Epilog
„Jedes Ende ist ein neuer Anfang."
Ein Jahr später heirateten Paul und ich im Sommer. Da ich keine große Party wollte, hatten wir nur die engsten Freunde und Verwandte eingeladen. Die Vorbereitungen waren nicht sonderlich stressig gewesen, da Emily und ich ja nun schon Erfahrung in der Planung einer Hochzeit hatten, und so ging alles ziemlich schnell.
Und kaum hatten wir die Hochzeit hinter uns gebracht, ging es auch schon ab in die Flitterwochen. Paul hatte alles organisiert und mich nicht in seine Pläne eingeweiht. Nami würde während dieser Woche bei Pauls Mam bleiben, die es kaum erwarten konnte ihre Enkelin für sich zu haben.
Mich hatte Paul nach Europa verschleppt, um genau zu sein, nach Italien. Wir waren in einem teuren Hotel untergekommen und hatten die ersten zwei Tage nur auf dem Zimmer verbracht, da Paul es ausnutzen wollte, dass Nami ihm nun nicht dazwischen funken konnte.
Den Rest der Woche lagen wir am Strand, besichtigten einige Sehenswürdigkeiten und genossen einfach unsere Zeit zu zweit.
Aber auch diese Zeit endete leider. Ich vermisste zwar meine Tochter, aber einfach mal nichts tun und nur Pauls Nähe genießen, war einfach zu schön gewesen.
Unser Flug nach Hause machte einen Zwischenstopp in New York, wo wir aussteigen und unser Gepäck holen sollten, bevor wir eine Stunde später in einer anderen Maschine weiter fliegen sollten. Aber als ich so in der Schlange am Gepäckband stand, kam mir eine Idee.
„Du, Paul?", machte ich auf mich aufmerksam und wandte mich meinem Ehemann zu. Es war noch etwas ungewohnt ihn 'Ehemann' zu nennen, wenn auch bloß in Gedanken.
„Hm?", machte er nur, weil er ziemlich müde war. Im Flugzeug hatte nur ich geschlafen und die letzte Nacht im Hotel hatten wir voll ausgenutzt, wenn ihr versteht.
„Ich will zum Friedhof.", verlangte ich und bekam prompt einen verwirrten Blick von Paul. Er, und auch die umstehenden Leute, sahen mich an als wäre bei mir 'ne Schraube locker.
„Was? Wieso?", fragte er nur, während er die Augenbrauen zusammen zog.
„Ich ... Ich wollte zum Grab meiner Eltern.", murmelte ich, damit die anderen es nicht hörten. Hatten die nichts besseres zu tun als uns zu belauschen.
Bis jetzt hatte ich mich noch nicht überwinden können, die Gräber meiner leiblichen Eltern zu besuchen, aber ich hatte mir die Adresse und den genauen Standort eingeprägt. Immer wieder mal spuckte mir der Gedanke im Kopf herum, sie doch einmal zu besuchen, aber ich traute mich einfach nicht.
Aber nun waren wir schon mal in New York, der Ort an dem meine Eltern sich kennenlernten, gemeinsam lebten und auch starben. Der Friedhof war auch nicht allzu weit entfernt vom Flughafen, aber dennoch würden wir wohl unseren Anschlussflug verpassen.
„Bist du dir sicher, dass du soweit bist?", fragte er besorgt nach. Seine Hand strich dabei zärtlich über meine Wange, während ich nickte. Ich hatte genügend Zeit gehabt, um meine Wunden zu lecken.
„Na dann ...", stimmte Paul meiner Bitte zu. Genau in diesem Moment kamen unsere Koffer angerollt, weshalb Paul sich beide schnappte und dann mit mir den Flughafen verließ. Und während Paul nach einem Taxi Ausschau hielt, schrieb ich Emily schnell eine Nachricht, damit sie wusste, dass wir vielleicht doch erst morgen oder übermorgen ankommen würden, da wir ja nun mit dem Zug fahren würden.
Keine halbe Stunde später waren wir auch schon am Eingang des Friedhofes. Er war nicht sonderlich groß, aber dafür gut gepflegt und auf eine gewisse Weise wunderschön. Man konnte deutlich sehen, dass der zuständige Gärtner sich sehr ins Zeug gelegt hatte. Überall waren Blumen am Blühen und ihr bezaubernder Duft schien die Trauer, die dieser Ort ausstrahlte, zu überdecken.
Ich atmete ein letztes Mal tief durch, bevor ich die Schwelle überschritt und mit Paul den Friedhof betrat. Vereinzelt konnte man ein paar Leute entdecken, die gerade die Blumen an den Gräbern gossen oder sich miteinander unterhielten. Als sie uns bemerkten, bedachten sie uns alle mit einem argwöhnischen Blick. Aber wer konnte es ihnen verübeln, man sah ja nicht allzu oft Leute auf dem Friedhof, die zwei Koffer bei sich hatten.
Dennoch wurden wir freundlich begrüßt und eine ältere Frau konnte mir sogar sagen, wo ich das Grab meiner Eltern finden konnte. Das Schicksal meinte es wohl einmal gut mit mir.
Paul und ich schlenderten quer über den Friedhof, bis wir am äußersten Rand ankamen.
Hier waren nicht viele Gräber, was etwas seltsam war, denn diese Ecke war wunderschön. Fliederbäume, Lavendel- und Rosenbüsche verliehen diesem Ort beinahe etwas magisches, und dazu kam noch ein kleiner Teich mit Springbrunnen.
Und gleich daneben stand der Grabstein mit den Namen meiner Eltern. Sie teilten sich ein Grab.
„Ist es dir lieber, wenn ich dich erstmal alleine lasse?", fragte Paul in einem mitfühlenden Ton, während er sanft über meinen Handrücken strich. Ich nickte nur. Er drückte mir noch einen Kuss auf die Schläfe, bevor er mit den Koffern etwas auf Abstand ging. Ich wusste, dass er weder lauschen noch zusehen würde.
Meine Beine zitterten leicht, als ich die letzten Meter überwand und mich schließlich vor das Grab kniete. Es war, genau wie alle anderen Gräber, gepflegt. Zusätzlich standen noch zwei Blumenvasen und eine kleine Engelsfigur davor.
Eine Weile starrte ich einfach nur vor mich hin, wusste nicht was ich jetzt machen sollte, aber dann entschied ich mich dazu einfach drauf los zu reden.
„Hey Mam, Dad. Ich weiß, ich hab mir ganz schön Zeit gelassen, aber ihr werdet mir das hoffentlich nicht übel nehmen, nach all dem was passiert ist. ... Ich hab übrigens letzte Woche geheiratet und es war einfach nur wunderschön. Aber irgendwie hab ich mir gewünscht, ihr wärt dabei gewesen. Naja, vielleicht habt ihr mich ja vom Himmel aus beobachtet... Eurer kleinen Enkeltochter geht es auch gut. Paul und ich haben ihren Namen allerdings nochmal etwas verändert. Sie hat jetzt einen Zweitnamen, Rose, also Namida Rose Lahote. Ich hatte es Paul vorgeschlagen und er war sofort dabei. Er meinte auch, wenn wir noch einen Sohn bekommen, dass wir ihm dann David als Zweitname geben könnten. Ich hoffe ja, dass diese Namen Glück bringen.", erzählte ich zusammenhangloses Zeug. Es tat gut einfach so zu reden, irgendwie so als würden sie tatsächlich meinen Worten lauschen.
„Wisst ihr, ich hätte euch beide wirklich gerne kennengelernt, aber da hat das Schicksal ja nicht so ganz mitgespielt. Aber Dad, ich verzeihe dir. Das wollte ich dir schon eine ganze Weile sagen. Ich verstehen, wieso du damals so gehandelt hast und es ist okay. Ich will dir nicht weiter die Schuld an etwas geben, dass du gar nicht beabsichtigt hattest... Und vor allem wollte ich euch sagen, dass ich euch lieb hab, auch wenn ich euch nicht wirklich kenne. Ihr beiden habt mir das Leben geschenkt und mich irgendwie auch zu meinem Seelenverwandten geführt. Also Danke.", endete ich mit einem Lächeln auf den Lippen. Kurz sah ich zu Paul und winkte ihn zu mir. Er musterte mich erst besorgt, aber entspannte sich gleich wieder, als er erkannte, dass ich nicht weinte.
Es ging mir gut. Ich fühlte mich auf eine seltsame Weise befreit, so als wäre mir eine große Last von den Schultern gefallen. Seit ich denken konnte, hatte mich dieses Thema mit meinen Eltern beschäftigt, aber nun konnte ich die negativen Seiten einfach hinter mir lassen und einen Schlussstrich ziehen. Ich würde mir keine Gedanken mehr darüber machen.
Meine Eltern würden ein Teil meines Lebens bleiben, auch wenn ich sie nicht kannte. Sie würden im Geiste immer bei mir sein, hinter mir stehen und mich unterstützen, da war ich mir sicher.
„Hast du ihnen alles gesagt?", fragte Paul und ich nickte nur, während ich wieder aufstand. Ich wandte mich Paul zu und griff mit einer Hand nach einem Koffer und mit der anderen nach seiner Hand.
„Lass uns nach Hause gehen."
Neun Monate später war es dann schon wieder so weit. Paul und ich bekamen Kind Nummer 2. Dieses Mal war ich zwar etwas weniger aggressiv bei der Geburt, aber es hatten dennoch alle Respekt vor mir. Und nachdem Paul nun schon das zweite Mal mit mir durch die Hölle gegangen war, hatte er beschlossen, dass es nun mit Kindern reichte. Er meinte, er liebte mich zwar, aber das würde er nicht noch einmal mitmachen.
Und ich war da ganz seiner Meinung. Mir reichten die beiden auch völlig.
Wir hatten dieses Mal einen Sohn bekommen, genauso wie ich es mir gewünscht hatte, und sein Name lautete Liam David Lahote. Mit ihm war meine Familie nun komplett: ein umwerfender Ehemann, der mich aufrichtig liebte; eine bezaubernde Tochter, die immer ein Lächeln auf den Lippen trug; und nun auch noch einen niedlich Sohn, der hoffentlich nach seinem Vater kam, damit er später mal ein Mädchen genauso glücklich machen würde wie Paul mich.
Wenn ich jetzt so zurückdenke, hatte Paul mich wirklich vom Abgrund zurück geholt und mir gezeigt, was es heißt glücklich zu sein und zu leben. Er hatte mich nicht aufgegeben, egal was kam und stand immer zu mir.
Vielleicht war es ja gut, dass ich in diesem Waisenhaus gelandet war, sonst hätten mich Emily und Sam nie adoptiert und ich hätte Paul auch nie kennen und lieben gelernt.
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