7 | 14. Kapitel
Mein Leben fühlte sich wie ein einziges, andauerndes Déjà-vu an. Der Hogwartsexpress ratterte wie immer über die Schienen und trug uns an Feldern und Wiesen vorbei Richtung Internat. An die Scheibe gelehnt spürte ich das vertraute Vibrieren des Zugs in meinem Rücken, die Beine über Dracos Oberschenkeln platziert. Seine Hände massierten meine Waden, während er sich in gedämpftem Ton mit Blaise und Theodore unterhielt. Auch Crabbe und Goyle waren wie immer anwesend, starrten jedoch - wie sie nun einmal waren - dümmlich ins Leere.
Wo die anderen Mädchen waren, wusste ich nicht. Allerdings hegte ich die bohrende Ahnung, dass ich zumindest Noreen dieses Jahr nicht wiedersehen könnte. Um die anderen war es mir ehrlich gesagt egal, wobei es mich überraschen würde, wenn mir Parkinson und ihr quietschiges Dracii erspart blieben.
Im Gegensatz zu dem blonden Slytherin neben mir freute ich mich auf Hogwarts. Die Korridore, die Geister, ja selbst die Lehrer würden eine angenehme Abwechslung zu unseren Ferien bieten, wenngleich ich befürchtete, dass ich mir dieses Schuljahr rosiger ausmalte, als es werden würde.
Nur zu gut erinnerte ich mich an den Artikel im Propheten vor einigen Tagen. Unter einem großen Bild meines Vaters hatte die Schlagzeile gestanden:
SEVERUS SNAPE ALS SCHULLEITER
VON HOGWARTS BESTÄTIGT
Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass es mich nicht einmal gewundert hatte, nicht früher Bescheid gewusst zu haben. Unser Verhältnis war mies. Und das war noch euphemistisch ausgedrückt. Seit meiner und Dracos Hochzeit, bei der er mir das Verhütungsmittel ins Getränk gekippt hatte, hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen und ohne Narzissas Andeutung hätte mich der Artikel wohl vermutlich auf dem falschen Fuß erwischt.
Es war nicht einmal unbedingt so, dass ich ihm aus dem Weg ging. Zugegeben, Merlin wusste, wie sehr mein Vertrauen zu ihm gelitten hatte, um nicht zu sagen, es war vollständig zerstört.
Aber auch er vermied es, sich mit mir im selben Raum aufzuhalten. Man hätte meinen können, wir wären Fremde. Und selbst wenn wir miteinander sprachen, waren es meist nur Vorwürfe, die wir austauschten. Natürlich würde er mit meinem jüngsten Verhalten nicht konform gehen, würde mir für meinen Leichtsinn den Kopf waschen.
Er hätte recht.
Vermutlich war es nicht richtig gewesen, am Grimmauldplatz aufzutauchen. Dass Lupin mich dort sah, war nicht geplant gewesen. Genauso wenig mein verbaler Ausrutscher. Wenn man ihn denn so nennen konnte. Natürlich würde Lupin alles dafür tun, um meinen Bruder zu beschützen. Er war auf der Hochzeit dabei gewesen, hatte ebenso geschwiegen, wie all die anderen auch.
Nein, eigentlich sollte man meinen, Harry Potter genoss genug Unterstützung oder besaß zumindest aber einen Schutzengel, der seine Aufgabe sehr ernst nahm. Wofür brauchte er mich da noch – das schwarze Schaf der Familie Potter?
"Mary?"
Aus meinen Grübeleien gerissen konnte ich nichts gegen das Zusammenzucken tun. Eine Reaktion auf den Spitznamen, den Draco sonst immer nur im privaten Rahmen verwendete. In die Runde blickend, stellte ich fest, dass alle Blicke auf uns lagen. Doch mein Ehemann machte sich augenscheinlich überhaupt nichts daraus.
Nur seine Finger, die sich vielleicht etwas fester als unbedingt nötig in meine Beine krampften, verrieten sein Unbehagen. "Möchtest du etwas essen?"
Erst jetzt bemerkte ich die Dame mit dem Essenstrolley, die wie jedes Jahr eine große Auswahl Naschereien an die Schüler brachte und nun in der Abteiltür stand. Ein Wunder, dass es sie immer noch gab. Allerdings sah sie etwas unglücklich drein, einen Umstand, den ich ihr nicht verdenken konnte. Daher schüttelte ich rasch den Kopf und bedeutete ihr, dass sie weitergehen konnte.
Kaum war die Türe hinter ihr ins Schloss geglitten und das Holpern der metallenen Räder auf dem Gang verklungen, platzte es aus Blaise heraus: "Ihr habt uns in letzter Zeit so einiges verschwiegen!"
"Haben wir das?", schnarrte mein Ehemann und eine Spur von Missmut zeichnete sich in den Linien seines Mundes ab.
"Mary?" Blaise zog das Wort in die Länge, als erwartete er, dass wir uns erklärten. Als wir es nicht taten, ergänzte er: "Theo hat da einige interessante Dinge erzählt."
Innerlich seufzte ich. Natürlich. Zwar war mein richtiger Name nicht in der magischen Welt verbreitet worden – einen Artikel im Tagespropheten a la ›Eine Enthüllungsstory: Die verschollene Schwester des Auserwählten gar nicht tot?‹ hatte es zu meiner Erleichterung nie gegeben, vielleicht auch, weil Rita Kimmkorn mit ihrer Biografie über den verstorbenen Schulleiter zu beschäftigt gewesen war – dennoch wussten mehr Leute darüber Bescheid, als mir lieb sein konnte. Zugegebenermaßen bewahrte mich mein neuer Nachname davor, zukünftig statt mit Snape mit Potter angesprochen zu werden, dennoch hätte mir klar sein müssen, dass es Fragen geben würde. Theodores Eltern waren Todesser. Wenn sie schon nicht unbedingt die Worte des dunklen Lords live miterlebt hatten, hatte es sicherlich nicht lange gedauert, bis die Neuigkeit durch die Reihen seiner Anhänger gesickert war.
"Wie kommt es, dass du jetzt plötzlich Potters Schwester bist?"
Ich zwang mich zu einem amüsierten Kopfschütteln. "Wie soll ich plötzlich seine Schwester geworden sein, Blaise? Nur weil ich es vorher nicht wusste -"
Er fiel mir ins Wort. "Du weißt schon, wie ich das meine."
"Wissen wir", war es nun an Draco, mir das Wort aus dem Mund zu nehmen. "Allerdings tun die familiären Verhältnisse meiner Frau zu ihrem Bruder hier nichts zur Sache. Sie weiß, auf welcher Seite sie steht."
Wütend biss ich die Zähne aufeinander und spannte die Waden an. Eigentlich wusste er, wie wenig es mir passte, wann immer er mir so über den Mund fuhr. Ob er nun recht hatte oder nicht; ob ich ihm für die Abkürzung des Themas dankbar war oder nicht; es spielte hier und jetzt keine Rolle.
"Aber wie kann es sein, dass eine Potter aufseiten des dunklen Lords -"
Mein mörderischer Blick aus zusammengekniffenen Augen brachte Goyle zum Verstummen. Ich war überhaupt überrascht, dass er etwas zum Gespräch beigetragen beziehungsweise ganz allgemein zugehört hatte. "Mein Name lautet jetzt Malfoy."
Obwohl ich damit das Thema abhaken wollte, nutzte Blaise es als neuen Gesprächsaufhänger. "Wir hätten uns übrigens sehr über eine Einladung gefreut."
Am liebsten hätte ich meinen Kopf gegen das Fenster geschlagen. Wo war meine Geduld hin? Nach den Geschehnissen der letzten Wochen kam es mir einfach absurd vor, mich hier über so banale Dinge zu unterhalten.
Düster erwiderte ich: "Glaub mir, es ist weniger Alkohol geflossen, als du es dir vorstellst." Wobei ein zwei Gläser mehr Feuerwhiskey uns vielleicht eine etwas weniger verklemmte Nacht bereitet hätten. In die grauen Augen meines Mannes blickend ahnte ich, dass seine Gedanken in eine ähnliche Richtung gingen. Jedenfalls funkelte ein Hauch von Amüsement in ihnen, wie ich ihn lange nicht mehr darin hatte schimmern sehen. Es gefiel mir.
"Wieso lasst ihr euch immer alles so aus der Nase ziehen?"
Bei Merlin ... "Manchmal bist du wirklich anstrengend, Zabini. Es kann doch nicht sein, dass deine Mutter sich bei all ihren Ehen und Affären nie mit ..." Ich haderte damit, das Wort Todesser laut auszusprechen. Uns allen war klar, wer dazugehörte und dass wir im jetzigen Regime nichts zu befürchten hatten, dennoch hatte ich mich an die Geheimniskrämerei gewöhnt. Blaise jedenfalls war von uns tatsächlich der einzige, der nicht in direktem Bezug zum dunklen Lord stand. Ein Umstand, der sich zweifellos früher oder später ändern würde.
"Es gibt einfach Dinge, über die spricht ein Gentleman nicht", eilte Draco mir zur Hilfe und wanderte mit einer Hand an meinem Bein höher, um mein Knie zu drücken. Dabei schenkte er mir ein Lächeln, das zwar höflich, gleichzeitig aber als ziemlich vieldeutig zu interpretieren war. Ob er es bewusst tat, um die anderen aufs Glatteis zu führen, war unmöglich zu sagen.
Jedenfalls funktionierte es. Blaise ließ das Thema fallen und stattdessen schäkerten die Jungs einige Zeit über die unterschiedlichsten Themen, bei denen ich bald abschaltete und mich lieber auf die vorbeirauschende Landschaft konzentrierte. So schön es die leichte Stimmung im Abteil war, mir war nicht danach. Draußen hatte es zu regnen begonnen und so schwang ich wenig später die Beine von Dracos Schoß, um mich nach dem Fenster zu strecken und es zu schließen.
Natürlich hätte ich Magie nutzen können, doch es tat gut, meine müden Muskeln zu dehnen. Gerade, als ich mich wieder auf meinen Platz sinken lassen wollte, ruckte der Zug ohne Vorwarnung. Ich verlor das Gleichgewicht und plumpste nach vorne gegen Crabbe.
___
Huhu :)
Ich war in den letzten Wochen leider wieder recht still, was aber nicht heißt, dass ich nicht an der Geschichte gearbeitet habe. Ganz im Gegenteil. Es war ein kleines, persönliches Projekt, dass ich jetzt schon länger angehen wollte. Ich habe mir Unknown Potter als persönliches Exemplar bei epubli drucken lassen und ehrlich, ich kann euch gar nicht sagen, wie froh ich darüber bin!
Hier ein kleiner Eindruck:
Wenn ihr mehr Bilder sehen wollt, könnt ihr mich gerne mal auf Instagram besuchen. Ihr könnt mich dort unter dem Namen @cjr_sandy finden :)
Eure "Gwen"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro