1 - Ist das Radio?
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„Sooo, es ist wieder Sonntag, fünfzehn Uhr, und ich bin wieder hier!", sagt eine junge, weibliche Stimme in ein Mikrofon.
Doch aus dem Hintergrund ruft plötzlich jemand dazwischen: „Das ist Westernhagen!"
Ein Lachen folgt, bevor sie erneut ins Mikrofon spricht: „Darf ich vorstellen - das war mein Vater. So etwas passiert, wenn man vergisst, die Tür zu schließen!"
„Nimmst du wieder für dieses Internet-Ding auf?", fragt die Stimme aus dem Hintergrund, nun gut hörbar.
„Papa, das ist ein Podcast!", entgegnet sie und steht auf, um die Tür zu schließen, während ihr Vater noch in der Tür steht.
„Ich darf nicht mitmachen, oder? Das ist doch so etwas wie eine Radiosendung!", meint er schmunzelnd, während er sie durch den kleinen, noch geöffneten Spalt ansieht. Lia schließt die Tür langsam weiter.
„Vielleicht irgendwann mal - aber nicht heute!", antwortet sie grinsend und schließt schließlich die Tür. Ihr Vater lacht nur leise und geht davon.
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Wieder vor ihrem Mikrofon, spricht sie mit einem deutlich hörbaren kichernden Unterton: „Tut mir leid, das war nicht geplant! Aber ihr kennt das ja schon - diese kleineren Stimmen aus dem Off."
Grinsend schüttelt sie den Kopf. „Doch bevor ich euch weiter mit meinen Lebenseindrücken auf die Nerven gehe, muss ich etwas loswerden. Ich gestehe, es macht mich tatsächlich ein bisschen verlegen, aber wir haben mit der letzten Folge einen neuen Rekord gebrochen!"
Kurz räuspert sie sich und muss dabei breit grinsen - auch wenn die Hörer das nicht sehen können, ist ihre Freude deutlich zu hören, als sie glücklich weiterspricht: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mit meinem Podcast so viele Menschen erreiche, die mir wirklich gerne zuhören."
„...ich bin einer davon!", ertönt wieder die Stimme aus dem Off erneut.
Lachend fährt sie fort: „Du sollst nicht „heimlich" mithören, ich bin hier live!"
Ihr Vater steht noch immer hinter der Tür. „Dann ist das kein Problem, ich mache das ganz „offensichtlich" - mit dem Handy. Das klappt ziemlich gut über diese App da", stellt er fest, offenbar zufrieden mit seiner Idee.
Sie holt hörbar Luft und wendet sich schmunzelnd an ihn: „Okay, darf ich dann jetzt weitermachen, oder muss ich mir einen schallisolierten Raum mieten?"
Etwas erschrocken merkt er, dass das sein Stichwort war: „Oh, äh, ja, ich glaube, ich habe auch noch - irgendwas - zu erledigen!"
„Gut, dann bis später, Vater!", erwidert sie betont förmlich.
Mit gespielter Ernsthaftigkeit streicht er sich die graumelierten Haare zurück und sagt: „Oh, ja, verehrte Tochter, es wäre mir eine Ehre, wenn Sie uns später mit Ihrer Anwesenheit beglücken würden!"
Ein lautes „PAPA!" schallt durch den Raum.
Doch ihr Vater lacht nur und ruft zurück: „Bin schon weg!"
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Sie richtet das Mikrofon vor sich zurecht und beginnt erneut:
„Also, wo waren wir? Ah, ja. Ich habe diesen Podcast gestartet - eher nur für mich - während ich einfach vor mich hin rede, was ich in der vergangenen Woche erlebt habe und welche Schlüsse ich daraus ziehe."
Sie hält kurz inne, macht eine kleine Pause. Fast wirkt es, als würde sie nach den richtigen Worten suchen: „Doch die Aufrufe stiegen stetig, und letzte Woche haben wir - ich schließe euch da mit ein, denn ohne euch wäre das hier alles nicht möglich - die 7.500 Aufrufe geknackt, Tendenz steigend."
Ein breites Grinsen breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Sie fühlt sich überwältigt, denn so etwas hätte sie nie erwartet: „Ich bedanke mich bei euch! Ihr zahlt mir das alles so unglaublich zurück. Ich habe beinahe Freudentränen in den Augen und bin fast sprachlos - was in einem Podcast nicht ganz so sinnvoll wäre!"
Kurz streicht sie sich über die Wange und spricht weiter: „Ich meine, ich bin mit meinen achtzehn Jahren hier halbwegs reingeschlittert und dachte, ich erzähle einfach mal in meinen jungen Jahren meine Sicht auf die Welt. Ohne wirklich zu glauben, dass das überhaupt irgendjemand hören würde. Quasi als online Tagebuch."
Ihr Podcast läuft inzwischen seit einem halben Jahr. Aus einer spontanen Idee heraus wurde das Projekt immer größer und entwickelte sich schnell zu einem wöchentlichen Highlight - nicht nur für sie. „Ich weiß ja nicht genau, woran das liegt, aber offenbar habe ich eine etwas andere Sicht auf die Dinge als andere Mädels und Jungs aus meiner Generation."
Sie muss leise kichern, als ihr die Situation mit ihrem Vater wieder in den Sinn kommt: „Ich liebe meine Familie und alles, was dazu gehört - ja, auch meinen Vater." Ein leises „Hey!" dringt aus dem Wohnzimmer unter ihr nach oben, jedoch nur für sie hörbar.
Unbeeindruckt fährt sie fort: „Materielle Dinge sind mir nicht wichtig. Ich kaufe keine Markenklamotten und brauche nicht das neueste Handy. Das ist alles nicht wichtig. Was mir wichtig ist: Ich will etwas erleben, mit offenen Augen durch die Welt gehen und die Kleinigkeiten wahrnehmen - die Dinge, an denen die meisten Menschen achtlos vorbeigehen."
Während sie nachdenkt, wie alles angefangen hat, spricht sie frei heraus. Einen Plan, ein Skript oder ähnliches hat sie nie. Ihr Podcast funktioniert nur so - spontan und ungefiltert. „Ich habe damals einfach damit angefangen, einmal die Woche in ein Restaurant zu gehen, das ich vorher noch nie besucht hatte. Ich erzählte euch von meinen Eindrücken, was ich dort erlebt habe und natürlich, wie das Essen war - ohne Fotos zu machen. Ihr musstet euch auf meine Beschreibungen verlassen." Sie lacht kurz, denn für sie ist es selbstverständlich, das Handy nur für wichtige Anrufe oder Nachrichten zu benutzen.
„Nach und nach kamen immer mehr Kommentare von euch, welche Cafés und Restaurants ich besuchen sollte. Irgendwann schlugen immer mehr Leute besondere Orte vor. Doch als der User -FocusOnWhatCounts- mir einen Ort empfahl - einen Ort, den man gesehen haben muss - fand dieser Podcast seine Berufung."
"Unplugged Adventures" war geboren.
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