7 | 26. Kapitel
Rational betrachtet, hatte Draco vermutlich nicht ganz Unrecht. Dennoch spukten mir McGonagalls Worte weiter im Kopf herum und ließen mich zweifeln, wie viele meiner Taten ich damit rechtfertigen konnte, meinen Bruder schützen zu wollen.
Als die Todesser den Hogwarts-Express auf dem Weg zurück nach London auf halber Strecke anhielten und Luna Lovegood aus ihrem Abteil holten, stand ich nur daneben. Genauso wie alle anderen Schüler, die zwar neugierig aus ihren Abteilen lugten, ohne dabei jedoch einen einzigen Finger zu krümmen.
Ich spürte die Wärme meines Ehemanns in meinem Rücken, seine Hand auf meiner Hüfte und seinen Atem, der mich am Hals kitzelte. Tief sog ich seinen vertrauten Geruch ein und tröstete mich mit dem Gedanken daran, dass wenigstens er immer zu mir halten würde, egal, wie ich mich verhielt. Seine Worte an jenem Abend vor dem Kaminfeuer, wo wir kurz danach eng aneinander gekuschelt auf dem Sofa eingeschlafen waren, hatten diesbezüglich nur geringfügig Raum für Spekulationen gelassen.
Seltsamerweise zog keiner der Gutmenschen aus dem Freundeskreis meines Bruders den Zauberstab oder stellte sich den beiden Todessern in den Weg, die mit Luna in der Mitte den Gang entlangliefen. Kein Gryffindor, Ravenclaw oder Hufflepuff mischte sich ein, wenngleich sie alle finstere Mienen zur Schau trugen. Sie alle standen stumm Spalier und sahen sich das Schauspiel an, von dem die Ravenclaw selbst wenig mitzubekommen schien.
Auf ihre typische verträumte Art starrte sie in die Luft, vielleicht auf der Suche nach Nargeln oder wie die Geschöpfe, die nur sie sah, alle heißen mochten. Nicht einmal die rosarote Brille, im wörtlichen Sinne – ein quietsch pinkes Teil, das sie ein wenig wie Professor Trelawney aussehen ließ – hatte sie abgenommen. Offenkundig scherte sie sich nicht um den Zauberstab, den ihr der mir unbekannte Todesser in die Seite drückte und ehrlich gesagt hätte es mich nicht gewundert, wenn sie begonnen hätte, ein Lied zu summen.
Leider wunderte es mich nicht, dass sie sie aus dem Zug holten. Dieser Tage war der Klitterer – die Zeitschrift, die ihr Vater verlegte – eines der wenigen nicht regierungskonformen Blätter. Und niemand, der sich in dieser Zeit auf Seiten meines Bruders schlug, machte sich Freunde.
So plötzlich die Todesser im Zug aufgetaucht waren, so abrupt verschwanden sie wieder. Der erste kletterte aus der Tür, richtete den Zauberstab auf Luna, als fürchtete er, sie könne jeden Augenblick die Flucht ergreifen. Hinter ihnen folgte der andere und kaum hatten sie festen Boden unter den Füßen, nahmen sie die blondhaarige Ravenclaw wieder in ihre Mitte und disapparierten mit ihr.
Kaum waren sie verschwunden ruckte der Zug und setzte sich abermals in Bewegung. Doch anders als beim letzten Mal zu Beginn des Schuljahrs lief kein Aufatmen durch die Abteile. Neville starrte einige Sekunden lang aus dem Fenster, dann drehte er sich zu seinem Abteil um und schlug dermaßen heftig gegen die Tür, dass die Glasscheibe darin splitterte. Kleine Scherben flogen in alle Richtungen. Dabei fluchte er so unflätig, dass einige der unteren Jahrgänge sich mit hochroten Köpfen hastig zurück auf ihre Sitzplätze begaben.
Auch Draco versuchte mich mit sanftem Druck an meiner Taille zum Rückzug zu bewegen. Unsere Freunde saßen längst wieder auf ihren Plätzen, doch ich schüttelte nur stumm den Kopf. Longbottoms Schmerz war mit Fingern greifbar und er schüttelte die Hand ab, die Ginny auf seinen Arm legte. "Lass mich", fuhr er sie an. "Luna und ihr verdammter Edelmut."
"Sie wollte nur vermeiden, dass einer von uns ihretwegen verletzt wurde. Du weißt so gut wie ich, dass wir auf verlorenen Posten gekämpft hätten." Der wütende Blick in meine Richtung entging mir nicht. "Wir wären eins zu zehn in der Unterzahl gewesen."
Ich seufzte. Da hatte sie leider recht. Wenn es zu einer Auseinandersetzung gekommen wäre, wären Draco und ich gezwungen gewesen, Partei zu ergreifen. Es hätte Tote geben müssen. Entweder wir, weil unser Einschreiten dem dunklen Lord nicht gefallen würde, oder aber die beiden Todesser selbst. Was uns vor eine Reihe weiterer Probleme gestellt hätte.
"Gib ihnen ihren Raum, Mary", flüsterte Draco dicht an meinem Ohr und versuchte mich erneut dazu zu bewegen, ihm zurück ins Abteil zu folgen.
Dieses Mal gab ich nach, obwohl mich der hilflose Ausdruck in Nevilles Mimik nicht losließ. Tränen standen in seinen Augen, während er mit den Fingern eine Scherbe nach der anderen aufsammelte, statt den Zauberstab zu verwenden, den er nutzlos in der zweiten Hand hielt.
Unauffällig fuhr auch ich mir mit dem Handballen unter den Augen entlang und atmete dabei tief durch, bevor ich mich zu meinen Freunden umdrehte und die Tür hinter mir ins Schloss zog.
"Wo meint ihr, bringen sie Lovegood hin?", fragte Theodore, kaum dass ich mich ihm gegenüber niederließ. Sein Blick ruhte auf mir und Draco, was klar machte, dass er die Frage, obwohl offen an niemand bestimmtes gestellt, hauptsächlich an uns beide richtete.
Ich zuckte die Achseln. "Eventuell nach Askaban." Beim Gedanken an die Gefängnisinsel überlief mich ein Schaudern. "Ihr Glück, dass die Dementoren gegenwärtig vermutlich auf dem Festland sind."
"Und euch stört es kein bisschen?", platzte es plötzlich aus Blaise heraus. Er lehnte sich nach vorne, die Arme vor sich verschränkt auf die Tischplatte gelegt. Verständnislos sah er in die Runde. "Euch stört es nicht, dass alle die Hände im Schoß falten und fein dabei zusehen -?"
"Zabini!", fiel ich ihm scharf ins Wort. "Den Satz willst du nicht beenden." In der Ferne konnte ich bereits London ausmachen, die Wiesen und Felder gingen allmählich in die ersten Häuser über.
Auch Draco schaltete sich ein. Den Finger mit dem silbernen Familienring vor die Lippen gelegt, schüttelte er den Kopf und ich war mir nicht sicher, ob nur ich den Blick sah, den er seinen beiden Gorillas zusandte. Scheinbar vertraute er ihnen genauso wenig, wie ich es tat und hielt es ebenfalls für keine gute Idee, in ihrer Gegenwart offen zu sprechen.
Blaise zumindest schien den Wink zu verstehen. Dabei sah er unzufrieden aus, schürzte die Lippen und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum. Schließlich platzte es trotz allem aus ihm heraus: "Versteht mich nicht falsch – die Ziele des dunklen Lords mögen ehrenhaft sein. Immerhin lässt sich nicht bezweifeln, wie weit die selbstzerstörerischen Tendenzen der Muggle teilweise gehen."
Ich folgte seinem Blick nach draußen. Passenderweise passierten wir gerade die Ausläufer Londons und damit ein riesiges Fabrikgebäude, das unablässig schwarzen Rauch in den Himmel pustete.
"Nein, solche Ideale und Vorstellungen brauchen wir wirklich nicht in der magischen Welt", stimmte ich ihm leise zu und hinderte ihn damit erfolgreich daran, was auch immer er hatte sagen wollen, zu vollenden.
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