7 | 17. Kapitel
Nein, tat er nicht. Als wir fertig mit Essen waren, klopfte er lediglich einmal an sein Glas, ein Geräusch, das obwohl so leise prompt alle versammelten Schüler zum Verstummen brachte. Kein Wunder, immerhin war es ohnehin nicht wirklich laut geworden – gerade nicht im Vergleich zum üblichen Trubel nach den Ferien – es war fast, als hätten alle auf etwas gewartet.
Severus Snape jedoch wedelte nur nachlässig mit der Hand und sagte: "Begebt euch in eure Betten. Morgen beginnt der Unterricht."
Blaise begegnete meinem Blick mit hochgezogenen Brauen. "Offenbar nicht."
"Da war selbst Dumbledores dümmste Rede inhaltsreich gegen", kommentierte Theodore und schob die Bank, auf der er saß, zurück. "Wollen wir uns im Gemeinschaftsraum noch zusammensetzen und den Abend ausklingen lassen?"
Mir war klar, dass er damit auf die seltenen Abende anspielte, an denen wir es uns mit Feuerwhiskey vor dem prasselnden Kaminfeuer gemütlich gemacht hatten. Ein Luxus, eine Ruhe, nach der mir momentan nicht der Sinn stand. Auch Draco schüttelte den Kopf. "Ich ziehe es vor, zu Bett zu gehen." Die Brauen zusammengezogen sah er ungewohnt finster drein, während er den Lehrertisch musterte. Obwohl er aussah, als läge ihm noch etwas auf der Zunge, schluckte er es hinunter. Den Kopf schüttelnd streckte er mir seine Hand entgegen. "Kommt schon."
Der Weg aus der Großen Halle hinaus fühlte sich wie ein Spießrutenlauf an. Ohne die direkte Anwesenheit der Todesser sparten die Gryffindors nicht an finsteren Blicken in unsere Richtung, als wir unmittelbar am Eingangsportal an ihnen vorbeikamen. Wieso auch immer sie nicht einfach ebenfalls zurück in ihren Gemeinschaftsraum gingen.
Zum ersten Mal war ich froh um die Anwesenheit der bulligen Gorillas hinter uns, die ganz selbstverständlich nun auch mich mit flankierten. Es war härter, als ich gedacht hatte, hierher zurückzukehren meine ich.
Lebhaft erinnerte ich mich an unsere Flucht durch die Korridore, die Kämpfe, bei denen ich die Stäbe mit all den Menschen gekreuzt hatte, die meinem Bruder etwas bedeuteten. An Bellatrix irres Kichern, ihren Fluch, der das Stundenglas platzen gelassen hatte. Ich kam nicht umhin, die Stelle anzustarren, an der die Rubine wie Blutstropfen auf den Boden gefallen waren, von denen jedoch keiner übrig geblieben war. Sie alle befanden sich wieder an Ort und Stelle, als wäre überhaupt nichts gewesen.
Ich bildete mir ein, die längst verstorbenen Zauberer und Hexen würden mich aus ihren Porträts heraus anstarren. In der Tat wirkten selbst sie bedrückt. Ein Ritter in Rüstung, der mir vage bekannt vorkam, lehnte an seinem fetten Pony und sah kopfschüttelnd auf die Schülerscharen hinab.
Und zum ersten Mal tat ich selbst etwas, was ich mir normalerweise immer verkniff. Ich senkte den Kopf, schloss auch die zweite Hand um Dracos Unterarm und vermied jeden Blickkontakt. Umringt von unseren Freunden bogen wir links an der Haupttreppe vorbei in den Eingang der Kerker ab, einen Durchgang, durch den ich in meinem vierten Jahr an Weihnachten geeilt war und mich selbst dafür verflucht hatte, einmal im Leben richtig hübsch aussehen zu wollen. Viel zu hohe Schuhe, auf denen ich das Laufen nicht gewohnt war und eine stramme Frisur. Natürlich hatte ich damals noch nichts von Bellatrix Frisierkünsten geahnt.
Als ich einen Blick über die Schulter warf bildete ich mir beinahe ein, mich selbst dort stehen zu sehen. Völlig unwissend, was die Zukunft bringen würde. Unschuldig.
Doch in Wahrheit eilten dort jetzt Schüler vorbei, Kinder, die in ihrem Leben schon mehr gesehen hatten als ich damals. Auf die in ihren jungen Jahren noch einiges zukommen würde.
Unsere eiligen Schritte hallten von den steinernen Wänden wider und ich wagte erst, mich zu entspannen, als wir endlich den Eingang zu unserem Gemeinschaftsraum sahen.
"Erbe Slytherins", richtete Draco das Wort an die Wand, welche daraufhin den Durchgang freigab.
"Schon eine Ironie, oder?", murmelte ich, an niemand bestimmtes gewandt. "Gerade jetzt, wo jener Erbe an der Macht ist und alberne -"
Meine Hand wurde gequetscht und scharf sog ich die Luft zwischen den Zähnen ein. Die anderen hatten nicht bemerkt, dass Draco und ich unmittelbar am Eingang stehen geblieben waren oder vielleicht hatten sie sich auch nur entschlossen, uns unseren Raum zu geben. Mein Mann schob mich an den Rand, direkt vor das schwarze Brett. "Was ist nur heute mit dir los?", fragte er anklagend. "Wofür sind wir soweit gekommen, wenn du nicht mehr den Mund halten kannst, wenn es wichtig ist?"
Wie er so vor mir aufragte, die Krawatte schief und das Haar zerzaust, kehrte eine Spur meines alten Kampfgeistes zurück. Ich reckte ihm das Kinn entgegen und ignorierte den Schauer, der mir über den Rücken jagte, als sich unser Atem vermischte. "Du kannst mir nicht den Mund verbieten."
Er kam noch näher, stützte sich mit der Hand neben meinem Kopf ab. Statt auf meine Herausforderung einzugehen, sagte er eisig: "Ich hatte dich für klüger gehalten."
"Willst du mich beleidigen?"
In einer anderen Situation hätte er eventuell die Augen verdreht. Nur nicht jetzt. "Ich will, dass du anfängst nachzudenken. Ja, wir sind zurück in Hogwarts, doch nur, weil der dunkle Lord und meine Tante nicht hier sind, heißt es längst nicht, dass wir hier sicher wären."
Unwillig knirschte ich mit den Zähnen, unterbrach unseren Blickkontakt, um unter seinem Arm hindurch die grünen Kissen der, wie ich aus Erfahrung wusste, sehr bequemen Sofas anzustarren. Dass er recht hatte, machte die Sache nicht besser. Es war mir ja selbst aufgefallen. Die Sehnsucht und der Wunsch, nicht einfach tatenlos zusehen zu müssen, waren mir nicht neu. Doch sie hatten mich nie derartig heftig getroffen wie jetzt. Ich hatte nie zu seiner Clique gehört, die über meinen Bruder und seine Freunde lästerten. Sicher, ich hatte nie interveniert, aber einfach, weil ich wusste, dass sie sich wehren konnten. Anders als der Großteil der Schüler jetzt.
Finger legten sich unter mein Kinn, zwangen mich, ihn anzusehen. Seine grauen Augen wirkten versteinert, hätten mir vielleicht Angst eingejagt, wenn ich ihn nicht besser gekannt hätte. Es war reiner Selbstschutz. "Sieh mich an, Mary." Sein Ton war sanfter geworden
Ohne es wirklich verhindern zu können, wanderten meine Hände zu seinem Kragen, richteten die Krawatte. Er hielt mich nicht auf.
"Ich verlange ja nicht, dass du zuschaust. Aber bitte misch dich nicht ein. Um unser beider Willen."
"Soll ich einfach wegsehen?", flüsterte ich, meine Worte dank des Kloßes in meinem Hals kaum hörbar. "Du weißt, ich bin eine -"
Der Finger, der zuvor an meinem Kinn gelegen hatte, wanderte zu meinen Lippen empor. "Du bist eine Malfoy", rief er mir ins Gedächtnis. "Und in erster Linie meine Frau. Ob du nun als Potter geboren oder als Snape aufgezogen worden bist, darf in den kommenden Monaten keine Rolle spielen. Mein Vermögen, dich zu schützen, hat seine Grenzen."
"Ich brauche keinen -"
Abermals fiel er mir ins Wort. "Vielleicht nicht. Aber du trägst dein Herz leider viel zu oft auf der Zunge."
Wehmütig stieß ich die Luft aus, von der ich gar nicht gemerkt hatte, dass ich sie angehalten hatte. So recht wusste ich nicht, was ich ihm darauf antworten sollte. Abstreiten konnte ich es nicht, zustimmen wollte ich ihm aber auch nicht.
Draco strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn. "Stur wie eh und je."
"Es war deine Entscheidung, mir das Ja-Wort zu geben", erinnerte ich ihn und ignorierte für einen Augenblick den unangenehmen Stich, der sich beim Gedanken an unsere Hochzeit und den Weg dorthin in mein Innerstes bohrte. Zögerlich lehnte ich die Stirn gegen seine Brust, hauptsächlich, um seine Reaktion nicht sehen zu müssen.
Scheinbar unbegründet. Denn sein Körper bebte leise, ein trockenes Lachen drang an meine Ohren. "Du hättest mir etwas anderes erzählt, wenn ich dich vor aller Augen stehen gelassen hätte."
"Mag sein." Ich atmete seinen Geruch nach Wacholder und Minze tief ein und schlang die Arme um ihn, was er mir umgehend gleichtat. "Aber was wäre das für ein Skandal geworden, wenn der Malfoy-Spross die groß angekündigte Hochzeit einfach sausen lässt?"
Da er sein Kinn auf meinen Scheitel stützte, spürte ich, wie er ganz sachte den Kopf schüttelte. Unglaube? Resignation? Was auch immer es war, sein Tonfall war sanft, als er sagte: "Wir sollten zu Bett gehen."
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