Babyzeit
„Wenn Frauen wirklich in die Küche gehören, dann gehören Männer in den Keller, zu all dem anderen nutzlosen Kram."
Zwei Wochen später war es soweit, Emily bekam ihr Baby. Ich glaube das Wort, welches unser Verhalten in dieser Situation am besten beschreiben würde, war Panik. Es ging alles durcheinander und keiner außer mir wusste etwas mit sich anzufangen, vor allem Sam nicht. Aber am besten erzähle ich es von Anfang an, damit ihr es auch wirklich versteht.
Also, Paul und ich waren zum Mittagessen bei Emily und Sam. Auch Jacob, Leah, Mason und Jared aßen mit. Es lief eigentlich auch alles normal ab. Man stritt und kämpfte ums Essen, lachte viel und redete wild durcheinander. Wir waren auch schon fast fertig mit dem Essen, als Emily plötzlich ihr Besteck auf den Teller fallen ließ, wodurch es laut klirrte.
Alle sahen zu ihr, doch sie sah nur erschrocken an sich herunter und schien uns komplett vergessen zu haben. Ich, die neben ihr saß, bemerkte etwas nasses an meinen Füßen und schaute nun auch nach unten.
Es hatte sich eine Pfütze unter Emilys Stuhl gebildet. Kurz zog ich die Augenbrauen zusammen und sah wieder zu Emily, die gerade ihre Hand auf ihren Bauch legte. Ich brauchte etwas, aber dann fiel der Groschen.
Ich sprang so schnell auf, dass mein Stuhl nach hinten fiel. Durch den Knall und meine ruckartige Bewegung sahen nun alle fragend zu mir, aber darauf konnte ich jetzt nicht achten.
„Scheiße, scheiße, scheiße!!!", fluchte ich lautstark und half dabei Emily von ihrem Stuhl. Jene verzog ihr Gesicht, da sie anscheinend Schmerzen hatte. Und wirklich stützen konnte ich die Schwangere nicht, da ich selbst viel zu schwach war.
„Meine Fresse, jetzt bewegt endlich eure Ärsche und helft uns!!! Emily kriegt ihr Baby!", schrie ich den Männern entgegen. Jared, der gerade eine Portion des Nudelauflaufes in seinen Mund gesteckt hatte, ließ alles wieder rausfallen, als ihm der Mund aufklappte.
Überraschenderweise war Sam der erste, der aufsprang und mir zur Hilfe kam. Obwohl seine Art der Hilfe nicht ganz das war, was ich mir erhofft hatte. Denn Sam rannte an Emily und mir vorbei in den Flur. Dort schnappte er sich die schon fürs Krankenhaus gepackte Tasche und seine Autoschlüssel, bevor er aus dem Haus und zu seinem Auto rannte. Von dort hörte man ab da an nur noch gehetztes Hupen und wie er brüllte 'Wir müssen uns beeilen!'. Und, welch eine Überraschung, das half mir überhaupt nicht!!!
Also wandte ich mich, mehr oder weniger ruhig und entspannt, an Paul. Er sah genau wie alle anderen immer noch mit offenem Mund und großen Augen zu uns Frauen.
„Paul, würdest du dich vielleicht mal nützlich machen und mir helfen Emily in Sams Auto zu bringen?", auch wenn es wie eine Bitte klang, wusste Paul dennoch, dass es ein Befehl war, welchen er am besten schnell erledigen sollte, wenn er es sich nicht mit mir verscherzen wollte.
Und schon kam er mir zur Hilfe. Er nahm mir Emily ab und brachte sie langsam nach draußen. Ich lief den beiden voraus, riss Sams Autotür auf und donnerte los.
„Was für ein nutzloser Mann bist du denn bitte?! Lässt deine Frau, die in ihrem Zustand kaum laufen kann, einfach drinnen stehen und rennst zum Auto. Und das beste, du meckerst auch noch rum, dass wir zu langsam sind. Was denkst du eigentlich, wie Emily ohne uns zum Auto hätte kommen sollen?! Wahrscheinlich hätte sie am Ende das Kind auf dem Wohnzimmerboden entbunden!"
Nach meiner Ansage erstarrte Sam und bemerkte anscheinend, wie Paul Emily schon beinahe tragen musste, damit sie sich vorwärts bewegte. Schuldbewusst sah er zu Boden. Aber seine Reue war mir gerade sowas von scheißegal, ich stand unter Stress, da ich hier anscheinend die Einzige mit einem funktionierendem Gehirn bin.
„Setz dich gefälligst nach hinten! Paul fährt!", redete ich einfach weiter und tatsächlich befolgte Sam meine Anweisungen ohne Widerworte.
Und so schafften wir es eine viertel Stunde später im Krankenhaus zu sein. Sofort kam uns eine Krankenschwester zur Hilfe und brachte Emily und Sam in irgendein Krankenzimmer, wo Emily erstmal untersucht wurde.
Währenddessen setzten Paul und ich uns ins Wartezimmer. Dort konnte ich endlich durchschnaufen und mich wieder entspannnen. Ich lehnte meinen Kopf erschöpft an Pauls Schulter und schloss die Augen. Sogleich zog Paul mich auf seinen Schoß, sodass ich seitwärts auf ihm saß, damit ich es bequemer hatte und er mir über den Rücken streichen konnte.
„Falls du es wagen solltest mich später auch einfach so stehen zu lassen, ins Auto zu rennen und Druck zu machen, wie Sam vorhin, bring ich dich um.", warnte ich ihn schonmal vor. Ich konnte mir nämlich gut vorstellen, dass Paul in so einem Moment auch Panik bekommen würde und mich dann komplett vergisst.
„Werd ich nicht, versprochen.", flüsterte er mit rauer Stimme und küsste meine Stirn. Ich konnte mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen.
Ich musste eingeschlafen sein, denn Paul weckte mich, als Sam aus dem Kreissaal kam. Mit stolzem Gesicht rief er uns zu sich und ging dann mit uns zu Emily zurück. Jene lag völlig erschöpft in einem Bett und hielt ihr kleines Baby im Arm. Behutsam streichelte sie dessen Wange entlang und sah dann strahlend zu uns.
Auch ich musste bei diesem Anblick lächeln. Mit Paul ging ich ans Bett und sah mir den kleinen Jungen etwas genauer an. Seine Augen waren leicht geöffnet, sodass ich seine schönen babyblauen Augen erkennen konnte. Er hatte auch kleine Haarstruppel auf dem Kopf und ein rundliches Gesicht.
Emily hielt mir plötzlich den kleinen Jungen entgegen. Ich hatte etwas Angst ihn hochzunehmen, aber es wäre irgendwie unhöflich jetzt abzulehnen, also hob ich den Kleinen in meine Arme. Mit seinen kleinen Patschehändchen tastete er mein Gesicht ab und lachte dann leise.
„Wie heißt der Kleine denn?", fragte Paul neben mir und spielte mit den Fingern des Jungen. Der Anblick, wie ich ein Baby im Arm halte und Paul dicht hinter mir steht, um mit dem Kleinen zu spielen, ließ mich strahlen. Es sah so aus, als wären wir eine kleine Familie und irgendwie gefiel es mir.
„Nick", antwortete Sam stolz und nahm mir den Kleinen aus den Armen.
Kurz darauf wurde auf einmal die Tür aufgerissen und die restliche Rudel-Meute erschien im Zimmer. Alle sahen gespannt von Emily zu dem Baby in Sams Armen. Gemeinsam gingen sie zu Sam und jeder tätschelte mal den Kopf von Nick. Jenem schien es zu viel zu werden, weswegen er anfing zu schreien. Sam wirkte etwas überfordert und gab Nick deshalb wieder an Emily zurück, um kurz danach das Rudel anzuschnauzen.
Ich betrachtete das Geschehen mit einem breiten Lächeln und lehnte mich leicht nach hinten an Pauls starke Brust. Er legte auch gleich seine Arme um meine Mitte und vergrub seinen Kopf in meiner Halsbeuge.
Noch etwa eine Stunde blieben wir im Krankenhaus, bevor wir nach Hause fuhren.
(Eine Woche später)
Paul war gerade auf Patrouille, während ich es mir auf der Couch gemütlich gemacht hatte. Der Fernseher lief, aber ich konnte mich nicht wirklich darauf konzentrieren. Meine Gedanken schweiften immer wieder zu dem Bild, in dem ich ein Baby in meinen Armen halte und Paul dicht neben mir steht.
Als wir das letzte mal das Thema Kinder angeschnitten hatten, fürchtete ich mich davor welche zu haben, aber nun, nachdem ich Sam und Emily mit ihrem kleinen Jungen gesehen hatte, hatte sich dies geändert.
Nun dachte ich immer wieder daran, wie es wäre, wenn Paul und ich ein Kind hätten. Wie Paul dieses kleine Wesen in seinen starken Armen hält und beide freudig zu mir sehen. Wie unser Kind durch die Wohnung saust, im Garten spielt und am Strand durch das flache Wasser hüpft.
Durch das nervtötende Klingeln meines Handys wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Das breite Lächeln, welches sich bei all diesen Gedanken auf meine Lippen geschlichen hatte, verschwand. Ich richtete mich auf und griff nach meinem Handy.
„Was?!", knurrte ich etwas unfreundlich ins Handy und legte den Kopf in den Nacken.
„Hey Sonnenschein, du scheinst ja mal wieder die beste Laune zu haben.", erklang die freudige Stimme von Emily auf der anderen Seite der Leitung. Im Hintergrund hörte man einen laut schreienden Nick.
„Aber egal. Könntest du bitte vorbeikommen und mir ein wenig unter die Arme greifen?", fügte sie nach einer kurzen Pause beinahe flehend hinzu. Da ich eh nichts zu tun hatte, stimmte ich zu.
Rasch zog ich mich um und ging dann zu meinem Auto. Bevor ich losfuhr, schrieb ich Paul noch eine Nachricht, in der ich erklärte, dass ich zu Emily gefahren war. Danach fuhr ich los und kam auch kurz darauf schon bei Sam und Emily an.
Schon als ich aus meinem Auto stieg, hörte ich die Schreie des Babys. Umso näher ich dem Haus kam, desto lauter wurde es. Als ich schließlich die Haustür öffnete und vorsichtig einen Blick hinein warf, wollte ich am liebsten schnell wieder verschwinden.
Überall lagen Spielzeuge, Schnuller und leere Babyflaschen. Dazu kam noch das ohrenbetäubende Quengeln von Nick, welchen Emily beinahe verzweifelt versuchte zu beruhigen. Sam konnte ich nirgendwo sehen, also war er anscheinend unterwegs.
Na super! Wenn ich mich jetzt einfach davon schleiche, dann würde ich hundert prozentig später ein schlechtes Gewissen haben. Ich konnte Emily doch nicht einfach im Stich lassen, wenn sie so offensichtlich Hilfe brauchte.
„Huhu!", rief ich durch das Wohnzimmer. Sofort drehte Emily sich zu mir herum und strahlte über beide Ohren. Sie wirkte mit einem mal so erleichtert.
„Gott sei dank! Du bist meine Rettung!", jubelte sie und legte Nick in ein kleines Kinderbettchen neben der Couch, bevor sie auf mich zugerannt kam. Stürmisch umarmte sie mich, wobei ich beinahe zu ersticken drohte.
„Keine- ... Luft...", murmelte ich. Sofort ließ sie mich los und entschuldigte sich bei mir.
„Also, warum bin ich hier? Ich meine, ich sehe zwar das Problem, aber was genau soll ich machen?", fragte ich und besah nochmal das komplette Ausmaß des Chaos.
„Könntest du vielleicht eine Runde mit Nick spazieren gehen? Es beruhigt ihn immer und außerdem hätte ich dann etwas Zeit zum Aufräumen.", erklärte sie. Ich nickte zustimmend und ging dann zu Nick. Er war immer noch am Quengeln. Ich nahm ihn in meine Arme und wog ihn leicht hin und her, bis seine Schreie etwas nachließen. Emily ging in der Zeit schonmal nach draußen und machte den Kinderwagen fertig.
„Emily, wo ist eigentlich Sam?", fragte ich sie, nachdem ich ihr nach draußen gefolgt war. Vorsichtig legte ich Nick in den Kinderwagen und wartete dann darauf, dass Emily endlich alles Nötige verstaut hatte.
„Ich hab ihn heute Morgen einkaufen geschickt, aber er kam nicht zurück. Also habe ich Miss Call angerufen. Sie meinte dann, dass Sam in seinem Auto auf dem Parkplatz eingeschlafen sei.", seufzte sie erschöpft und schüttelte dann ungläubig den Kopf.
„So eine Memme!", murmelte ich. Erst seine Aktion bei der Geburt und jetzt das. Der ist doch wirklich zu nichts zu gebrauchen!
„Nächstes mal gehe ich einkaufen. Dann kann ich wenigstens auch mal etwas schlafen.", lachte Emily leise. Ich stimmte mit ein und meinte, dass Sam dann total aufgeschmissen wäre.
Nach etwa fünf weiteren Minuten, in denen wir über Sam gelacht hatten, machte ich mich dann auf den Weg. Tatsächlich schienen die zwitschernden Vögel und das Rascheln der Blätter Nick zu beruhigen, denn schon nach einer viertel Stunde schlief er ein.
Trotzdem lief ich noch über eine Stunde durch den Wald und genoss die Ruhe und den Frieden. In La Push konnte man sich immer in den Wald zurückziehen, wenn es mal stressig wurde, was mir ziemlich gut gefiel.
Als ich dann irgendwann wieder bei Emily ankam, stellte ich den Kinderwagen unten an der Veranda ab und nahm Nick in meine Arme. Verträumt spielte er mit einer meiner Haarsträhnen und kicherte immer wieder, was mich automatisch ebenfalls lächeln ließ.
Drinnen angekommen, sah ich Sam, welcher gerade eine Decke über Emily legte. Sie war anscheinend auf der Couch eingeschlafen. Und offensichtlich hatte Sam nun endlich ausgeschlafen.
Im nächsten Moment wurde ich in eine feste Umarmung gezogen. Ich hatte Paul bis jetzt gar nicht bemerkt, aber so verzweifelt wie er sich gerade an mich klammert, muss irgendwas passiert sein.
Erst als Nick anfing Paul mit seinen kleinen Patschehändchen wegzuschieben, damit er nicht weiter zwischen Paul und mir zerquetscht wird, löste Paul sich von mir. Er sah mir immer noch besorgt, aber irgendwie auch erleichtert in die Augen.
„Ist irgendwas passiert?", fragte ich ihn und übergab Nick erstmal an Sam.
„Ich ... Ich dachte du seist schon wieder ... verschwunden.", erklärte Paul sich und kratzte sich dabei leicht verlegen im Nacken. Irritiert sah ich ihn an.
„Was? Wieso das denn?"
„Naja, ich kam von der Patrouille und du warst nicht Zuhause, und dein Auto war auch weg.", murmelte er leise. Ich ging auf ihn zu und legte meine Arme um seinen Nacken, damit er mich ansieht. Sofort schlang Paul auch seine Arme um meine Hüfte.
„Das wird nicht passieren, nie wieder. Ich werde nicht noch einmal gehen.", versprach ich und drückte Paul einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Dieser begann nun wieder zu lächeln.
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