Kapitel 25 (1/2)
Körperwärme durch samtigen Stoff hindurch – Sie berührt meine Stirn, meinen Hals, meine Brust.
Ruhiger Atem, der meine Wange streift. Der einzigartige Duft eines Menschen, der sich neben mir befinden muss.
Aus meinem tiefen Schlaf erwachend, hebe ich die Arme, bis sie den anderen Körper erreichen. Ich schlinge sie um den Nacken der Person und ziehe sie zu mir herunter. »Victor...«
»Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, hah...«
Gemächlich schlage ich meine Augen auf. Einige Momente vergehen, damit ich realisieren, dass es nicht Victor, sondern Lessiko ist, den ich in einer festen Umarmung an meinen Oberkörper drücke. Enttäuscht lasse ich meine Unterlippe heraushängen.
»Ich f-freue mich auch meinen besten – und einzigen – Freund wiederzusehen, aber hättest du... hah... d-die Güte, mich loszulassen...« Als wäre er ein Gummiband zieht er sich schnipsend aus meiner Umarmung zurück. Dann wellt er die Finger. »D-Das ist mir ein wenig... hah... zu viel Körperkontakt.«
Seufzend setze ich mich auf, was mit pochenden Kopfschmerzen bestraft wird. Ich vernehme das Eintunken von Stoff in Wasser. Lessiko taucht einen Lappen in eine Wasserschüssel, wringt ihn darüber aus und legt ihn an meine Stirn. Erneut seufze ich unter der wohltuenden Kälte.
»Die Wirkung der Drogen lässt nach. Mit den Kopfschmerzen und dem Rausch musst du noch eine Weile leben. Morgen sollte alles wie vorher sein.«
»Wo bin ich?« Mein Blick verschwimmt, als ich mich im Raum umsehe. Rohe Wände, nasser Betonboden, ein morscher Holzstuhl in der Mitte des Raums, eine zersprungene Glühbirne an einem Faden von der Decke hängend – Bin ich im Keller unter Victors Anwesen?
Lessiko nimmt den Lappen von meiner Stirn, greift stattdessen zu einem Glas Wasser auf einem Tablett. »Trink etwas.«
Ich will es ihm abnehmen, stoppe allerdings, als mich metallisches Klimpern zu meinen Handgelenken schauen lässt. »Was ist das?«
»Vorsichtsmaßnahmen.«
Mit einem Finger gleite ich in den wenigen Freiraum der Fesseln zu meiner gereizten Haut. Dann folge ich mit den Augen den fingerbreiten Kettengliedern, deren Ursprung aus einem Haken an der Wand besteht. »Ist das wirklich nötig?«
»Wir befolgen... hah... nur Befehle.«
Nickend nehme ich das Wasser an mich und trinke gierig davon. Inzwischen zieht sich Lessiko seinen Kittel über, der vorher am Kopfende meiner Matratze als Kissen gedient hat. »Die Droge... das muss diese neue Mischung gewesen sein... hah... Hab den Namen vergessen. Elliot und ich...« Lessiko spreizt seinen Daumen und kleinen Finger ab. Dann führt er seinen Daumen an den Mund und macht eine trinkende Bewegung. »...haben das Zeug mal probiert. Ha... Ist ganz okay. Haha... hah... aber erzähl das bloß niemals Adrian oder dem Boss!«
Diesmal schüttele ich den Kopf.
Lessiko zieht das Tablett um sich herum, bis es zwischen uns steht. Darauf steht ein Teller mit zwei belegten Brötchen, einem Salat und drei Mandarinen.
»Was für ein Luxusessen für einen Gefangenen.« Ich stehle ein Stück Paprika aus dem Salat und schiebe es mir in den Mund. »Soll das etwa meine letzte Mahlzeit werden?«
»Wenn ich nicht selbst erlebt hätte, dass Victor dich verschont, hätte ich dich längst für tot erklärt.« Lessiko wechselt vom Knien in den Schneidersitz. »Du hast ihn vor der gesamten Stadt lächerlich gemacht, haha...«
In eines der Brötchen beißend, spähe ich auf. »War ich so schlimm gewesen?«
»Sieh selbst.« Vom Boden hebt Lessiko eine Zeitung auf, entfaltet sie vor meinen Augen.
Everytime-News Seite 1 3,00$
Attentäter auf Demonstration bringt Angst und Schrecken
Gestern um 11:47 Uhr stürmte ein mutmaßlicher Attentäter die Demonstration vor dem alten Rathausgebäude. Sowohl Zuschauer als auch der Redner des Vormittags, Victor Lassini, konnten sicher aus der Situation herausgehen. Die Polizei mutmaßt, dass der junge Mann unter dem Einfluss einer neuen Droge stand, die auf dem Schwarzmarkt gerade einen Boom erlebt. Die Identität des Mannes konnte bisher nicht festgestellt werden. Es kursieren Gerüchte, dass er in einer intimen Beziehung zum Finanz-Giganten Victor Lassini steht. Der Clan war nicht bereit, eine Stellungnahme abzugeben. Dass sie es mit dem Gesetz nicht immer korrekt halten, ist durchaus bekannt. Doch wie wird dieser Zwischenfalls die Spannungen der Stadt beeinflussen? Haben die Leute das Vertrauen in den Lassini-Boss verloren, oder wird...
Ich lese nicht weiter, sondern reiße Lessiko die Zeitung aus der Hand, schmeiße sie achtlos beiseite. Das Brötchen fliegt auf den Teller zurück. Dann reibe ich mir über meine Stirn. »Attentäter...?«, murmele ich fassungslos. Was habe ich bloß angerichtet? Victor wird mich dafür hassen!
»Keine Sorge. Wir haben die Medien bestochen. Morgen wird niemand mehr wissen wer du bist.«
»Was hat er gesagt? Ist er sehr wütend?«, stöhne ich, woraufhin Lessiko ein amüsiertes Kichern ausstößt.
Mich gegen die kalte Steinwand lehnend, versuche ich den Rausch der Drogen zu ignorieren und mich an gestern zu erinnern. Wie bin ich überhaupt zur Demo gekommen? Jemand hat mich gefahren... Ich balle die Fäuste, während ich die Geschehnisse Revue passieren lasse.
Er hatte vor mir gestanden... der Boss des verfeindeten Clans, Nikolai Carlos. Und er hatte gelacht, ekelhaft, voller Inbrunst...
Meine Augen weiten sich, als mir die Tragweite seiner Worte bewusst werden.
»Meinen süßen, kleinen Stiefbruder hast du ja bereits sehr gut kennengelernt«, lachte er mit einem perversen Unterton. »Wie ist es mit einem Bastard zu ficken, hm? Das ist er, ein unehelicher, mieser Bastard, der niemals hätte geboren werden sollen.«
Er griff in meine Haare, zog meinen Kopf hoch. Das gierige Glänzen seiner Augen zeigte mir Mordlust. »Meine Mutter war eine ehrenhafte Dame. Aber diese Kanalratte vom Lassini-Clan musste alles zerstören. Der konnte nicht mal gerade pinkeln, aber meine Mutter schwängern, ja, das ging. Er hat meine Mutter auf dem Gewissen. Er hat sie zum Selbstmord getrieben, nachdem sie diesen Bastard geboren hat.«
Durch die Drogen hatte ich seine Worte nicht verstanden, doch nun treiben sie mir einen Schauer über den Rücken. Das heißt... sie sind verwand? Sie sind leibliche Brüder?
Nikolai Carlos spuckte mir ins Gesicht. »Ich würde nichts lieber tun, als dir die Kehle durchzuschneiden. Aber du musst mich zu Victor bringen. Und wenn dir dein Leben lieb ist, veranstaltest du keine Mätzchen. Ich will Informationen. Wann er aufsteht, wann er schlafen geht, wann er arbeitet, wann er dich fickt. Selbst wann er scheißt will ich wissen, ist das klar?« Er ließ mich los, wandte mir den Rücken zu. »Versuche nicht erst davonzukommen. Einer meiner Leute ist Victor und dir näher als du denkst.«
»Jesse?« Ich zucke zusammen, als mich Lessiko aus meinen Gedanken aufschreckt. »Du sahst weit weg aus.«
Seinen Kittel stürmisch packend, ziehe ich ihn zu mir heran. »Ich weiß wieder was passiert ist«, lalle ich im Rausch. »Jemand vom Carlos Clan befindet sich unter uns! Es muss jemand im Haus sein! Das hat Nikolai gesagt!«
»Dieser Idiot hat was?«, platzt es auf einmal aus Lessiko heraus. Ein paar Augenblicke wandern seine Augen nervös im Raum herum. Dann räuspert er sich lautstark. Sein Blick verdunkelt sich. »Du hast den Carlos-Boss getroffen? Was denkst du, wer es ist?«
Ich schüttelte den Kopf. »Die Antwort ist klar! Das muss Hektor sein. Adrian und Elliot würden sowas niemals tun und du doch auch nicht.«
»Da hast du recht... ha...«
»Wir müssen es Victor sagen!«
»Was... ha... wenn Nikolai geblufft hat?«
Meine Schultern sinken herab, während ich beginne, Lessiko von meinen Erlebnissen auf der Straße und beim Carlos-Clan zu berichten. Nachdem ich fertig bin, stemmt er sich auf seinen Knien nach oben. Er kramt die Zeitung und seinen Arzneikoffer zusammen. »Ich werde erstmal gehen. Eigentlich sollte ich nicht hier unten sein, haha... Erzähle am besten noch niemandem was du erlebt hast.«
»Aber Victor wird...«
Lessiko fällt mir ruppig ins Wort: »Victor wird rasend sein, wenn er erfährt, dass du Nikolai getroffen hast.« Seinen groben Ton realisierend, spielt er lachend an den Knöpfen seines Kittels. »Ha... Stell dich vorerst mit ihm gut. Vertraue mir. Ich kenne ihn ein paar Jahre länger, haha...«
Ich gebe nickend nach. Deshalb öffnet Lessiko noch einmal seinen Koffer, bringt einen Blister zum Vorschein. Er drückt zwei grüne Tabletten heraus, die er mir reicht. »Das wird eure Versöhnung ein wenig beschleunigen... ha...«
»Was ist das?«
Lessikos schelmisches Grinsen zieht sich von einem Ohr zum anderen. »Ein leichtes Aphrodisiakum. Was du mit den beiden Tabletten anfängst ha... überlasse ich dir. Erzähle nur Victor bloß nicht, dass du sie von mir hast.« Dann verlässt er die Zelle ohne ein weiteres Wort zu sagen.
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