7 | 66. Kapitel
Es war nicht mein Bruder. Nein. Womöglich war es sogar schlimmer als das. Dabei hätte ich es nicht für möglich gehalten.
Wenn es Harry gewesen wäre, hätte sich vielleicht eine ähnliche Freude in Bellatrix' Haltung breit gemacht, allerdings wäre sie gezwungen gewesen, ihn zum dunklen Lord zu bringen. Diese beiden jedoch, die dort auf der vorletzten Stufe der Treppe standen, passten sehr genau in ihr bevorzugtes Mordschema.
Remus Lupin sah mich an. Sein braunes Haar mit den einzelnen grauen Strähnen klebte ihm verschwitzt in der Stirn, sein Umhang war noch eine Spur zerrissener als früher schon. Ob er sich dessen bewusst war, wie er Tonks hinter sich schob und scheinbar instinktiv einen Schritt vor sie tat?
Nun, Bellatrix bemerkte es auf jeden Fall. "Meine Schwester scheint die Feigheit offensichtlich vererbt zu haben", höhnte sie und als Reaktion färbten sich die Haare der Angesprochenen vor Wut feuerrot. Dabei wirkte Tonks alles andere als feige. Ganz im Gegenteil versuchte sie, sich an ihrem Mann vorbei zu quetschen. Doch dieser ließ sie nicht.
"Dein Lieblingswort heute, was?", nuschelte ich und biss mir, entsetzt über mein loses Mundwerk, auf die Unterlippe.
Die Lestrange-Hexe bemerkte es ohnehin nicht. Sie war viel zu konzentriert auf die beiden Personen vor sich, trat einen Schritt nach vorne und legte dabei den Kopf schief. "Na ja, den schlechten Geschmack hast du zumindest zweifelsohne von Andromeda." Ich musste ihr nicht ins Gesicht schauen, um zu wissen, wohin ihr Blick dabei schwankte.
Lupins Reaktion sprach Bände. Die Fingerknöchel seiner rechten Hand, mit der er seinen Zauberstab umklammert hielt, wurden weiß. Dennoch war es nicht die unmittelbare Gefahr vor ihm, auf die er seine Aufmerksamkeit gerichtet hielt.
Seine grünen Augen fingen meinen Blick, hielten ihn. Es war unmöglich zu sagen, was er dachte. Grämte er sich darüber, was aus der Tochter seines besten Freundes geworden war? Fühlte er sich schuldig, nicht mehr versucht zu haben, um mich zurück auf den rechten Weg zu lenken?
"Tja, gegen Dumbledore hättest auch du keine Chance gehabt", formte ich mit den Lippen und hätte ihm am liebsten ein trauriges Lächeln geschenkt.
Das Schreien und Rufen um uns herum, in den Stockwerken über und unter uns, war schon seit geraumer Zeit in den Hintergrund getreten. Keine Ahnung, ob nur ich diesen Eindruck hatte. Wenn ich in meiner Aufmerksamkeit mehr Raum für die Welt abseits dieses kleinen Kampfplatzes gehabt hätte, wäre mir vielleicht aufgefallen, wie zerstört das Treppenhaus aussah. Geländer waren zerstört, eine der Treppen, auf halben Weg ihre Position zu ändern, verharrt. Gemälde waren aufgeschlitzt, Körper lagen in verqueren Winkeln am Boden.
Todesser wie Ordensleute.
Und über all dem lag ein Dunst aus Staub. Kein Wunder, denn die Mauern bebten in unregelmäßigen Abständen, als versuchte das Schloss selbst, sich gegen die Eindringlinge zu verteidigen.
Lupin brauchte offenbar einen Augenblick, um die Bedeutung meiner Worte zu verarbeiten. Schließlich schoben sich seine Brauen zusammen. Grimmig nickte er und entließ mich aus seinem Fokus. Gerade rechtzeitig, um den auf ihn zufliegenden Zauber zu blocken.
Hastig tat er einige Schritte auf den Treppenabsatz, wobei er Tonks an der Hand hinter sich herzog. Die stellte sich neben ihn, offenbar nicht länger gewillt sich hinter ihrem Mann zu verstecken. Stattdessen trat sie ihrer Tante selbst gegenüber, die ein wildes Kichern ausstieß.
Mir wurde schlecht bei dem Geräusch, übertönte es doch das beginnende Rauschen in meinen Ohren.
Ich weiß nicht, was als nächstes geschah. Wusste nicht, wie es dazu kam, dass ich meine Waffe hob. Tatsächlich hätte ich nicht einmal sagen können, ob es ein verirrter Zauber war, der von meinem Schild abprallte oder ob er gezielt von Lupin kam.
Fest stand nur, dass ich mich innerhalb kürzester Zeit in einem Kampf wiederfand, wie ich ihn bislang nie in meinem Leben ausgetragen hatte.
Magie prickelte über meine Haut, als ich mich drehte und sprang, während ich mühsam versuchte, meine Deckung oben zu behalten. Da hatten wir unser Problem. Lupin kannte mich. Er hatte mich kämpfen sehen, kannte meine Schwachpunkte und wusste sie gezielt gegen mich einzusetzen. Ich konnte ihm nicht einmal einen Vorwurf daraus machen. Wenn es um mein Leben gegangen wäre, hätte ich mich nicht minder vehement verteidigt.
Dazu kam, dass ich im Gegensatz zu meinem allseits gefeierten Bruder weniger Kampferfahrung und das Talent dazu nicht in die Wiege gelegt bekommen hatte. Schon bald stand mir der Schweiß auf der Stirn und ich musste heftig blinzeln, damit er mir nicht brennend in die Augen lief.
Den Bruchteil der Sekunde, in der ich die Augen schloss, geschah es.
"Avada Kedavra!"
Ich wäre weniger schockiert gewesen, wenn der Fluch auf mich zu gerast wäre. Immerhin hatte ich ihn schon dutzende Male über Bellatrix' Lippen kommen hören. Hätte es eher verdauen können, meinem unmittelbaren Tod ins Auge zu sehen. Stattdessen verharrte ich mitten in der Bewegung, musste hilflos dabei zusehen, wie der von Bellatrix gesprochene Todesfluch direkt ins Herz ihrer Nichte traf.
Tonks Augen hatten gerade noch genug Zeit, sich zu weiten. Dann verlor ihr Haar jegliche Farbe und sie fiel einfach um.
Remus Lupin stieß einen Schrei aus. Einen herzzerreißenden, langen Schrei und in dem Moment, da er sich umwandte, um seine tote Frau anzusehen, wusste ich, was geschehen würde. Es war wie der Moment im Ministerium damals, als Sirius gelacht hatte. Eine Sekunde der Ablenkung, von der man bereits im Vorhinein wusste, dass sie einem teuer zu stehen kommen würde.
Mein Pate sah den zweiten Fluch nicht kommen. Vielleicht hörte er ihn. Vielleicht war er in jenem Augenblick einfach zu müde, um in irgendeiner Form darauf zu reagieren. Vielleicht hieß er den Tod aber auch willkommen – als Wiedersehen mit seinen alten Freunden, mit Sirius, James ... mit Tonks.
Hätte ich Bellatrix nicht besser gekannt, hätte ich ihren zweiten Fluch vielleicht als einen Akt der Gnade verstehen können. "Avada Kedavra", sprach sie, wobei ihr Tonfall der eiskalten Genugtuung mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
Der grüne Blitz traf auf keinerlei Abwehr, als er meinen Paten traf. Widerstandslos schien dieser ihn hinzunehmen. Er sank einfach in sich zusammen, eine Hand zu den Fingerspitzen von Tonks ausgestreckt.
Sie kamen nicht ineinander zum Liegen.
Einige Zentimeter würden sie auf ewig trennen.
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