Durch die Bäume blitzte Sonnenschein hindurch. Für Kate war dies das einzig Positive, was sie wahrnahm, als der Gleiter den Frachtraum der „Ballerios" verlassen hatte.
Die „Dawn Serpents" waren alarmiert. Diejenigen von ihnen, die im Freien unterwegs waren, duckten sich hinter Deckungen und richteten ihre Waffen in alle Richtungen, in denen sie Feinde vermuteten. Unter einem Gewirr aus Grünzeug und Tarnnetzen konnte Kate ein wenig von der Außenhülle des abgestürzten Frachtschiffs erkennen, was nun allerdings auch deutlich leichter war, da sich an der Oberseite mehrere aktive Geschütztürme befanden. Und diese feuerten ebenfalls mit allem, was sie hatten, in jede erdenkliche Richtung. Vor der Außenhülle war ein kleiner Platz, der mit Kisten und Fässern in scheinbar wahlloser Anordnung übersät war, und auf dem sich mehrere der Söldner befanden. Der Platz sah mittlerweile aus wie ein Schlachtfeld und erinnerte Kate frappierend an das Magentron-Lager, welches sie zerstört hatten.
Hoffentlich ging dieser Kampf nun besser aus.
Jenkins steuerte den Gleiter in weitem Bogen um das Schlachtfeld herum. Die „Dawn Serpents" sahen sie natürlich aus dem Frachtraum kommen, und es musste für sie aussehen, als wäre die langersehnte Verstärkung eingetroffen. Doch es dauerte nicht lange, bis sie begriffen und ihre Waffen entsprechend auch auf sie richteten. Die „Unicorn Riders" im Inneren des gepanzerten Fahrzeugs duckten sich, als die ersten Schüsse auf die Hülle trafen. Zwar hielt die Panzerung stand, aber man konnte nie wissen.
„Socke" drehte sich zu Kate um. „Hilf mir mal hoch!", bat sie und wies mit einer Hand auf die Kanzel des Geschützturms, der auf dem hinteren Teil des Gleiters saß. Svandt zwängte sich bereits neben Jenkins in den Beifahrersitz. Mit einiger Anstrengung und Amandas unterdrückten Schmerzensschreien gelang es Kate, ihre Kameradin in den Sitz des Geschützturms zu hieven. Als „Socke" die Kontrollen berührte und sich alles genau ansah, hellte sich ihre Miene sofort auf.
„Achtung!" Jenkins lenkte den Gleiter ruckartig zur Seite, und Kate verlor das Gleichgewicht. Polternd und fluchend kam sie auf dem Boden des Gleiters zum Liegen. Doch dabei spürte sie die Druckwelle der Explosion, der ihr Tech gerade um Haaresbreite ausgewichen war. Hier draußen war der Teufel los. Sie warf einen schnellen Blick in Richtung des gläsernen Cockpits, in dem Jenkins und „Spooner" saßen, und auf die Schlacht außerhalb des Gleiters. Doch viel mehr als umherzuckende Laserstrahlen und Explosionen konnte sie nicht erkennen.
„Steuere uns über das Schiff!", befahl sie dann Jenkins. „Wir müssen aus dem Gefahrenbereich raus!"
„Geht nicht", gab Jenkins zurück. „Das Ding hier hat keine Höhenkontrollen, es ist ein Bodengleiter. Abgesehen davon sind Tank und Master noch da draußen."
Summend drehte sich der Geschützturm des Gleiters, als „Socke" an den Kontrollen hantierte. Der erste Geschützturm hatte sie bereits erfasst. Ein Sturm aus Laserschüssen prasselte auf den Gleiter ein. Jenkins tat sein Möglichstes, um dem Beschuss auszuweichen. Seiner Kameradin gefiel dieses Manöver allerdings nicht. „Verdammt, halt die Kiste ruhig!", bellte sie, und mit summenden Motoren richtete sie die Kanone auf die Geschütze.
„Spooner" drehte sich zu ihr um... und begriff, an was für eine Art von Waffe sie sich gesetzt hatte. „Du weißt, was das ist, oder?", fragte er alarmiert.
Das grimmige Grinsen, das „Socke" von sich gab, sah für Kate mehr nach Zähnefletschen aus. „Oh ja!"
Und sie drückte ab.
Kate hatte das Gefühl, dass der Gleiter einen Satz zur Seite machte, als sich die zerstörerische Energie der Kanone in einem leuchtenden blauen Ball aus flüssigem Feuer entlud. Ein ohrenbetäubendes Geräusch, eine Mischung aus Wummern und Zischen, begleitete den Abschuss. Es dauerte weniger als eine Sekunde, bis der blaue Ball auf sein Ziel traf, und in diesem kurzen Moment hoffte Kate noch immer, dass sie damit zwar ausreichend Schaden anrichteten, aber es wenigstens keine Menschenleben kosten würde. Die Hoffnung zerschlug sich, als der Schuss traf.
Das Gleiche konnte man auch von der Hülle der „Ballerios" behaupten, als die Geschütztürme an der Oberseite in Stücke gerissen wurden und die halbe Oberseite des Schiffswracks in einem Feuerball verpuffte. Das Ausmaß der Zerstörung übertraf Kates schlimmste Erwartungen. Die halbe Seite des Schiffes zerplatzte in einer Wolke aus Flammen und Wrackteilen. Brennende Metallsplitter segelten in einem großen Umkreis zu Boden. Ein pilzförmiger Feuerball stieg in den Himmel auf, den man Kates Meinung nach problemlos aus dem Orbit oder sogar von Zentralius aus hätte sehen können. Sekundäre Explosionen sprengten weitere Teile der Hülle, und selbst der Platz unterhalb des Schiffsrumpfs wurde nicht von der Zerstörung verschont.
Einen Augenblick später war das feindliche Waffenfeuer vollkommen verstummt. Diejenigen, die diesen Angriff überlebt hatten, hatten nun überhaupt keine Lust mehr zum Kämpfen und rannten weg. Kate konnte es ihnen nicht übelnehmen. Sich mit einem Plasmawerfer diesen Kalibers anzulegen gehörte auch für sie nicht zu den angenehmen Seiten des Lebens. Aber sie hatte bei Weitem nicht mit diesen Auswirkungen gerechnet.
Genauso wenig wie der Rest ihres Teams. „Spooner" starrte entsetzt auf das Inferno außerhalb des Gleiters. „Was zur Hölle..."
„Das kann nie und nimmer nur der Schuss gewesen sein", stellte Jenkins fest, während er den Gleiter in eine neue Poisition lenkte. „Kann es sein, dass sie mit irgendwas Explosivem die Energieversorgung ihrer Kanonen betrieben haben?"
Kate und „Socke" begriffen gleichzeitig. „Die Deuterium-Leitungen!", stießen sie beide hervor. „Socke" fügte außerdem hinzu: „Sie müssen die gesamten Verteidigungsanlagen nachträglich aufgebaut und eigene Leitungen verlegt haben. Deswegen ist auch gerade der Frachtraum in die Luft geflogen."
Jenkins zischte etwas zwischen den Zähnen. „Dann wird es Zeit, dass wir weiterziehen. Und zwar schleunigst. Da sind auch schon unsere Leute."
Tatsächlich sah Kate durch die Kanzel, wie zwei schattenhafte Gestalten aus dem Gebüsch um den Platz traten und zum Gleiter rannten. Schnell betätigte sie den Öffnungsmechanismus, und die Luke klappte auf. „Master" war einen Augenblick schneller als „Tank", aber sie stiegen beide in kürzester Zeit ein. Colin schien von der gewaltigen Explosion ziemlich erschüttert, während Frank nur noch am Grinsen war. „Junge, Junge...", meinte er anerkennend. „Wart ihr das?"
Kate konnte seine Begeisterung in diesem Moment nicht teilen. „Ich fürchte ja. Jenkins, wir müssen los!"
„Alles klar!" Die Luke schloss sich wieder, und Jenkins setzte den Gleiter in Bewegung, von dem Wrack des Raumschiffs weg. Noch immer donnerten die Explosionen hinter ihnen und verteilten Stücke des Schiffes großzügig über die Landschaft. Doch zum finalen Knall war es noch nicht gekommen. Inständig hoffte Kate, dass sie bis dahin genug Abstand zwischen sich und die „Ballerios" bringen würden.
Doch sie musste sich keine Sorgen machen. Sie hatten längst den Sichtkontakt zum Schiff verloren und waren bereits fast einen Kilometer entfernt, als eine weitere, deutlich größere Explosionswolke über dem Wald aufstieg und von der lange überfälligen endgültigen Zerstörung der „Ballerios" zeugte. Die Druckwelle der Explosion erreichte den Gleiter und schüttelte ihn kurz durch, aber nicht stark genug, um die Insassen zu beunruhigen. Doch eine Befürchtung von Kate hatte sich bewahrheitet: Um die Überreste des Schiffes herum stiegen schwarze Rauchwolken auf – der Wald hatte Feuer gefangen.
Jenkins nahm das Tempo des Gleiters zurück, und das aus gutem Grund. Der Wald wurde von hier an dichter, und es wurde immer schwieriger, einen sicheren Weg durch die Bäume zu finden, ohne mit dem Gleiter anzuecken. „Kann mir mal bitte jemand sagen, wo wir hin sollen?", rief er nach hinten, und die Anspannung in seiner Stimme war unüberhörbar.
Kate blickte sich im Gleiter um, sah ihre Kameraden an, die alle mehr Kenntnis von ihrer Position haben mussten als sie. „Wo sind wir eigentlich genau?", fragte sie.
Sie wurde nicht enttäuscht. „Spooner" blickte kurz aus den Sichtluken und gab dann Antwort: „Wir verlassen gleich Sektor D4. Von dem Punkt, an dem du uns verlassen hast, sind wir circa vier Kilometer südlicher."
Damit lagen noch gut fünfzehn Kilometer zwischen ihnen und dem Landepunkt, den sie mit Captain Terkova ausgemacht hatte. Endlich mal gute Aussichten... „Dann lenk uns zur Landestelle!", gab sie an Jenkins weiter. „Vielleicht schaffen wir es sogar noch vor Sonnenuntergang, von diesem Planeten weg zu..."
Sie konnten es alle hören: das zischende Summen, irgendwo draußen, doch ganz in ihrer Nähe. Doch Kate unterbrach sich erst, als sie sah, wie das Gesicht von Jenkins durch ein pulsierendes blaues Licht erleuchtet wurde, das immer heller wurde. Und einen Bruchteil einer Sekunde vor der Katastrophe bemerkte auch Jenkins es... und riss das Steuer herum.
Dieses Mal machte der Gleiter tatsächlich einen Satz zur Seite. Der Schuss aus dem Plasmawerfer verfehlte sie um wenige Zentimeter und schlug in die Bäume links neben ihnen ein. Ein halbes Dutzend Bäume zerplatzten unter der superheißen Energie des Plasmaballs, die Überreste fingen sofort an, lichterloh zu brennen. Wäre Jenkins nicht ausgewichen, hätte es den Gleiter und alle Insassen zu Asche verbrannt.
Damit endeten die guten Nachrichten. „Socke" schwenkte die Kanone herum und zielte in die Richtung, aus der dieser Schuss gekommen war. „Verdammte Sch...", klang ihr Fluch von oben, fast lauter als die Explosion vorhin. „Wir haben Gesellschaft!"
Noch bevor Kate einen Muskel regen konnte, war „Master" schon mit seinem Gewehr an die rückwärtige Luke gegangen und blickte durch das winzige Fenster. Auch er sah nicht begeistert aus. „Ich zähle drei. Alle bewaffnet."
„Einer muss schon mal nachladen", erklärte „Socke". „Jenkins, du musst noch zweimal ausweichen, dann haben wir einen Moment Ruhe." Eine weitere Explosion krachte außerhalb des Gleiters, diese allerdings deutlich weiter entfernt als die erste. „Korrigiere: Noch einmal ausweichen."
Für Jenkins waren das aber keine zufriedenstellenden Aussichten. „Du bist lustig", schnappte er. „Ich weiche hier schon den Bäumen aus, die kann ich wenigstens vorher sehen."
Ohne zu zögern schnallte „Tank" sich den Rucksack ab. „Dann sollten wir mal was unternehmen", entschied er und begann, in seiner Ausrüstung zu wühlen. Auch „Master" dachte angestrengt nach und blickte aus der rückwärtigen Sichtluke, um die Gegner im Auge zu behalten. Kate konnte einen kurzen Blick auf die Verfolger werfen – es waren Kampfgleiter, ähnlich wie ihrer, nur kleiner und schneller. Die Geschütze oben auf den Gleitern waren aber Plasmawerfer vom gleichen Kaliber wie ihre eigene Kanone. Und nur zwei von ihnen hatten bislang gefeuert – der dritte Gleiter näherte sich langsam an und brachte sich in eine bessere Schussposition.
„Wie lange noch, bis wir wieder feuern können?", fragte sie „Socke". Diese warf einen Blick auf ihre Anzeigen.
„Einen Moment noch", gab sie zurück. „Sind bei 80 Prozent Ladung."
Es dauerte zu lange. Kates Gedanken rasten, als sie an einem Ausweg überlegten. Vielleicht konnte man die Ladezeit ihrer Kanone verkürzen? Aber darauf wäre „Socke" sicherlich schon gekommen. Sie warf einen Blick nach oben zu der Kanzel, sah die schwere Apparatur und die Leitungen, die zum hinteren Teil des Gleiters führten...
Und dann kam ihr eine Idee. „Socke, sind die Kanonen mit Deuterium gespeist?"
„Na klar, es ist Plasma", erwiderte „Socke" verächtlich. „Womit denn sonst?"
Die Idee reifte in Kates Kopf zu einem Plan heran. „Master, dann liegt es an dir. Kannst du die Zuleitung am feindlichen Gleiter mit einem sauberen Schuss treffen?"
Kurz überlegte „Master" an dieser Frage, doch als er nickte, schien er zuversichtlich. „Wenn ich sie nicht treffen kann, bin ich hier ohnehin falsch", antwortete er lapidar. „Aber das wird den Gleiter hochjagen und alle töten, falls dir das nicht klar ist."
„Ist mir klar", erwiderte Kate kalt. Über das Verschonen ihrer Gegner waren sie lange hinaus – hier ging es um ihr eigenes Überleben. „Zeig, was du kannst! Jenkins, versuche, den Gleiter ruhig zu halten!"
„Ihr bekommt ein Zeitfenster von zwei Sekunden", rief Jenkins vom Pilotensitz aus. „Wenn ich danach nicht ausweiche, erledigen sie uns."
Auf Kates fragenden Blick hin nickte „Master" und lächelte. „Das reicht vollkommen." Mit einem Nicken bedeutete er ihr, die Luke zu öffnen, und ging mit seinem Gewehr in Stellung. Kate öffnete die Luke und griff ihrerseits nach der Feldpistole, nur für den Fall des Falles. Die Luke klappte auf... Die drei Gleiter waren ihnen dicht auf den Fersen, nahe genug, dass Kate die Gesichter in den Cockpits erkennen konnte. Zwar hatten die „Dawn Serpents" wieder Gesichtstücher und Masken aufgesetzt, aber ihre grimmigen Mienen sagten alles. Der hinterste der drei Gleiter war derjenige, der noch nicht gefeuert hatte – das blaue Glühen im Lauf der großen Kanone zeigte aber an, dass er es jeden Moment tun würde. Und Jenkins hielt sein Wort – der Gleiter blieb für zwei Sekunden ruhig genug, dass „Master" zielen konnte.
Er gab den Schuss ab. Gerade als Kate dachte, dass es vielleicht schon zu spät sei. Der gelbe Energiestrahl fauchte durch den Wald auf ihre Verfolger zu... und traf.
Doch die erhoffte Wirkung blieb aus. „Du hast vorbeigeschossen", brüllte „Socke" alarmiert. Und Kate sah, dass der Gleiter tatsächlich noch feuerbereit war. Das blaue Glühen im Lauf wurde heller und intensiver – der Schuss würde sich im nächsten Moment lösen. Alle im Gleiter spürten die Anspannung... es war fast wie damals auf dem Staudamm...
Einzig „Master" blieb die Ruhe selbst. Mit grimmigem Lächeln sah er Kate an, den vielsagenden Blick unterstrich er mit einem einzigen triumphierenden Satz:
„Nein, habe ich nicht."
Dann zischte und summte das Geschütz des verfolgenden Gleiters... und flog krachend mitsamt des Gleiters auseinander.
Jenkins führte wieder ein Ausweichmanöver aus, und der explodierende Verfolger geriet außer Sichtweite von Kate. Doch damit wurde sie auch von der Druckwelle verschont, die von der Explosion ausging und ihr Fahrzeug erneut durchschüttelte, während ihre Ohren von dem lauten Knall zu klingeln begonnen hatten. Was aus den anderen beiden Gleitern hinter ihr wurde, konnte sie nicht sagen. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass diese ungeschoren davongekommen waren.
Dies konnte „Socke" jedoch nicht bestätigen. „Die anderen beiden sind immer noch hinter uns. Luke zu!"
Kate betätigte gerade rechtzeitig den Mechanismus, sodass der Laserstrahl aus dem führenden Verfolger wirkungslos auf die Panzerung traf. „Tank" blickte neben ihr aus der Sichtluke. „Ich glaube, die sind jetzt sauer", meinte er in seiner typischen Unbekümmertheit. Bevor Kate etwas sagen konnte, prasselten weitere Laserstrahlen auf die rückwärtige Hülle ein. Die „Dawn Serpents" verließen sich nicht länger auf das schwere Geschütz, sondern hatten sich mit ihren Handwaffen aus den geöffneten Sichtluken gelehnt und schossen alles auf sie ab, was sie aufbieten konnten. Und so gut die Panzerung des Gleiters sein mochte, so wusste Kate, dass sie nicht ewig halten würde. „Feuerbereit?", rief sie „Socke" am Geschütz zu.
„Noch nicht", erwiderte „Socke" frustriert. „90 Prozent Ladung."
„Der Wald wird hier immer dichter", meldete Jenkins alarmiert. „Ich finde keinen Weg mehr, durch den wir durchpassen."
„Doch, den finden wir", widersprach „Spooner" auf dem Kopilotensitz. „Fahr halbrechts durch die Bäume da!"
Jenkins reagierte sofort und steuerte in die Richtung, die der Scout ihm angegeben hatte. Doch als Kate nach vorne durch die Kanzel blickte und das Gewirr der Bäume vor ihnen sah, das sich in keinster Weise von dem Rest des Waldes unterschied, da fragte sie sich, was „Spooner" da vorhatte. Doch viel länger konnte sie sich darauf nicht konzentrieren – das Waffenfeuer hinter ihnen wurde nicht schwächer, und sie hörte die Einschläge der Schüsse am Heck des Gleiters. „Tank" beschäftigte sich immer noch mit seinem Gepäck, und „Master" sah skeptisch aus der Heckluke. Mit gezielten Schüssen würde er hier nicht mehr viel ausrichten können – gegen die Panzerung ihrer Verfolger half nur noch größere Feuerkraft.
„Jetzt links!", brüllte „Spooner". Jenkins fuhr so eine rasante Kurve, dass Kate erneut das Geleichgewicht verloren hätte, hätte sie sich nicht festgehalten. Doch die Kurve war nicht eng genug. Ein Schlag ging durch den gesamten Gleiter, als die rechte Seite mit Wucht gegen einen Baum krachte. Jenkins fluchte gepresst und nahm die Geschwindigkeit zurück. Hinter sich hörte Kate, wie „Tank" erschrocken die Luft einsog, und als sie sich wieder zu ihm umdrehte, hielt er in ausgestreckter Hand einen kleinen runden Gegenstand. Sein nicht mehr ganz so unbekümmerter Gesichtsausdruck ließ sie noch einmal genauer hinsehen: Die Fingerspitzen hielten das kleine Teil gerade so, als hätte er es im letzten Moment aufgefangen.
„Luke auf!", flüsterte „Tank" eindringlich. „Schnell!"
Jenkins nahm wieder Fahrt auf, und „Master", der die ganze Szene mit bleichem Gesichtsausdruck beobachtet hatte, reagierte nach einer kurzen Schrecksekunde. Die Luke glitt summend wieder auf und gab die Insassen des Gleiters wieder dem feindlichen Waffenfeuer preis. Kate kauerte sich vorsichtig hin, hob die Pistole und zielte, während „Tank" noch immer mit ausgestreckter Hand dort saß und kaum wagte, sich zu bewegen. Dann, mit einer fast nebensächlichen Handbewegung, warf er den Gegenstand aus der Luke – gerade so, dass es hinter ihrem Gleiter auf den Boden kam.
Weiter passierte jedoch nichts. Außer dass die „Dawn Serpents" noch immer auf sie schossen. Kate sah „Tank" fragend an, und der zuckte die Achseln. „Es dauert manchmal etwas länger..."
Draußen rummste es. Erschrocken sah Kate durch die offene Luke zu ihren Verfolgern. Doch durch die plötzliche Feuerwand hinter ihnen waren die beiden Gleiter nicht mehr zu erkennen. Bis eines der beiden Fahrzeuge durch das Feuer brach – lichterloh in Flammen, mindestens zwei Meter hoch in der Luft und völlig außer Kontrolle. Im Flug noch überschlug es sich, landete mit dem Dach voran im Unterholz und ließ ein weiteres lautes Krachen ertönen. Es explodierte nicht, aber Kate sah, dass von diesem Gleiter und seinen Insassen nichts mehr übrig war, was ihnen gefährlich werden konnte.
Das traf jedoch nicht auf den letzten Gleiter zu. Dieser hatte nicht nur die Explosion überlebt, sondern holte langsam auf. „Schneller, Jenkins!", rief Kate nervös nach vorne.
„Vergiss es!", kam die Antwort zurück. In einer ruckartigen Bewegung steuerte der Gleiter nach rechts, und trotzdem konnten alle das hässliche Geräusch hören, als er mit der linken Seite an den Bäumen entlang schrammte, denen er nicht rechtzeitig ausweichen konnte. Durch die noch immer offene Luke peitschte ein Laserstrahl aus einer Handfeuerwaffe und sprengte knapp neben „Masters" Kopf ein Stück Metall aus der Innenwand. „Master" fluchte gepresst und erwiderte das Feuer.
Der Schuss aus seiner Waffe traf nie. In dem Moment, als „Master" abdrückte, vollführte Jenkins am Steuer ein weiteres Ausweichmanöver und schrammte haarscharf an einer Baumgruppe vorbei. Etwas zu haarscharf jedoch. Das knirschende Geräusch des Metalls, als die Seite des Gleiters auf die Baumrinde traf, ging Kate durch Mark und Bein. Der Gleiter erzitterte und machte einen erneuten Satz zur Seite – stark genug, dass „Master" die Waffe verzog und sein ohnehin nur grob gezielter Schuss einen halben Meter am feindlichen Gleiter vorbei fauchte.
Die Söldner im feindlichen Gleiter schossen weiter – und dieses Mal trafen sie.
Kate hörte nur einen Knall von der Unterseite ihres Fahrzeugs, gefolgt von einem lauten Fluch aus Jenkins Mund: „Verdammt!" Sie hatte keine Ahnung, was gerade getroffen wurde, aber ihre halsbrecherische Fahrt durch den Wald wurde in der nächsten Sekunde deutlich wilder. Der Gleiter schwenkte hart nach links. Aber nicht, weil Jenkins ihn dorthin steuerte, wie Kate kurz darauf bemerkte. „Spooner" blickte panisch nach hinten. „Die Steuerung..."
Er kam nicht dazu, noch mehr zu sagen. Trotz der heroischen Bemühungen von Jenkins, es zu verhindern, vollführte der Gleiter eine komplette Wende, krachte mit der rechten Seite gegen einen Baum und schüttelte alle Insassen durch. Wieder landete Kate neben „Master" und „Tank" auf dem Boden. Der Aufprall ließ ihr keine Luft mehr zum Atmen, und für einen Augenblick war sie zu benommen, um sich wieder auf die Beine zu stemmen. Sie spürte jedoch, wie der Gleiter seine Geschwindigkeit komplett verlor und zum Stehen kam. Während der andere Gleiter dicht hinter ihnen war...
Ein Warnschrei von „Socke" ertönte aus der Kanzel des Geschützturmes, doch es ging so schnell, dass Kate ihn nicht einmal verstand. Was auch immer sie sagte, es erübrigte sich einen Lidschlag später.
Der andere Gleiter flog krachend in ihre Front hinein.
Dieses Mal war es anders. Kate nahm am Rand ihres Bewusstseins Geräusche wahr, doch jetzt entsprangen sie nicht einem wirren Traum, sondern der Wirklichkeit. Pfeifen, Sirren und Schreie drängten sich aus dem fernen Nebel in ihrem Kopf immer mehr in Richtung ihres Verstandes. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis Kate begriff, dass sie gar nicht das Bewusstsein verloren hatte, sondern nur zu benommen war, um ihre Umgebung korrekt wahrzunehmen. Sie spürte, wie starke Hände sie packten und an ihr zerrten, und sie ließ es mit sich geschehen. Unter ihren Füßen spürte sie unebenen Boden, über den sie stolperte, von den Händen in diese Richtung gezogen. Nach ein paar wenigen Schritten schien ihr Ziel erreicht – die Hände stießen sie zu Boden. Sanft, aber dennoch energisch. Die merkwürdigen Pfeifgeräusche in ihrer Nähe wurden lauter und deutlicher. Genauso wie die dringlichen Rufe, von denen Kate langsam glaubte, dass einige von ihnen an sie gerichtet waren.
Dann ertönte ein lauter Knall in unmittelbarer Nähe, der sie aus der Benommenheit holte und sie endlich die Augen öffnen ließ.
Ihre Instinkte als Soldatin gewannen wieder die Oberhand. Sie lag in Deckung, hinter einem großen metallischen Klumpen, dessen ihr zugwandte Seite von merkwürdigen Aggregaten und Leitungen durchzogen war. Die Benommenheit wich noch mehr aus ihrem Kopf, und Kate wurde sich bewusst, dass sie gerade die Unterseite ihres Gleiters betrachtete. Nach dieser verheerenden Kollision war er auf die Seite gefallen, und nun zeigte die Oberseite mitsamt Geschützturm in Richtung Feind.
Als sie ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorne richtete, blickte sie in die besorgt wirkenden Augen von „Spooner" und „Tank".
„Boss, bist du bei uns?", rief „Tank" etwas lauter. Kate bemerkte, dass er das schon vorher gerufen hatte – seine Stimme war aber bis jetzt nicht bis zu ihr durchgedrungen. Auch Svandt betrachtete sie angespannt – allerdings unterbrochen mit ganz kurzen Blicken in Richtung Feind, gefolgt von einem ungezielten Schuss in diese Richtung. Das war das Sirren von vorhin gewesen. Die Einschläge des feindlichen Beschusses in die Hülle des demolierten Gleiters hingegen waren die Erklärung für die Pfeifgeräusche, wobei es eher nach einem metallischen Fauchen klang, wenn die Energie sich auf der Hülle entlud.
„Ich bin bei euch", murmelte Kate. So ganz war sie noch nicht auf dem Damm, aber sie war weit genug bei Bewusstsein, um zu bemerken, dass ihre rechte Hand noch immer den Griff einer Laserpistole umfasste. „Wie viele sind noch übrig?"
Mit einem Seitenblick stellte sie fest, dass auch „Master" und Jenkins aus dem Wrack geklettert und in Deckung gegangen waren. Jenkins war allerdings so weit von ihnen weg und in einer ungünstigen Position am Rand einer Böschung, dass er verzweifelt das Sperrfeuer auf die Gegner aufrecht erhielt, in der Hoffnung, nicht selbst beschossen zu werden. Und es schien zumindest teilweise zu klappen. Während vereinzelt einige ungezielte Schüsse in seine Richtung zuckten, kam das gegnerische Laserfeuer aus einem völlig anderen Winkel – die dort lauernden Söldner waren somit vor Jenkins' Angriffen sicher, er hingegen aber auch vor ihren. Master hingegen tat sein Möglichstes, um die Feinde abzuwehren, aber sobald er dem Kopf herausstreckte, sengten die Laserstrahlen so knapp an ihm vorbei, dass ihm nur sein eigenes Glück das Leben rettete.
Svandt riskierte einen weiteren Blick und zog den Kopf ein, als die „Dawn Serpents" auch auf ihn anlegten. „Sieht nach drei Gegnern aus. Könnten auch vier sein."
„Nur haben die sich dort so festgebissen, dass wir sie ohne schwere Waffen nicht aus der Deckung kriegen", fügte „Tank" frustriert hinzu. „Und ich habe die Granaten im Gleiter liegen lassen. Da ranzukommen ist unmöglich." Wie um seiner Frustration angemessen Ausdruck zu verleihen sprang er kurz aus der Deckung hervor, fauchte in einer Aggressivität, die Kate seit dem Zwischenfall mit den Dawn Serpents nicht mehr bei ihm gesehen hatte, und feuerte zwei Schüsse auf den Feind.
Kate sah sich nach den anderen um. Jemand fehlte... „Wo ist Socke?"
Mit einem düsteren Gesichtsausdruck, aber ohne weitere Worte, deutete „Spooner" auf das Wrack ihres Fahrzeugs, hinter dem sie sich in Sicherheit gebracht hatten. Kate wurde es eiskalt. „Socke" war im Geschützturm gewesen... Sie packte die Waffe fester und sprang aus ihrer Deckung auf. Aber „Tank" schubste sie unsanft wieder zurück. „Nein, das hat keinen Sinn."
„Ich muss ihr helfen", beharrte Kate verzweifelt. Es konnte sie noch nicht erwischt haben! Dafür war „Socke" einfach zu zäh. Sie hatte zu viel durchgemacht...
„Warte!", warf da auch „Spooner" ein. „Frank, kannst du die Leute von da drüben beschäftigen?" Er wies auf ein Gebüsch oberhalb eines Hanges, ungefähr zehn Meter zu ihrer Rechten, also in Richtung der Front ihres Fahrzeugs. Als Kate das klar wurde, begriff sie langsam, was ihr Scout vorhatte. Auch „Tank" sah sich das an, überlegte kurz und nickte.
„Ich habe noch zwei volle Energiezellen und die Pistole. Denke, das kriege ich hin."
„Master", der es mit angehört hatte, nickte ihm aufmunternd zu. „Dann los, ich decke dich!" Auch „Spooner" nickte bekräftigend und machte sich bereit. Kate wandte sich der anderen Seite des Gleiters zu. Wenn sie alle gleichzeitig das Sperrfeuer auf den Feind eröffneten und ihn in seiner Position festnagelten, würde ihr das zumindest ein paar Sekunden geben, um in das Fahrzeug zu kommen...
„Master" und „Spooner" begannen. Auch Jenkins, der inzwischen nachgeladen hatte, verstärkte das Feuer aus seiner Richtung. Die Laserstrahlen aus ihren Waffen hagelten nun verstärkt auf das Wrack der „Dawn Serpents" ein, und das Gegenfeuer aus roten Energiebahnen wurde nun deutlich schwächer. „Tank" stürmte los, auf dem kurzen Sprint zu seiner neuen Deckung. Kate nutzte die Gelegenheit, glitt bis zum Ende des Gleiters und presste sich gegen das vibrierende Metall der Heckluke. Sie konnte noch sehen, wie „Tank" seine Deckung erreichte und seinen massigen Körper in Sicherheit warf, ohne vom gegnerischen Feuer...
Moment! Sie griff erschrocken an den Gleiter. Warum vibrierte er jetzt?
Dann hörte sie das Summen. Über dem Kampflärm war es für die anderen wohl kaum wahrzunehmen, aber Kate hörte es deutlich – aus dem Inneren des Gleiters. Es schwoll an, wurde höher. Kate verwarf ihren Plan, blickte um die Ecke auf den Feind. Es waren drei „Dawn Serpents", die nun mit aller Macht versuchten, dem Sperrfeuer zu entgehen und noch einen Schuss abzusetzen. Sie waren mehr oder weniger um die Überreste ihres Gleiters verteilt, befanden sich aber in seiner Nähe. Vielleicht konnte man sie noch näher heranbringen...
Kate hob die Waffe, legte an und schoss. Der Energiestrahl traf die Felswand hinter dem Söldner, auf den sie angelegt hatte, und ließ ihn zusammenzucken. Er drehte sich in ihre Richtung, ließ reflexartig einen Schuss los, versuchte dann verzweifelt, den Bedrohungen aus beiden Richtungen Herr zu werden. Und auch wenn sie ihn nicht getroffen hatte, so tat er doch das, was sie sich erhofft hatte: Er zog sich in seine Deckung näher am Gleiter zurück.
Das Summen wurde lauter. Mittlerweile mussten es auch ihre Leute bemerken. Und tatsächlich, zumindest glaubte sie es zu sehen: „Tank" hatte sein Sperrfeuer begonnen, ließ die Hölle auf den feindlichen Gleiter los und gab den anderen genug Gelegenheit, ihrerseits die Waffen nachzuladen. „Spooner" hatte sich in Deckung begeben und angelte eine neue Energiezelle aus seiner Tasche, während „Master" wieder dazu übergegangen war, gezielter zu schießen. Er traf zwar niemanden – ein wenig musste sich Kate über die sonst so makellose Treffsicherheit ihres Snipers wundern – aber er setzte die Schüsse so, dass auch die anderen beiden Feinde sich näher beim Gleiter hinkauerten.
Und jetzt hatte das Summen seine höchste Tonlage erreicht... „Runter!", brüllte Kate aus Leibeskräften, ließ sich in ihre Deckung fallen und presste die Hände auf die Ohren. Ob die anderen ihrem Beispiel oder ihrem Befehl folgten, konnte sie nicht mehr erkennen.
Das Wrack machte einen Satz und warf sie zu Boden. Die Entladung des Plasmawerfers schien mit einem Schlag allen Ton und alle Luft um sie herum zu verschlucken und sie in einem Vakuum zurückzulassen.
Dann spürte sie die Druckwelle und die Hitze des explodierenden feindlichen Gleiters, als der Plasmaball ihn traf.
Sie blieb liegen. Sie konnte nicht anders. Als hätte ihr ein Riese mit einem gewaltigen Hammer einen Schlag in die Brust versetzt. Mehrere Sekunden lang versuchte sie einfach nur zu atmen. Als schließlich doch ein Hauch von Sauerstoff ihre Lunge erreichte, löste er einen Hustenreiz aus, bei dem sie befürchtete, dass er sie auch das Frühstück kosten konnte. Sie versuchte, sich aufzurichten, aber ihre Arme versagten ihr den Dienst. Also blieb sie weiterhin liegen, hustend, schwer atmend, darauf wartend, dass sie wieder ihre Sinne fand.
Und langsam kehrten ihre Sinne zurück. Zumindest soweit, dass ihr bald bewusst wurde, dass sie keine Schüsse mehr hören konnte.
Es schien auch keine Eile zu haben. Um sie herum hörte sie ihre Leute stöhnen – ein herbes, männliches Stöhnen, das weniger von Schmerz zeugte als vielmehr davon, dass sie gerne eine Pause brauchten. Sie drehte ihren Kopf in ihrer liegenden Position und sah erleichtert, dass alle wohlauf schienen. „Tank" und Jenkins verließen ihre Deckung und sammelten ihre Ausrüstung auf – Jenkins mit dem leichten Zittern und dem nervösen Gesicht eines Mannes, dem das Feuergefecht gerade einen ungewohnten Adrenalinrausch verpasst hatte. „Tank" hingegen schien langsam zu seiner alten Fröhlichkeit zurückzufinden. Auch „Spooner" und „Master" sahen zu den Überresten des Schlachtfeldes, bevor sie einen Blick und ein anerkennendes Nicken miteinander tauschten.
Kate seufzte erleichtert, dass die Sache so glimpflich ausgegangen war. Nur schien ihr, als hätte sie in der Aufregung noch irgendwas vergessen...
„Hallo?" hörte sie eine Stimme aus dem Inneren ihres Gleiters. „Wenn es euch nicht allzu große Umstände macht, würdet ihr mir dann bitte verdammt noch mal hier raushelfen?"
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