7 | 13. Kapitel
Und genau dieser Ahnung ging ich wenige Tage später nach. Ich wusste, dass Draco es nicht gutheißen würde. Dass Severus Snape mich einen Kopf kürzer machen würde, wenn der dunkle Lord es nicht vor ihm tat. Deshalb hatte ich mich auch in den frühen Morgenstunden hinausgeschlichen.
Mein Zauberstab hatte mich in alle Frühe mit einem penetranten Stupsen in die Seite geweckt und obwohl ich eigentlich lieber in Dracos Armen liegengeblieben wäre, schlüpfte ich unter der Decke hervor und verdichtete mit einem gemurmelten Zauber die Luft um meinen Ehemann herum. Er schlief ohnehin schon unruhig und ich wollte nicht riskieren, ihn durch eine unbedachte Bewegung oder eine knarzende Diele aus dem Schlaf zu reißen. Wie mich plagten auch ihn Sorgen um unsere Zukunft.
Er gab sein Bestes, es sich nicht anmerken zu lassen. Immer wieder faselte er den üblichen Stuss, dass es seine Pflicht als mein Angetrauter war, mich zu beschützen. Dass mein Vater - Ziehvater - ihm immerhin meine Hand anvertraut habe und er ihn nicht enttäuschen wollte.
An der Tür verharrte ich und sah auf seine schlafende Gestalt zurück. Diese Einstellung hatte zu einem heftigen Streit zwischen uns geführt. Wir beide hatten unschöne Dinge gesagt und spätestens nach der Hälfte des Gesprächs nur noch zehn Prozent so gemeint, wie es uns über die Lippen kam. Dabei hatte ich ihm wirklich begreiflich machen wollen, dass ich sehr gut in der Lage war, auf mich selbst aufzupassen.
Selbst die Pflichten einer Ehefrau würden mich nicht davon abhalten. Bei Merlin, wie sehr sich Narzissas Worte doch in mein Gedächtnis eingegraben hatten. Wo war die Unbeschwertheit von früher hin?
Als ich die Tür zu unserem Schlafzimmer leise hinter mir ins Schloss zog, erhaschte ich einen Blick auf meinen Handrücken. Ich muss wissen, wem ich zu gehorchen habe. Ich verkniff mir ein freudloses Schnauben und hastete stattdessen mit gespitzten Ohren die leeren Gänge des Malfoy Manors entlang. Der Weg bis zum Tor, zur Appariergrenze, war mir selten so lang und der Kies unter meinen Schritten selten so laut vorgekommen.
Ich fühlte mich absolut unbehaglich, als ich schließlich den linken Arm hob, um das Eingangstor zu passieren.
War es absolut dumm, was ich hier tat? Absolut. Drängte alles in mir mich dazu? Leider ja.
Das Kinn reckend warf ich einen hastigen Blick zurück auf die marmornen Wände der Villa, die geradezu Reichtum schrien, dann drehte ich mich auf der Stelle. Der vertraute Sog erfasste mich, quetschte mir die Luft aus den Lungen, ließ mich schwindelig werden.
Nur Sekunden später landete ich in einer Seitenstraße Cokeworths. Mein Magen rebellierte und ich presste eine Hand darauf, um mich zu sammeln. Die Verschnaufpause lieferte mir einen guten Blick auf Mr. Storms Haus. Der alte Muggel kämpfte gerade mit seinen Schlüsseln, eine große Plastiktüte zu seinen Füßen und den Stock ungelenk an die Hauswand gelehnt. Das Verlangen, zu ihm hinüberzugehen und ihm zu helfen, war groß. Und genauso dumm.
Also kämpfte ich es nieder, drehte mich mit einem tiefen Atemzug auf der Stelle, nur um gleich darauf gegenüber des Tropfenden Kessels wieder Gestalt anzunehmen. Unruhig sah ich mich um. Man konnte nie vorsichtig genug sein. Wer wusste schon, ob Wurmschwanz mir nicht gefolgt war und ich ihn in seiner Rattengestalt einfach nicht bemerkt hatte. Oder ob Bellatrix nicht die Chance nutzen würde, mich beim dunklen Lord in Ungnade zu stoßen. Ich wusste, dass sie in den Nächten nur selten schlief, schob es auf ihre Erlebnisse in Askaban. Sie mochte verrückt und durchgeknallt sein, doch ich war mir ziemlich sicher, dass ihre Zeit dort ihr noch immer nachhing.
Da mein Magen von dem zweiten Ortswechsel noch immer rebellierte, nutzte ich die Gelegenheit, die Szenarie in mich aufzunehmen. Bei meinem ersten Besuch hier hatte auf dieser Straße Trubel geherrscht. Muggel waren zwischen fahrenden Autos umhergerannt, hatten miteinander geplaudert und keine Kenntnis von dem schmuddeligen Pub genommen, der für sie unsichtbar blieb. Genauso wenig Beachtung hatten sie den Hexen und Zauberern geschenkt, die aus dem Nichts verschwanden oder wieder auftauchten, wenn sie durch die knarrende Holztür in den Pub einkehrten, um durch den kleinen Hinterhof in die Winkelgasse zu gelangen.
Wehmütig sah ich die leere Straße hinauf und hinunter. Davon war nichts übrig geblieben. Es herrschte Krieg. Und ob dieser vollends bei den Muggeln angekommen war oder nicht - gegen die in der Luft liegende Beklemmung vermochten sie nichts auszurichten. Beklemmung, die von Leuten wie mir ausgelöst wurde und gegen die selbst die Scherzartikel der Weasley-Zwillinge nichts auszurichten vermochten.
Ich schloss die Augen, um das schief hängende Schild des magischen Pubs nicht länger ansehen zu müssen und zog mir meine Kapuze über den Kopf. Dann drehte ich mich und tauchte mit einem leisen Plopp am Grimmauldplatz direkt gegenüber des Hauses mit der Nummer 12 wieder auf.
Wind fegte über den Platz, ließ die Blätter der trostlos verdorrten Büsche in den Vorgärten rascheln. Obwohl der Sommer jetzt Ende August noch einmal alle Mittel auffuhr, war die Natur machtlos gegen den Nebel und die drückende Kälte, die die Dementoren mit aus Askaban gebracht hatten. Bereits vor einem Jahr hatten sie geherrscht, doch damals hatten nur die wenigsten Mitglieder der magischen Bevölkerung es gewagt, sich der Quelle ihrer Verzweiflung bewusst zu werden.
Harry Potter war einer von ihnen gewesen. Und ich war mir beinahe sicher, dass er sich unmittelbar hinter dieser schwarzen Türe in einem der Salons oder vielleicht auch der Küche befand. In dem Haus, das uns beiden von Sirius vermacht worden war. Vielleicht ein Versuch des Rumtreibers seinen Patensohn mit der Nennung meines Namens auf die richtige Fährte zu führen. "Das hättest du dir sparen können, Sirius", flüsterte ich in den anbrechenden Morgen hinein und zog mir meine Kapuze tiefer in die Stirn, um mein verräterisch rotes Haar zu verbergen.
Ich wusste selbst nicht, wieso ich nun hier stand. Sehnsucht nach meinem Bruder? Wenn ich ehrlich mit mir selbst war, durfte er mich hier unter keinen Umständen sehen. Mit etwas Glück hielt er mich nur für einen weiteren Todesser, der einen der Orte überwachte, an denen mein Bruder eventuell auftauchen würde.
Daher schob ich eine Hand in die Tasche meines Umhangs, umklammerte meinen Zauberstab und strebte auf eine der taufeuchten Bänke am Rande des Platzes zu. Eine vergessene Zeitung lag darauf und als ich sie aufklaubte, erkannte ich in ihr eine der jüngsten Ausgaben des Tagespropheten.
Mein Magen krampfte sich abermals zusammen, doch dieses Mal war es keine Auswirkung des verhassten Apparierens. Es waren die grünen Augen meiner Mutter, die mir anklagend entgegensahen. Die grünen Augen meines Bruders. Und obwohl ich aus erster Hand wusste, dass der dunkle Lord mit Pius Thicknesse direkten Einfluss auf das Ministerium nahm - was effektiv hieß, dass er längst die Kontrolle über das englische Zaubereiministerium besaß - schockierte mich die Schlagzeile.
GESUCHT ZUR VERNEHMUNG ÜBER DEN TOD VON ALBUS DUMBLEDORE
Ein bitterer Kloß bildete sich in meiner Kehle. Na ja, zumindest der Nachname des Mörders stimmte ja. Nur würde ich in der Welt wie sie jetzt war, keinerlei Konsequenzen für meine Taten zu spüren bekommen. Vielleicht, wenn alles vorbei war. Vielleicht konnte der Name Malfoy wie schon beim ersten Mal einige unserer Taten reinwaschen. Dass es Dinge gab, die ich mir selbst nie verzeihen würde ... Ich verbot mir den Gedanken und schlug die Zeitung auf.
In erster Linie wohl, um mich davon abzuhalten, dem unwiderstehlichen Drang zu folgen, in das alte Hauptquartier des Ordens einzutreten und mich meinem Bruder zu stellen. Ich hatte das Gehüpfe durch London schließlich nicht umsonst auf mich genommen, um etwaige Verfolger in die Irre zu führen.
Bei Merlin, du bist leichtsinnig, schrie eine Stimme in meinem Kopf, die verdächtig nach Severus Snape klang. Ich unterdrückte sie, blätterte auf Seite zwei des Propheten, um dem anklagenden Blick meines Bruders auf der Titelseite zu entkommen.
"Registrierung der Muggelstämmigen", las ich. "Das Zaubereiministerium führt eine Überprüfung der so genannten Muggelstämmigen durch, um zu klären, wie sie in den Besitz magischer Geheimnisse kamen.
Neuere Untersuchungen der Mysteriumsabteilung zeigen, dass Magie nur von Person zu Person weitergegeben werden kann, wenn sich Zauberer fortpflanzen. Sofern der so genannte Muggelstämmige keine Zauberer als Vorfahren nachweisen kann, hat er seine magische Kraft daher aller Wahrscheinlichkeit nach durch Diebstahl oder mit Gewalt erlangt.
Das Ministerium ist entschlossen, derlei unrechtmäßige Besitzer magischer Kraft aufzustöbern, und hat zu diesem Zweck eine Aufforderung an alle so genannten Muggelstämmigen ergehen lassen, sich zu einer Befragung bei der neu eingerichteten Registrierungskommission für Muggelstämmige einzufinden."
Das klang ganz nach unserer lieben Kröte. Professor Umbridge. Draco hatte mir die Tage erzählt, dass sie anscheinend ohne zu zögern mit dem dunklen Lord sympathisierte. Bei anderen Angestellten nannte ich es Klugheit, doch bei ihr fürchtete ich, war es pure Berechnung.
Frustriert knüllte ich die Zeitung zusammen und warf sie in den Müll. Der Prophet war dieser Tage nicht besser als der Klitterer - stand unter der Fuchtel des Ministeriums und war das perfekte Propagandamittel. Ich hob wieder den Kopf, um stattdessen die einzelnen Fenster des Hauses mit der Nummer 12 zu mustern. Ob ich die Hoffnung hegte, vielleicht eine Bewegung dahinter zu erhaschen?
Es war falsch gewesen, hierher zu kommen. Meine Rolle durfte nicht ins Wanken kommen. Für die nächsten Monate bis Jahre musste ich Caitlyn Snape bleiben, musste sie mit in meine neue Rolle der Mariah Elisabeth Malfoy nehmen. Nur so konnte ich überleben. Wir würden in wenigen Tagen nach Hogwarts zurückkehren, unseren Abschluss machen und ich würde beten müssen, dass mein Bruder es irgendwie schaffte, seinem Namen auch weiterhin alle Ehre zu machen.
Gerade, als ich mich abwenden wollte, öffnete sich die Haustür. Ich erstarrte, wagte nicht einmal mehr zu atmen, als jemand herausgestürmt kam. Den Umhang schäbig und abgerissen, das Haar zerzaust. Und obwohl ich erst dachte, dass er mich nicht gesehen oder erkannt hatte, hielt er keine zehn Schritte später inne.
Remus Lupin. Natürlich erkannte ich ihn. Einen der besten Freunde meines Vaters. Und seine gespannte Haltung verriet mir, dass auch er mich zweifelsfrei erkannt hatte. Trotz Kapuze. Dass seine Hand dabei unwillkürlich zu seinem Zauberstab wanderte, konnte ich ihm nicht verdenken. Doch entgegen meiner Erwartungen versuchte er nicht, mich zu stellen. Er fragte mich auch nicht, was ich hier wollte - eine Frage, auf die ich ihm ohnehin keine Antwort hätte geben können.
Stattdessen sagte er: "Ich hörte, du hast geheiratet. Vielleicht ist es vermessen, aber ich wünsche dir dennoch alles Gute." Da von mir keine Reaktion kam, trat er einen Schritt näher. Die Hand, die ursprünglich zu seiner Waffe gewandert war, ließ es sinken. 'Ihr seid bewaffnet, wir nicht, hört ihr uns jetzt zu?' Nur zu gut konnte ich mich an diese Worte damals in der heulenden Hütte erinnern. Vielleicht war das seine Intention gewesen. Denn trotz seines gehetzten Blicks und dem unübersehbaren Flackern in seinen Augen zwang er sich zu einer halbwegs freundlichen Miene. "Severus, er ... Wenn du -"
Ich schüttelte wild den Kopf und wich vor ihm zurück. Egal, was er mir sagen wollte - ich durfte nicht hier sein. "Beschütz ihn", flüsterte ich dennoch und beging damit vielleicht einen weiteren großen Fehler. "Beschütz ihn. Im Zweifel auch vor mir." Nur Merlin wusste, ob er den Nachsatz noch gehört hatte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro