Zurück ins Leben
„Auf einfache Wege schickt man nur die Schwachen."
(Hermann Hesse)
Mika PoV:
Stille. Alles um mich herum war in unerträgliches Schweigen getaucht. Keine Gespräche anderer Menschen, kein Vogelgezwitscher und auch sonst keine Tiergeräusche. Einfach nur Stille. Dazu kam noch die Dunkelheit, die ich einfach nicht von mir abschütteln konnte. Sie schien mich zu lähmen, mich an Ort und Stelle festzuhalten.
Und dieser Zustand hielt an. Ich weiß nicht wie lange, vielleicht waren es Tage, Wochen, oder doch nur ein paar Stunden. Ich hatte mein Zeitgefühl komplett verloren. Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich in Schwierigkeiten steckte. Ich konnte mich noch klar und deutlich daran erinnern, wie mich dieser Vampir angegriffen hat und ich dann ohnmächtig wurde. Aber was geschah danach? Wo war ich überhaupt? War ich vielleicht sogar tot? Fühlte es sich so an, wenn man tot war?
Wenn ich wirklich tot war, würde ich dann etwa für immer in dieser Dunkelheit gefangen bleiben? Musste ich hier bis in alle Ewigkeit ausharren? Oder würde ich an einen anderen Ort verschwinden? Aber was würde dann mit meinem kleinen Baby geschehen?! Es hatte doch noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt und sollte jetzt schon wieder gewaltsam von hier entrissen werden?! Nein! Das konnte ich einfach nicht zulassen!
Ich kämpfte mit aller Kraft gegen diese unsichtbaren Fesseln an, bis sie endlich nachzugeben schienen. Als ich mich dann schließlich aufrichtete, lichtete sich auch diese Dunkelheit etwas. Ich konnte genau fühlen wie mehrmals ein Ruck durch meinen Körper ging, beinahe so als würde mir jemand immer wieder auf die Brust drücken. Es schmerzte, aber war zu ertragen.
Aber dieses Gefühl verschwand so schnell wieder, wie es gekommen war. Und es kam mir so vor als hätte ich mir alles nur eingebildet. Aber das war erstmal egal, ich sollte lieber herausfinden, was hier vor sich ging.
Als ich etwas in diese Dunkelheit schreien wollte, merkte ich, dass meine Stimme nicht zu hören war. Nicht einmal ein kleines Piepsen erklang. Aber dennoch schien ich eine Reaktion von etwas, oder jemandem, zu erhalten.
Ich hörte daraufhin nämlich eine schwache, weinerliche Stimme flüstern: „Oh, meine Süße." Ich wusste nicht wer da zu mir gesprochen hatte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich diese Stimme kannte. Es fühlte sich so an, als würde mein Körper sofort auf diese Stimme reagieren und ihr ein kleines Stück näher rücken. Aber gleichzeitig merkte ich auch, wie mein Körper schwächer wurde und ich langsam wieder weg driftete ...
Nicht viel später schaltete sich mein Unterbewusstsein, ich hoffte auf jeden Fall, dass es das war, wieder ein. Nun waren andere Stimmen zu hören. Oder war es doch wieder diese eine von vorhin? Ich war mir nicht so sicher, aber es waren auf jeden Fall zwei unterschiedliche Stimmen.
Sie schienen schon einige Worte miteinander gewechselt zu haben, denn ich bekam nur noch die letzten Worte der zweiten Person mit: „- bitte, lass mich jetzt nicht allein." Und wieder klang die Stimme niedergeschlagen. Waren das etwa wirklich Leute, denen ich nahe stand? Vielleicht sogar Paul? Oh mein Gott, er machte sich bestimmt fürchterlich Sorgen um mich. Wie es wohl um mich stand? War ich nun tot oder stand ich noch an der Schwelle?
Wie dumm sich das alles in meinem Kopf anhörte! Ich spekulierte hier über meinen eigenen Tod. Vielleicht war ich ja einfach nur am Schlafen und träumte all dies hier nur ... na gut ... das war wohl etwas unrealistisch. Aber ich konnte und wollte mich nicht mit der Tatsache anfreunden, dass mein Leben so enden sollte. Ich hatte mir das eher so vorgestellt, dass ich einfach neben Paul einschlafe, in seinen Armen, und dann nicht mehr aufwache.
Mein Bewusstsein hatte wohl wieder den Stecker gezogen, denn es dauerte etwas bis ich wieder zu mir kam. Allerdings ging dieser Prozess dieses Mal schleppender voran und es fühlte sich auch anders an. Es fühlte sich etwas schmerzhafter als die Male zuvor an.
Es dauerte etwas, aber als ich es endlich geschafft hatte meine Augen zu öffnen, stellte ich fest, dass ich dieses mal wirklich wach war. Ich meine, so richtig wach.
Alles um mich herum schien mir neben der Dunkelheit zuvor so grell, es blendete mich ja sogar. Aber meine Augen gewöhnten sich schnell an die neuen Lichtverhältnisse, sodass ich meine Umgebung etwas genauer betrachten konnte. Es brauchte nur wenige Blicke bis ich erkannte, dass ich mich in dem Behandlungszimmer von Carlisle Cullen befand. Ich war an einen Tropf angeschlossen und auch an eines dieser Geräte, die deinen Herzschlag mit einem so grässlichen Piepton wiedergaben.
Ich richtete mich langsam auf, versuchte es auf jeden Fall, aber mein Kopf dröhnte immer noch etwas. Dann würde ich wohl noch etwas in diesem harten Bett verharren müssen.
Ich drehte meinen Kopf zur anderen Seite, wo ich einen schlafenden Paul in einem Sessel entdeckte. Er hatte tiefe Augenringe und war etwas blass um die Nase. Aber sonst schien es ihm gut zu gehen.
Ich wollte gerade meine Hand nach ihm ausstrecken, als ich einen kräftigen Tritt in meinem Bauch spürte. Mein Baby! Es lebte noch! Gott sei dank!!
„Mika? Du ... du bist wach.", hörte ich kurze Zeit später Paul murmeln. Und keine zwei Sekunden später schien er hellwach zu sein. Er sprang aus dem Sessel hoch und setzte sich auf mein Bett. Mit seinen großen Händen umschloss er die meinen und drückte mehrmals kleine Küsse darauf.
„Tut mir leid, ich wollte dir nicht so einen Schrecken verpassen.", brachte ich mit kratzender Stimme hervor. Mein Hals fühlte sich staubtrocken an, weshalb ich das Glas Wasser, welches Paul mir gerade anbot, dankend annahm und gierig austrank. Und kaum hatte ich das Wasser zur Seite gestellt, beugte sich Paul auch schon über mich. Seine Lippen berührten die meinen nur hauchzart, aber das reichte schon, um meinen Herzschlag zu beschleunigen und mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
„Nein, mir tut es leid. Ich hätte dich gar nicht erst allein gehen lassen dürfen.", widersprach er mir mit einem traurigen Ausdruck in den Augen. Er wollte sich schon wieder ein Stück zurückziehen, aber ich ließ ihn nicht. Mit meinen Armen um seinen Hals zog ich ihn nochmals zu mir herunter und küsste ihn mit allem, was ich hatte.
„Dich trifft keine Schuld an dieser ganzen Sache. Der Einzige, der schuldig ist, ist dieser Vampir. "
Später kam Carlisle nochmals zu mir, um mich durch zu checken. Anscheinend war soweit alles in Ordnung, weshalb er mich auch guten Gewissens mit Paul nach Hause fahren ließ. Dieser konnte es nämlich kaum erwarten mich aus dem Haus der Vampire zu befreien. Die ganze Zeit über war Paul angespannt, bereit mich vor jedem Angriff der Cullens zu beschützen, auch wenn wir beide wussten, dass sie mir nichts tun würden.
Ich hatte mich also nochmal bei allen bedankt, dass sie mir geholfen hatten und war dann endlich nach Hause gefahren. Paul hatte darauf bestanden mich zu tragen, damit ich mich nicht so überanstrengte. Eigentlich war es mir etwas unangenehm, da Paul ja nicht nur mein Gewicht, sondern auch die zusätzlichen Pfunde der Schwangerschaft und des Babys tragen musste, aber er ließ nicht mit sich reden.
Als wir Zuhause ankamen, brachte mein Freund mich in unser Schlafzimmer, damit ich mich noch etwas ausruhen konnte. Aber müde war ich noch nicht so wirklich.
„Was ist eigentlich aus dem Vampir geworden, nachdem ich ...", ließ ich die Frage unbeendet. Ich zog die Decke etwas nach oben, um mich darin ein zu kuscheln, während mein Blick auf Paul lag.
„Leah und Emmett sind ihm nach, aber sie haben sich noch nicht gemeldet.", erklärte er mir und ich nickte kurz. Ich konnte an seinen Augen ablesen, dass er am liebsten selbst Jagd auf den Vampir gemacht hätte. Aber sein Beschützerinstinkt war stärker, weshalb er mir heute wohl nicht mehr von der Seite weichen würde.
„Willst du dich nicht zu mir ins Bett legen? Ist bestimmt bequemer als an der Wand zu lehnen.", schmunzelte ich und hob die Decke an, um meine Aussagen nochmal zu unterstreichen. Im Moment wollte ich nichts mehr als seine Nähe. Ich fühlte mich neben ihm immer sicher und geborgen.
„Naja, die anderen kommen gleich, um die ganzen Sachen für das Kinderzimmer vorbeizubringen.", lehnte er ab, aber ich ließ nicht locker. Noch waren die anderen ja nicht da, also konnte er auch noch ein paar Minuten mit mir die Ruhe genießen.
„Ach komm schon, für mich."
Und zack, da hatte ich ihn. Er konnte mir nichts ausschlagen, schon gar nicht, wenn ich einen so schrecklichen Tag hinter mir hatte. Also legte er sich schließlich doch neben mich und zog mich an sich. Ich schmiegte mich an ihn und schloss meine Augen.
„Weißt du, das einzige woran ich denken konnte, als mich dieser ... Vampir erwischt hatte, warst du Paul. Ich hatte so furchtbare Angst und wünschte mir so sehr, wieder in deinen Armen zu liegen.", flüsterte ich den Tränen nah. Ich hatte solche Panik, dass ich sterben würde und erst jetzt kam diese Panik wieder etwas zurück. Ich hätte sterben können. Ich wäre beinahe gestorben.
Pauls Körper verkrampfte sich etwas bei meinen Worten. Dazu zog Paul mich noch enger an sich, sodass ich nun meinen Kopf auf seiner Brust ablegen und seinem beruhigenden Herzschlag lauschen konnte. Aber das konnte auch nicht verhindern, dass sich bei mir die ersten Tränen ihren Weg bahnten.
„Ich verspreche dir, dass du so etwas nie wieder durchstehen musst, dafür werde ich sorgen. Und ich werde auch nicht zulassen, dass dich mir jemand wegnimmt.", versprach er mir und küsste meine Stirn zum Schluss. Ich nickte nur, weinte aber weiter, bis ich irgendwann in einen traumlosen Schlaf fiel.
Ich wachte erst auf, als es schon wieder hell wurde. Paul lag wieder, oder immer noch, neben mir. Falls die anderen wirklich alle Babysachen vorbei gebracht hatten, dann hatte ich nichts davon mitbekommen.
So leise wie möglich krabbelte ich aus dem Bett und schnappte mir was frisches zum Anziehen, weil ich immer noch die Sachen von gestern trug. Auf leisen Sohlen schlich ich aus dem Schlafzimmer, bevor ich erstmal duschen ging.
Es fühlte sich unglaublich befreiend an, als das warme Wasser über meinen Körper floss und mein Körper sich endlich wieder komplett entspannte. Und genau aus diesem Grund ließ ich mir alle Zeit der Welt beim Duschen. Ich wollte diesen Moment der Ruhe und des Friedens vollends auskosten.
Als ich dann aber schließlich vor dem Spiegel stand, waren die Spuren, die der Vampir bei mir hinterlassen hatte, nicht zu übersehen. Die Bisswunde und auch die nun blauen Abdrücke, die sein eiserner Griff verursacht hatten, sprangen mir förmlich ins Gesicht. Aber sie würden wieder verschwinden und das beruhigte mich. Die Erinnerungen würden zwar bleiben, aber mit den Wunden hoffentlich verblassen.
Als ich mich fertig gemacht hatte, ging ich nach unten in die Küche, um mir einen Tee zu machen. Mit diesem setzte ich mich schließlich auf die Couch und schaute etwas Fernsehen. Es lief gerade die Wiederholung von irgendeinem Film, der gestern Abend gelaufen sein musste. Ich fand ihn eher langweilig, weshalb ich nach meinem Handy griff und den Film nur noch als eine Art Hintergrundmusik nahm.
Drei neue Nachrichten zeigte mein Handy mir an, jeweils eine von Kim, Jared und Emily. Und in allen stand ungefähr dasselbe, erst fragten sie nach wie es mir ging und fügten dann noch hinzu: Alles liebe zum Geburtstag!
Es dauerte einige Sekunden, bis ich begriff, was das sollte. Heute war mein Geburtstag, der Tag, den ich sowieso schon über alles hasste.
Es wurde ja immer besser und besser!
Vielleicht sollte ich einfach wieder ins Bett gehen und diesen Tag ausfallen lassen. Aber das konnte ich schon aus dem Grund nicht, weil das Rudel mir eine Geburtstagsparty schmeißen wollte. Sie hatten alles organisiert, sich viel Arbeit gemacht, da musste ich einfach mal über meinen Schatten springen.
„Mika? Bist du schon unten?", hörte ich Paul von oben rufen. Seine Stimme klang wie üblich nach dem Schlafen so rau und tief, sodass sich die Härchen in meinem Nacken aufstellten. Er hatte sogar nach der langen Zeit, die wir nun schon miteinander verbracht hatten, immer noch eine enorm große Wirkung auf mich.
„Ja, im Wohnzimmer.", antwortete ich ihm rasch, bevor ich meinen letzten Schluck Tee austrank. Und wenig später stand mein Traummann auch schon vor mir. Ich klopfte neben mir auf die Couch, um ihm zu signalisieren, sich neben mich zu setzen. Und da ließ er sich auch nicht lange bitten.
„Ich weiß ja, dass du es eigentlich nicht hören willst, aber", er legte eine kurze Pause ein, um mich auf seinen Schoß zu ziehen und mir einen kleinen Kuss auf die Wange zu drücken, „alles liebe zum Geburtstag, Schatz." Als Paul sah wie ich die Augen verdrehte, zuckte es auch um seine Mundwinkel.
„Könnt ihr meinen Geburtstag nicht einfach mal vergessen? Ich würde es euch wirklich nicht übel nehmen. Versprochen!", murmelte ich, während ich meinen Kopf an Pauls Brust lehnte und die Augen schloss. Ich konnte sehr gut darauf verzichten, diesen beschissenen Tag jedes Jahr wieder zu feiern. Aber meine Gründe dafür schienen das Rudel nur noch mehr zu motivieren.
Paul konnte über meinen Vorschlag nur aus ganzem Herzen lachen.
„Kannst du dir abschminken.", erwiderte er nur schmunzelnd, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. War ja klar, dass er nicht nachgab. Bei diesem Dickschädel war es sinnlos, weiter darauf zu bestehen.
Als er merkte, dass ich keine Widerworte mehr gab, wanderte seine Hand wie von selbst zu meinem dicken Bauch. Er strich immer wieder ruhig darüber, wobei ich mich einfach nur zurück lehnte.
„Es wird nicht mehr lange dauern ...", murmelte er in Gedanken versunken. Ich nickte nur knapp und auch das Baby schien zuzustimmen, denn genau in diesem Moment trat es gegen Pauls Hand. Wir beide hatten sogleich ein Lächeln auf den Lippen, da uns dieser Tritt zeigte, dass es dem Baby gut ging.
„Weißt du, was er dir damit sagen wollte?", fragte ich Paul schmunzelnd, doch er zuckte nur mit den Schultern.
„Dieser Tritt bedeutete soviel wie: Finger weg von Mami, die gehört nur mir.", erklärte ich kichernd und strich nun selbst über meinen Bauch.
„Oh, das kannst du sowas von vergessen. Ich werde meine Finger sicherlich nicht von ihr lassen.", sprach Paul nun mit meinem Bauch, was ziemlich witzig aussah. Ich schüttelte nur lachend den Kopf und gab Paul einen kleinen Kuss auf die Wange. Er war einfach zu süß.
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