Kapitel 2
Sie wusste nur wenig über den Planeten, auf dem sie sich befanden. Da „Stone-Eater" sich um alle Details ihrer Mission gekümmert hatte, hatte Kate nur das aufgenommen, was für ihre Aufgabe von Belang war.
Dazu zählte immerhin alles, was mit der Gesundheit ihres Teams zusammenhing. Potentielle Gefahren bei Tag- und Nachtmärschen, gefährliche Tierarten, giftige und essbare Pflanzen, Luftverhältnisse... im Grunde also alles, was den Planeten als solchen ausmachte. Sie hatte außerdem die genaue Umgebung überprüft, alle möglichen Gefahrenquellen ausgemacht – sowohl die des Feindes als auch die natürlichen – und ermittelt, mit welchen Arten von Verletzungen, Krankheiten oder Vergiftungen sie zu tun bekommen könnte, sollte wirklich alles schief gehen. Im Grunde hatte sie diese Nachforschungen benutzt, um den Inhalt ihrer Sanitasche zusammenzustellen. Jetzt konnten ihr diese Informationen allerdings auch weiterhelfen, die Gruppe auf dem sichersten Weg zum abgesprochenen Landepunkt zu bringen.
Nicht, dass sie sich große Sorgen machen musste. Der Planet Montarius Sieben, auf dem sie sich befanden, war harmlos, mit fast irdischen Verhältnissen. Die wenigen giftigen Pflanzen, die es hier gab, waren klein und gut zu erkennen, und die paar gefährlichen Tiere in dieser Region ließen sich durch Licht und Lärm ziemlich schnell verscheuchen – zwei Dinge, die ihre Gruppe reichlich im Gepäck hatte. Zudem war es so, dass der Großteil des Planeten aus einem dichten Wald bestand, mit einer Handvoll Lichtungen und Erhebungen oder Tälern, in denen sich Siedlungen befinden konnten. Der Planet war dünn besiedelt – die letzte Gruppe von Kolonisten, die sich hier niederlassen wollte, hatte nach einigem Monaten aufgrund der logistischen Probleme aufgegeben. Montarius war zu weit weg von den zivilisierten Sternensystemem, und abgesehen von einer Unmenge an Holz gab es hier keinerlei Rohstoffe, mit denen die zivilisierten Völker der Galaxie irgendwas anfangen konnten.
Kurzum: Auf diesen Planeten verirrten sich nur welche, die unentdeckt bleiben wollten. Die Besitzer des Lagers, das ihrem Angriff zum Opfer gefallen war, gehörten dazu.
Colin legte trotz seines unsportlichen Äußeren ein erstaunliches Tempo vor, aber Kate hatte keinerlei Schwierigkeiten, mit ihm mitzuhalten. Allerdings war es mitten in der Nacht – der 30-Stunden-Zyklus des Planeten war gerade zur Hälfte abgelaufen, und da Montarius Sieben keinen Mond besaß, wurde es immer finsterer, je weiter sie sich vom brennenden Lager entfernten. Der große Vorteil war aber auch, dass selbst die Scheinwerfer der Fahrzeuge, die sie in der Ferne gesehen hatten, nur mit sehr viel Glück eine kleine Gruppe schwarz gekleideter Söldner in einem finsteren Wald aufspüren konnten. Wenn sie es überhaupt versuchten – wahrscheinlich war die Sicherung des Lagers erst einmal wichtiger für sie.
Dennoch, es war ein weiter und nicht ganz ungefährlicher Weg. Als sie so weit entfernt waren, dass Kate fast nichts mehr sehen konnte, nahm sie ihr Gewehr zur Hilfe und schaltete die darauf montierte Lampe an. Der schmale Strahl erhellte ihren Weg einigermaßen, und sie konnten so zumindest Hindernisse erkennen. Alle hundert Meter blieb Colin stehen und sah durch das Zielfernrohr zurück zum Feind. Seine Waffe war mit einem Nachtsichtmodul ausgestattet, das sich auf beliebige Lichtspektren umschalten ließ – er konnte von infraroten bis zum ultravioletten Licht ziemlich alles wahrnehmen und erkennen. Für jeweils ein paar Sekunden überzeugte er sich, dass ihnen keiner der Feinde folgte, dann bewegte er sich weiter.
Nach einer Weile, ungefähr zwei Kilometer vom Lager entfernt, soweit Kate es schätzen konnte, kam der erste Funkspruch – dieser war von „Socke". „Leute, wo bleibt ihr?", fragte sie nervös. „Jenkins und ich sind schon am Treffpunkt. Tank und Spooner sind in der Nähe, aber wir warten auf euch."
„Master und ich sind unterwegs", funkte Kate zurück. „Gebt uns zehn Minuten."
Im Stillen hoffte sie, dass „Socke" nicht fragen würde, aber die Söldnerin tat es nach kurzer Pause doch: „Was ist mit dem Leader?"
Kate blieb stehen. Ein dicker Kloß saß ihr im Hals. „Später", gab sie nur gepresst durch. „Ich habe jetzt das Kommando. Sind in zehn Minuten da. Ende."
Sie spürte plötzlich, wie ihr die Luft wegblieb. Sie stützte sich mit einer Hand am nächsten Baum ab und nahm das Funkgerät aus dem Ohr. Wieder spürte sie, wie ihr die Tränen kamen. Aber jetzt war nicht die Zeit für sowas. Sie bemerkte, dass Colin sie besorgt ansah.
„Alles in Ordnung?", fragte er. Wortlos nickte sie, sah ihn dabei aber nicht an. Darauf trat er einen Schritt näher. „Ich habe gehört, was du zu Socke gesagt hast. Du hast das Kommando übernommen?"
Jetzt sah sie ihn doch an. Jetzt, wo es ihr langsam bewusst wurde, was das bedeuten würde, fragte sie sich, wie die anderen wohl auf die Nachricht reagieren würden. Klar, „Stone-Eater" setzte großes Vertrauen in sie, dass sie die Söldner nach Hause bringen würde. Aber würden das auch die anderen so sehen? In dem bisschen Licht, das die Lampe an ihrem Gewehr spendete, konnte sie Colins Gesicht kaum erkennen – ganz zu schweigen davon, was er vielleicht dachte. Aber selbst im Hellen hatte sie Schwierigkeiten, aus dem Mann schlau zu werden. „Er hat mir das Kommando übertragen", erklärte sie dann, als sie tief Luft geholt hatte. „Er hat mich gebeten, uns nach Hause zu bringen."
Colin sah sie völlig ausdruckslos an. Die Stille zwischen ihnen wurde nahezu unerträglich. Kate sah von seinem Gesicht auf seine Waffe hinab, die er schussbereit in beiden Händen hielt. Sein Abzugsfinger lag vorschriftsmäßig auf der Waffe neben dem Abzug, solange er nicht feuerbereit war. Dennoch, das Zucken seines Zeigefingers machte sie nervös, genau wie die Stille.
Doch schließlich nickte er. „Gut. Dann mal los, wir haben noch ein Stück vor uns." Das war alles, was Colin Meck zu dieser Nachricht sagte. Er drehte sich einfach um und lief weiter. Als Kate weiter mit ihm Schritt hielt, bemerkte sie, dass er sich auch nicht mehr so oft umdrehte wie vorher. Sie warf selbst einen kurzen Blick zurück, doch hinter ihnen lag nur Dunkelheit. Ein gutes Zeichen.
Den Rest des Wegs legten sie schweigend und in zügigem Tempo zurück. Der Wald wurde immer dichter, und mehrfach stolperte Kate über eine Baumwurzel oder ein anderes Hindernis, das sie nicht schnell genug mit ihrer Lampe entdeckt hatte. Colin machte den Eindruck, als würde ihn die Dunkelheit viel weniger zu schaffen machen, obwohl er sein Zielfernrohr kaum benutzte. Gab es da vielleicht etwas, das sie nicht über ihn wusste? Konnte er etwa im Dunklen sehen? Oder hatte er einfach nur Glück? Dann jedoch sah sie, wie auch er kurz strauchelte, als er mit dem Fuß an einer tückischen Wurzel hängenblieb, und tippte auf Letzteres. Keiner von beiden wurde langsamer, trotz der Probleme.
Bis Colin plötzlich stehenblieb und Kate ein Zeichen gab. Kate ging neben ihm in Stellung und hielt den Atem an. Beide wurden völlig still und hörten auf die Geräusche des Waldes um sie herum. Es raschelte einige Meter vor ihnen – ein Tier vielleicht? Kate spannte sich innerlich, ihr Finger lag auf dem Abzug ihrer Waffe. Sie beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Colin das Scharfschützen-Gewehr langsam sinken ließ und mit der linken Hand das geheime Zeichen ihrer Gruppe gab. Es raschelte erneut – und Amanda Pole, mit Kampfnamen „Socke", kam hinter einem Busch hervor.
„Kommt noch jemand?", fragte sie.
Colin schüttelte den Kopf. „Wir sind die Letzten."
Kate nahm ebenfalls das Gewehr herunter. „Sind alle anderen da?"
Es raschelte erneut ein Busch, ein paar Meter abseits. Aus der Deckung kam der langmähnige Kopf von Svandt Swaere, Rufname „Spooner", dem Scout der Gruppe, hervor. „Tank und Jenkins sind hinten und überprüfen den Rest der Ausrüstung. Außer euch warten wir noch auf Sandman und dem Boss..."
„Sie werden nicht kommen", unterbrach Kate ihn mit fester Stimme, aus der sie jede Emotion verbannte. Die Nachricht war für die Gruppe schon schlimm genug, auch ohne dass ihr neuer Anführer jetzt noch mehr Schwäche zeigte.
Doch selbst, wenn sie ihre Trauer offen gezeigt hätte, „Spooner" hätte es als gestandener Metaller genauso aufgenommen wie jetzt – mit bemühter Gelassenheit. „Ich habe es befürchtet", brummte er. „Wie geht es jetzt weiter?"
„Socke" äußerte sich nicht dazu, und das überraschte Kate. Die Soldatin, deren offizieller Posten in der Gruppe trotz ihres Geschlechts als „Gunman" betitelt war, war für ihr hitziges Temperament berüchtigt. Wenn ihr etwas nicht passte, erfuhr es jeder als Erster. Doch jetzt blieb „Socke" ungewöhnlich still. Vielleicht hatte sie es selbst nach dem letzten Funkspruch, als Kate ihr die Nachricht übermittelt hatte, noch immer nicht verdaut. „Spooner" hingegen brauchte nicht lange, um es zu verarbeiten – er war bereits mit dem nächsten Problem beschäftigt, nämlich, wie sie alle lebend rauskommen sollten.
Und das war nun Kates Aufgabe, was ihr ein äußerst mulmiges Gefühl bescherte. „Spooner" sah sie erwartungsvoll an, und auch Colin schien auf ihre Antwort zu warten. „Socke" starrte still ins Leere. Schließlich gab Kate allen einen Wink, dass sie zurück zum Treffpunkt gehen sollten, um den Rest der Gruppe einzusammeln. Ein paar Schritte in das dichte Gestrüpp hinein – ein fast zufällig ausgewählter Ort mitten im dichtesten Wald, der jedoch alle Voraussetzungen für ihre jetzige Situation erfüllte. Nur wenige Schritte durch das Unterholz, und sie hatte den überlebenden Rest der „Unicorn Riders" vor sich.
Es war wie ein natürlich gewachsener Schützengraben – ein Posten zur Verteidigung aus Bäumen und Gestrüpp, welches einen Platz von vielleicht vier Metern Radius umgab. Eine Lichtquelle war in den Boden eingegraben worden, sodass sie innerhalb dieses Platzes Licht spenden konnte, ohne von außen gesehen zu werden. Durch die Sträucher, die den Platz umgaben, zogen sich dünne, fast unsichtbare Drähte bis hin zu einigen unschönen Überraschungen, die für Eindringlinge gedacht waren. Auch wusste Kate, dass nicht alle Büsche hier von vornherein so perfekt angeordnet gewesen waren, als sie ankamen – sie hatten einiges vorbereitet, um an dieser Stelle einen kleinen Zufluchtsort zu erschaffen. Es war nichts, was einen entschlossenen Angriff des Feindes abwehren würde – aber es würde genügen, sich zumindest ein paar Minuten sicher zu fühlen.
Als die Gruppe in dem kleinen Kreis vollständig war, gingen alle Söldner auf ihre angestammten Positionen. Colin nahm Platz am äußersten Rand der natürlichen Barrikade, die dem feindlichen Lager und damit ihren etwaigen Verfolgern am nächsten war. Das Gewehr legte er sich über den Schoß, und er lehnte sich an den Baumstamm und schien vor Erschöpfung die Augen kaum offenhalten zu können. Kate kannte diese Haltung und wusste, dass sie Fassade war – wenn „Master" jetzt einen Feind entdeckte, würde er nicht einmal eine halbe Sekunde brauchen, um wieder kampfbereit zu sein und den ersten Schuss abzugeben. „Spooner", der sich vor allem um die Verteidigung ihres Standortes kümmerte, kroch am Rand des Lagers herum und überprüfte sorgfältig die Fallen. Ein Teil seiner Aufmerksamkeit galt aber immer noch dem, was Kate und die anderen nun zu sagen hatten. Wenn es etwas gab, das er beitragen konnte, würde er es sofort tun. „Socke" hatte sich zu ihrem privaten Waffenlager zurückgezogen – sie überprüfte die Munition und den Zustand der Gewehre. Zudem hatte sie eine Anzahl kleinerer Waffen in einem Koffer, den sie zuvor hier für Notfälle verstaut hatte. Ständig hörte Kate aus ihrer Ecke ein Klicken, Zuschnappen und Einrasten von metallischen Teilen, begleitet von gedämpftem Knurren und anderen leisen Geräuschen unterdrückter Aggression, mit denen die Söldnerin ihre Arbeit untermalte.
Die letzten beiden Mitglieder ihrer Gruppe saßen in der Mitte des Platzes. Private Leroy Jenkins, der Technik-Spezialist – oder kurz „Tech" - der Gruppe, besah sich die elektronische Ausrüstung, die den Einsatz überlebt hatte, mit fachmännischer Sorgfalt, widmete sich aber kaum dem, was sonst um ihn herum vorging. Neben seiner schmächtigen Gestalt hockte Frank „The Tank" Bronner wie ein massives Denkmal, da seine Körpergröße und sein Umfang den seines Nachbarn um Einiges überbot. Er war mit seinem Beitrag zur Mission beschäftigt, den Kate immer mit gemischten Gefühlen betrachtete – nicht zu Unrecht trug sein Posten den bezeichnenden Namen „Bomber".
Wehmütig dachte Kate an die Zeit zurück, in der sie in dieser Gruppe nicht mehr war als der „Medic". Es war noch nicht lange her, als „Stone-Eater" ihr den zusätzlichen Posten der stellvertretenden Kommandantin gegeben hatte, und nahezu jeder hatte sie kurz danach als „Second" angesprochen. Zuerst war ihr dieser Titel wie ein Hohn oder eine Abwertung vorgekommen, doch kein einziger der Söldner hatte diesen Titel ohne den damit verbundenen Respekt oder Vertrauen ausgesprochen. Sie wussten, was es bedeutete, dass Kate diesen Posten hatte, und sie akzeptierten dies ohne Vorbehalte.
Doch jetzt war sie nicht länger „Medic" oder „Second". Und Kate mochte nicht darüber nachdenken. Alleine das Wort „Leader" löste bei ihr Übelkeit aus. Was die anderen davon halten mochten – nun, das würde sie ohnehin bald herausfinden.
„Tank" unterbrach seine Arbeit kurz, als er bemerkte, dass die Gruppe vollzählig war. Erwartungsvoll sah er Kate an, in seinen Augen tiefes Bedauern. „Wir haben es schon gehört", erklärte er ihr sanft und signalisierte seine Anteilnahme. Frank Bronner war trotz seines Jobs und seines einschüchternden Körperbaus mit einem liebenswerten Charakter und einer Frohnatur ausgestattet, die jede Söldnereinheit vor dem kompletten Zusammenbruch der Moral bewahren konnte. Seine innere Ruhe konnte so gut wie nichts erschüttern. Aber die Tragweite dessen, was geschehen war, begriff auch er.
Auch Jenkins – der einzige Söldner in ihren Reihen, der sich keinen Kampfnamen zugelegt hatte – ließ für einen kurzen Moment die elektronischen Geräte liegen. Er runzelte nachdenklich die Stirn. „Wie geht es nun weiter, Boss?", fragte er neutral. Vielleicht hätte Kate sich an seiner Gleichgültigkeit gestört, wenn die Situation ein bisschen anders gewesen wäre. Aber die geschäftsmäßige, konzentrierte Art von Leroy Jenkins war gerade in diesem Moment genau das, was sie jetzt brauchte.
Sie atmete tief durch und blickte in die Runde. „Wir haben heute Nacht Verluste gehabt", erklärte sie. Ihre Stimme zitterte merklich, und still verfluchte sie sich darüber. „Sandman und Stone-Eater sind tot. Und unsere Mission ist fehlgeschlagen."
Ein abschätziges Grunzen kam aus „Sockes" Ecke. Kate wusste für einen Moment nicht, ob sich dies auf ihre Worte bezog, oder auf die Waffe, mit der sich die Frau gerade beschäftigte. „Spooners" Reaktion hingegen war eindeutig – er unterbrach dafür sogar seine Kontrollrunde. „Wie in Drei Grunzers Namen konnte das überhaupt schief gehen?"
„Das wollte ich von euch wissen", entgegnete Kate scharf. „Ich habe keine Ahnung, wie ein Auftrag, Daten aus einem feindlichen Lager zu besorgen, in solch ein Chaos ausarten kann. Ihr habt euch doch alle an die Befehle gehalten, oder?" Sie wandte sich an „Tank". „Hast du mit dem Geballer angefangen?"
Dieser hob abwehrend die Hände. „Ich habe nur zwei Granaten abgefeuert, und da war der Bär schon am Steppen", rechtfertigte er sich. Zum Beweis zeigte er auf die Ansammlung von Sprengkörpern, die halbkreisförmig vor ihm auf dem Boden verteilt waren. „Und ich habe nicht mal ansatzweise auf den Sendemast gezielt. Ich wusste doch, was unser Missionsziel war."
„Ich habe mich zurückgehalten", erklärte „Socke". „So, wie der Boss es mir befohlen hat. Eine Schießerei war nicht Teil des Plans."
Kate wandte sich an „Master" und „Spooner". „Ihr beide müsstet doch den besten Überblick gehabt haben, was genau geschehen ist. Also, was war los?"
„Tut mir Leid, Boss, aber dazu kann ich nichts sagen", erklärte „Spooner" betrübt. „Ich hatte den Überblick verloren, als Sandman in das Lager geschlichen ist. Ich kann dir nur sagen, dass wohl keiner von uns den ersten Schuss abgegeben hat."
„Was hatte Sandman überhaupt im Lager verloren?", fragte „Socke" plötzlich mit argwöhnischem Unterton in der Stimme. „Warum habt ihr ihn da reingeschickt? Er war absolut unerfahren."
Jenkins räusperte sich vernehmlich. „Ich wäre von meiner Position aus nicht an die Anlage herangekommen", schilderte er seine Sicht. „Sandman war in einer besseren Position, um unentdeckt an die Speicheranlage zu kommen. Und bevor ich mit ihm einen besseren Plan absprechen konnte, zog er schon los."
„Amateur!", fauchte „Socke" und kassierte dafür einen bösen Blick von Kate. Doch bevor diese mit einem scharfen Kommentar nachsetzen konnte, wurde sie von Colin aufgehalten:
„Im Moment ist es egal, was passiert ist, Leute", sagte er streng. „Egal, ob der Auftrag ausgeführt wurde oder nicht, wir haben einen festen Abreisetermin von diesem Holzhaufen hier. Und den will ich nicht verpassen. Ich weiß nicht, wie ihr dazu steht", fügte er mit einem gehässigen Blick in die Runde hinzu.
Sein Tonfall bei diesen Worten verunsicherte Kate – in seiner Stimme lag eine Autorität, die sie bei sich selbst schmerzlich vermisste. Und sie sah, dass seine Worte in der Gruppe Wirkung zeigten. Jenkins und „Tank" nickten zustimmend - „Spooner" und „Socke" enthielten sich jeglichen Kommentars, letztere allerdings mit einer ziemlich verkniffenen Miene. Sie warf dann einen flüchtigen Blick auf Colin, der ihr fast unmerklich zunickte und ihr damit wieder die Initiative übergab. Und sie nebenbei ermunterte, diese auch zu ergreifen.
Schließlich gab sie sich einen Ruck. „Der Plan steht", erklärte sie. „Es sind zwanzig Meilen von hier bis zum Treffpunkt, und Captain Terkova wartet auf unser Signal zum Abholen. Es spielt keine Rolle, was passiert ist, und wie viele wir jetzt noch sind – wir werden zum Treffpunkt gehen und uns einsammeln lassen. Und danach..." Sie zögerte, bevor sie den Satz beendet. „Danach müssen wir sehen, wie es mit uns weitergeht."
„Was bedeutet das jetzt für uns?", fragte Jenkins. „Wie lauten die Befehle?" Es war typisch, er musste es immer ganz genau wissen.
Er hatte aber auch vollkommen Recht damit. Sie musste nun entscheiden, was sie jetzt machen. „Wir packen zusammen und verschwinden", antwortete sie dann entschlossen. „Wir haben sechs Stunden bis Sonnenaufgang, und bis dahin sollten wir so viel Abstand zwischen uns und den Feind bringen wie möglich. Tank, lass die größeren Sprengsätze hier! Wir nehmen nur noch die Granaten mit. Jenkins, nimm von der Ausrüstung nur mit, was du unbedingt brauchst! Wir müssen unser Gewicht niedrig halten, damit wir schneller vorankommen. Ich will Kämpfe auf dem Rückweg vermeiden, also verteilt die Munition gleichmäßig und lasst das Überflüssige hier!" Sie wandte sich an „Spooner", während die anderen bereits die Befehle ausführten. „Svandt, was ist der beste Rückzugspunkt auf unserem Weg?"
„Kommt darauf an", erklärte „Spooner" nachdenklich. „Soll er direkt auf dem Weg liegen, oder sollen wir lieber etwas abseits lagern? Ich meine, für den Fall, dass der Feind Wind von unserem Treffpunkt bekommen hat."
„Letzteres", entschied Kate. „Ich gehe auf Nummer Sicher, und wir werden wenigstens ein paar Stunden zum Ausruhen brauchen."
„Spooner" nickte und kramte offenkundig in seinem Gedächtnis, als er sich zurücklehnte und den Blick gen Himmel richtete. Er war stolz auf seinen Orientierungssinn, und er war zu stolz, auf Hilfsmittel wie eine Karte zurückzugreifen. Kate musste ihm aber auch zugutehalten, dass sie sich an keine Gelegenheit in seiner Dienstzeit bei den „Unicorn Riders" erinnern konnte, bei der er jemals eine gebraucht hatte. „Dann wäre das Delta 2. In Sektor G8", sagte er schließlich.
Colin hob eine Augenbraue. Dies konnte Kate sogar im Dunkeln sehen. „Ist da nicht der Staudamm?"
„Falscher Planet", gab „Spooner" zurück. Kate runzelte die Stirn. Sie konnte sich noch vage an die Mission erinnern, die „Spooner" damit ansprach, aber alle anderen waren bemüht, sie zu verdrängen. Es war ein unangenehmes Erlebnis gewesen, selbst für gestandene Kämpfer wie ihre Gruppe. Ein Wunder, dass die Mission trotz allem erfolgreich gewesen war – im Vergleich zu ihrer jetzigen Schlappe, mit der sie zu kämpfen hatten.
Nach kurzer Überlegung nickte sie. „Gut, dann Delta 2. Schaffen wir es vor Sonnenaufgang dorthin?"
„Wenn wir uns nicht auf dem Weg irgendwas brechen, dann bestimmt", erwiderte „Spooner" seelenruhig. „Ich schätze, drei Stunden Gewaltmarsch dürften es sein. Aber das schaffen wir."
Der Rest der Gruppe lud bereits die Waffen nach, und auch Kate tauschte ihre Energiezelle aus. Sie hatte zwar kaum Schüsse abgegeben, aber eine angebrochene Energiezelle in der Waffe war einfach nicht so gut wie eine volle. Und sie hatte gerade selbst den Befehl gegeben, dass alles Überflüssige zurückbleiben sollte. Sie wollte die gebrauchte Energiezelle ablegen, da streckte „Tank" die Hand danach aus. „Gib ruhig her!", sagte er. „Ich werde noch ein paar Gemeinheiten für die Verfolger aufbauen, bevor wir losziehen."
Kate starrte den großen Söldner an und zögerte. Was hatte er vor? Die anderen Söldner hatten bereits die gebrauchten Energiezellen bei ihm abgegeben, und er hielt die Hand erwartungsvoll nach ihrer ausgestreckt. Dann gab sie ihm, was er wollte. Zufrieden drehte er sich wieder um und bastelte an etwas Kleinem in seinen Händen. Als er sich umdrehte, zupfte Kate am Ärmel seiner linken Schulter.
„Hey, übertreibe es nicht!", ermahnte sie ihn. Er schenkte ihr ein kleines, zuversichtliches Grinsen.
„Wer, ich? Niemals!"
Nach dieser Bemerkung war Kate klug genug, ihn einfach machen zu lassen. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass „Tank" schon lange bei der Gruppe dabei war und wusste, was er tat. Diese Erfahrung hatte sie sehr früh gemacht, als sie sich den „Unicorn Riders" angeschlossen hatte...
Captain Stone hatte sie ungefähr zwei Tage nach ihrem Gespräch offiziell aufgenommen. Nachdem Kate zurück zu ihrem jetzigen Wohnort auf Zentralius Delta zurückgekehrt war und ihre Sachen gepackt hatte – sie verließ die kleine Wohnung und den Planeten, vermutlich zum letzten Mal, und bedauerte es kein bisschen – fand sie sich nach einem anstrengenden Raumflug im Hauptquartier der „Unicorn Riders" ein. Sie stand eine Weile vor der Tür und betrachtete das altmodische Lagerhaus, welches in einem der trostlosesten Industriegebiete auf dieser Seite des galaktischen Kerns lag und beim besten Willen keine Außenwirkung hatte. Verblasste Schriftzüge über der verrosteten Tür zeugten davon, dass sich hier einmal ein Hersteller für private Raumschiffe und Bodenfahrzeuge befunden hatte. Ein etwas neueres Schild, welches aber so schlicht gehalten wurde, dass es nur aufmerksamen Beobachtern auffiel, verkündeten den Namen des Besitzers: die Summer Corporation.
Hätte Kate nicht gewusst, dass sie hier richtig war, sie wäre durch die Straßen geirrt und hätte es nie gefunden.
Nachdem sie sich alles genau von außen angesehen und ihre Zweifel beiseite geräumt hatte, trat sie ein. Und bereute es fast. Ein ohrenbetäubender Knall ertönte, als sie den ersten Fuß in die Eingangshalle setzte. Der Boden bebte. Instinktiv ließ sie ihre Tasche fallen und suchte nach der nächsten Deckung. Erst nach ein paar Augenblicken, als sie weder Rauch noch Feuer – oder sonstige Anzeichen einer Explosion – sehen konnte, wurde ihr bewusst, dass dieser Knall von weiter weg kam.
Doch am Ende des langen Ganges hinter der Eingangstür stürmten Männer und Frauen aus einem angrenzenden Raum und riefen aufgeregt durcheinander. Eine junge Frau, die langen schwarzen Haare zu einem schlampigen Pferdeschwanz gebunden, trug einen Feuerlöscher. In Windeseile verschwand die ganze Prozession durch die nächste Tür in einem anderen Raum. Vorsichtig beschloss Kate, ihnen zu folgen – sie war gespannt, was das alles zu bedeuten hatte.
Der Gang war recht lang, und sie brauchte schon einige Sekunden, um an der Tür anzukommen. Doch die Stimmen dahinter wurden sehr schnell laut, und sie musste sich nicht besonders anstrengen, um zu verstehen, was dort los war. „... komplett den Verstand verloren?", keifte eine weibliche Stimme. „Sollen wir froh sein, dass das Gebäude noch steht, oder was?"
„Das war echt dämlich", pflichtete ihr eine männliche Stimme in ruhigerem, aber nicht minder verärgerten Ton bei. Zustimmendes Gemurmel von einem halben Dutzend anderer anwesender Personen überdeckte den Rest für kurze Zeit. Kate öffnete die Tür einen Spalt breit und warf einen Blick hindurch.
Hinter der Tür lag eine große Halle. Spärliche Beleuchtung fiel auf mehrere umgestürzte oder verschrottete Fahrzeuge, und diverse Hindernisse aus Stahl und Beton waren überall verteilt. Eine Rauchsäule stieg von einem dieser Hindernisse auf, und um diese Rauchsäule war eine Gruppe von schätzungsweise acht Leuten in eine hitzige Diskussion vertieft. Gerade als Kate reinkam, ergriff die größte Person im Raum das Wort: „Hey, ich soll das doch lieber hier ausprobieren, bevor wir im Einsatz nicht einmal wissen, was das Zeug kann." Dabei hatte der Mann die Hände abwehrend gehoben, in der Hoffnung, dem Ansturm an Vorwürfen standhalten zu können. Doch gerade die Frau mit dem Feuerlöscher kam ihm bedrohlich nahe. Sie hielt den signalroten Behälter in einer Weise, als wollte sie kein Feuer löschen, sondern ihm die Lichter ausprügeln.
Als sie noch näher kam, konnte sie auch erkennen, woher der Rauch kam. Das Hindernis, um das die Gruppe sich aufgestellt hatte, wies an einer Seite ein tief klaffendes Loch auf. Geschwärzte Ränder und eine bedenkliche Anzahl an kleinen Splittern und Bruchstücken rundherum auf dem Boden sagten ihr alles, was sie wissen musste. „Ist hier jemand verletzt?", fragte sie dann – rein mechanisch, denn so einen Anblick hatte sie schon öfter vor sich.
Die Gruppe drehte sich zu ihr um. Acht Augenpaare musterten sie, die Gesichter zeigten von Argwohn bis hin zu wohlwollender Neugierde nahezu jede Emotion. Die argwöhnische Fraktion wurde hauptsächlich von der jungen Frau mit dem Feuerlöscher vertreten, die auch sofort das Wort ergriff: „Wer zur Hölle sind Sie denn?", fragte sie unfreundlich.
Kate richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf diese Frau und fixierte sie mit einem eiskalten Blick. Wäre sie jetzt nur eine Bewerberin und würde auf die Chance warten, dieser Gruppe beizutreten, würde sie sich vielleicht eine solche Reaktion gefallen lassen. Aber über dieses Stadium war sie weit hinaus. Und eine solche Begrüßung hatte sie nicht verdient. Nach einigen Augenblicken atemloser Stille sagte sie dann mit fester Stimme: „Kate Lipinsky." Mehr sagte sie nicht.
Eine andere Frau – etwas kleiner als die mit dem Feuerlöscher, mit rötlich-blondem Haarschopf in einem lockeren Zopf – schenkte ihr einen deutlich freundlicheren Blick. „Sie sind doch wohl nicht hier, um uns anzuheuern, oder?", fragte sie vorsichtig, als ihr bewusst wurde, welch peinlichen ersten Eindruck diese Gruppe gerade machte.
„Nein", antwortete Kate mit einem nachsichtigen Lächeln. „Eher... umgekehrt."
Erstaunlicherweise brachen diese Worte das Eis. Die Söldner lösten sich aus ihrer Gruppe, kamen auf sie zu und schüttelten ihr die Hand. „Sie sind also die neue Sanitäterin, die der Boss angeheuert hat", rief der große Kerl aus, als er näherkam. Seine massive Gestalt ließ Kate fast einen Schritt zurückweichen, doch sie fasste sich und ergriff die gewaltige Hand, die er zum Gruß nach ihr ausgestreckt hatte. „Frank Bronner. Willkommen bei den Unicorn Riders."
„Dann mache ich schon mal Kaffee", erklärte die Frau mit dem rötlichen Zopf fröhlich und verschwand bereits durch die Tür, nachdem auch sie Kate flüchtig die Hand geschüttelt hatte. Ihre argwöhnische Kameradin beließ es bei einem kurzen Händedruck und einem immer noch sehr missmutigen Gesicht, bevor sie zusammen mit allen anderen die Halle verließ. Nur Frank Bronner blieb zurück, da er sich noch die Überreste des Hindernisses besah.
Kate, die von dem erhaltenen Empfang etwas perplex war, stand noch einen Moment unschlüssig herum und beobachtete den großen Kerl. „Passiert sowas hier öfter?", fragte sie dann in die Stille hinein.
Frank hatte sich über das Loch gebeugt und studierte es genauer. „Ach, das müssen sie den Leuten nachsehen", erklärte er gelassen. „Man kann sie schnell auf die Palme bringen, aber wenn es darauf ankommt, sind sie für einen da."
Mit einem schmalen Lächeln trat Kate ein paar Schritte näher und sah genauer hin, was Frank da machte. „Gut zu wissen. Aber das meinte ich gar nicht." Sie deutete auf das Loch.
Da begriff auch Frank. „Ach, das? Wie gesagt, ich wollte den Leuten erklären, dass sowas getestet werden muss, bevor es uns im Einsatz überrascht. Wir müssen ja wissen, wozu unsere Ausrüstung taugt." Er nahm einen Gegenstand von seinem Gürtel und hielt ihn Kate hin. „Wollen Sie auch mal?"
Kate starrte auf die Granate in seiner Hand, und das Blut gefror ihr in den Adern. „Danke, ich passe", erklärte sie.
Frank grinste und steckte die Granate wieder ein. „Ich nehme an, Sie wollen uns alte Hasen noch etwas genauer kennen lernen, bevor wir auf die nächste Mission gehen. Ich hoffe, Sie haben noch Zeit dazu." Als er sich wieder dem Loch zuwandte, erkannte Kate, dass er dabei war, Messungen vorzunehmen. Er besah sich die Größe und Tiefe des Lochs, überprüfte den Abstand bis zu den größeren Trümmerstücken, analysierte die Färbung des Gesteins... „Sie sind der Sprengstoff-Experte", nahm sie laut an.
„Habe mein Hobby einfach zum Beruf gemacht." Franks Fröhlichkeit war schon fast ansteckend. Die Tatsache, dass er mit gefährlichen Bomben und Granaten herumspielte, vor denen sie nach mehreren Jahren Krieg enormen Respekt hatte, schien ihn überhaupt nicht zu stören. „Ich kann Ihnen für jede nur erdenkliche Sprengung und jede entsprechende Situation eine passende Mixtur zusammenstellen. Ich kann sie natürlich auch entschärfen oder bergen, wenn es sein muss, aber das macht nur halb so viel Spaß."
„Kann ich mir vorstellen", entgegnete Kate. Da redete Frank auch schon weiter:
„Die meisten hier werden sagen, dass ich nicht ganz dicht bin, wissen Sie? Aber das sagen sie von jedem, der mit Sprengstoff arbeitet und Spaß daran hat. Da Sie unser neuer Medic sind, sollte ich es Ihnen gleich vorweg mitteilen: Sie müssen sich um mich keine Sorgen machen. Egal, was die anderen davon halten, ich weiß genau, was ich tue." Er hatte seine Daten schließlich zusammen und trug sie in ein altes Datenpad ein, das er bei sich trug. „Ja, das sollte reichen." Dann, plötzlich, sah er ihr direkt ins Gesicht. „Ich weiß, was Sie gerade denken. Es ist meine Art, wissen Sie? Ich bin unbekümmert bei der Arbeit, weil sie mir Spaß macht. Aber ich nehme sie ernst, jede Sekunde. Und gerade, wenn es um unser Team geht, geht mir die Sicherheit vor allem anderen."
Skeptisch richtete Kate den Blick auf seinen Gürtel. „Ist das der Grund, weshalb Sie mir gerade eine Granate angeboten haben?"
Das Grinsen in Franks Gesicht wurde noch breiter. Und ohne Vorwarnung zog er die Granate, die er ihr schon vorher angeboten hatte, aus dem Gürtel. Er schnipste die Sicherheits-Abdeckung mit dem Daumen auf und drückte den Knopf. Dann ließ er sie fallen. Der elektronische Zünder piepte. Kate starrte voller Schrecken auf das kleine, zylinderförmige Objekt und war wie gelähmt. Ein rotes Licht an der Spitze der Granate blinkte – sie war scharf.
Drei Piepser erklangen, dann klickte es... und nichts weiter geschah. Die Granate explodierte nicht. Nur Kates Herz wummerte so stark gegen ihre Brust, dass es ihr wie eine Explosion vorkam.
Sie richtete den Blick wieder nach oben, auf das Gesicht von Frank Bronner. Sein Gesicht schien nur noch aus einem einzigen Grinsen zu bestehen. „Willkommen bei den Unicorn Riders", wiederholte er.
Während „Tank" nun seine Überraschung vorbereitete, überprüfte Kate den Rest ihrer Ausrüstung. Die Energiezelle, mit der sie nun ihre Waffe frisch bestückt hatte, sowie fünf weitere Zellen in ihrem Gürtel bildeten den gesamten Munitionsvorrat. Für ihre Verhältnisse war das völlig normal. Aus manchen Einsätzen war sie zurückgekommen, ohne einmal nachladen zu müssen. Allerdings waren diese Einsätze auch erfolgreicher ausgegangen als dieser. Dann besah sie ihre Überlebensausrüstung: Essen und Trinken waren in ihrem Rucksack und an ihrem Gürtel verstaut, die Sanitätstasche war noch ausreichend bestückt, und die kleinen Notwendigkeiten für alle Situationen im Feld steckten in den Taschen ihrer Söldnerkleidung. Der ursprüngliche Plan hatte von vornherein, wie sie selber gesagt hatte, einen langen Marsch vorgesehen, und ihre Ausrüstung war darauf abgestimmt. Der einzige Unterschied war, dass ihnen jetzt weniger Zeit zur Verfügung stand, als sie gedacht hatten.
Als sie ihre Ausrüstung durchging, hielt „Socke" ihr plötzlich den Griff einer Pistole hin. „Hier", sagte sie. „Für Notfälle."
Kate sah verwirrt zu ihr auf. „Ich glaube nicht, dass ich die brauchen werde", erklärte sie, aber „Socke" ließ nicht locker.
„Kann man nie wissen", entgegnete sie. „Es ist ein langer Weg, und sogar du kannst in eine Situation kommen, in der du etwas in der Hinterhand brauchen kannst." Bekräftigend wedelte sie mit dem Kolben der Waffe, bis Kate sie schließlich nahm und einsteckte. „Warum keiner von euch von Anfang an immer eine dabei hat, habe ich bis heute nicht begriffen."
„Wir benutzen sie einfach zu selten", erklärte Kate diplomatisch.
„Socke" schnaubte. „Das sollten wir vielleicht ändern." Damit ging sie zu den anderen hin, um die Feldpistolen unter ihnen zu verteilen. Kate hatte die Pistole in das Halfter an ihrer rechten Hüfte gesteckt, und sie spürte das ungewohnte Gewicht. Die Feldpistolen waren ebenso wie die Raptors Energiewaffen, aber sie gaben maximal zehn Schuss ab und mussten dann über eine Ladestation mit neuer Energie versorgt werden. Ein einfaches Austauschen der Energiezelle wie bei ihrer Raptor funktionierte nicht. Kate hatte die Erfahrung bereits in anderen Söldnergruppen gemacht, dass diese die Feuerkraft und die Munitions-Kapazität mit dem Gewicht der Waffe in Relation setzten, und den meisten war das schwere Ding einfach nicht die Mühe wert. „Socke" gehörte eindeutig nicht dazu – an ihrem Rücken, unterhalb des Rucksacks, konnte Kate zwei Halfter mit Pistolen sehen, die so angeordnet waren, dass die Söldnerin sie blitzschnell ziehen konnte. Und sie kannte die Frau gut genug, um zu wissen, dass dies nur die Waffen waren, die man sehen konnte.
„Tank" hatte es geschafft, seine Fallen aufzustellen. Kate lächelte darüber humorlos. Jeder in dieser Gruppe hatte seine Eigenheiten. Die positiven Eigenheiten waren die, mit denen sie dem Feind böse Überraschungen bereiten konnten. Und das beherrschten ihre Leute richtig gut.
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