die Hand entgegen. "Komm, ich will jetzt eure Liebesgeschichte weiter verfolgen, ach und außerdem will Rowan dich nochmal zur Besprechung sehen." meint er und lächelt breit.
So geschieht es, dass ich wenige Minuten später erneut im großen Zelt sitze. Neben mir mein Bruder mit Elide auf dem Schoß und mir gegenüber Rowan, neben dem eine schlanke Frau mit langen silbernen Haaren und eisblauen Augen, die mich sehr an Elides erinnern, sitzt und vermutlich Neuphemia, die Heilerin, ist.
Nur von Nephlimian, den Nezryn so liebevoll als meinen Wachhund bezeichnet, scheint noch nicht hier zu sein. "Wo bleibt dieser Zauberer?" brummt Rowan, gerade als sich die Zeltplane hebt und Nephlimian hereintritt. Seine langen schwarzen Haare beginnen sich aus seinem losen Zopf zu lösen und fallen ihm über die Augen, sein Hemd ist an einigen Stellen gerissen und gibt den Blick auf einige schmale Narben frei. "Hey, du starrst." flüstert mir mein Bruder belustigt ins Ohr und ich werde schlagartig rot. "Entschuldigt die Verspätung Sir Rowan." bricht der Neuankömmling das entstehende Schweigen und neigt kurz sein Haupt, bevor er sich neben mir nieder lässt und Rowan erneut zu sprechen beginnt.
"Also, wir erhielten gestern einen Brief aus dem Schloss. Er erbittet die Rückkehr von euch beiden, der König beteuert sein Bedauern. Auch bietet er euren Leibwachen freie Hand und umfassende Informierung bei eurer Rückkehr." sagt der Anführer der Rebellen und reicht Nezryn den Brief. "Freie Hand, wir sind schneller wieder im Kerker, als wir 'königliche Hoheit' sagen können, wenn wir nicht aufpassen." schnaubt Nephlimian und lacht höhnisch. Alle Anwesenden nicken zustimmend. "Ich denke, es ist trotzdem das Klügste, wenn wir zurückkehren, sonst schöpft er Verdacht." erwidert Nezryn und Nephlimian nickt. "Das habe ich auch gar nicht anders gemeint, wir müssen nur sehr vorsichtig sein." Rowan nickt. "Also ist es beschlossen." stellt mein Bruder nachdenklich fest und alle sehen mich an und ich nicke zustimmend. "Wir sollten noch eine Zeit lang sein Spiel spielen, bevor wir uns seiner entledigen." sage ich und Rowan klatscht kurz in die Hände.
"Gut, dann brecht ihr am nächsten Morgen auf. Neph und Eli, ich erwarte einen wöchentlichen Bericht und passt gut auf euer Herren auf." fügt er hinzu und beide Zauberer knien sich vor ihren Anführer. "Natürlich Sir." antworten sie im Chor und wir verlassen das Zelt. "Was für eine verrückte Woche." murmle ich, als wir wieder ins Sonnenlicht treten.
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