Gelüftete Geheimnisse
Müde blicke ich mich in dem alten etwas eingestaubten Raum um, der früher wohl mal ein Salon gewesen sein wird. In der Feuerstelle prasselt ein kleines Feuer, Nezryn schläft neben Elide unter einigen Decken zusammengerollt am anderen Ende des Raums und mit dem Kopf auf meinem Schoß liegt ein schlafender Nephlimian, der völlig entkräftet zu sein scheint.
Doch langsam regt er sich in meinen Armen und blinzelt zu mir hoch. "Hey..." flüstert er und lächelt schief. "Hey, wie geht es dir?" frage ich leise und helfe ihm sich aufzusetzen. "Ging mir schon besser, aber mir ist während ich weg war, einiges klar geworden." erwidert er und lächelt müde, während ich ihn abwartend ansehe. "Ich habe überlegt, dass ich dir das Meiste aus meiner Vergangenheit und meine Beweggründe erzählen sollte, damit du meine Reaktionen verstehen kannst." Langsam ziehe ich ihn in meine Arme und lege ihm eine Decke um die Schultern. "Erzähl, ich werde dir zuhören." murmle ich und er lehnt den Kopf an meine Schulter.
"Also..." beginnt er stockend "Ich entstamme aus einem alten Adelsgeschlecht, mein Vater ist im Krieg gefallen, als ich noch ein kleiner Junge war, meine Mutter starb einige Jahre später. Wie du dir vielleicht schon gedacht, sind wir hier in meinem Elternhaus." sagt er, als ihn ein Hustenanfall unterbricht und sehe ich ihn aus einer Mischung aus Schock und Sorge an. "Kurz vor ihrem Tod, schickte meine Mutter einem alten Freud, nämlich Sir Rowans Vater, einen Brief, mit der Bitte mich aufzunehmen. Doch der Brief erreichte nur seinen Sohn und trotzdem er damals schon im Wald bei den Rebellen lebte, nahm er mich sehr freundlich in seiner Familie auf, wofür ich heute noch sehr dankbar bin. Elide wurde schon bald wie ein Bruder für mich und Rowan ein treuer Freund. Ich verdanke ihnen alles, deshalb zögerte ich vor vier Jahren nicht, mich festnehmen zu lassen, um Elide zu befreien." seine Stimme verliert sich langsam im Raum und er starrt stumm vor sich hin, während er an der schmalen Kette um seinen Hals spielt. Anscheinend ist er in den Schatten der Vergangenheit verschwunden.
"Was ist damals passiert?" Hake ich sanft nach und er schreckt zusammen und schüttelt sich kurz. "Es war damals kurz nach der Zeit in der sich Elide und Nezryn kennenlernten und nunja, der Kronprinz nahm seinen neuen Leibwächter mit aufs Schloss, was euer Vater, der König missbilligte.
Er stellte Elide eine fast unmögliche Aufgabe, dieser sollte aus den Kerkern entfliehen und zu seinem Herrn gelangen, um seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, wenn auch seine Zauberkräfte ausreichten, um die schrecklichen Foltern des Kerkers auszuhalten, so reichten sie nicht um diesem zu entfliehen. Also ließ ich mich gefangen nehmen und foltern, bis ich ihn endlich in den dunklen Verliesen fand, misshandelt und schwach. Ich weiß noch genau, wie ich neben ihm kniete und seine Verletzungen versorgte, ihn dann einfach hochhob und aus dem Kerker marschierte. Es tut mir bis heute nicht leid, die Wachen ausgeschaltet zu haben und schnurstracks zu Nezryn marschiert zu sein. Sie waren so glücklich und ich verschwand einfach.
An dem Tag schwor euer Vater mir Rache und ich schwor ihm, dass ich mithelfen würde dieses Reich zu befreien." wieder bricht er ab und Tränen schimmern in Nephlimians Augen. Vor meinem inneren Auge sehe ich das Bild, eines schmalen dreizehn jährigen Jungen, der seinen Freund neben sich, durchs Schloss humpelt, bis zum Zimmer meines Bruders. Ich stelle mir vor wie Nezryn und Elide sich in den Armen liegen, ähnlich wie Neph und ich jetzt, vier Jahre später, stelle mir vor, wie Neph mit blutiger Hand einfach die Tür schließt und in die Nacht entflieht, wie ein Schatten. Dunkel erinnere ich mich wie mein Vater tobte, als bekannt wurde, dass Elide seine Prüfung bestanden hatte und nun die neue Leibwache meines Bruders werden würde, getarnt als ein einfacher Diener.
Müde kuschelt sich Nephlimian näher an mich und ich sehe lächelnd zu ihm herab. "Danach kundschaftete ich das Schloss aus und folgte dir damals in den Krieg, auch wenn du mich nie gesehen hast, ich war immer in deiner Nähe." redet er schwach weiter und ich höre ihm zu, wie er von seinen Kriegserlebnissen, dem Leben im Wald, der Befreiung von Dörfern, Kämpfen, Leid und Tod erzählt. Ich höre ihm stumm zu, während er genauer von seiner Zeit im Kerker spricht und von den Leiden die ihm die Männer dort an angetan haben und halte ihn, als die Tränen ihm die Luft abschnüren und er stumm schluchzend in meinen Armen liegt. Jetzt gerade wirkt er so verletzlich, doch ich weiß wie stark er ist.
Ich denke über etwas nach, was mein Bruder mir vor einigen Monaten gesagt hat 'Ob du es glaubst oder nicht, diese Verbindung existiert und du kannst dich ihr nicht entziehen.' Ich spüre sie diese Bindung und weiß eins, ohne Nephlimian an meiner Seite werde ich nicht glücklich werden können.
"Woran denkst du?" reißt mich seine schwache Stimme aus den Gedanken. "Daran, dass ich ohne dich nicht glücklich wäre." antworte ich wahrheitsgemäß und streiche ihm eine seiner schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Und dass du aus deinem alten Hemd raus musst, es ist ganz zerrissen und definitiv nicht warm genug." setze ich sanft hinzu und er nickt langsam. "Es ist aber alles was ich habe, seit ich bei euch auf dem Schloss angefangen habe." murmelt er beschämt. Doch ich lächle nur und ziehe eins meiner Ersatzhemden, aus meiner nahe liegenden Satteltasche und bedeute ihm die Arme hochzunehmen.
Nephlimian kommt meiner Bitte bereitwillig nach und lässt sich von mir das Hemd über Kopf ziehen. Doch auch wenn ich gehofft hatte, dass mich seine Geschichten über seinen Zustand gewappnet haben sollten, so sollte mich sein geschundener und von Misshandlungen gezeichneter Körper eines Besseren belehren. Seine Arme sind mit kleineren Schnitt und Brandnarben übersäht und sein rechtes Handgelenk in einen Verband gewickelt, über seinen gesamten Rücken ziehen sich lange Peitschennarben, einige frischer als andere und auch sein Brustkorb ist von langen weißen Narben überzogen, an seiner linken Schulter ist ein Brandzeichen, ein gebrochenes Schwert, gekreuzt mit einem gebrochenen Zauberstab. Langsam fahre ich mit meinen langen Fingern darüber, meine Lippe zittert und aus meinen Augen bahnen sich die ersten Tränen ihren Weg, die ich seit Jahren vergossen habe. Als ich Nephlimian in mein warmes Hemd hülle und wieder mit der Decke in meine Arme ziehe, schwöre ich mir stumm, dass ich ihn von nun an beschützen werde.
"Ich verspreche dir, es wird nie wieder jemand Hand an dich legen." flüstere ich, als er seinen Kopf auf meiner Brust ablegt. "Danke, mein Prinz." erwidert er und in seiner Stimme schwingt ein liebevoller Unterton mit. Auch wenn ich es Nezryn noch nicht so schnell sagen werde, aber ich glaube ich verstehe, was er mit dieser Verbindung gemeint hat und bin froh, dass ich sie endlich zwischen mir und Nephlimian aufbauen konnte. Nachdem ich ihm noch eine Weile beim Schlafen zugeschaut habe, fallen auch mir langsam die Augen zu.
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