7 | 20. Kapitel
Wenngleich ich vorerst nicht erfuhr, ob meine Warnung Neville gegenüber trotz seiner Ablehnung Wirkung gezeigt hatte - alleine diesen Umstand wagte ich bald als Erfolg zu verbuchen, immerhin hörte ich nichts mehr von ihm - sollte ich noch am gleichen Abend den Grund für den Zorn des dunklen Lords erfahren. Wie nicht anders zu erwarten war, war mein Bruder der Quell. Ehrlich gesagt riskierte ich den Gedanken, ob er an akuter Todessehnsucht litt. Was sonst hatte ihn zu der hirnrissigen Idee verleiten können, am helllichten Tage ins Ministerium hineinzuspazieren? Sein Glück, dass er knapp entkommen war, unser Glück, dass wir zu dem Zeitpunkt nicht in Malfoy Manor waren, wo wir den direkten Zorn des dunklen Lords hätten ausbaden dürfen.
Fairerweise war es wirklich unverständlich, wie ein gerade erst volljähriger Junge mit noch nicht abgeschlossener Schulausbildung es schaffen konnte, fähigen Auroren und Ministeriumszauberern unter der Nase weg zu apparieren.
Ähnlich wie damals im dritten Jahr blieb Harrys Flucht aus dem Ministerium das geflüsterte Gesprächsthema in den Fluren und Korridoren von Hogwarts. Wilde Theorien wurden angestellt, wieso, weshalb und wie überhaupt er ins Ministerium hatte gelangen können, doch wie bei Sirius damals bezweifelte ich, dass irgendwer der Wahrheit auch nur nahekäme. Mir jedenfalls wollte nicht einfallen, wie es ihnen gelungen war.
Im Lehrerkollegium tat sich währenddessen eine Spaltung auf. Sie entstand schleichend, diskret, und wäre mir mit Sicherheit nicht einmal aufgefallen, wenn ich nicht selbst zwischen den Stühlen gehockt hätte.
Es bildeten sich zwei Lager. Auf der einen Seite die treuen Anhänger des dunklen Lords, von denen ich mir nicht sicher war, ob ich auch meinen Vater dazu zählen sollte. Noch bevor wir nach Hogwarts zurückgekehrt waren, hätte ich allein diese Möglichkeit strikt ausgeschlossen, war ich mir über seine Loyalitäten immerhin vollkommen im Klaren. Jedoch merkte ich, dass er im Gegensatz zu mir das Spiel beherrschte.
Er war überzeugend. So überzeugend, dass ich mein Bestes gab, ihm aus dem Weg zu gehen. Denn er kannte mich gut genug, um mir meinen inneren Zwiespalt an der Nase anzusehen. Und diesbezüglich hatte mich die Vergangenheit leider gelehrt, wie wenig ich bei der Frage des Vertrauens auf meinen Instinkt hören sollte. Dieser hatte mich schon zweimal getrogen.
Merlin sei Dank war es nicht schwer, dem ehemaligen Tränkemeister aus dem Weg zu gehen. Er war vollauf damit beschäftigt, irgendwelchen wichtigen Schulleiterpflichten nachzukommen. Selten bis nie beehrte er die Schule mit seiner Anwesenheit bei einer der Mahlzeiten in der Großen Halle.
Die Carrows jedoch genügten vollkommen. Sie terrorisierten die Schüler, wo sie nur konnten und gerade Alecto verbreitete in Muggelkunde die abstrusesten Märchen über blutrünstige Muggel, die dem Antlitz dieser Erde nicht würdig waren.
"Manchmal frage ich mich, wie sie ihre ganze Technik entwickeln konnten, wenn sie doch so primitiv sind", murrte Blaise nach einer weiteren langwierigen Stunde, kaum dass die Tür zum Klassenraum hinter uns ins Schloss gefallen war. "Immerhin haben sie es geschafft, zum Mond zu fliegen und selbst das ist inzwischen wieder fast dreißig Jahre her."
"Zum Mond - bei Merlin, Blaise, du glaubst auch alles!", Pansy kam von hinten angewackelt und hakte sich ungefragt bei ihm unter. In ihrem Mopsgesicht stand all die Dummheit, von der ich mir sicher war, dass sie es war, auf die die Carrows bauten. In meinem Jahrgang war sie es, die Nährboden für jene Lügenmärchen bot. In denen unter uns, war es wohl eher Naivität und Gutglaube. "Sie sind Meister der Manipulation, das hast du doch gehört. Irgendwie ist es ihnen ja immerhin auch gelungen, einen Weg zu finden, Zauberern ihre Magie zu stehlen. Der arme Mr. Filch. Ohne eine dieser hinterlistigen Kreaturen wäre er vielleicht nie zum Squib geworden."
Hastig beschleunigte ich meine Schritte, um meine Hand in Dracos zu schieben. Den garstigen Hausmeister als arm darzustellen ...
Mein Ehemann schien meinen Gedankengang aufzufangen, denn er schenkte mir eins seiner seltenen Lächeln. Seine Augen blieben davon unberührt, doch allein dieses kleine Verziehen seiner Lippen machte mir ein wenig Mut. "Lass sie reden, Mary."
"Wenn es nur nicht so schwer wäre."
Dennoch hielt ich mich an diese Taktik. Ich hielt mich aus jeglichen Streitereien und Sticheleien zwischen den Häusern heraus, verkniff mir jeglichen Kommentar. Ohnehin waren diese weniger geworden, obgleich einige Slytherins eindeutig nicht aus ihrer Haut konnten. Vielleicht war es aber auch nur die Bewältigungstaktik der Hilflosigkeit, die uns allen inzwischen anhaftete. Ob es uns nun bewusst war oder nicht.
***
"Bei Merlin, ich bin zu einigem fähig, aber das?" Blaise war wie üblich der Erste, der das Schweigen zwischen uns brach. Es war Freitagabend, das Ende einer langen Woche, die wir im Gemeinschaftsraum ausklingen ließen. Wir kamen gerade vom Abendessen. Dumpf ließ er den Kopf gegen das Polster des Ohrensessels fallen und streckte die Beine von sich.
Theodore nickte zustimmend. "Dass sie uns dunkle Magie lehren, war zu erwarten. Dennoch hätte ich nicht erwartet, dass wir selbst die Unverzeihlichen anzuwenden lernen."
Bei seinen Worten konnte ich ein freudloses Schnauben nicht ganz verhindern. "Wenn auch nur die Hälfte von uns fähig ist, einen einzigen von ihnen anzuwenden, wäre ich überrascht."
"Ihr beide habt sie angewandt!", gab Theodore zu bedenken, senkte dabei allerdings die Stimme. Sicher, der Gemeinschaftsraum war wohl immer noch nicht der beste Ort für derlei Gespräche. Da war es unerheblich, dass außer uns älteren nur noch eine Handvoll Dritt- und Viertklässler am Fenster zum See über einer Partie Zauberschach saßen.
Ich sah Draco an, der meinen Blick allerdings nicht bemerkte. Starr und in Gedanken versunken fixierte er das Kaminfeuer, das Kinn auf seine Faust mit dem edlen Familienring gestützt. Die Flammen beleuchteten sein scharfes Profil und warfen zuckende Schatten über seine Wangen. Auch mein Zehenwackeln ging an ihm vorbei, obwohl meine Beine wie so oft über seinem Schoß lagen. "Uns beiden blieb keine Wahl", beantwortete ich endlich die unausgesprochene Frage. "Für die Unverzeihlichen -"
"Ist eine Menge Können nötig. Ich weiß. Das hat Professor Carrow häufig genug erwähnt." Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte man beinahe den Eindruck bekommen können, Blaise sei scharf darauf, diese drei Zauber zu lernen. Rein aus Wissensdurst war er das vermutlich sogar. Auch wenn es nicht so wirkte, hatte er sich in den letzten Jahren zu einer zweiten Hermine Granger entwickelt.
"Wenn es nur darum ginge." Eine Gänsehaut zog sich über meine Arme, als wieder die leeren Augen Dumbledores in meiner Erinnerung auftauchten, in denen vorher noch über alle Maßen Verständnis geleuchtet hatte. Und Tonks' Vater ... Ich kniff die Lider zusammen, bis ich Sternchen sah. "Du musst es wirklich wollen, Blaise. Du musst den Wunsch haben, jemandem Schaden zuzufügen. Ihn Schmerzen durchleiden zu lassen." Selbst ich hörte, wie hohl meine Stimme klang.Machten wir uns nichts vor, ich mochte die Zauber bereits alle gesprochenhaben, doch der dritte – der Imperius-Fluch – jagte mir von ihnen immer noch mitAbstand den größten Respekt ein. "Könntest du das?"
"Wenn ihr es konntet."
Am liebsten hätte ich mir ein Lachen über die Lippen gezwungen. Auch wenn es so freudlos geklungen hätte wie jenes letzte, das ich vor einigen Wochen in der Bibliothek ausgestoßen hatte. Doch obwohl es in mir aufstieg, erreichte es nie mein Gesicht oder meine Lippen. Also sagte ich nichts, sondern lehnte nur ebenfalls die Wange an das Sofakissen.
Eine Zeit lang wurde die Luft nur durch das Knistern der Flammen im Kamin erfüllt. Keiner sprach, vielleicht waren uns einfach die Worte ausgegangen. Was hätten wir auch sagen sollen? Ich wusste schon gar nicht mehr, wie es früher, vor all dem gewesen war.
"Manchmal bewundere ich die Gryffindors", flüsterte Theo in die Stille hinein. Er sprach so leise, dass das Gesagte beinahe in den Geräuschen des Kamins unterging.
Unbehaglich richtete ich mich etwas auf den Polstern auf, um meinen Klassenkameraden ansehen zu können. "Hast du gerade gesagt, was ich -"
Er schnitt mir mit einem unwirschen Schulterzucken das Wort ab. "Kannst du es mir verübeln? Sie tun wenigstens was. Wir hingegen sitzen nur hier und -"
"Du hältst es also für klug, dich alle Nase lang mit den Carrows und somit indirekt auch mit dem dunklen Lord anzulegen?" Ich schwang meine Beine vom Sofa hinunter und streifte dabei unsanft Dracos Hand ab, die auf meinem Unterschenkel gelegen hatte. Mein Unterarm schien bei meinen Worten zu prickeln. Als wolle mich das dunkle Mal an meine Position erinnern. "Meinst du, der Einfluss der Lehrer währt ewig?" Denn noch wurden all jene Rebellen, Harrys Freunde, von den Professoren McGonagall, Flitwick und Sprout, den Hauslehrern in erster Linie, in Schutz genommen. Noch gelang es ihnen, sie zu decken oder durch milde Strafarbeiten abzumahnen. Ohne sie wäre Hogwarts bereits verloren, auch wenn mir die Worte höchstens unter Einfluss eines Cruciatus entflohen wären.
Sie waren unauffällig. Sehr diskret in ihrem Vorgehen und hielten sich absolut an die Grenzen ihrer Befugnisse. Dennoch vermutete ich, war es nur eine Frage der Zeit, bis den Carrows einfiel, wie sie diese enger setzen konnten. So wie Umbridge vor ihnen.
"Dennoch kann es nicht richtig sein, was wir hier tun", schaltete sich nun Blaise ein, die Fingerspitzen an die Lippen gelegt. Er hatte seine entspannte Position aufgegeben, sich nach vorne gebeugt. "Wir können schließlich nicht die Einzigen sein, die sehen -"
"Sprich diesen Satz nicht zu Ende", unterbrach ich ihn harsch. "Sie wären Hochverrat."
"Nur, wenn der dunkle Lord von ihnen Wind bekäme." Es war pure Herausforderung, die mir aus Zabinis Augen entgegensprühte. "Kein Wunder, dass er so leichtes Spiel hat, wenn alle Zauberer und Hexen einfach die Köpfe einziehen und sich seiner Herrschaft beugen. Meine Mutter ist genau so. Geht lieber den Weg des geringsten Widerstandes, statt ..."
Der Eingang des Gemeinschaftsraumes sprang auf und ließ eine schnatternde Pansy Parkinson ein. Gefolgt von den zwei Gorillas. Zumindest Crabbe konnte ich dabei beobachten, wie er unverhohlen ihren Hintern betrachtete, da Pansy ihren Umhang über dem Arm trug.
Jegliche Anspannung entwich aus Theos Haltung und wurde durch ein genervtes Augenrollen ersetzt. "Nicht die schon wieder."
Doch im Gegensatz zu ihm war ich zum ersten Mal froh über ihre stumpfe Art, sich zwischen mich und Draco aufs Sofa zu quetschen. Ihr hirnloses Geplapper rettete mich davor, mich näher mit der Wahrheit hinter den Worten der anderen beiden beschäftigen zu müssen.
Da mir Pansy recht bald darauf Kopfschmerzen bereitete, stand ich kurze Zeit später auf. Ein knapper Gruß in die Runde, dann verabschiedete ich mich ins Bett.
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