7 | 35. Kapitel
Das neue Jahr begann nasskalt und ich war nicht sonderlich erpicht darauf, das Haus zu verlassen. Die meiste Zeit verbrachte ich bei uns im Schlafzimmer und las. Nur zu den Mahlzeiten schaffte ich es unter meiner Decke hervor und zumeist leistete Draco mir Gesellschaft. Entweder lag er neben mir oder saß an der kleinen Frisierkommode, wo er über irgendwelchen Schulbüchern grübelte. Ich fragte ihn nie, was es damit auf sich hatte. Es war die schönste Form von Urlaub, die wir bislang gehabt hatten und ich wollte mich selbst nicht aus dieser Welt der bloßen Existenz reißen.
Die Realität würde früh genug ihren Einzug feiern. Spätestens am nächsten Montag, wenn wir an den Bahnhof Kings Cross zurückkehren und den Zug nach Hogwarts nehmen würden. Dann wäre es vorbei mit der Abgeschiedenheit, die wir hier gerade so genossen.
Es war Mitte der Woche, als sich etwas Entscheidendes änderte. Am frühen Nachmittag huschte ich auf leisen Sohlen die Treppe in den ersten Stoch hinunter, als ich etwas in der Eingangshalle hörte. Eigentlich hatte ich in die Küche gehen wollen, um Draco und mir einen der Kesselkuchen hochzuholen. Ich hatte seinen Einwand, ich könnte genauso gut einfach nach einer der Hauselfen schicken lassen, mit einem Schulterzucken abgetan und behauptet, ich könnte die Bewegung gut vertragen. Angesichts der leisen Stimmen dort unten, war ich froh darum.
Denn sie wiederholten immer wieder einen Namen: "Potter."
Ich krampfte meine Finger in den Saum meines Pullis, sah die Treppe hinauf und spähte in die Korridore, so weit ich sie eben überblicken konnte. Normalerweise verbrachten meine Schwiegereltern die Zeit nach dem Mittagsessen in einem der kleineren Salons, in denen sie nicht gestört werden wollten.
Bei Bellatrix und Wurmschwanz konnte man es nie so genau sagen. Doch ich war mir ziemlich sicher, dass Dracos Tante längst aufgetaucht wäre, wenn sie gegenwärtig im Haus verweilte. Irgendwie hatte sie für Ärger einen sechsten Sinn.
Also straffte ich mich und setzte mich wieder in Bewegung. Begleitet von dem stetigen Gemurmel der fremden Männer im Foyer, schritt ich so erhaben es mir möglich war die letzte Treppe hinunter. Genau in dem Moment, als mich das Licht des Kronleuchters erreichte, reckte ich das Kinn. Dabei zwang ich mein Gesicht in die absolute Ausdruckslosigkeit und verlangte im besten arroganten Tonfall, den ich mit einem bis zum Herzen klopfenden Hals fertigbrachte, zu wissen, was dieser Besuch zu bedeuten hatte.
Sie waren keine Todesser. So viel war mir gleich klar, als ich in ihre ausgemergelten Gesichter blickte und mir der Löcher in ihrer Kleidung gewahr wurde. Auch die Art, in der sie nervös auf der Stelle traten, untermauerte diese Theorie. Sie fühlten sich sichtlich unwohl in der kahlen Eingangshalle.
"Was wollt ihr hier?", fragte ich erneut, dieses Mal noch einige Nuancen kälter.
"Wir -" Der größere der beiden mit zottigem blondem Haar blickte hilfesuchend zu seinem Kumpan.
Dieser schien mutiger und trat vor. "Mrs. Malfoy – wir wollten den dunklen Lord sprechen."
"Ihr wollet den dunklen Lord sprechen?", äffte ich sie nach und wenn ich sie vorher nicht mehrfach den Namen meines Bruders hätte sagen hören, wäre ich mir eventuell gemein vorgekommen. Sie waren nicht viel älter als ich und ich hätte meinen Besen darauf verwettet, dass sie erst vor wenigen Monaten übergelaufen waren. Ebenso viel wie ich darauf gesetzt hätte, dass ihre Motive nicht blinder Gehorsam, sondern viel eher Geld waren. "Was ist euer Begehr, wenn ich fragen darf?"
Ich hatte es als Frage formuliert, doch mein Unterton ließ schien bei ihnen anzukommen. Erneut wechselten sie einen Blick miteinander. Der eine nickte dem Sprecher zu, auf dessen Zügen sich prompt eine Spur Aufmüpfigkeit zeigte. "Eine Sache von höchster Wichtigkeit, die keinen Aufschub duldet." Offenbar zufrieden mit seiner Antwort räusperte er sich. "Ja wohl, so ist es."
Allmählich gewann bei mir Gereiztheit die Oberhand. Ich verließ die unterste Stufe und schritt auf die beiden zu, wobei ich so tat, als sei ich vollkommen in die Betrachtung meiner Nägel vertieft. Dabei war ich mir des Moments, da der eine seinen Zauberstab zog, durchaus bewusst. "Ihr müsstet wissen, dass der schwarze Lord Besseres mit seiner Zeit anzufangen weiß, als alle naselang dahergelaufenen Greifern eine Audienz zu gewähren."
Unter meinen Wimpern hindurch sah ich auf. Ich hatte ins Schwarze getroffen. Es waren Greifer. Jene, die den Auftrag hatten, den Verstößen gegen das Tabu, das auf dem Namen des dunklen Lords lag, nachzugehen. Das zeigte mir ihre Reaktion. Panik, Unglaube und Furcht davor, ihren Lohn für den allzu wichtigen Hinweis möglicherweise nicht zu bekommen.
Äußerlich gleichgültig wandte ich mich ab. Severus Snape wäre stolz auf mein Schauspiel. Dabei konnte ich nur beten, dass ich hiermit nicht wertvolle Zeit verspielte und sie wirklich nur zu zweit waren. "Nun denn, ihr findet den Ausgang."
"Wir haben Potters Aufenthaltsort!", platzte es aus einem der beiden hervor.
Mein Herz setzte einen Schlag aus, begann dann sofort zu galoppieren. Ich hörte meinen Puls in den Ohren rauschen, so laut, dass ich meine eigenen Worte beinahe nicht hörte: "Wo?"
"Im Forrest of Dean."
"Und das sagt ihr mir erst jetzt?" Ich wirbelte herum, gab vor, es rein aus Wut zu tun. Sie durften nicht merken, was ich plante. Mein Glück vielleicht, dass ich mir diesbezüglich selbst noch nicht ganz sicher war. "Und wo bitte ist er dann?"
Sie wichen vor mir zurück und ich betete innerlich, gegenwärtig keine Zuschauer zu haben. Das letzte, was ich hier und jetzt gebrauchen konnte, war eine Ratte, die rein zufällig am Absatz der Kellertreppe lauschte. Oder Bellatrix, die sich der Situation anschloss.
"Wir ... wir dachten, wir müssen den Aufenthaltsort nur melden", stammelte der eine, der zuvor kein Wort gesprochen hatte.
"So, ihr dachtet also, ihr heimst euch sein Kopfgeld ein, ohne einen Finger dafür krümmen zu müssen?" Ich war bis auf einen Meter herangekommen, nah genug, um ihn ihren Dunstkreis zu geraten. Sie rochen heruntergekommen, nach Dreck und Schweiß. Ich konnte mir ein Naserümpfen nicht verkneifen.
"Mrs. Malfoy -" Die Stimme des Mannes zitterte und seine Hand mit dem Zauberstab zuckte. Noch war er sich nicht sicher, ob er die Hand gegen mich erheben sollte. "Wir wollten -"
Es ging ganz schnell. Stumm wirkte ich einen Muffliato, der alle Laute der beiden dämpfen würde. Wenn sie die von mir ausgehende Magie spüren konnten, reagierten sie nicht darauf. Erst als ich meinen Stab auf sie richtete, weiteten sich ihre Augen. Angst zeichnete sich in ihnen ab und ich hasste es, Grund dessen zu sein.
Der Zauber des Blonden kam zu spät, um seinem Freund zur Hilfe zu eilen. Mit einem Petrificus Totalus hatte ich ihn bereits zum Zuschauer in seinem jetzt vollständig gelähmten Körper gemacht, als ich mit einem lockeren Schwenk meines Zauberstabs den roten Lichtblitz des anderen abwehrte. Er prallte von meinem Schild ab und flog quer durch den Raum, ehe er in der Wand neben den Türen zum großen Salon einschlug.
"Was ist -" Das Gestammel des Greifers ging mir auf die Nerven. Er fiel beinahe über seine eigenen Füße, als ich ihm mit gehobener Waffe nachsetzte.
Ich hielt mich nicht an Erklärungen auf. "Obliviate", murmelte ich und konzentrierte mich dabei darauf, jegliche Erinnerung an den heutigen Tag aus seinem Gedächtnis zu tilgen.
Der Zauber gelang.
Augenblicklich wurde der Ausdruck in seinen Augen leer, seine abwehrende Haltung erschlaffte, seine Schultern sanken herab.
Um keine Zeit zu verlieren, wandte ich mich sofort zu seinem Kumpan. Er stand stocksteif da, nur seine Augen bewegten sich. Ich bildete mir ein, Panik in ihnen zu sehen, erlaubte mir jedoch nicht, irgendwie darauf zu reagieren. Wieder hob ich meinen Stab. "Obliviate."
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