7 | 49. Kapitel
In stummer Übereinkunft, die Sache schnell hinter uns zu bringen, ließen wir den Salon eiligen Schrittes hinter uns. Die drei Greifer schwebten leblos an unserer Seite. Keiner von ihnen sah die stummen Tränen, die mir aus den Augenwinkeln rannen. Genauso wenig wie Draco. Vielleicht entschied er sich auch einfach, sie zu ignorieren. Immerhin kannte er mich gut genug, um zu wissen, wie unangenehm sie mir waren und wusste es somit besser, als mich auf sie anzusprechen. Unwirsch wischte ich sie weg. Für den Moment unaufmerksam geworden, achtete ich nicht länger auf den Greifer in meiner Obhut. Ein dumpfer Knall ertönte, bei dem er mit dem Kopf voran gegen den Rahmen der Eingangstüre stieß.
Das Geräusch klang lauter, als es wirklich war und ich konnte mein Zusammenzucken nicht verhindern. Wie ertappt sah ich zurück zum Salon, flehte innerlich, die Schwestern wären mit ihrem Streit noch nicht fertig und die Gefangenen würden nicht gleich wieder vor mir stehen.
Leider machte die Situation meine Koordination nicht besser. So kalt und abgebrüht ich tat, ich bekam den Körper des Mannes nicht weit genug gelenkt, um ihn durch die Tür zu bugsieren.
"Hey!" Eine Hand berührte mich am Handgelenk und riss mich damit aus meinen verzweifelten Bemühungen, eine vierte Kollision von Kopf und Rahmen zu verhindern. Wie gut, dass ein erneutes Aufwachen des Greifers sehr wahrscheinlich nicht geplant war. Der arme Kerl würde später sonst ernsthafte Kopfschmerzen haben. "Mariah!"
Ich spürte die Magie, die von ihm ausging. Er nahm ihn mir ab, wirkte selbst ein Wingardium Leviosa, was mir erlaubte, meinen eigenen aufzuheben.
Die Übelkeit, von der ich eigentlich gehofft hatte, sie im Salon erfolgreich bekämpft zu haben, kehrte mit aller Macht zurück. Ich würgte. Würgte noch einmal. Dann gewannen meine Instinkte.
Unsanft drängelte ich mich an meinem Mann vorbei hinaus ins Freie, wo mir die frische Luft eines abkühlenden Frühlingstages entgegenschlug. Mir fehlte die Zeit, um die Schönheit der tief stehenden Sonne zu würdigen oder die beiden Körper, die lieblos übereinander gestapelt mitten auf dem gekiesten Weg lagen, wo Draco sie zurückgelassen hatte.
Die Hand auf den Mund gepresst, schlug ich mich seitlich in die Büsche Richtung Park, wobei ich mit meinem Getrampel einen der Albinopfauen aufscheuchte. Wild mit den Flügeln schlagend machte er sich davon und bekam zu seinem Glück nicht mehr mit, wie ich meinen Mageninhalt entleerte, bis nur noch Galle kam.
Ich hörte, wie Draco den Greifer neben seinen Kumpanen fallen ließ, ehe er in meine Richtung rannte und schlitternd zum Stehen kam.
"Du musst dir das nicht ansehen", presste ich nach wie vor würgend hervor. Die Verzweiflung, gegen meinen Körper machtlos zu sein, hatte die Tränenflut schlimmer werden lassen. Daher war mir das Stechen der Kieselsteine in meinen Händen und Knien sehr willkommen, immerhin erdete es mich ein Stück weit.
Draco hielt tatsächlich einige Herzschläge lang inne. Sein Atem ging ebenso hektisch wie der seiner Tante eben im Salon, dann fluchte er. Kühle Hände schoben sich in meinen Nacken, zogen mir das Haar nach hinten und legten sich auf meine verschwitzte Stirn. "Hast du es vergessen? In guten wie in schlechten Zeiten", murmelte er dicht an meinem Ohr.
Trotz des widerlichen Geschmacks in meinem Mund konnte ich das freudlos aufblubbernde Lachen kaum zurückhalten. "Diesen Schwur hast du aber nicht geleistet, um deiner Frau beim Brechen die Haare zu halten." Zumal ich nicht zugeben wollte, wie sehr ich mich angesichts dieses Anflugs der Schwäche schämte. Es gab einfach Dinge, die ich ungeachtet unserer Ehe nur ungern teilen mochte.
Als ich mich schließlich zurücklehnte, beeilte ich mich damit, die Überreste meines Merlin sei Dank spärlichen Frühstücks magisch verschwinden zu lassen. Kein Bedarf, Draco und mich weiter diesem Geruch auszusetzen.
"Geht es wieder?", fragte er. Dabei strich er mir weitere Strähnen hinters Ohr, die sich immer wieder eigenständig machten. Es war offensichtlich, dass er nicht wusste, was er mit seinen Händen tun sollte und absurderweise liebte ich diese Unbeholfenheit an ihm.
"Ja." Ich nickte, um die Antwort zu bekräftigen. "Lass uns das da hinter uns bringen." Mit einer Handbewegung über die Schulter gestikulierte ich zu den drei Greifern. Beim Aufstehen wackelten meine Beine wie bester Plumpudding und nur Dracos Reaktion war es zu verdanken, dass ich nicht wieder in die Knie ging.
Ich krallte mich in seinem Arm fest, kämpfte mit der Welt, die sich vor meinen Augen um sich selbst drehte. Wenigstens befand sich nichts mehr in meinem Magen, das sich doch noch zum Hallo-Sagen entschließen konnte.
Kühle Finger strichen mir über die Schläfen, legten sich auf meine Stirn. "Dir geht es nicht gut."
"Ach ne, Sherlock", murrte ich, die Lider fest aufeinandergepresst, bis ich Sternchen sah. Das war immerhin besser, als die Buchsbaumhecke Samba tanzen zu sehen.
"Wer ist Sherlock?", hackte Draco nach, wobei die pure Irritation in seiner Frage mitschwang. Er räusperte sich. "Ist ja auch egal. Du solltest dich hinlegen."
"Unfug." Ich fühlte selbst meine Wangen, kontrollierte danach meine Stirn. Meine Temperatur war normal. Zwar waren meine Finger kälter als üblich, aber ich glühte nicht. Und bis auf das Karussell ging es mir gut. "Unfug", wiederholte ich also. "Das ist nur mein Kreislauf. Gib mir noch zwei Sekunden."
Am Ende waren es doch ein paar Sekunden mehr, bis ich wieder sicher auf meinen eigenen Füßen stand. Draco hatte die ganze Zeit geduldig abgewartet. Als er mir jedoch stützend an den Ellenbogen fasste, schüttelte ich ihn ab. "Mir geht's gut!", fuhr ich ihn heftiger als nötig an.
Kapitulierend hob er beide Hände. "Schon gut, schon gut." Obwohl er besorgt dreinsah, konnte er sich sein Grinsen nicht so ganz verkneifen. "Es ist gut zu wissen, dass du immer noch dieselbe kratzbürstige Hexe bist, die ich geheiratet habe."
Ich widerstand dem Drang, ihm die Zunge herauszustrecken und auch seine gute Laune tröpfelte ihm aus dem Gesicht wie heißes Wachs, als uns die drei leblosen Gestalten zurück ins Hier und Jetzt holten.
"Was sollen wir mit ihnen machen?", fragte Draco beklommen und trat an den nächstliegenden Kerl heran. An der Schulter drehte er ihn auf den Rücken. Es war der, dem ich bereits mindestens eine ordentliche Beule verpasst hatte.
Beherrscht starrte ich auf ihn hinunter. Eine große Wahl blieb uns nicht. Unwillig drehte ich den Zauberstab in den Fingern und legte Draco eine Hand auf die Schulter.
Aus seiner hockenden Position sah er zu mir auf.
"Uns bleibt keine große Wahl", murmelte ich und zog die Lippen zwischen die Zähne. Ich hasste es, was ich gleich sagen würde, zumal mir allein der Gedanke daran den Magen verknotete. "Ich werde sie töten."
Draco sprang so schnell auf, dass ich vor Überraschung einen Schritt rückwärts tat. Einen zweiten verhinderte er, indem er mich an den Schultern packte. In seinen Augen wütete ein Sturm, verwandelte die sonst spiegelglatte See in ein tosendes graues Meer. "Vergiss es!"
"Wir können sie nicht gehen lassen." Der Unwille stand ihm ins Gesicht geschrieben, also fügte ich erklärend hinzu: "Sie waren Zeugen dieses Abends. Mir ist es egal, was mit Bellatrix passiert, aber sollte das Schwert echt sein ..."
Ich brachte meine Schlussfolgerung nicht zu Ende. Der Hexe war es aus irgendeinem Grund unheimlich wichtig, ob es sich um das originale Erbstück Godric Gryffindors handelte und von diesem Umstand machte sie einiges abhängig. Wenn sie Angst hatte – oh nein, ich wollte unter keinen Umständen diese Konsequenzen erfahren. Selbst dann nicht, wenn nur sie betroffen wäre.
"Sollte der Abend glimpflich ausgehen, will ich nicht in unserer Haut stecken, wenn durch unglückliche Umstände die da", mit dem Fuß stieß ich gegen den des Greifers, "anfangen zu plappern."
Draco stieß ein tiefes Seufzen aus. "Ich will nicht, dass du das tust."
"Willst du sie lieber für deine Tante liegen lassen?" Nervös knetete ich das Holz meines Zauberstabs. Ich wollte das nicht tun. Wirklich nicht. Die anderen beiden Greifer hatte ich in Notwehr getötet. Zumindest konnte ich mir das einreden, um mein Gewissen zu erleichtern. Das hier wäre nichts anderes als kaltblütiger Mord an wehrlosen Menschen. Nicht einmal Dumbledore war so wehrlos gewesen – diese Illusion machte ich mir nicht. "Die einzige Gnade, die wir ihnen noch zuteilwerden lassen können, ist ein schneller, schmerzfreier Tod. Den bekämen sie bei Bellatrix nicht. Da würden sie leiden." Ich erschauderte bei der Vorstellung.
Plötzlich entschlossen drehte Draco sich von mir weg, richtete den Zauberstab auf den auf dem Rücken liegenden Greifer.
Hastig packte ich sein Handgelenk. "Was tust du da?"
"Ich will nicht, dass du das tust."
"Das sagtest du bereits." Zögerlich schob ich mich zwischen ihn und den wehrlosen Mann. Seine Brauen waren zusammengezogen, die Stirn in Falten gelegt. Er bot ein einziges Bild der Qual, die Lippen zu einer schmalen Linie aufeinandergepresst, sodass das Grübchen in seinem Kinn deutlich zutage trat. "Und ich will nicht, dass du das tust." Ich legte ihm eine Hand an die Wange, fuhr ihm mit dem Zeigefinger am Haaransatz entlang.
Sein Blick zuckte zwischen mir und dem Körper in meinem Rücken hin und her.
Unruhig befeuchtete ich meine Lippen mit der Zunge. "Sieh es so, ein Mord mehr oder weniger ändert für mich nichts mehr."
"Du schleppst jeden davon mit dir herum", wandte er störrisch ein und zog neuerlich die Brauen zusammen, die er bis gerade angefangen hatte zu entspannen. Neue Entschlossenheit machte sich in seiner Miene breit.
Betont unbekümmert zuckte ich die Achseln. Als ginge mir das alles am Allerwertesten vorbei. "Ein Albtraum mehr oder weniger wird nicht mehr viel ändern." Dann waren es halt sechs Gesichter, die mich verfolgten. Irgendwann würde ich eventuell aufhören zu zählen. Ich sehnte den Tag herbei. "Für dich wäre es der erste Mord."
Als er den Arm minimal sinken ließ, nutzte ich die Gelegenheit. Entschieden drückte ich seinen Zauberstab hinunter und entwand ihn vorsichtig seinen Fingern.
"Was tust du?" Seine Augen weiteten sich und hastig griff er nach meiner Hand.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen. "Ich verhindere, dass du mir die Entscheidung abnimmst." Ein Kuss auf seine Lippen, bei dem ich ihm keine Zeit für eine Reaktion ließ. Den kurzen Moment der Abgelenktheit nutzte ich, um seinen Stab außerhalb seiner Reichweite zu bringen.
Dann ging es schnell.
Am liebsten hätte ich bei jedem einzelnen der Todesflüche die Augen zugekniffen. Hätte den Zauber blind gesprochen, doch das erschien mir unhöflich. Als würde ich ihnen auch den letzten Rest ihrer Würde mit einem solchen Verhalten nehmen, wenn ich ihnen schon die letzte Gelegenheit zur Verteidigung nahm.
Ein grüner Blitz nach dem anderen erhellte den schmalen Vorhof. Die Magie floss an meinem Arm entlang und ich fühlte es beinahe körperlich, wie meine Opfer das Leben verließ. Jedes Mal war es mir, als würde ich einen Teil meiner selbst verlieren.
Als ich fertig war – so grausam sich diese Form des Denkens anfühlte – stand ich einige Sekunden lang einfach nur da. Den Zauberstab nach wie vor erhoben, ohne die drei toten Greifer wirklich zu sehen. "Was machen wir mit ihren Körpern?", wisperte ich schließlich.
"Wir lassen sie liegen." Dracos Wärme an meiner Schulter erdete mich, versprach mir, dass ich trotz dieser Tat immer noch lebte. Anders als diese drei unglücklichen Seelen spürte ich die kühle Abendbriese auf meiner Haut, roch die frisch geschnittene Buchsbaumhecke und schmeckte – unglücklicherweise immer noch – die hochgewürgte Galle. Mit einem Mal hatte ich es eilig, mir den Mund auszuspülen.
Daher protestierte ich nicht gegen den herzlosen Vorschlag und folgte meinem Mann nach drinnen. Wo mir postwendend ein Strich durch meinen Plan gemacht wurde, mich nach ordentlichem Zähneputzen ins Bett zu fläzen und nicht unter den Laken hervorzukriechen, bis ich den heutigen Abend aus meinem Gedächtnis verbannt hätte.
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