7 | 42. Kapitel
Draco spürte die Veränderung, die mich durchlief. Merkte, wie ich mich anspannte. "Was ist los?"
Ich riss meinen Blick von Filch los, der mit herkömmlichen Mitteln versuchte, dem Graffito Herr zu werden und dabei alle unmittelbar Umstehenden von oben bis unten mit Wasser bespritzte. "Mir ist gerade was eingefallen. Das hatte ich ganz vergessen." Der letzte Satz war eher an mich selbst gerichtet.
Zwei Finger legten sich um mein Handgelenk, als wollten sie mich ermahnen, im Hier und Jetzt zu bleiben. "Magst du mich an deinen Gedanken teilhaben lassen?"
Die blonde Strähne, die ihm in die Stirn fiel, als er zu mir hinab sah, strich ich ihm fort. "Ich möchte nur etwas nachschauen. Mach dir keine Sorgen um mich."
"Das letzte Mal -"
"- hab ich dir allen Grund dazu gegeben", beendete ich seinen Einwand seufzend. Er war durchaus berechtigt. Immerhin war ich ein zitterndes Nervenbündel gewesen und hatte die halbe Nacht damit zugebracht zu weinen. Seither hatte ich Harry bestmöglich aus meinen Gedanken ferngehalten und damit einhergehend alles, was mit ihm in Verbindung stand. "Ich gehe nur in die Bibliothek."
"Soll ich -"
Abermals ließ ich ihn nicht aussprechen und schüttelte den Kopf. "Nicht nötig." Als ich Pansy hinter ihm stehen sah, fügte ich an: "Wenn sich hier einer Sorgen machen sollte, bin wohl eher ich das."
Ohne Probleme griff er meine Überlegung auf, als er meinem Blick über seine Schulter hinweg folgte. In der Tat stand da das mopsgesichtige Mädchen und starrte zu uns herüber. Ein Glück, dass ihre Augen kein Gift sprühen konnten. Draco schenkte mir ein umwerfendes Grinsen und wackelte dabei mit den feinen Brauen. "Ich bin ein verheirateter Mann."
"Ihr habt euch in der Vergangenheit bereits in der Besenkammer vergnügt", warf ich ihm vor, ohne recht zu wissen, wieso mir dies gerade so wichtig erschien. Leider erinnerte ich mich nur zu gut an jene Zeit, in der wir offiziell lediglich Freunde gewesen waren. Dabei boxte ich ihm gegen die Brust.
Man musste ihm zugutehalten, dass er sich redlich Mühe gab, seine Mundwinkel nach unten zu zwingen. "Genau genommen war es ein Klassenzimmer, keine -"
Blitzschnell zückte ich meinen Zauberstab und hatte dank meines Umhangs keinerlei Probleme, ihm diesen an die Brust zu drücken. Keiner unserer Mitschüler sah den Grund dafür, dass sich seine grauen Augen weiteten. Vermutlich bekam es überhaupt niemand mit, denn der Hausmeister hatte laut zu fluchen begonnen, weil dort, wo er den Wischmopp entlangführte, Funken zu sprühen begonnen hatten. Kurz darauf stand das Teil selbst in Flammen.
"Überleg dir gut, was du sagst, Schatz", flötete ich durch zusammengebissene Zähne. Der rationale Teil meiner selbst war sich der Überreaktion bewusst. Der gerade vorherrschende Teil fand es absolut unangemessen, dass er über seine Eskapaden mit Parkinson Witze riss. "Mag sein, dass die alten Reinblutetikette Treue des Ehemanns nicht vorsehen, ich hingegen tue es sehr wohl. Also ..."
Sachte legte er die Finger über die meinen und in jenem Moment erkannte ich wie so oft Malfoy Senior in ihm. Die Vorsicht, die auch er so oft walten ließ; die Skepsis, nichts zu tun, was ihn in ernsthafte Schwierigkeiten bringen könnte. "Wenn wir uns dann alle wieder beruhigen würden", sagte er und ließ dabei meinen Zauberstab nicht aus den Augen. Er war am ganzen Körper angespannt und wäre ich es nicht gewesen, hätte er sich vielleicht auf die Zehenspitzen gestellt, um dem Druck der Stabspitze zu entfliehen.
Zugegeben, mir begann die Situation Spaß zu machen. Die letzte Fopperei dieser Art zwischen uns beiden war viel zu lange her. Ich bewegte die Finger, erkundete das so vertraute Holz zwischen ihnen. So groß sein Mundwerk war, in solchen Momenten wurde er ganz klein. Das war schon immer so gewesen. Um ihn noch ein bisschen weiter zu ärgern, legte ich den Kopf ein wenig schief und blinzelte unter gesenkten Wimpern zu ihm empor. "Du wirst Pansy Parkinson sicherlich keinen Funken deiner Aufmerksamkeit schenken, nicht wahr?"
"Natürlich nicht." Nicht die Spur seines üblichen Schnarrens.
Ein Grinsen schlich sich in meine Züge. Mit einem Mal war ich in Hochstimmung. Ich streckte mich, um ihm noch einen kurzen Kuss auf die Wange zu geben. Dann steckte ich meinen Zauberstab genauso unauffällig wieder weg, wie ich ihn hervorgeholt hatte. "Ich bin in der Bibliothek, wenn du Sehnsucht nach deiner Ehefrau hast."
Den Blick, den er mir hinterher sandte, als ich mich zwischen den umstehenden Schülern hindurch schlängelte, sah ich nur noch aus dem Augenwinkel. Er war unbezahlbar. Ich biss mir auf die Unterlippe, um das grenzdebile Lächeln zu unterdrücken. Dennoch ließ ich mir die Haare vors Gesicht fallen, damit mein Abgang die Eingangstreppe hinauf nicht allzu vielen auffiel.
Zur Abwechslung einmal schenkte kaum einer mir Beachtung. Ungehindert ließ ich die gruselig ruhige Schülerschar hinter mir. Früher einmal hätte eine solche Aktion für tosendes Gelächter und Erheiterung gesorgt. Die vereinzelten, verschreckten Lacher reichten nicht einmal ansatzweise an diesen Zustand heran. Es war unmöglich nur mir klar gewesen – wenn sie nicht so abgelenkt gewesen wären, hätten die Carrows und Severus Snape das Schauspiel sicherlich bereits im Keim erstickt, indem sie alle Schüler auf direktem Wege in die Große Halle zum Frühstück beordert hätten.
Als ich nach zwei Umwegen dank störrischer Treppen endlich mein Ziel erreichte und die Räumlichkeiten leer vorfand, atmete ich auf. Der vertraut muffig-staubige Geruch der Bibliothek stieg mir in die Nase. Nicht einmal Madam Pince schlich zwischen den Regalreihen ihrer geliebten Bücher umher und so hatte ich die freie Sitzplatzwahl. Ich entschied mich für eine der Fensternischen im hinteren Teil der Bibliothek unmittelbar vor der verbotenen Abteilung. Meine Tasche ließ ich auf den Boden neben mir fallen, zog dann die Beine in den Schneidersitz und atmete mit geschlossenen Augen tief durch.
Bereits den gesamten Morgen war mir flau im Magen, was mich nach der letzten Nacht nicht wunderte. Von daher war ich froh, dem Frühstück entronnen zu sein. Dracos wenig nachtragende Reaktion erleichterte mich zwar, änderte nur leider nichts an den Albträumen, die mich kaum hatten schlafen lassen.
Ich ließ den Blick durch das geriffelte Glas nach draußen auf die Ländereien schweifen. Von hier aus konnte ich Hagrids Hütte am Waldrand erkennen. Anders als früher drang kein Rauch aus dem Schornstein und obwohl ich es nicht sehen konnte, wusste ich, dass das Kürbisfeld davor verwaist und die Früchte vergammelt waren.
Der Wildhüter war Anfang Februar geflohen, wobei er die Not dazu geradezu heraufbeschworen hatte. Eine Harry-Potter-Freundschaftsparty zu veranstalten war schlicht und ergreifend nicht nur albern, sondern in der jetzigen Situation selbstmörderisch und es war mir ein einziges Rätsel, wie er auf diese Idee gekommen war. Immerhin war er mir nie dumm vorgekommen. Ganz im Gegenteil. Wenn ich mich an unsere erste Begegnung vor sieben Jahren erinnerte, war ich mir fast sicher, dass er mich damals erkannt hatte. Sicher hatte er mich nicht zuordnen können und dennoch hatte er eine Ahnung gehabt.
Wie so viele ihre Ahnungen gehabt hatten.
Um es nicht länger vor mir her zu schieben, bückte ich mich zu meiner Tasche und zog den unordentlich zerknüllten und in Mitleidenschaft gezogenen Zeitungsausschnitt hervor, den ich seit Wochen mit mir herumschleppte. Die Schlagzeile berichtete über den Unerwünschten Nummer eins, dessen grüne Augen mir vom Papier aus anklagend entgegenfunkelten. Gut, die Abbildung war in schwarz-weiß, aber mein Kopf fand seinen ganz eigenen Weg, das Bild einzufärben.
Unschlüssig griff ich nach meinem Zauberstab, drehte ihn in den Fingern. Wollte ich wirklich lesen, welche Botschaft dieser Brief für mich bereithielt? Ich kaute auf meiner Unterlippe. Das flaue Gefühl in meinem Magen war mit aller Gewalt zurückgekehrt und ich drückte mir die Hand dagegen.
"Wann hat mir Verstecken jemals so wirklich geholfen?", murmelte ich mir selbst zu. Meine Worte wurden von den abertausenden Seiten in den angrenzenden Regalreihen verschluckt. Ich schickte ein Muffliato hinterher und da ich meinen Sinnen allein nicht traute, schickte ich einen Zauber zur Kontrolle hinterher. "Homenum Revelio!"
Das Holz meines Stabs blieb kühl. Ich wusste nicht, ob ich enttäuscht sein sollte. Immerhin hieß das, dass mir nun keine Ausflüchte mehr blieben.
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