Die Hochzeit - 1
„Wenn zwei Herzen im gleichen Takt schlagen, sollen sie das ihr ganzes Leben lang tun."
Irgendwie hatte ich Paul von dem Thema abgebracht, bevor es wieder in eine Diskussion ausarten konnte. Stattdessen flogen unsere Gedanken wieder zu dem bevorstehenden Arzttermin. Und es hatte auch keine 10 Minuten mehr gebraucht, bis wir unser Ziel erreichten.
Händchen haltend betraten wir das moderne Gebäude. In der zweiten Etage befand sich mein Frauenarzt. Paul bestand erst darauf mich die Treppen hoch zu tragen, aber das wäre mir viel zu peinlich gewesen, weshalb ich ihn einfach am Ansatz der Treppe stehen ließ und selbstständig hinauf lief.
Mit den Worten: „Ich meins doch bloß gut.", folgte mir Paul. Ich lächelte ihn zärtlich an, da ich ja genau wusste, wie er es gemeint hatte. Aber ich wollte mich nunmal nicht verhätscheln lassen.
Als ich uns dann schließlich an der Rezeption angemeldet hatte und gemeinsam mit Paul im Wartezimmer Platz nahm, fühlte ich mich sichtlich unwohl. Die Frauen und Männer um uns herum waren alle älter, vielleicht so um die dreißig. Dazu waren die zukünftigen Mütter auch schon ziemlich weit fortgeschritten mit ihrer Schwangerschaft. Wenn ich ihre Bäuche so betrachtete, bekam ich ja beinahe Angst. Wie konnte man sich denn mit so einer Kugel noch aufrecht halten? Wie sollte man damit überhaupt noch laufen können?
Oh Gott! Ich sah mich schon in ein paar Monaten verzweifelt auf der Couch liegen, weil ich einfach nichts mehr alleine konnte. Vielleicht würde ich ja nichtmal alleine vom Bett aufstehen können.
Wie sollte ich das alles nur ohne Verletzungen überleben?
Als ich meinen Blick weiter schweifen ließ, bemerkte ich, dass beinahe alle Blicke auf Paul und mir lagen. Einige wirkten überrascht, andere skeptisch, aber die Schlimmsten waren die entsetzten Blicke, die mir ein Großteil der Frauen zuwarf.
Ihre Blicke schrien mir ja beinahe entgegen, dass ich hier nicht hingehörte. Sie hielten mich für zu jung, um Mutter zu werden und da war ich vollkommen ihrer Meinung. Ich hatte ja eigentlich auch nicht vor jetzt schon ein Kind zu bekommen, ich war ja noch nicht einmal 20 Jahre alt! Allgemein stand in meinem Plan vom Leben nie, dass ich ein Kind bekommen würde. Aber nun war es eben so gekommen und ändern konnte ich daran eh nichts mehr, denn eine Abtreibung würde für mich erst recht nicht in Frage kommen.
Paul schien zu bemerken, dass mich die Blicke verunsicherten, denn er legte beschützend einen Arm um meine Schultern und zog mich zu sich. Sofort lehnte ich mich an seine Schulter und schloss für einen Moment die Augen. Als Paul mir dann auch noch einen sanften Kuss auf die Schläfe drückte, fühlte ich mich einfach wie der glücklichste Mensch im Universum.
Dennoch war ich erleichtert, als wir nach 15 Minuten endlich aufgerufen wurden. Beinahe fluchtartig sprang ich auf und zerrte Paul hinter mir her. Er gluckste nur leise vor sich hin, während ich aufseufzte.
Drinnen bei der Ärztin geschah nicht allzu viel. Sie stellte nur noch ein weiteres Mal fest, dass ich schwanger war und hielt dann einen endlos scheinenden Vortrag über Dinge, die ich während der Schwangerschaft machen sollte und was nicht. Ich hatte irgendwann einfach abgeschaltet und nickte nur noch brav, aber Paul schien sich alles merken zu wollen. Wahrscheinlich hätte er sich sogar Notizen gemacht, wenn er etwas zum Schreiben dabei gehabt hätte.
Ich konnte sein Verhalten nur belächeln. Er war einfach zu süß.
Und am nächsten Morgen war es dann auch schon soweit. Emily und Sam würden endlich heiraten.
Etwa zwei Stunden bevor die Hochzeit der beiden begann, waren wir gerade vom Einkaufen zurück. Paul war nochmal schnell los, um bei den letzten Vorbereitungen zu helfen. Ich hatte es gerade noch geschafft ihm seinen Anzug in die Hand zu drücken, da war er auch schon verschwunden. So eilig wie er es hatte, erwartete er wahrscheinlich ein Chaos bei der Hochzeit Kulisse.
Ich hingegen konnte mir etwas mehr Zeit lassen. Ich hatte Emily zwar meine Hilfe angeboten, bei ihren Haaren und Make-Up, aber sie meinte, dass das Alice schon übernehmen würde. Jene war eh begeistert von diesem Event und hatte auch fleißig mitgeplant, und Emily so eine Menge Arbeit abgenommen.
So hatte ich auch genügend Zeit für ein ausgiebiges Bad, bevor ich mir mein Kleid anzog und mich schließlich noch schminkte.
Dieses Kleid hatte ich mir erst letztens noch mit Leah zusammen gekauft. Wir waren beide nicht sonderlich begeistert, wenn es um Kleider oder Röcke ging. Lieber trugen wir was Bequemeres, wie zum Beispiel 'ne Jogginghose und dazu noch ein weites T-Shirt. Aber bei einer Hochzeit ging so etwas nunmal nicht.
Also hatten wir beide uns zusammen auf den Weg gemacht, um uns Kleider und Schuhe zu kaufen. Kim hatten wir davon nichts erzählt. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns zwar noch 'verstanden', aber mit ihr machte Einkaufen einfach keinen Spaß.
Das Kleid, welches ich, nach zwei Stunden Suche wohlbemerkt, gekauft hatte, war bodenlang und in einem zarten Beige, welches aber schon langsam Richtung lachsfarben ging. Das Besondere an dem Kleid war der freie Rücken, der nur durch ein paar dünne überkreuzte Bänder unterhalb der Schulterblätter bedeckt wurde, die es dann irgendwie schafften zu den Trägern des Kleides zu werden. Das Kleid hatte dazu auch noch einen passenden Gürtel, der, wie die Verkäuferin behauptete, die Taille und Hüfte betonte.
Meine Schuhe waren etwa in derselben Farbe, hatten ebenfalls überkreuzte Schnüre und hatten eine Höhe von etwa 8 Zentimetern. Ich wollte diese 'Mörder' eigentlich nicht kaufen, weil ich in sowas nicht so gut laufen kann, aber die Verkäuferin ist mir solange auf den Geist gegangen, bis ich schließlich nachgegeben und die Dinger gekauft hatte.
Als ich die Schuhe nun skeptisch begutachtete, musste ich zugeben, dass sie mir schon gefielen, aber dennoch würde ich sie erst bei Emily anziehen. Sicherheitshalber. Nicht, dass ich mir noch vor der Hochzeit die Beine umknicke. Das konnte ich als eine der Brautjungfern echt nicht bringen.
Also zog ich vorerst meine weißen Chucks an. Was anderes, das auch zum Kleid passte, hatte ich leider nicht. Mein Farbspektrum bei Kleidung und Schuhen ging eher zu den dunkleren Farben. Schwarz, weinrot, dunkelblau und grau.
Als ich nun endlich fertig gestylt unten in der Küche stand, klingelte mein Telefon. Hektisch durchsuchte ich die mit den Augen. Wo hatte ich dieses verfluchte Ding denn nun schon wieder hingelegt?!
Ich folgte dem Geräusch, bis ich schließlich neben der Couch stand. Es lag zwischen den Kissen. Eilig drückte ich auf den grünen Hörer und hielt mir das Telefon ans Ohr.
„Ja?", fragte ich erleichtert darüber, dass ich den Anruf nicht verpasst hatte. Aber jetzt hatte ich nicht einmal auf die Nummer geschaut.
„Mika, bist du noch zu Hause?", hörte ich Jakobs Stimme am anderen Ende der Leitung fragen. Etwas irritiert bejahte ich seine Frage und fragte ihn, warum er das wissen wollte.
„Würdest du mich und Billy vielleicht mit dem Auto mitnehmen?"
„Klar. Ich bin in etwa 'ner halben Stunde bei euch.", antwortete ich schulterzuckend. Jake bedankte sich und legte dann auch schon wieder auf.
Ich steckte mein Handy in meine Handtasche und zog mir dann noch meine Jacke an, bevor ich zu meinem Auto ging.
Kurze Zeit später leisteten mir die beiden Black Gesellschaft. Billy saß neben mir und Jake hatte es sich hinten bequem gemacht.
„Woher wusstest du eigentlich, dass ich mit dem Auto fahren würde?", wandte ich mich an Jake. Ich hätte ja genauso gut laufen können.
„Naja ... Du kannst ja wegen der Schwangerschaft eh nichts trinken und da war es irgendwie logisch, dass du mit dem Auto fährst. Vor allem weil es nachts ja nicht gerade warm ist zurzeit und du nunmal eine Frostbeule bist. Und da ich Dad und mich sonst hätte fahren müssen, dachte ich eben ...", erklärte er seinen Gedankengang. Also hatte er mich nur gefragt, weil er Alkohol trinken wollte. Aber das konnte er nur, wenn er jemanden fand, der seinen Vater nach Hause brachte.
„Schon okay. Ich fahr dich später dann wieder heim, Billy, sag einfach Bescheid, wenn du los willst.", bot ich lächelnd an. Irgendwie fand ich es süß, wie sich Jake um seinen Dad sorgte und kümmerte. Ihre enge Bindung beneidete ich wirklich sehr. Wie gern ich doch in einer glücklichen Familie aufgewachsen wäre ...
Diese trüben Gedanken verdrängte ich so schnell wieder wie sie gekommen waren.
Kurze Zeit später parkte ich meinen Wagen vor dem großen Saal, welcher für alle größeren Events zur Verfügung stand. So auch für die Hochzeit von Emily und Sam.
„Geht ruhig schon mal vor.", sagte ich den beiden Männern, bevor ich mir meine Schuhe schnappte und die Chucks schließlich gegen die Riemchensandaletten eintauschte. Die beiden grinsten mich noch einmal breit an, bevor sie hinein gingen. Ich folgte ihnen keine fünf Minuten später.
Ich trat in einen Vorraum, in welchem sich einige Gäste zusammengestellt hatten und sich unterhielten. Hinter einer großen Doppeltür war der Raum, in dem die Trauung stattfinden würde. Im Raum nebenan würden wir später noch feiern.
„Da bist du ja endlich.", hörte ich eine weibliche Stimme hinter mir aufstöhnen. Als ich mich umdrehte, erkannte ich Leah. Sie trug ihr Kleid und genau wie ich hohe Schuhe. Ein ungewohnter Anblick.
„Ich lass dich hier doch nicht allein.", grinste ich. Wir beide hatten wahrscheinlich gerade den selben Wunsch, etwas bequemeres anziehen zu wollen.
„Alice hat mir befohlen dich zu suchen, sie will uns nochmal 'durchchecken', damit nachher auch alles glatt läuft.", erklärte sie mit gelangweilter Miene und ging dann voraus. Ich folgte ihr schweigend. Nebenbei suchte ich alles mit meinen Blicken nach Paul ab, aber ich konnte ihn einfach nicht entdecken. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gefühl.
„Wo sind die Jungs?", fragte ich skeptisch und holte die wenigen Schritte auf, die Leah mir voraus war und lief nun neben ihr. Sie zuckte kurz mit den Schultern und sah sich ebenfalls um. Dann schien ihr ein Licht aufzugehen.
„Oh", machte sie und drehte sich zu mir, „Keine Sorge, Paul und Jared wurden jeweils einem Anstandswauwau zugeordnet. Sie können sich also nicht an die Kehle springen und die Hochzeit in ein Chaos stürzen.", versicherte sie mir und lächelte aufmunternd. Ich war ihr dankbar, dass sie nicht weiter auf das Thema einging, denn ich hatte nicht wirklich Lust darüber zu reden.
Und dann waren wir auch schon bei Emily, Kim und Alice angekommen. Natürlich stach mir sofort Emily in die Augen, mit ihrem wunderschönen, aber schlichten Hochzeitskleid. Ihre Haare wurden gerade nochmal von Kim mit haufenweise Haarspray gesichert. Alice hingegen gab dem Make-Up den letzten Schliff. Aber als sie uns bemerkten, stoppten alle für einen kurzen Moment in ihrer Bewegung.
„Du siehst wunderschön aus, Emily. Hoffentlich schafft Sam es durch die Hochzeit, ohne den Verstand zu verlieren.", strahlte ich sie an und setzte mich mit Leah auf die kleine Couch an den Fenstern.
Es dauerte noch etwas, bis Emily endlich fertig war. In dieser Zeit versuchte ich sie etwas abzulenken, wobei Leah mich unterstützte. Wir wollten ja nicht, dass Emily einen Nervenzusammenbruch erlitt. Und ihrem Blick nach zu urteilen, fehlte nicht mehr viel.
Etwa eine halbe Stunde später mussten wir uns alle aufstellen. Die Gäste saßen nun alle auf ihren Plätzen und warteten gespannt auf das Brautpaar. Vor der verschlossenen Tür stand Sam schon bereit, hinter ihm Jacob, Jared und Paul, seine Trauzeugen.
Das hatte ich ja ganz vergessen, die beiden Streithähne waren ja ebenfalls Trauzeugen! Verdammt! Wie sollten die es denn bis nach vorne zum Altar schaffen?! Wie sollten sie bitte die ganze Trauung über friedlich nebeneinander stehen?!
Aber meine Sorge war anscheinend, teilweise, übertrieben. Sie standen einfach nur mit eingeschnappten Gesichtsausdrücken da. Jacob wurde zwischen ihnen platziert, anscheinend als eine Art Mauer.
„Wie habt ihr es denn bitte hinbekommen, dass die so ruhig dastehen?", fragte ich Leah skeptisch. Sie waren zwar komplett angespannt, aber niemand sagte auch nur ein Wort oder sah den anderen auch nur an.
„Sam hat seine Alpha-Stimme benutzt. Er wollte sicherstellen, dass die Hochzeit kein Reinfall wird.", flüsterte sie mir zu, da wir beinahe bei den Jungs angekommen waren. Wieso hatte er die denn nicht schon vorgestern benutzt und verhindert, dass die beiden aufeinander losgehen?!
Nun hatte mich Paul entdeckt und kam mit einem strahlenden Lächeln auf mich zu. Er schlang sofort seine Arme um meine Hüfte, hob mich leicht an und drehte sich mit mir einmal im Kreis, bevor er mich wieder absetzte und meinen Körper musterte.
„Du siehst bezaubernd aus, Babe.", hauchte er in mein Ohr und verpasste mir so eine leichte Gänsehaut. Zusätzlich drückte er mir noch einen federleichten Kuss auf die Stirn. Wie gern ich ihn jetzt geküsst hätte, aber leider würde Alice mich dann umbringen, weil mein Make-Up verwischt wäre. Also musste ich mich mit schmachtenden Blick zufrieden geben. Und ich musste wirklich sagen, Paul im Anzug ... Da konnte man nur anfangen zu sabbern. Die anderen Jungs sahen zwar auch gut aus, aber bei Paul wirkte der, durch seine vielen Muskeln, leicht gespannte Anzug unglaublich sexy.
„Aufstellen Leute, es geht gleich los.", kommandierte Alice plötzlich und schob uns nochmal alle zurecht, bevor es auch schon losging.
Völlig überrumpelt schaffte ich es gerade noch in letzter Sekunde mich bei Paul unterzuhaken und mit ihm den langen recht schmalen Gang entlang zu laufen. Vor uns liefen Leah und Jake, davor Jared und Kim.
Von der ganzen Nervosität begann ich leicht zu zittern. Was wäre, wenn ich jetzt stolperte und fiel? Ich würde Emilys Hochzeit komplett ruinieren! Und bei den hohen Hacken, die ich trug, war es auch nicht so unwahrscheinlich, dass ich...
„Ganz ruhig, ich fang dich schon auf.", versicherte Paul mir leise. Anscheinend hatte er mal wieder meine Gedanken gelesen. Und dieses Mal war ich ihm sehr dankbar dafür.
Sam hatte sich schon vorne positioniert, als wir uns nach und nach dazu stellten. Die Jungs rechts bei Sam und wir Mädchen links. Ein kurzer Blick zu Sam verriet mir, dass er noch nervöser war als alle in diesem Raum zusammen. Er rieb sich die Hände immer wieder an den Beinen ab, um den Schweiß loszuwerden.
Ein Blick in die Menge zeigte mir, dass jeder gespannt auf die Braut wartete. Na gut, bis auf den kleinen Nick, er saß neben Billy und brabbelte heiter vor sich hin. Er schien von der ganzen Aufregung überhaupt nichts mitzubekommen.
Und dann war es soweit. Emily Schritt durch die große Tür und strahlte Sam entgegen. Ab diesem Punkt hatten die beiden nur noch Augen füreinander. Die Gäste und auch wir Trauzeugen waren nur noch schmückendes Beiwerk.
Die Zeremonie wurde glücklicherweise nicht allzu sehr in die Länge gezogen. Trotzdem schmerzten meine Beine von Sekunde zu Sekunde mehr. Offensichtlich war es für mich anstrengender in diesen Schuhen zu stehen als darin zu laufen.
Umso erleichterter war ich, als ich mich endlich auf einen freien Stuhl fallen lassen konnte. Leah saß kurze Zeit später neben mir.
„Bitte versprich mir, dass wenn Paul und du heiraten, dass ich dann nicht solche Absätze tragen muss.", stöhnte Leah erschöpft und lehnte sich zurück.
„Nur wenn dasselbe für dich und Mason gilt.", verlangte ich. Sie stimmte zu. Damit war das beschlossene Sache. Nie wieder hohe Absätze, sofern es sich vermeiden ließ.
Kurze Zeit später stellten sich unsere beiden Männer zu uns. Sie hatten sich unsere Stühle gekrallt, sodass Leah und ich nun auf ihren Schößen Platz genommen hatten.
Es war zwar nicht so, als stünden in diesem Raum nicht noch hundert andere Stühle, aber gegen etwas Nähe hatte ich gerade nichts einzuwenden.
„Siehst gut aus, Schwesterchen.", kam es von Mason, der mich mit einem stolzen Lächeln bedachte. Ich erwiderte den Blick nicht minder stolz. Wer hätte gedacht, dass wir beide mal so enden würden? Nach unserer Zeit im Heim dachte ich immer, ich würde nie ein glückliches Leben führen können, aber nun saß ich hier. Hatte eine Familie, meinen Bruder, einen haufen Freunde und, am wichtigsten, Paul. Dazu war ich auch noch schwanger und hatte ein eigenes Haus, in dem mein Baby aufwachsen würde.
„Das kann ich nur zurückgeben.", sagte ich schließlich, bevor ich mich wieder erhob. Wir mussten noch zu dem Fotografen, der die Hochzeit festhalten sollte. Ich als Adoptivtochter sollte laut Emily eh auf etlichen Bildern erscheinen, aber wenn ich da durch musste, dann zog ich Paul mit mir in die Hölle. Ich hasste es fotografiert zu werden, schon immer. Es war mir einfach unglaublich unangenehm. Aber neben Paul fühlte ich mich wohler.
„Los, komm schon Paul. Emily und Sam warten bestimmt schon. Sie wollten noch ein Familienfoto schießen." Mit diesen Worten zog ich Paul hoch und ging mit ihm nach draußen. Einige Gäste hatten bereits für den Fotografen posiert, andere warteten noch, bis sie an der Reihe waren.
„Wieso muss ich da denn mit drauf?", jammerte Paul schon halb. Er hatte genauso wenig Lust darauf wie ich. Aber ich ließ nicht locker.
„Du bist mein Freund und der Vater von unserem Kind, ergo zählst du als Teil der Familie. Also beweg deinen Arsch.", grummelte ich. Ich würde das so schnell wie möglich hinter mich bringen, wieder nach drinnen gehen und mir was zu Essen besorgen. Diesem Plan wird sich Paul sicherlich anschließen.
Paul gab nach, was mir ein Seufzen signalisierte. Schließlich entdeckte ich Emily, die gerade Nick in den Armen hielt, während Sam ihr von hinten einen Arm um die Hüfte schlang. Eine Foto-Pose.
Als sie uns ebenfalls bemerkten, winkten sie uns zu sich. Mit einem gezwungenen Lächeln stellten Paul und ich uns zu ihnen. Der Fotograf war schon etwas älter, hatte graues Haar und war von der Statur her ziemlich schlaksig. Er betrachtete uns kurz, schien sich ein neues Setting zu überlegen und begann dann uns hin und her zu schieben. Mal standen Paul und ich links von den frisch vermählte, mal rechts. Er konnte sich anscheinend nicht entscheiden, was besser aussah.
Das ging so lange, bis mir der Kragen platzte: „Jetzt ist aber mal gut! Emily, du stellst dich neben mich, Sam hinter Emily, und Paul du legst deine Arme von hinten um mich, genauso wie Sam bei Emily. Nick, Süßer, du stellst dich vor Emily und mich." Damit war alles gesagt, keine Sekunde später standen auch schon alle. Dann wandte ich mich an den alten Mann vor mir, der mich verwirrt anstarrte.
„Jetzt machen sie schon ihr beschissenes Foto oder muss ich das etwa auch noch machen?!", knurrte ich gereizt von seiner Unfähigkeit. Die anderen lachten nur belustigt, wobei Paul mir einen Kuss auf die Wange drückte, um mich wieder zu beruhigen. Ich schnaufte nur und versuchte dann ein fröhliches Lächeln für das Bild zustande zu bringen, was mir nun gar nicht mehr so leicht fiel. Mein Puls war wahrscheinlich auf 180.
Es hatte eine weitere halbe Stunde gedauert, bis wir endlich genügend Bilder in verschiedenen Zusammenstellungen hatten, damit Emily glücklich war. Kaum hatte sie gesagt, dass wir gehen durften, waren Paul und ich sofort geflüchtet, bevor sie es sich doch noch anders überlegen konnte.
Nur leider waren wir so direkt Kim und Jared in die Arme gerannt, die gerade den großen Saal verlassen hatten, in den wir reingehen wollten. Innerlich fluchte ich lautstark, aber äußerlich wollte ich mir nichts anmerken lassen. Es reichte ja schon, wenn sich die beiden Kerle mit Blicken erdolchten.
Jared und Paul begannen beinahe augenblicklich zu knurren und sich voreinander aufzubauen, während Kim und ich uns sofort alarmiert anstarrten.
„Hört auf! Sofort!", befahl Kim, aber niemand außer mir schien es zu hören. Auch das Zerren an Jareds Ärmel brachte nichts. Er schüttelte sie einfach wie eine lästige Fliege ab.
„Verschwinde Lahote!", knurrte Jared gefährlich leise. Aber Paul ließ sich davon nicht beeindrucken.
„Das sollte wohl eher ich sagen, denn ich bin nicht derjenige, der die Prägung eines anderen angegriffen hat!", erwiderte Paul wütend und stieß Jared an der Brust ein Stück zurück, dann noch etwas weiter, und noch weiter. Irgendwann ließ sich Jared das nicht mehr gefallen und schlug Pauls Hände weg.
„Sie hat nichts anderes verdient! Sie hat Kim zum Weinen gebracht!", brachte Jared als Erklärung seiner Taten heraus. Aber das war leider eine sehr schlechte Entschuldigung und das wussten hier anscheinend alle außer er selbst.
Mit diesen Worten hatte er anscheinend bei Paul eine Grenze übertreten. Paul knurrte nochmal lautstark und riss dann Jared zu Boden. Er holte aus und wollte Jared ins Gesicht schlagen, aber Jared konnte in letzter Sekunde seinen Kopf zur Seite drehen und so der Faust seines Freundes entkommen.
„Verdient?! Sie ist schwanger, du Arsch!!!", brüllte Paul und schlug immer wieder auf Jared ein. Einigen der Schläge konnte Jared nicht entkommen. Aber er ließ sich nicht unterkriegen, sondern kämpfte gegen Paul an. Er wehrte sich mit allem, was er hatte, sodass am Ende eine wilde Rangelei heraus kam.
Ich konnte nicht anders, als wie eine versteinerte Statue dazustehen und zuzusehen. Meine Glieder wollten sich einfach nicht bewegen. Aber es hätte wahrscheinlich auch nicht viel gebracht. Ich konnte mich ja schlecht zwischen die beiden Streithähne werfen!
Paul und Jared kugelten sich über den Boden und schrien und knurrten sich weiterhin an, bis sie irgendwann beide die Kontrolle verloren. Nun standen zwei riesige Wölfe im Eingangsbereich. Und als hätte sich ein Schalter bei mir umgelegt, begann ich nach Sam zu rufen, so laut ich konnte. In meinem Gehirn ratterte es. Er war noch mit Emily draußen. Also rannte ich an den beiden Wölfen vorbei, wobei ich darauf achtete, einen gewissen Abstand zu halten, direkt auf die Tür zu.
Kaum war ich dort angekommen, riss ich auch schon die Tür auf und rief erneut Sams Namen. Und tatsächlich, er stand mit Emily und Nick nur wenige Meter entfernt. Alle drei sahen mich alarmiert an und kamen näher.
„Sam! Jared und Paul sin-", weiter kam ich nicht, da wurde ich auf einmal von den Beinen gerissen und landete ziemlich unsanft auf dem Boden. Ich konnte mich nicht schnell genug abfangen, sodass ich mit voller Wucht aufkam.
Ich stöhnte vor Schmerz. In meinem Kopf schien sich alles zu drehen und vor meinen Augen tanzten vereinzelt schwarze Punkte. Ich hatte mir anscheinend den Kopf angeschlagen.
Das war nun schon das zweite Mal in einer Woche, dass ich verletzt wurde. Und mal ganz ehrlich, wenn das so weiter gehen sollte, dann würde ich das Ende dieses Monats nicht mehr erleben.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro