Kapitel 29 (2/2)
Plötzlich war es so still in den Lagerhallen geworden. Keine Aufstände, keine Arbeiter, die mich angriffen. Sie folgten meinen Anweisungen. »War es die ganze Zeit so leicht gewesen?«, flüsterte ich zu mir selbst, während ich dem fleißigen Wuseln der Leute in der Haupthalle zusah.
Die Tage verflogen. Mit jedem wurde ich besser, in dem was ich tat. Ich entdeckte Fehler, die alte Leiter der 19ten begangen hatten. In den Besprechungen nahm ich den anderen das Wort, um Victors Aufmerksamkeit zu erhaschen. Bald kannte ich mich im Milieu aus. Und das Milieu kannte mich.
»Mr Carter! Ein Interview bitte.« Flink wich ich dem Mikrofon aus, das mir ins Gesicht gehalten wurde. »Haben Sie eine Meinung zu der Neueinsetzung?«
Genervt verdrehte ich die Augen, während mich Kay mit ihrem Team durch den Reporterandrang geleitete. Überall Kameras die wie ein Sturm aufblitzen. An manchen Stellen musste Kay die Paparazzi hinter die Absperrung zurückschieben. Neben dem Andrang wirbelte das Blaulicht der Streifenwagen. Für den Fall der Fälle war die Polizei anwesend.
»Stimmt es, dass Sie und Victor Lassini heiraten wollen?« Stimmen um Stimmen. Alle durcheinander.
»Zwei schwule Männer gab es noch nie in der Geschichte der Mafia. Fühlen Sie sich unter Druck gesetzt?«
Den Schwachsinn an mir abprallen lassend, betrat ich das Medienzentrum. Victors Sieg über die Einnahme dieser Stadt, wurde mit der Ankündigung der Einsetzung des neuen Sicherheitsministers besiegelt – einer seiner Leute.
Nach der Versammlung entführte ich meinen Boss auf die Toiletten, küsste ihn stürmisch. Er lachte, drückte mich an der Stirn weg. »Sie werden sich wundern, warum wir nicht kommen.«
»Sollen sie uns suchen.«
Beim Öffnen meines Hemdes stoppte Victor. Denn an meinem Hals lag das schwarze Band, das er mir geschenkt hatte.
»Du wolltest doch, dass ich es jederzeit trage«, hauche ich, bevor ich ihn wieder zu mir ziehe. Seine gierigen Hände an meinem Körper nahm ich als Wohlwollen auf.
Während das Jahr verging, gewöhnte ich mich an dieses Leben. Obwohl es meistens sehr hektisch und aufregend war, wie ein Marathon durch alle möglichen Abenteuer, konnte es manchmal auch ruhig sein. An solchen Tagen wachte ich mit Victor auf. Wir putzen nebeneinander Zähne, rasierten uns oder wuschen uns wie ein völlig durchschnittliches Pärchen. Manchmal hatten wir Sex in der Dusche. Unsere dampfenden Körper, die aneinander rieben – Ich liebte dieses Gefühl.
Wir gingen zusammen zur Arbeit. Ab und zu unterhielt ich mich mit den anderen Leitern oder besuchte die 19te persönlich. Am Nachmittag, wenn Victor nur vom Feierabend träumte, ging ich Elliot auf die Nerven, versuchte mit Adrian beim Ausdauertraining mitzuhalten oder besuchte Lessiko in seinem Labor. Obwohl ich immer wieder versuchte, einen Blick unter seine Handschuhe zu verwerfen, fand ich nicht heraus, was es damit auf sich hatte. Ab und an zerfetzte ich mich auch mit Hektor, wie zwei fauchende Katzen. Er protestierte weiterhin gegen meine Arbeit als Leiter. Dabei hatte ich mich längst als einer der besten bewiesen, den die 19te in den vergangenen Jahren gesehen hatte. Selbst die Medien sprachen davon, wie mehr und mehr Leute zur 19ten zurückkehrten, in der Hoffnung auf das Wiederaufleben alter Zeiten.
Am späten Abend, wenn Victor nach Hause kam, verschanzte er sich meist noch lange in seinem Arbeitszimmer, sodass ich ihn herauszerren musste, damit er sich überhaupt mal zur Ruhe legte. Selbst im Bett schrieb er noch Dokumente auf seinem Laptop. Ich legte meinen Kopf dann meistens auf seiner Brust ab, lauschte seinem Herzschlag. Ein Wunder wie akzeptabel meine Nähe für ihn geworden ist. Dabei hatte er sich damals mit Händen und Füßen gegen alles gewährt, was nicht mit S anfing und mit x aufhörte.
Dass wir dann doch nicht ganz so gewöhnlich waren, zeigte allein das ständige Reisen. An einem Montag konnten wir noch im Rathaus Reden halten und uns am Dienstag bereits im Ausland mit Investoren treffen. Victor zeigte mir so viele Orte, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Kleine Städte mit verwinkelten Gassen und überwucherten Fassaden vor einem malerischen Sonnenuntergang. Oder so größte Metropolen, bei denen ich mir beinahe das Genick brach, im Versuch das Ausmaß der Wolkenkratzer zu erfassen.
Wir frühstückten morgens in einem französischem Café, mittags in einem argentinischen Restaurant und abends besuchten wir die angesagtesten Clubs von New York. Ich hätte niemals gedacht, dass man an einem einzigen Tag mehrere Länder bereisen konnte. Aber Victor machte es möglich. Er kannte keine Grenzen.
Perfekt dafür eignete sich natürlich sein Privatjet. Immer wenn ich dort einstieg, musste ich dem Drang meines inneren Kindes widerstehen. Die Sitze dort waren so flauschig, dass ich am liebsten darauf herumgesprungen wäre. Nicht zu vergessen war der 8K-Fernseher, der Barbereich und natürlich seine eigene Pilotin. Zu fliegen war ein traumhaftes Gefühl. Bevor ich Victor getroffen hatte, war ich noch nie zuvor in einem Flugzeug gewesen. Aber jetzt strahlte ich immer über beide Ohren, wenn Victor mir morgens meine Sachen zuwarf und mich damit überrumpelte, dass wir reisen mussten.
Ich rätselte immer, was es wohl diesmal sein könnte. Europa? In Deutschland mit Investoren wandern gehen? In der Schweiz mit neuen Vermittlern eine Runde Ski fahren? Möglicherweise Afrika? Auf Sansibar oder Mauritius am Strand mit Politikern speisen?
Von den Hotels wählte Victor nur die besten und sichersten. Ein persönlicher Butler? Natürlich. Ein Pool in der Präsidentensuite? Natürlich. Der eigene Masseur? Natürlich.
Unumgänglich war bei dem ganzen Reisen allerdings die Erschöpfung. All die sagenhaften Dinge zerrten an der Kraft. Manchmal bekam ich zwei Tage kein Auge zu. Manchmal aß ich die Reise über kaum etwas. Zudem musste während all dem gearbeitet werden. Das hieß E-Mails im Flugzeug schreiben oder Victor zuzuhören, wie er am Handy brüllte, weil die Lieferungen nicht rechtzeitig erfolgt waren. Hinzu kam die ständige Angst, angegriffen zu werden. Ohne unser Sicherheitsteam gingen wir nirgendwohin. Die Gefahr eines Anschlages war jederzeit größer, als die Wahrscheinlichkeit ohne Probleme nach Hause zurückzukehren.
Mit der Ernennung des neuen Sicherheitsministers – einer von Victors Leuten – unterwarf er zwar die Behörden... doch es brachte mir die Erkenntnis, dass ich als neuer Krimineller weniger das Gesetz zu fürchten hatte, als die, die es brachen.
In dem einen Jahr erhielt Victor über zweihundert Drohbriefe. Eines der Pakete, die er geschickt bekam, beinhaltete sogar eine Bombe. Einer von Victors Untergeben starb dabei, als er sie öffnete. Wenn ich solche Nachrichten im Fernsehen hörte, hätte ich nicht gedacht, dass einem sowas wirklich passieren könnte...
Wenn ich denn mal einschlafen konnte, wandelten sich meine Träume zu großen Schrecken. Ich erwachte schweißgebadet oder weinend – ohne zu wissen, was ich geträumt hatte.
An eine Nacht kann ich mich sehr gut erinnern. Ich hatte im Schlaf geschrien. Von meinem Kreischen hochgeschreckt, sprang Victor auf und griff nach der Pistole in seinem Nachtschrank. Wohin er mit dem Lauf auch zielte, im Schlafzimmer befand sich kein Einbrecher, Monster oder anderes Übel. Als er verstand, dass ich im Traum geschrien hatte, schmiss er die Waffe zurück in den Schrank und ließ sich stöhnend aufs Bett fallen.
»Tut mir leid...«, hauchte ich noch halb im Schlaf.
»Ein Albtraum?« Victor ließ es murrend zu, dass ich mich auf seinen ausgestreckten Arm legte.
»Hast du auch... manchmal diese Albträume?«
Er zog die Decke über meine Schulter, schloss die Augen. Eine Zeit lang kam nichts mehr von ihm, wodurch ich annahm, dass er bereits schlief. Doch dann murmelte er leise: »Nein«. Ich wusste, dass er log.
Neben diesen schlimmen Nächten gab es aber noch die, auf die ich mich insgeheim freute. Eine Nacht wie an dem heutigen Abend.
»Erbärmlich.« Victors Schuhspitze hebt mein Kinn aus. Am Knebel und meinen Mundwinkeln rann Speichel entlang. »Sieh dich nur an. Komplett nackt, mit einem feuchten Ständer, die Arme hinter dem Rücken gefesselt. Und dir gefällt es auch noch so vor mir zu knien.«
Meine Wangen glühten vor Scham, als ich den Kopf energisch schüttelte. Dass Victor vollkommen richtig lag, war zu peinlich, um es zuzugeben.
Schnaubend lehnte er sich in seinem Sessel zurück. Aus seiner erhöhten Position schwebt sein herablassender Blick über mich. »Was soll ich bloß mit dir anstellen?« Diese raue, aber melodische Stimme... Er öffnete die Schnalle seines Ledergürtels und zog ihn aus den Laschen. Anschließend rollte er ihn zusammen. Als Victor den Gürtel durch seine starke Hand gleiten ließ, schauderte ich. Seine strengen Augen auf mich gerichtet. Wieder, und wieder... bis er den kalten Gürtel in seine offene Handfläche schnellen lässt. Ein lautes Peitschen schießt durch den Raum.
»Komm her, Süßer.«
Wohlwissend was mir bevorsteht, rutschte ich zurück.
Victor zieht die Augenbrauen zusammen. »Stell nicht meine Geduld auf die Probe.« Er schnappt meinen Nacken, um mich über seinen Schritt zu ziehen. Nachdem er mir den Knebel entfernt hat, drückt er meinen Kopf herunter, sodass ich sein hartes Glied zwischen meine Lippen nehmen musste. »Zeig mir, was für ein guter Junge du sein kannst.«
Mir bleibt nichts anders übrig, als Victors Zerren an meinen Haaren zu folgen und ihn mit meinem Mund zu befriedigen. Dabei fährt er mit dem Gürtel über meinen Rücken. Dann schlägt er fest auf meinen Hintern, sodass ich mich wimmernd von ihm löse. Allerdings packt seine freie Hand erneut meinen Nacken und führt mich zurück an meinen Platz. »Habe ich gesagt, du kannst aufhören?« Diesmal verharren seine Finger an meinem Hinterkopf, damit ich bei seinen nächsten Schlägen nicht zurückzucken kann. Bald ist mein Po rot von den Hieben. Jeder weitere Schlag reißt meine Haut auf.
Victors tiefes Seufzen vermischt sich mit meinem aufgeregten Atem. »Du bist besser geworden...«, lobt er mich, nachdem ich mit der Zunge an seinem Glied auf und ab fahre. Als Belohnung lockert sich sein unerschütterter Griff an meinem Hinterkopf. Dafür streicht er mir eine Strähne von der Stirn und mit dem Zeigefinger unter meinen nassen Augen entlang. Dabei wäre mir sein selbstzufriedenes Schmunzeln Anerkennung genug gewesen. »Das machst du sehr gut. Mach genauso weiter.«
Von Victors charmanten Worten angetrieben, verwöhne ich ihn solange, bis er mich kurz vor seinem Orgasmus auf seinen Schoß zieht. Sein Daumen wischt den Speichel von meinen Lippen. »Hat dir das gefallen?« Da ihm meine Antwort zu lange dauert, umschließt er meinen Hals und zieht mich ruckartig an sich. »Antworte.«
»Ja...«
»Gut.« Eilig streifte er sich ein Kondom über. Dabei dehnte er mich dürftig, bis er ohne Vorwarnung in mich eindringt. Seine Finger krallen sich in die Fesseln hinter meinem Rücken, wodurch ich mich nicht gegen ihn lehnen kann. Somit hat er eine perfekte Sicht auf meinen nackten Körper. »Stöhn noch ein wenig lauter für mich«, befielt er mir, was ich befolgen muss. Denn er beginnt mich auf seinem Becken zu bewegen.
Als wir beide zu unserem Orgasmus gekommen sind, begreift mich Victor gnädigerweise von den Fesseln. Meine neue Freiheit ausnutzend, lege ich meine Arme um über seine Schultern. »Müde...«
Mein großer Boss fährt mir durch die Haare. »Schlaf nicht auf mir ein.«
»Dann darfst du mich nicht kraulen...«, grummele ich. Als er daraufhin mit den Liebkosungen stoppt, schnappe ich mir die gemeine Hand, um sie gleich wieder an meinen Kopf zu legen. »Das heißt jetzt aber nicht, dass du aufhören sollst...«
»Jesse.« Victors andere Hand legt sich an meine Hüfte. »Hast du wieder abgenommen?«
»Warum...?«
»Du hast schon wieder Gewicht verloren.«
»Stimmt gar nicht.«
»Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?«
»Weiß nicht...«
»Antworte«, befielt er strengt.
Ich drückte mich weg, ziehe eine Schmollippe. »So gestern... oder vorgestern vielleicht.«
Victor packt meinen Kiefer, um mich dazu zu zwingen, ihn anzusehen. »Willst du deinen Magen verderben?«
»Es schmeckt halt nicht... Gar nichts mehr...«
»Es soll nicht schmecken, sondern dich am Leben halten.« Victor schiebt mich von seinen Beinen, um ins Bad zu gehen. »Mach dich fertig. Wer werden zu Abend essen.«
Lustlos steche ich mit der Gabel Löcher in meinen Auflauf. Er richt nach hochwertiger Tomatensoße und Käsecreme. Der Brokkoli streckt sich unter den Nudelplatte hervor. Darüber ist eine Schicht von schmelzendem Käse, an manchen Stellen knusprig gebräunt.
»Du sollst es essen und nicht zermatschen.«
Ich gebe ein bockiges Stöhnen von mir. »Mir wird schlecht, wenn ich es nur ansehe.«
»Was willst du dann? Du brauchst es nur zu sagen, und ich lasse es zubereiten.«
Wir sind gerade erst von einer dreitägigen Reise zur Landeshauptstadt zurückgekehrt. Darum will ich schnellstmöglich ins Bett. Doch ich muss neben Victor im Speisezimmer sitzen und heiße Käseblasen beim Platzen zusehen.
»Mein Appetit ist weg...« Seit diese Albträume zugenommen haben, fühle ich mich, als würde jedes Mal ein Stück meines Appetits verschwinden. Bei all den Erinnerungen bekomme ich kaum einen Bissen herunter.
Victors kalter Blick flog über mich. »Iss.«
»Aber...«, will ich protestierten.
Doch Victors dominante Stimme lässt mich schlucken. »Iss.«
Widerwillig trenne ich mit der Seite der Gabel den Auflauf und stecke mir das Stück in den Mund. Pappe – danach schmeckt es.
»Gut. Iss weiter.« Nun beginnt auch Victor sich seinem Teller zu widmen. In dem Moment frage ich mich, ob ihm vielleicht auch der Appetit fehlt. Bei allem was er gesehen haben muss – so viel schlimmere Dinge als ich. Wenn es schon für mich wie Pappe schmeckt, was mag es dann für Victor sein?
»Ich habe eine Aufgabe für dich.« Der große Boss nippt am Rotwein, dessen fruchtiges Aroma mir in die Nase steigt. »Hektor war für den Termin zuständig, doch er muss sich kurzfristig um die Vorbereitung der neuen Lieferwege kümmern. Ich möchte das Unternehmen eines Konkurrenten für meine Firma aufkaufen. Du wirst den Kaufvertrag abschließen.«
Ich runzele die Stirn. »Aber für sowas bin ich doch gar nicht bevollmächtigt. Solche Unterschriften darf doch nur dein Stellvertreter geben – Hektor.«
»Hektor war viel zu lange allein in dieser Position. Dadurch ist er hochmütig geworden. Ich werde dich als zweiten stellvertretenden Geschäftsführer eintragen lassen.«
Ich habe keine Zeit über Victors surreale Worte nachzudenken. Auf einmal blitzt ein reizender Schmerz durch meinen Mund. Es fühlt sich an, als würde man mit einer Rasierklinge durch mein Zahnfleisch und Gaumen schneiden. Röchelnd lasse ich die Gabel fallen. Sie schlägt klirrend auf dem Tellerrand auf, wodurch Victor überrascht zu mir sieht.
Eine Hand kralle ich an meinen Kragen, die andere halte ich vor den Mund, während ich huste. Dann weiten sich meine Augen unter Schock, als sie auf drei blutverschmierten Glasscherben in meiner Handfläche treffen.
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