Lügen haben kurze Beine
„Das Leben ist kein Spiel, wäre es ein Spiel könnte man ganz leicht auf den Resetknopf drücken."
„Und? Und? Was bedeuten sie?", fragte Emily neugierig und sah mich abwartend an. Ich schluckte und atmete tief durch, wieder und wieder, bis ich mich wieder dazu im Stande fühlte zu sprechen.
„Sie- ... Sie sind alle ... negativ.", murmelte ich leise, legte die Tests auf den Couchtisch und stand auf. Ich lief zum Fenster und sah nach draußen. Es regnete, wie so oft, aber dieses Mal entsprach das Wetter wirklich meiner Stimmung.
„Ach Süße, nächstes Mal klappt es bestimmt und dann haben Paul und du auch noch etwas Zeit, um über alles zu reden.", versuchte Emily mich aufzumuntern und zog mich in ihre Arme.
Langsam bekam ich wirklich das Gefühl, dass ich zu einem schlechten Menschen mutierte, der andere anlügt und beschwindelt. Wieder und wieder log ich, und es fiel nicht mal jemandem auf. Auch Emily kaufte mir meine Lüge ab, ohne zu zögern.
Aber ich konnte Emily einfach nicht sagen, dass ich schwanger bin. Sie und Sam würden nächste Woche heiraten und da wollte ich ihnen nicht die Show stehlen oder irgendwelche Unannehmlichkeiten bereiten. Ich würde es einfach noch bis nach ihren Flitterwochen für mich behalten, das würde schon nicht so schwer werden.
„Ich schmeiß dann mal die Tests weg, nicht dass die Jungs sie noch finden.", meinte Emily und ließ mich für einige Minuten allein im Wohnzimmer zurück. Vereinzelte Tränen flossen mir über die Wangen, aber ich wischte sie schnell wieder weg.
Im Moment wusste ich einfach nicht so recht, wie ich mich fühlen oder gar verhalten sollte. Es war einfach so surreal für mich, dass gerade ich schwanger war. Ich, die ohne Eltern aufwuchs, die eine schrecklich Kindheit hatte, die nicht wusste, wie eine glückliche Familie aussah, bis ich hier in La Push landete. Und nun sollte ich aus dem Nichts heraus eine gute Mutter werden?! Wie sollte ich das denn bitte schaffen?
Nachdem die Jungs zurückkamen, gingen Paul und ich wieder nach Hause, während Sam und Emily Nick aus dem Kindergarten abholten. Meine Sorgen hatte ich fürs Erste verdrängt und versuchte mich etwas abzulenken.
„Und, was habt ihr Frauen so gemacht, als wir unterwegs waren?", fragte Paul neugierig, als er sich neben mich auf die Couch setzte. Ich legte mein Handy weg und lehnte mich dann an meinen Freund. Wie immer war er kuschelig warm.
„Nur ein wenig gequatscht.", beantwortete ich seine Frage. Paul legte währenddessen seinen Arm um meine Schultern und fuhr leicht über meinen Arm. Von seinen federleichten Berührungen bekam ich auch prompt eine Gänsehaut, die sich über meinen ganzen Körper ausbreitete.
„Sam war auch ungewöhnlich gesprächig. Er hat die ganze Zeit über die Hochzeit nachgedacht und natürlich musste ich mir das dann alles auch mit anhören.", stöhnte Paul erschöpft und ließ den Kopf in den Nacken fallen. Ich kicherte nur leise bei der Vorstellung, wie Sam sich mehr Sorgen um die Hochzeit zu machen schien als Emily. Eigentlich ziemlich ungewöhnlich, aber hier in La Push war ja eh nichts normal.
„Mein armer Kuschelbär.", murmelte ich und drückte Paul einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Er brummte kurz unzufrieden, was mich kurz verunsicherte, aber dann wusste ich weshalb.
„Wir müssen wirklich mal über diesen dämlichen Spitznamen reden, Babe.", verlangte Paul und sah mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck an. Ich lächelte nur unschuldig zurück.
„Ich weiß gar nicht, was du hast. So schlimm ist er doch nicht.", meinte ich und drehte meinen Kopf so, dass ich Paul in die Augen sehen konnte. Er wirkte ziemlich unzufrieden von meiner Aussage, was mich wieder zum Grinsen brachte.
„Na gut, dann überleg ich mir eben was anderes ... Hm ... Wie wäre es mit Wolfi? Oder doch lieber Schnuckie?", schlug ich vor und lachte über seinen entsetzten Gesichtsausdruck.
„Mika, musst du immer so fies zu mir sein?!", schmollte mein Wölfchen und sah beleidigt in meine Richtung. Ich allerdings kicherte immer noch vor mich hin.
„Na warte.", murmelte Paul nun und begann mich durchzukitzeln. Ich schrie erst erschrocken auf und lachte dann wie eine Verrückte. Wieso musste Paul aber auch wissen, wo ich überall kitzelig war?! Das war sowas von unfair, denn ich kannte keine seiner Schwachstellen.
„Hör auf.", brachte ich zwischen meinen Lachern hervor und versuchte ihn von mir weg zu schieben, aber keine Chance, er war nach wie vor stärker als ich.
„Erst wenn du mir versprichst, mich nie wieder Kuschelbär zu nennen.", forderte er mit einem überlegenen Lächeln im Gesicht. Ich schüttelte nur den Kopf, weshalb er mit seiner Kitzelattacke weitermachte.
Irgendwann hatte er mich dann soweit, dass ich nachgab und seiner Forderung zustimmte. Und nun saß ich schmollend neben ihm, mit vor der Brust verschränkten Armen, und zeigte ihm die kalte Schulter.
„Hey, sei jetzt bitte nicht sauer.", bat Paul und wollte mich zu sich umdrehen, aber ich schmiss seine Hand von meiner Schulter und stand auf. Mit schnellen Schritten ging ich hoch in unser Schlafzimmer und legte mich ins Bett.
Es war mir eigentlich ziemlich egal, wie ich Paul nenne, aber dass er mich dazu erpresst, ihn anders zu nennen, ließ ich nicht so einfach auf mir sitzen. Das kratzte an meinem Ego.
Kurze Zeit später stand Paul in der Tür und beobachtete mich mit sehnsüchtigen Augen. Man könnte ja beinahe behaupten, er würde schmollen. Mit langsamen und vor allem vorsichtigen Schritten näherte er sich dem Bett. Währenddessen versuchte ich ihn mit meinen Blicken zu erdolchen, aber er ließ sich nicht beirren.
„'Tschuldige", murmelte er nur und legte sich dann zu mir ins Bett. Ich drehte ihm sofort meinen Rücken zu und rückte ein Stück von ihm weg. Allerdings hatte er im nächsten Moment schon seine Arme um meine Taille geschlungen und mich wieder zu sich herangezogen. Seine Stirn legte er an mein Schulterblatt und hielt mich weiterhin in seinen Armen gefangen.
Eine ganze Weile versuchte ich mich zu befreien, indem ich wie eine Verrückte zappelte, aber ihr könnt euch ja denken, wie das ausging. Also überlegte ich mir was anderes. Ich zog das Kopfkissen unter meinem Kopf weg und schlug damit hinter mich, und hoffte natürlich Paul zu erwischen. Und tatsächlich, er zuckte kurz zusammen und lockerte dabei seinen Griff, was ich auch sofort ausnutzte und aus dem Bett sprang.
Immer noch mit dem Kissen bewaffnet, schlug ich immer wieder auf ihn ein. Dabei lachte ich mich schlapp, da er immer noch nicht wusste, wie er nun reagieren sollte. Aber dann erwachte er endlich aus seiner Starre und nahm sich das zweite Kissen vom Bett. Und schon begann die Kissenschlacht, bei der Paul mich durch's halbe Haus jagte.
Irgendwann schmiss Paul sein Kissen dann achtlos zur Seite und legte seine Arme um meine Hüfte, um mich mal wieder zu sich zu ziehen. Wir beide lachten nach wie vor und es war mittlerweile auch klar, dass ich Paul nicht wirklich böse war. Das könnte ich wahrscheinlich auch gar nicht.
Zwei Tage später bekam ich eine Nachricht von Emily, in der sie mich darum bat ihr bei den Hochzeitsvorbereitungen zu helfen. Natürlich sagte ich zu und machte mich auch prompt auf den Weg zu ihr und Sam. Paul musste eh in einer halben Stunde zur Patrouille, also konnte er mich dann auch gleich zu Emily bringen und später wieder abholen.
Und so war ich schon kurze Zeit später mal wieder bei Emily angelangt. Paul gab mir noch einen Abschiedskuss, bevor er mit Jared im Wald verschwand. Auch ich ging ins Haus und fand Emily im Wohnzimmer über zwei fetten Katalogen hocken.
„Was machst du denn da?", fragte ich belustigt, als ich ihr verzweifeltes Gesicht sah.
„Hör auf dich lustig zu machen und hilf mir lieber!", knurrte Emily nur. Es fühlte sich irgendwie ungewohnt an, Emily mit so einem schroffen Ton zu erleben, also setzte ich mich einfach wortlos neben sie. Nun warf ich ebenfalls einen Blick in die Kataloge. Hochzeitstorten und Brautkleider. Klang ja sehr spannend.
„Wollte Sam nicht die Planung übernehmen? Du solltest dir doch bloß ein Hochzeitskleid kaufen?", fragte ich irritiert. Sam hatte das selbst vorgeschlagen, da Emily mit Nick ja schon so viel zu tun hatte und nicht noch mehr Stress gebrauchen konnte.
„Ja, eigentlich schon. Aber du kannst dir doch sicherlich vorstellen, wie die Torte aussehen würde, wenn er sie aussuchen würde. Wahrscheinlich würde er einfach einen XXL Käsekuchen bestellen.", lachte sie leicht nervös. Und so wie ich Sam kannte, würde Emily mit ihrer Befürchtung wohl recht behalten.
„Und was ist dann mit der restlichen Feier? Der hat doch null Ahnung von Deko.", fiel mir ein. Wenn der Typ schon keine Torte aussuchen konnte, wie sollte er dann bitte die ganze Lokation herrichten?
„Sue und Leah haben sich da mit reingehängt. Sie meinten, sie würden das schon hinbekommen, aber bei der Torte wollten sie mir die Entscheidung überlassen.", erklärte sie und blätterte weiter in ihren Katalogen. Ich nickte nur kurz verstehend und nahm dann einen der Kataloge.
Nachdem ich einige Seiten durchgeschaut hatte, seufzte ich.
„Es bringt doch nichts, wenn wir uns die schicken Torten nur ansehen, aber nicht probieren können. Er sollte ja immerhin auch nach etwas schmecken.", meinte ich und sah zu Emily, die mir auch sofort zustimmte.
„Dann fahren wir am besten zum Konditor.", bestimmte Emily und stand abrupt auf. Sie schien erleichtert endlich aus dem Haus zu kommen und vor allem nicht mehr über den Katalogen sitzen zu müssen.
Mit Emilys Wagen fuhren wir zum Konditor in Forks. Glücklicherweise war gerade nicht viel los, sodass die nette Frau uns gleich mit nach hinten bat. Sie meinte, dass sie einige 'Proben' für uns hätte. Anscheinend hatte sie gerade erst ein anderes Paar in Sachen Hochzeitstorte beraten, denn die 'Proben' waren noch ziemlich frisch.
Mindestens eine halbe Stunde versuchten Emily und ich die perfekten Hochzeitstortenzutaten zu finden. Dabei diskutierten wir immer wieder über verschiedene Kombinationen, bis wir uns endlich einigten. Und so hatten wir am Ende die perfekte Torte.
Der einzige Nachteil an der ganzen Sache war, dass wir ziemlich vollgefressen waren. Aber es hatte sich auf jeden Fall gelohnt hierher zu kommen.
Nachdem wir mit der Konditorin alles vereinbart hatten, fuhren wir wieder zurück.
„Sam sollte mittlerweile auch wieder zuhause sein.", murmelte Emily halb in Gedanken versunken, als wir gerade vor ihrem Haus hielten. Und tatsächlich stand sein Auto da.
„Also verschieben wir die Kleidersuche wohl besser auf morgen.", schlug ich vor. Ich konnte Emily schon ansehen, dass sie gerade etwas Zeit allein mit Sam gebrauchen konnte. Und auch ich wollte mit Paul allein sein. Ich war mir zwar immer noch nicht sicher, wie oder ob ich ihm überhaupt von meiner Schwangerschaft erzählen sollte.
Emily stimmte mir zu und stieg dann aus dem Wagen. Gemeinsam gingen wir ins Haus, da ich ja noch auf meinen Freund warten musste. Aber er sollte in wenigen Minuten zurück sein.
„Emily, ich glaube du musst mir da mal was erklären.", hörten wir Sam aus dem Wohnzimmer, als wir noch nicht einmal richtig durch die Tür gekommen waren. Er klang leicht verwirrt und auch etwas unsicher.
Emily sah mich fragend an, aber ich zuckte nur mit den Schultern. Also gingen wir, aber mit einer gewissen Vorsicht, ins Wohnzimmer. Sam saß auf der Couch, also mit dem Rücken zu uns, und beugte sich leicht nach vorne.
„Was ist denn los?", fragte Emily ruhig und ging auf Sam zu. Ich blieb währenddessen in der Tür stehen und wartete. Ich wollte mich nicht einmischen.
„Was los ist? Ich hab den Müll raus gebracht und hab dabei das hier gefunden.", sagte Sam relativ ruhig und deutete auf irgendetwas, dass vor ihm auf dem Couchtisch lag. Emily folgte seinem Blick und riss auf einmal erschrocken ihre Augen auf. Sie wirkte beinahe wie erstarrt.
„Sam, das-"
„Ich hab dann wohl die Überraschung zerstört.", meinte er nun halb lachend. Und ab diesem Punkt verstand ich wirklich überhaupt nichts mehr. Sam sprang von der Couch auf, zog Emily in eine feste Umarmung und drehte sich überglücklich in der Luft.
„Sam, du verstehst das falsch. Ich bin nicht-", versuchte Emily es erneut, doch wurde sie dieses mal von einem Plautzen der Eingangstür gestört. Ich drehte mich immer noch irritiert um und sah Paul mit einem breiten Grinsen im Gesicht im Flur stehen.
„Emily, weißt du eigentlich, wie glücklich du mich machst?", redete Sam nun wieder weiter, aber Emily schien es zu reichen, denn sie stieß Sam von sich und versuchte sich erneut zu erklären.
„Sam, jetzt hör mir doch endlich zu! Das ist nicht mein Schwangerschaftstest."
Nachdem sie das gesagt hatte, entstand eine unangenehme Stille. Sam war wie erstarrt und schaute seine Verlobte mit einem verwirrten Gesichtsausdruck an. Emily blickte nur entschuldigend zurück. Paul stand immer noch im Flur und wusste überhaupt nicht, was hier eigentlich los war. Und ich, ich war geschockt, immerhin waren es meine Tests. Ich wusste nicht so recht, was ich machen und wie ich reagieren sollte.
Wieso musste Sam denn diese beschissenen Tests finden? Wie sollte Emily denn jetzt erklären, dass die Tests in ihrem Müll lagen, aber es nicht ihre waren? Und noch schlimmer, wie sollte ich Paul das jetzt erklären, wenn Emily es verraten sollte?
„Wie, die sind nicht von dir? Von wem sollen die denn sonst sein?", fragte Sam nun die Frage aller Fragen. Ich zuckte kurz zusammen und überlegte fieberhaft nach einem Fluchtplan oder irgendeiner plausiblen Erklärung, aber mir fiel einfach nichts ein.
„Das ... Das ist doch egal.", Emily hatte kurz gezögert, aber nichts verraten, „Außerdem sind die Tests eh negativ." Und da hatte ich es. Sie wusste ja gar nicht, dass die Tests positiv waren. So würde ich Paul auch noch nichts erklären müssen.
„Negativ? Nein, da musst du dich verlesen haben. In den Verpackungen, die ich auch im Müll gefunden habe, steht, dass alle drei Tests positiv sind.", widersprach Sam und riss mir mit seinen Worten den Boden unter den Füßen weg. Emily drehte sich halb geschockt, halb überrascht zu mir herum und bedachte mich mit einem fragenden Blick.
Scheiße!!! Das war alles, was ich noch denken konnte. Offensichtlicher konnte Emily ja gar nicht verraten, dass mir die Tests gehörten. Da konnte ich mir ja gleich auf die Stirn schreiben, dass ich schwanger bin.
Sam folgte natürlich Emilys Blick, sodass unsere Blicke sich trafen. Anscheinend war die Panik in meinen Augen nicht zu übersehen, weshalb er nun genau wusste, was los war. Aber noch bevor er sich dazu äußern konnte, kam ihm Paul schon zuvor.
„Was hat das zu bedeuten, Mika?", meldete Paul sich nun auch zu Wort. Ängstlich drehte ich mich zu ihm um. Völlig verzweifelt sah ich ihm in die Augen und konnte die Tränen nicht zurückhalten.
„Ich kann dir das erklären."
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