10 - Das Ende
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Allerdings war das Thema nicht so schnell abgehakt, wie es im Podcast wirkte. Als Lia von ihrem Ausflug zurückkam, machte ihr Vater gerade Feierabend und sah sie in dem Moment zur Tür hereinkommen. Doch ihm fiel sofort auf, dass etwas nicht stimmte. Seine sonst so sportliche, lebensfrohe Tochter war ungewöhnlich still und sah nur auf den Boden. Ohne ein Wort zu sagen, ging sie an ihm vorbei. Er beobachtete sie und spürte instinktiv, dass etwas nicht in Ordnung war. „Halt, warte! - Mit dir stimmt doch etwas nicht!" rief er ihr hinterher.
Lia blieb stehen, drehte sich aber nicht um und murmelte nur: „Alles gut."
Natürlich war nichts gut, das wusste ihr Vater genau. Er kannte seine Tochter viel zu gut, um sich täuschen zu lassen. Also trat er näher, legte ihr eine Hand auf die Schulter und sagte ruhig: „Kind, ich kenne dich. ‚Alles gut' bedeutet bei dir nie wirklich, dass alles in Ordnung ist." Bevor sie reagieren konnte, zog er sie sanft mit sich. „Hörst du das auch? Das war Ivy. Sie ruft schon nach dir. Ich habe gehört, Chinchillas merken, wenn etwas mit 'ihrem' Menschen nicht stimmt."
Widerstandslos ließ sich Lia weiterschieben, bis sie schließlich im Wintergarten ankamen. Sie stolperte fast, doch kaum öffneten sie die Tür zum Käfig, sprang Ivy ihr direkt in die Arme. Der Frust, der sich in ihrer Brust gestaut hatte, begann allmählich zu weichen, während sie sich mit Ivy auf die Couch setzte. Ihr Vater schloss den Käfig, während Selena – das andere Chinchilla Weibchen – sich über das Futter hermachte.
Er betrachtete Lia und die beiden Tiere einen Moment schweigend, bevor er sich neben seine Tochter setzte. „Also, was ist los?", fragte er mit sanfter Stimme.
Es dauerte einen Augenblick, bis Lia reagierte. Ihre lockigen Haare fielen ihr ins Gesicht, während sie Ivy gedankenverloren streichelte. Ohne den Kopf zu heben, antwortete sie leise, fast unhörbar: „Ich glaube, ich mache den Podcast nicht mehr weiter."
Ihr Vater hielt inne, runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. Offensichtlich war etwas passiert. „Aha", meinte er nachdenklich, „und warum bist du zu diesem Schluss gekommen?"
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Lia atmete tief durch und erzählte ihm schließlich, was vorgefallen war. Wie sie in ein altes Irrenhaus gelockt wurde, wie sie beinahe über Nacht dort eingesperrt geblieben wäre und wie hilflos sie sich gefühlt hatte, ohne Handy, ohne irgendeine Möglichkeit, jemanden zu kontaktieren.
Ihr Vater legte erneut seinen Arm um ihre Schulter und sie lehnte sich an ihn. „Du weißt, dass ich bei Fremden immer vorsichtig bin, gerade wegen meiner Erfahrungen in der Schule – aber im Podcast? Ich wollte den Zuhörern doch schöne Orte zeigen!"
„Ein Irrenhaus gehört definitiv nicht dazu!", bemerkte ihr Vater trocken.
Da musste Lia sogar ein wenig schmunzeln. „Richtig, nicht wirklich. Aber warum macht man so etwas? Es kam mir fast so vor, als hätte dieser Hörer mir absichtlich eine Falle gestellt. Fast, als wollte man mich dort einsperren."
Sie sah ihn besorgt und ratlos an. „Warum machen Menschen so etwas? Was bringt ihnen das?"
Ihr Vater presste die Lippen zusammen, bevor er antwortete: „Du weißt doch, wie das ist. Je mehr du in der Öffentlichkeit stehst, je populärer du wirst, desto mehr Neider gibt es. Deine Anonymität mag weitgehend gewahrt sein, aber hier in unserer kleinen Stadt wissen die meisten, dass du hinter dem Podcast steckst." Er machte eine kurze Pause und grinste dann schief: „Auch wenn es für mich immer eine Radiosendung bleiben wird."
Lia musste lächeln, doch es verschwand schnell und sie verfiel wieder in einen ernsteren Ton. „Aber wie soll ich den Podcast weitermachen, wenn ich ständig Angst haben muss, dass mir wieder jemand so eine Falle stellt?"
Ihr Vater sah ihr mit ruhigem, sorgsamem Blick in die Augen. „Wer sagt denn, dass du gleich wieder irgendwelche Orte besuchen musst? Du könntest auch einfach eine kleine Pause einlegen – nach diesem Erlebnis wäre das nur verständlich."
Plötzlich setzte Lia sich auf, hielt Ivy sicher in ihrem Arm und sah ihren Vater entschlossen an. „...und ich glaube, ich weiß, was ich machen werde."
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