7 | 11. Kapitel
Wir durchsuchten den Fuchsbau, brannten das Haus eines Zauberers nieder, von dem ich das Gefühl hatte, ich war ihm im Hauptquartier des Ordens schon einmal begegnet, doch dessen Namen ich vergessen hatte. Alles ohne Erfolg. Ich hätte es ihnen im Voraus sagen können. Und so wunderte es mich auch nicht, dass Narzissa mich noch im Eingangsbereich Malfoy Manors abfing und warnend mit dem Kopf schüttelte.
"Was ist los?", fragte ich leise, eigentlich nicht gewillt, mich weiter hier unten aufzuhalten. Es kostete mich jeden Funken Selbstbeherrschung, hier und jetzt aufrecht stehen zu bleiben. Das von Schmerz verzerrte Gesicht Ted Tonks hatte sich in meine Netzhaut gebannt und seine Schreie bildeten eine Art Tinitus in meinen Ohren. Da war es auch Nebensache, dass sich mein Magen vom Apparieren immer noch auf einer Achterbahnfahrt befand.
Narzissa warf einen nervösen Blick über die Schulter. "Er ist ihnen entkommen."
"Wer?", entschlüpfte es mir recht einfältig, da ich mehr mit dem Verschluss meines Umhangs beschäftigt war, statt ihr richtig zuzuhören. Meine Finger bebten.
Ihr Griff verstärkte sich. "Dein Bruder. Er ist ihnen abermals entkommen."
Endlich gab ich meinen Versuch auf, die Schnalle zu lösen und sah in ihre blauen Augen. Sie waren schreckgeweitet und irgendetwas sagte mir, dass die neuerliche Flucht meines Bruders nicht alles war, was sie in Aufruhr versetzte. "Was ist noch?", hakte ich also ebenso leise nach, denn ihr Mann, mein Schwiegervater, hatte am Fuße der Treppe innegehalten und drehte sich dort zu uns um. Sein Blick war unerbittlich, wenngleich auch nur ein schwacher Abklatsch dessen, wie er früher gewesen war.
"Er wird gleich deinen Beistand gebrauchen", erwiderte sie kryptisch und trat einen Schritt von mir zurück. "Als seine Ehefrau wirst du gleich deiner Pflicht nachkommen müssen." Ihr Blick fiel auf den Ring an meinem Finger und als wolle sie sich selbst etwas bestätigen, nickte sie. "Ja, so wird es das Beste sein. Er befindet sich im kleinen Salon. Sei für ihn da, wenn er rauskommt."
"Was?" Glückwunsch, Mary, du hast bewiesen, dass du die Fragewörter beherrschst, dachte ich zynisch und sah meiner Schwiegermutter hinterher, die sich ohne ein weiteres Wort ihrem Mann anschloss. Die Pflichten einer Ehefrau ... Dieser Ausdruck hinterließ in meinem Mund einen negativen Beigeschmack. Dabei hatte ich gewusst, worauf ich mich einließ.
Sekundenlang verharrte ich reglos an Ort und Stelle, lauschte den Schritten meiner Schwiegereltern auf den Marmorstufen, bis sie sich irgendwo im zweiten Stock verloren. Dann nahm ich mir ein Herz und folgte ihnen selbst die Flügeltreppe hinauf. Begleitet wurde ich von den herrschaftlichen Blicken der Zauberer und Hexen, die auf den zahlreichen Porträts aus Tudor-Zeiten abgebildet waren.
Graue Augen, die sich wie die blonden Haare als zentrales Merkmal durch die Familie Malfoy zogen, verfolgten jeden meiner Schritte, während ich nun doch endlich mit einem kleinen Schwenk meines Zauberstabs den Umhang löste und ihn mir von den Schultern strich. Ich hielt mich an dem schweren Stoff fest, knüllte ihn vor meiner Brust zusammen und nutzte den Moment der Ruhe, um tief durchzuatmen.
Was würde mich oben im kleinen Salon erwarten? Draco war nicht mit auf der Jagd nach meinem Bruder gewesen. Da war ich mir eigentlich relativ sicher.
Andererseits war ich den ganzen Mittag fort gewesen. Draußen dämmerte es und nur Merlin wusste, was in den vergangenen Stunden alles geschehen sein mochte.
Vor dem Porträt von Brutus Malfoy wandte ich mich schließlich nach links. Er musterte mich von oben herab, lächelte auf eine Art, die mich vielleicht hätte erstarren lassen, wenn er in Fleisch und Blut vor mir gestanden hätte. "Na, Mädchen? Wirst du dich als eine würdige Malfoy-Frau beweisen? Meine Linie fortführen?"
Ich ignorierte ihn. Manchmal wünschte ich mir, man hätte alle Gemälde einfach mit einem Schweigezauber versehen, damit sie ihren Unsinn nicht weiter in die Welt posaunen konnten. Gerade in seinem Fall wäre das vielleicht von Nutzen gewesen. Immerhin hatte er zu Lebzeiten eine Zeitschrift herausgebracht, in der er das Gerücht verbreitet hatte, dass ein Freund eines Muggels irgendwann genauso viel Magie besaß wie ein Squib. Das hatte Draco mir wenigstens bei meinem ersten Besuch hier erzählt und selbst er hatte damals schon den Kopf über diese These geschüttelt.
Als ich um die nächste Ecke bog, kam ich abrupt zum Stehen. Doch das lag nicht an der hohen, kalten Stimme meines Herrn, die durch die angelehnte Tür des kleinen Salons drang. Es lag viel eher an dem mausgesichtigen, dicklich gebauten Mann, der einer Ratte nicht unähnlich an der Wand hockte und ganz offensichtlich zu lauschen schien.
Es war Wurmschwanz.
Und obwohl er letztes Jahr einen ganzen Sommer lang bei meinem Vater und mir in Spinner's End gelebt hatte, war ich nie wirklich dazu gekommen, ein Wort mit ihm zu wechseln. Ich wusste, dass er früher in Gestalt von Rons Ratte Krätze gelebt hatte, doch die Enthüllung vor seinen ehemaligen Freunden hatte ich dummerweise dank eines Schockzaubers meines eigenen Vaters verschlafen. Peter Pettigrew, seinem ehemaligen Freund, hatte Sirius es zu verdanken, dass er zwölf unschuldige Jahre in Askaban verbracht hatte.
Wenn er nicht gewesen wäre, hätte Sirius garantiert einen Weg gefunden, Harry bei sich aufzunehmen. Vielleicht sogar mich. Immerhin war er Harrys Pate gewesen und auch für mich in der kurzen Zeit, die wir miteinander hatten, so etwas wie eine Vaterfigur, mindestens aber ein Onkel geworden. Mit ihm in unserem Leben hätte so vieles anders werden können.
Ich schluckte. All dies prasselte in einer Klarheit auf mich ein, die mir den Atem raubte und mir vorher nie wirklich bewusst gewesen war.
"Geh mir aus dem Weg", herrschte ich ihn an, meine Finger umso fester in den Stoff des Umhangs vor meiner Brust gekrallt.
Pettigrew tat nicht, wie ihm geheißen. Ganz im Gegenteil. Er trat einen Schritt auf mich zu. Dann noch einen. "Darf ich dich ansehen, Mädchen?", hauchte er, die zittrige Hand vor sich in die Luft gestreckt.
Die Frage kam so unerwartet, dass ich erst einmal überhaupt nicht reagierte. Die Zeit genügte ihm, um noch einen Schritt auf mich zuzukommen. Gebeugt stand er vor mir, hob auch die zweite Hand, als wolle er mein Gesicht umfangen. Traurigerweise waren wir zumindest größentechnisch auf Augenhöhe und ich hatte den besten Blick auf seine wässrigen blauen Augen, die sich mit Tränen füllten.
"Du siehst ihnen wahrhaftig ähnlich. Die Augen deines Vaters, meines ... Freundes." Ein Zittern lag in seiner Stimme und Abscheu wand sich in mir.
Schneller, als ich selbst es realisierte, lag mein Zauberstab in meiner Hand. "Wie kannst du es wagen?", knurrte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Im Raum neben uns, hörte ich währenddessen den dunklen Lord scheinbar ungerührt sagen: "Noch mehr, Rowle, oder sollen wir Schluss machen und dich Nagini zum Fraß vorwerfen? Lord Voldemort ist nicht sicher, ob er dieses Mal verzeiht ... Dafür hast du mich zurückgerufen, um mir zu sagen, dass Harry Potter wieder entkommen ist? Draco, lass Rowle noch einmal von unserem Missvergnügen kosten ... tu es, oder du spürst selbst meinen Zorn!"
Ja, eine Ratte würde Nagini sicherlich auch munden. Eiseskälte breitete sich in meinen Adern aus. Doch sie rührte nicht aus Angst. In Wahrheit entnahm ich den Worten meines Herrn kaum einen Sinn, zu sehr wühlten mich die Worte des ehemaligen Rumtreibers vor mir auf. Es war mir egal, dass es mir an und für sich egal sein sollte. Es war mir egal, dass ich mich defacto als Potter verhielt, mit meinem Verhalten meinem Bruder ähnlicher war, als ich es sein sollte.
"Wie kannst du es wagen, mich anzusehen?", flüsterte ich. "Wie kannst du es wagen so zu tun, als hättest du noch irgendein Anrecht darauf, den Namen von James Potter in den Mund zu nehmen und ihn auch noch deinen Freund zu schimpfen? Wie kannst du es wagen, du, der sie schließlich verraten hat?"
Wärme fraß sich durch das Holz unter meinen Fingern und die Versuchung wurde grenzenlos. Wurmschwanz vor mir entschlüpfte ein hohes Quieken, doch er rührte sich nicht vom Fleck. Ich hatte ihn eingefroren. Seine Füße am Boden festgehext.
Erst das "Crucio" aus dem kleinen Salon riss mich zurück in die Gegenwart. Es war nur gemurmelt gewesen und doch erkannte ich zweifelsfrei die Stimme, die den Fluch ausgesprochen hatte. Draco. Mein Ehemann. Er war gezwungen, das Gleiche zu tun wie ich nur wenige Stunden zuvor.
Die Pflichten einer Ehefrau.
Ich ließ meinen Zauberstab sinken, löste meinen eigenen Griff über Pettigrew. Er sackte in sich zusammen, huschte gebeugt einige Schritte zurück. Meiner Meinung nach nicht schnell genug. Er sollte nicht sehen, wie abermals die Erinnerung an Ted Tonks über mich kam und sich seine Schreie mit denen von Rowle vermischten, die hoch und schrill an meine Ohren drang.
"Geh mir aus den Augen", fauchte ich den ehemaligen Freund meiner Eltern an, den Mann, der mir indirekt mein Leben genommen hatte.
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