7 | 57. Kapitel
"Ach nein?" Innerlich schalt ich mich dafür, mit ihm nicht hier gerechnet zu haben. Immerhin war er der ehemalige Schulleiter und als solcher stand ihm nach seinem Tod ein Platz in der hiesigen Gemäldegalerie zu. "Selbst jetzt scheint es, als würden Sie sich noch immer maßlos überschätzen."
Mit gerecktem Kinn erwiderte ich den Blick von Albus Dumbledore, der auf einem thronartigen Stuhl hinter dem Schreibtisch saß. Ein massiver goldener Rahmen stützte das Gemälde, aus dem er mich gütig wie eh und je musterte. Obwohl er nicht mehr lebte, war das Gefühl, von seinen blauen Augen über den halbmondförmigen Brillengläsern durchleuchtet zu werden, immer noch da.
"Im Gegensatz zu meinem geschätzten Vorgänger Phineas -" Er tat eine ausladende Handbewegung hinüber zu Sirius Urahn, der säuerlich dreinsah. "- habe ich mir immer eingebildet, ein gutes Gespür für meine Schüler zu haben."
"Einbildung ist auch eine Form der Bildung", konnte ich mir einen Kommentar nicht verkneifen.
Sehr zu meinem Ärger entlockte es Dumbledore nur ein müdes Schmunzeln. "Es ist schön zu sehen, dass die Zeit im Dienste Voldemorts dich nicht allzu sehr verändert hat."
Ich biss die Zähne zusammen und wandte mich dem Fenster zu, durch das ich das düstere Schlossgelände betrachten konnte. Der Mond spiegelte sich im schwarzen See, doch es war der einzige Lichtpunkt in der spiegelglatten Fläche. Das Schloss lag düster da. "Der äußere Eindruck mag täuschen", flüsterte ich mehr zu mir selbst.
Sollte es laut genug gewesen sein, damit Dumbledore mich verstand, ließ er es sich nicht anmerken. Er ließ den Punkt fürs erste fallen. "Du hast also den jungen Mr. Malfoy geehelicht."
Unweigerlich verzog ich das Gesicht. Geehelicht. Nicht genug der ganzen Etikette, dann gab es da auch noch dieses schreckliche Wort.
Meine fehlende Erwiderung nahm es als Zustimmung. Viel abzustreiten gab es auch nicht, immerhin hatte ich Nigellus zuvor bereits mit meinem Nachnamen korrigiert.
"Ihr seid glücklich miteinander, sehe ich das richtig?", bohrte Dumbledore weiter und scherte sich dabei nicht darum, dass ich mich aufs Schweigen verlegt hatte. Er unterhielt sich einfach selbst. "Das letzte Mal, als ich euch gesehen habe, wart ihr bereit, alles für den jeweils anderen aufzugeben."
"Glauben Sie mir, ich erinnere mich gut an unsere letzte Begegnung", entkam mir gegen meinen Willen, wobei Bitterkeit jedes einzelne Wort färbte. Der Tag, an dem ich nicht mehr mit der Erinnerung an jenen Abend auf dem Astronomieturm aufwachte, wäre ein guter.
"Du weißt, dass dir damals keine Wahl blieb?"
"Wollen Sie mir jetzt die Schuldgefühle für den Mord an Ihnen nehmen?" Ich wanderte zu den Stufen hinüber und ließ mich mit dem Rücken an eine der tragenden Säulen gelehnt gen Boden sinken. "Manchmal denke ich, ich hätte damals versagen sollen."
Ein unwirsches Schnalzen mit der Zunge, wie ich es selten von ihm gehört hatte. Nichtsdestotrotz blieb sein Tonfall sanft und wenn ich die Augen geschlossen hätte, konnte ich mir nur zu gut vorstellen, wie er sich zu mir gesellte. "Was hätte es dir genützt?"
Ich lächelte freudlos, den Blick zur Decke gerichtet. "Wieso müssen Sie immer recht haben?" Denn die Wahrheit war, selbst wenn ich damals vor den Augen der anderen Todesser versagt hätte, säße ich wohl trotzdem jetzt an diesem Ort und würde ein Gespräch mit dem toten Schulleiter führen.
Der just in diesem Moment meine Einsicht nutzte, um meine eigene Erkenntnis in Worte zu fassen. "Du bist für Voldemort von zu hohem Wert, wie du ganz richtig erkannt hast."
"Ein Druckmittel gegen meinen Bruder", vollendete ich.
"Ganz recht." Dumbledore verlagerte das Gewicht auf seinem Stuhl, was deutlich zu vernehmen war, weil dieser wie sein reales Vorbild leise quietschte. "Voldemort hätte wohl oder übel seinen Zorn am Vater deines Kindes ausgelassen und das -"
Eiswasser schoss mir durch die Adern, mein Herz setzte einen Schlag aus. Vorbei war es mit der beginnenden Entspannung, die sich langsam, aber sicher in mir breit gemacht hatte. Ich riss die Augen auf und war schneller auf den Beinen, als ich es mir selbst zugetraut hätte. "Was sagen Sie da?"
"Du bist schwanger, Mariah, habe ich nicht recht?"
Im Takt marschierender Soldaten trommelte mein Herz in meiner Brust, als wolle es mir entkommen. Mein Puls pochte in meinen Ohren, während meine Hand unweigerlich zu meinem Bauch wanderte. "Woher wollen Sie -?"
"Es ist offenkundig, Mädchen", schaltete sich eine ältere Hexe ein, die dabei eher mitfühlend statt streng klang. "Zumindest für alte Hexen und Zauberer wie uns, die in ihrem Leben bereits so viel von der Welt gesehen haben."
"Also ich habe es nicht gesehen -", platzte es aus einem beinahe noch älter aussehenden Zauberer heraus, dessen roter Bart fast so lang war wie der Dumbledores.
"Ach ich bitte dich, Amrose, du warst aber auch zu Lebzeiten immer schon ein Stoffel."
Der Zauberer schnappte hörbar empört nach Luft. "Im Gegensatz zu dir waren wir anderen nicht im St. Mungo angestellt, Dilys."
Als sich noch weitere der Ehemaligen einschalteten, trat ihr Streitgespräch in den Hintergrund. Mir war schwindelig. Haltsuchend streckte ich die Finger zur Seite aus, fand abermals die marmorne Säule und landete mit einem dumpfen Laut erneut auf dem Hintern.
In der Tat erklärte eine Schwangerschaft so einiges. War es mir nicht selbst seltsam vorgekommen, wie nah ich am Wasser gebaut und wie schnell meine Stimmung von Himmelhochjauchzend zu totbetrübt gewechselt war? Dann all die Male, bei denen ich meinen Mageninhalt geleert hatte – jedes Mal hatte es objektiv betrachtet einen Grund dafür gegeben. Albträume oder die Situation selbst. Aber es stimmte – früher war ich nie so zart besaitet gewesen, hatte viel mehr einfach so weggesteckt.
"Wieso?", stellte ich die alles entscheidende Frage in den leeren Raum und es genügte, um das laute Stimmengewirr auf einen Schlag verstummen zu lassen. Wie bei einem Radio, wo man einen Schalter betätigte.
Ein Zauberer, dessen Kragen schrecklich steif aussah, räusperte sich unbehaglich. Seiner Kleidung nach zu schließen musste er irgendwann zu Zeiten der Tudors gelebt haben. "Kind", setzte er an, "schwanger wird man nicht von ungefähr. Immerhin bist du verheiratet, andernfalls wäre der Akt selbst ein sündhafter Frevel vor Merlin selbst ..."
"Ich weiß, wie Kinder entstehen", fauchte ich, "kein Bedarf, mich aufzuklären." Ich fuhr mir mit beiden Händen ins Haar, da mir plötzlich bewusst wurde, wann es geschehen sein musste. Nach meiner Rückkehr aus dem Forrest of Dean, wo ich zum ersten Mal freiwillig getötet hatte. Draco hatte mir meinen Wunsch erfüllt, mich für eine Nacht vergessen zu lassen und darüber hatten wir beide jedwede Vorsichtsmaßnahmen vergessen. Anders als in unserer Hochzeitsnacht hatten wir nicht verhütet.
Das hieß aber auch, dass ich inzwischen im vierten oder fünften Monat sein müsste. Mir entwich eine Reihe unflätiger Flüche.
Dumbledore unterbrach mich nicht. Erst als ich erschöpft den Hinterkopf gegen die Säule sinken ließ, erhob er wieder das Wort. "Daraus schließe ich, du warst dir deines Mutterglücks nicht bewusst."
"Nein."
"Und Draco weiß auch noch nichts von deiner Schwangerschaft."
Ich sandte ihm aus zusammengekniffenen Augen einen vernichtenden Blick, sparte mir dabei jeglichen Kommentar. Mutterglück? Dass ich nicht lachte. Ein Kind in diese Welt zu setzen war unverantwortlich, darin waren Draco und ich uns einig gewesen. Es sprengte meine Vorstellungskraft, wie er wohl reagieren würde. Früher oder später musste ich es ihm sagen.
Eine Bewegung in dem goldenen Porträt zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Dumbledore strich sich mit einem seiner langen Zeigefinger über die krumme Nase. "Das ändert so einiges."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro