7 | 29. Kapitel
Unser erster Weg führte uns hinein in die Zaubererbank Gringotts, deren Gebäude hoch am Ende der Gasse aufragte. Es war mehrstöckig und bildete mit seiner vollkommen weißen marmornen Erscheinung einen heftigen Kontrast zu den umstehenden Geschäften, von denen nicht wenige ihre Fensterläden mit Brettern verrammelt hatten. Wir kamen an Ollivanders Laden vorbei und meine Füße wurden unweigerlich langsamer, bis ich an Dracos Hand ziehen musste, um ihn zum Stehenbleiben zu animieren.
"Sieh dir das an", murmelte ich und wagte es kaum, meiner Stimme Ton zu verleihen.
Ollivander - Gute Zauberstäbe seit 382 v. Chr., stand in abblätternden Goldbuchstaben auf einem Schild, das knarzend im Wind hin und her schwang. Vor sieben Jahren war es bereits alt und heruntergekommen gewesen, dennoch bildete ich mir ein, dass die Zeit noch einige Buchstaben mehr für sich beansprucht hatte. Wenn nicht sie, hatten es sicherlich die Todesser, die den Zauberstabmacher auf Geheiß des dunklen Lords von seiner Tätigkeit entbunden hatten.
Die einst so unauffällige Tür war nur noch angelehnt und ich musste sie nicht aufstoßen, um zu wissen, dass nirgends im Laden noch das helle Läuten einer Glocke ertönen würde. Durch das zersprungene Fenster konnte ich die Zerstörung im Innern nur erahnen, wenngleich ich ganz deutlich die Glasfragmente erkannte, die sich über das verblasste purpurrote Kissen dahinter ergossen hatten. Dort lag immer noch ein einzelner Zauberstab. Unangetastet.
Ich ballte meine freie Hand zur Faust und tastete unweigerlich nach dem Zauberstab in meiner Tasche. Es war nicht mein alter Haselstab. Nicht jener Stab, den ich in diesen Räumlichkeiten vor all den Jahren erworben und der mir mit seinem Herz aus Drachenherzfaser gute Dienste geleistet hatte.
Denn dieser war gemeinsam mit meiner Kindheit in jener Nacht im Ministerium zerbrochen. Er lag in Spinner's End unter meiner Matratze verborgen, mit einem Zauber vor der zufälligen Entdeckung verborgen.
Draco an meiner Seite war still. Ich spürte die Trauer, die auch von ihm in diesem Moment ausging, als er meine Hand drückte. "Er war für uns alle ein Stück Kindheit."
Der Kloß in meiner Kehle wurde größer. "Ich weiß, dass mich das eigentlich nicht so sehr schockieren sollte", sagte ich und hob dabei immer noch nicht meine Stimme. "Immerhin steht der Laden nun schon seit über einem Jahr leer. Aber letztes Jahr -"
"Letztes Jahr hatten wir andere Dinge, auf die wir uns konzentrieren mussten", ergänzte Draco düster. Ich musste nicht zu ihm aufsehen, um zu wissen, wohin sein Blick dabei wanderte. Ehrlich gesagt erinnerte ich mich nicht mehr, ob ich in jenem Sommer überhaupt hier gewesen war oder ob mein Vater oder Narzissa sämtliche Besorgungen erledigt hatten. Aber ich wusste, dass er damals in der Nokturngasse das Gegenstück zu unserem Verschwindekabinett in Hogwarts aufgetan hatte. "Lass uns weiter gehen, Mary."
Und so schnell ging es, dass wir uns an das Verhalten der übrigen Hexen und Zauberer anpassten. Gemeinsam eilten wir die letzten Meter über die gepflasterte Straße, die von den ersten paar Millimetern Neuschnee rutschig geworden war, auf die Treppe zu, welche den Eingang Gringotts markierte.
Auch hier hatte sich etwas zu unserem letzten Besuch verändert. Normalerweise stand neben der bronzenen Tür ein Kobold in Uniform, der mit verkniffener Miene alle Kunden musterte. Nach meinem Erlebnis mit Griphook, der mich von meiner Erkundungstour am Ohr zurück zu meinem Vater geschleift hatte, hatte ich vor jedem dieser Wesen gehörigen Respekt gehabt und mich so bereits am Eingang ganz klein gemacht.
Doch heute standen links und rechts des Eingangs zwei Zauberer, lange goldene Stäbe in Händen. Seriositätssonden. Ich hatte die Dinger erst einmal bei Filch gesehen, der mit ihrer Hilfe jeden aus Hogsmeade zurückkehrenden Schüler auf verbotene Gegenstände untersucht hatte. Sie führten sie an uns hinauf und hinunter, hielten uns aus Ermangelung einer Reaktion der Sonden jedoch nicht auf, als wir weiter in die kleine Vorhalle auf ein neuerliches Paar Türen zutraten. Diese waren silbern und beidseitig von Kobolden flankiert.
Ich konnte nicht anders, als die darin eingravierte Warnung zu lesen:
Fremder, komm du nur herein,
Hab Acht jedoch und bläu's dir ein,Wer der Sünde Gier will dienen,Und will nehmen, nicht verdienen,Der wird voller Pein verlieren.
Wenn du suchst in diesen Hallen,
Einen Schatz, dem du verfallen,Dieb, sei gewarnt und sage dir,Mehr als Gold harrt deiner hier.
Im Gegensatz zu mir schenkte Draco den Worten keine weitere Aufmerksamkeit, sondern stolzierte zielstrebig an den beiden Kreaturen vorbei. Wir kamen in den Raum dahinter, an dessen Decke ein schwerer Kronleuchter baumelte und sein Licht auf den langen Schalter warf, auf dem Kobolde auf hohen Schemeln die eintretende Kundschaft bedienten. Außer uns war nur ein vom Alter gebeugter Zauberer anwesend, der geduldig darauf zu warten schien, bedient zu werden.
Mein Mann kannte diese Form des höflichen Wartens nicht. Indem er einen kleinen goldenen Schlüssel über den Tresen schob, sagte er schnarrend: "Ich muss etwas Gold abheben."
Der Kobold kritzelte noch einige Worte auf das Pergament vor sich, dann legte er seine Feder beiseite. "Mr. Malfoy." Ein Blick zu mir, der ihm offensichtlich versicherte, dass ich keiner Begrüßung wert war. Die Kobolde spielten nun einmal nach ihren eigenen Regeln. "Wünschen Sie Einlass in das Familienverlies?"
"Ich wünsche lediglich einen geringen Betrag Galleonen." Doch der Betrag, den er im nächsten Satz nannte, verschlug mir ein wenig den Atem. Von wegen gering.
Ungerührt nickte das Wesen. "Ich werde die Auszahlung veranlassen. Bitte gedulden Sie sich einen Moment." Damit hüpfte er von seinem Schemel und verschwand durch eine der Türen hinter dem Tresen.
Sekundenlang starrte ich ihm nach, bis mich eine Berührung am Unterarm dazu veranlasste, mich zu Draco umzudrehen. Eine seiner Strähnen hing ihm feucht vom Schnee in die Stirn. Ich strich sie vorsichtig mit zwei Fingern fort, ohne mich dabei um die übrigen Kobolde in der marmornen Halle zu scheren. Von ihnen schenkte uns ohnehin keiner Beachtung und auch der alte Zauberer einige Schalter weiter blickte lediglich auf eine alte Taschenuhr, die er aus seiner Hosentasche geholt hatte.
"Du hast dort unten auch ein Verlies, weißt du?", fragte er und nickte hinter dem Kobold her.
Irritiert runzelte ich die Stirn. "Ich habe nicht vor -"
Er unterbrach mich mit einem Kopfschütteln. "Ich rede nicht vom Malfoy-Verlies. Auch wenn es mit unserer Heirat technisch gesehen genauso deins ist."
"Die Snapes -"
"Die Snapes mögen dort unten ebenfalls ihre Reichtümer lagern, doch auch von ihnen spreche ich nicht", unterbrach er mich abermals. "Ich spreche von den Potters."
Drei Familien, drei Verliese – Merlin wusste, wie schnell man da schon einmal den Überblick verlieren konnte. Gedankenversunken schüttelte ich den Kopf. "Ich käme mir wie eine Diebin vor."
Das monotone Münzklimpern und Kratzen von Federn auf Pergament trat in den Hintergrund, während ich stumm das glänzend polierte Holz des Tresens anstarrte. Draco sagte kein Wort, ließ mich meinen Gedanken ausformulieren.
"Weißt du, ich habe meine Familie auf so viele Arten verraten und mit Füßen getreten, ich habe meinen Bruder enttäuscht ..." Ich begegnete Dracos Blick aus sturmgepeitschten grauen Augen, reckte das Kinn dabei ein wenig. "Ihr mögt alle immer wieder sagen, dass ich im Herzen eine Potter sei, aber es fühlt sich einfach nicht so an, weißt du?"
"Dieses Gespräch führten wir -"
Ich wusste, was er sagen wollte. Dass wir dieses Thema bereits vor einigen Wochen am Abend im Gemeinschaftsraum durchgekaut und zu Genüge analysiert hatten. Dennoch sprach ich hastig weiter, darauf bedacht, meine Stimme nicht zu heben und damit einen der Kobolde auf unser Gespräch aufmerksam zu machen. "All das, welcher Reichtum auch immer unter unseren Füßen lagern mag, steht mir nicht zu. Genauso wenig wie ich ein Anrecht auf das Black-Anwesen habe, obwohl -" Peinlich berührt zog ich die Unterlippe zwischen die Zähne. So direkt wusste Draco nichts von meiner Verbindung zu seinem Großcousin. Wirklich erzählt hatte ich ihm nie, dass ich gemeinsam mit meinem Bruder als Erbin in Sirius' Testament eingetragen war.
Sofern er meinen Fauxpas bemerkte, ließ er es sich nicht anmerken. Seine aristokratischen Züge nahmen ihren gewohnten arroganten Ausdruck an, als der Kobold mit einem klimpernden Beutel zurückkehrte. Am Ellenbogen drehte er mich zum Tresen herum, hinter dem das Wesen gerade mit mühsamen Bewegungen zurück auf seinen Schemel kletterte. Kurz fürchtete ich, er würde seinen Standpunkt untermauern wollen, indem er uns Zutritt zum Verlies meines Bruders verschaffte. Aber er legte nur einen Arm um mich und griff mit einem nachsichtigen Nicken nach dem Schlüssel, den er zuvor ausgehändigt hatte, und unterschrieb mit nachlässig geführter Feder einen Wisch, den ihm der Kobold vorlegte.
Schließlich nahm er den Beutel Galleonen entgegen, verstaute ihn in einer Innentasche seiner Jacke und schenkte mir ein aufgesetztes Lächeln. "Dann lass uns Shoppen gehen."
Die Art, wie er den neumodischen Begriff für Einkaufen aussprach, ließ mich gegen meinen Willen schmunzeln.
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