5. Kapitel
Ich hatte schlecht geschlafen – wieder hatte mich der immer gleiche Albtraum verfolgt – entsprechend unausgeschlafen und schlecht gelaunt war ich, als ich am nächsten Morgen gemeinsam mit Angelina und Alicia die bereits gut besetzte Grosse Halle betrat. Meine beiden Zimmergenossinnen hatten mich nicht alleine hinabgehen lassen wollen, und das obwohl ich sie in der Nacht mehr als einmal mit meinen Schreien geweckt hatten. Anstatt wütend auf mich zu sein, fühlten sie sich offenbar verpflichtet, auf mich aufzupassen und dafür war ich ihnen dankbar, auch wenn es mich ärgerte.
Nachdenklich folgte ich den beiden zum Gryffindortisch, wo Fred, George, Lee und Kaspar bereits auf uns warteten, womit die kleine Runde der Gryffindor-Siebtklässler dann auch komplett war. Während ich mich neben Kaspar auf die Bank fallen liess und nach Toast und Butter griff, schweiften meine Gedanken immer wieder zu den Worten zurück, die Elias Montan von Ravenclaw gestern im Zug gesagt hatte: 'Es ist in Ordnung zu trauern, Adrienne. Du solltest dir mehr Zeit dafür nehmen, sonst wird es nie leichter. Der Schmerz wird nie weniger und du wirst nie wehmütig, aber mit einem Lächeln an die Zeit zurückdenken können, die ihr zusammen hattet. Stattdessen wird alles in Schmerz ertrinken, bis dich die angestaute Trauer endgültig in den Abgrund zieht.'
Hatte er Recht? War das das Mittel gegen meine Albträume? Denn ich brauchte eins, so viel stand fest. Jetzt machten sich Angelina und Alicia noch sorgen um mich, aber wenn diese Träume nicht bald nachliessen, würden sie sich nur noch über mich ärgern ...
Die Zeit schien schneller vergangen zu sein als sonst, während ich meinen Gedanken nachhing, denn plötzlich kam Professor McGonagall mit den Stundenplänen den langen Tisch entlang und sorgte für Ablenkung. Zuerst wurden die Stundenpläne der Erstklässler ausgeteilt, zusammen mit einer Erklärung, wo sich das Klassenzimmer für die erste Stunde befand. Dann kamen die Zweitklässler, die Drittklässler, ... Bei den Sechstklässler dauerte das Austeilen der Stundenpläne eine gefühlte Ewigkeit, da diese erst noch angeben mussten, welche Fächer sie überhaupt belegen wollten. Schliesslich war die Reihe an uns Siebtklässlern und Professor McGonagall reichte die Stundenpläne durch. Ich nahm meinen von Kaspar entgegen und studierte ihn. Ganz schön voll ... aber das hatte ich davon, sieben Fächer belegt zu haben: Kräuterkunde, Verteidigung gegen die dunklen Künste, Verwandlung, Zauberkunst und Zaubertränke – alle Fächer, die für eine Laufbahn als Aurorin erforderlich waren – und zudem noch Alte Runen und Theoretische Magie – für eine mögliche alternative Karriere als Fluchbrecherin. Aus diesem Grund hatte ich mir in den letzten anderthalb Jahren auch mehr oder weniger im Selbststudium Arithmantik beigebracht. Wie ich nun bemerkte, hatte das Fach es dieses Mal sogar in meinen Stundenplan geschafft.
Jessie setzte sich neben mich an den Gryffindortisch und linste auf meinen Stundenplan. «Na, wie's aussieht, haben wir dieses Jahr fast alle Kurse zusammen ... und du bist sogar im Arithmantik-Kurs der Siebtklässler», bemerkte sie.
«Denkst du, das schaffe ich?», fragte ich meine beste Freundin unsicher.
«Klar tust du, Adrienne, sonst hätte Professor Vektor dich nicht in ihren Kurs aufgenommen. Und ich bin sicher, sie hilft dir, wenn du irgendwo nicht weiterkommst. Ich glaube ja immer noch, dass du ihre Lieblingsschülerin bist, weil du beschlossen hast, auf eigene Faust Arithmantik zu lernen – und das ziemlich erfolgreich», erklärte Jessie fröhlich, bevor sie sich über den Tisch zu Kaspar lehnte und auf seinen Stundenplan spickte und dann ein langes Gesicht machte.
«Was ist?», fragte Kaspar.
«Wir haben kaum gemeinsame Kurse dieses Jahr; wir sind immer in verschiedenen Halbklassen», stellte Jessie enttäuscht fest.
Kaspar runzelte die Stirn und bat Jessie und mich um unsere Stundenpläne, um zu vergleichen. Und dann wandte er sich an Fred, George und Lee, nachdem klar war, dass wir uns dieses Jahr in den Kursen kaum sehen würden.
«Was hat es eigentlich mit diesen 'Kooperationsfächern' auf sich, die wir dieses Jahr im Stundenplan haben? Und was ist eine Vertiefungsarbeit?», fragte Lee.
Stirnrunzelnd zog ich meinen Stundenplan noch einmal genauer in Augenschein und bemerkte die fünf Lektionen, die mit «Kooperation» beschriftet waren und eine weitere «Beratungsstunde Vertiefungsarbeit».
«Die 'Kooperationen' fassen mehrere Fächer zusammen und sollen die Zusammenhänge zwischen diesen Fächern verdeutlichen. Die Vertiefungsarbeit ist eine schriftliche Arbeit, die wir dieses Jahr schreiben müssen und die eine separate UTZ-Note gibt. Das Thema ist frei wählbar, sollte im Idealfall aber mit dem zu tun haben, was wir nach der Schule tun wollen. Du weisst schon: Wenn du später mit magischen Geschöpfen arbeiten willst, schreibst eine Arbeit zu diesem Thema, während du, wenn du etwas mit magischer Strafverfolgung machen willst, deine Arbeit vermutlich im Fachbereich Verteidigung gegen die dunklen Künste ansiedeln wirst», erklärte Jessie sofort.
Mir schwirrte der Kopf von all diesen Informationen, dabei hatte unsere erste Unterrichtsstunde noch gar nicht begonnen.
«Die Professoren werden uns sicher noch genauer erklären, was wir machen müssen», setzte Jessie hinzu, was mich beruhigte.
Unser erstes Fach dieses Jahr war Verwandlung, das erst in der zweiten Stunde begann; eine gute Sache, so würde ich dieses Jahr am Montagmorgen ausschlafen können.
Professor McGonagall erwartete uns schon mit üblich strenger Miene, als wir gemütlich schwatzend in ihrem Klassenzimmer eintrudelten und sorgte gleich nach dem Läuten resolut für Ruhe. «Wie Sie wissen, werden Sie Ende dieses Schuljahrs die UTZ-Prüfungen ablegen und danach die Schule verlassen», erklärte sie nachdrücklich. «Die Resultate dieser Prüfungen werden über Ihre berufliche Laufbahn entscheiden und Ihr Leben langfristig beeinflussen. Deshalb erwarte ich von Ihnen, dass Sie sich dieses Jahr besonders anstrengen werden – zu Ihrem eigenen besten.» Langsam liess sie ihren Adlerblick über die Klasse schweifen und fixierte jeden von uns einzeln. «Wie Sie bei der Durchsicht Ihres Stundenplans bemerkt haben werden, gibt es dieses Jahr zwei Neuerungen darin: Zum einen haben Sie Kooperationsstunden, zum anderen gibt es einmal pro Woche eine Beratungsstunde zur Vertiefungsarbeit. Genauere Informationen werden Sie diese Woche erhalten, finden Sie sich dann im Klassenzimmer Ihrer Hauslehrerin, beziehungsweise Ihres Hauslehrers ein. Über die Koordinationsstunden werden Sie in der jeweiligen Lektion mehr erfahren.» Professor McGonagall rasselte die Treffpunkte für die verschiedenen Kooperationsstunden herunter, führte kurz aus was Jessie bereits gesagt hatte: Dass in diesen Stunden das Wissen verschiedener Fachbereiche verknüpft werden sollte, und dass dadurch für jene unter uns, die viele Fächer belegt hatten, einige zusätzliche freie Stunden geschaffen wurden, die wir für die Vertiefungsarbeit aufwenden sollten. Danach legte sie ohne uns gross Zeit zu geben, all die Informationen zu verarbeiten, mit der Vorstellung des diesjährigen Kursprogramms los.
Auch in den anderen Kursen begannen die Lehrer an diesem Morgen in dieser Art: Professor Sprout unterstrich in Kräuterkunde ebenfalls die Bedeutung der UTZ-Prüfungen und die Wichtigkeit des Verständnisses der Zusammenhänge der verschiedenen Fachbereiche. «Dadurch, dass Sie Kräuterkunde belegt haben, werden Sie den Kurs Kooperation 2 besuchen, der Kräuterkunde und Zaubertränke ... und nun auch Alchemie vereint.»
George neben mir stöhnte auf. «Jetzt habe ich so lange darauf gewartet, Snape loszuwerden und jetzt sitze ich doch wieder einmal die Woche bei ihm im Unterricht», jammerte er. Einigen anderen Schülern schien es ähnlich zu gehen.
Ein leichtes Lächeln legte sich auf Professor Sprouts Lippen. «Professor Snape, Professor Pye und ich werden die Kooperation abwechslungsweise unterrichten. Vorerst werden Sie noch von Professor Snape verschont bleiben, das versichere ich Ihnen.»
In den nächsten Lektionen erklärten uns Professor Flitwick in Zauberkunst und Professor Finjarelle in Theoretischer Magie, dass ihre beiden Fächer gemeinsam mit Verwandlung eine weitere Kooperation bildeten.
«Das ist doch einmal wirklich sinnvoll», stellte Jessie fest. «Vor allem vor dem Hintergrund der theoretischen Magie. Das wird wirklich helfen, die Zusammenhänge zwischen den Zaubern und der Magie selbst, die damit gewirkt wird, zu verstehen. Weshalb machen sie solche Kooperationen eigentlich erst in der siebten Klasse? Ich könnte mir vorstellen, dass gerade diese Kombination bereits für die Erst- und Zweitklässler hilfreich sein könnte.»
Nach dem Mittagessen wurden wir endlich einmal nicht mit einem Vortrag über Kooperationsfächer belästigt, obwohl ich es mir hinterher beinahe wünschte. Als wir das Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen Künste betraten, wurden wir bereits von unserer neuen Lehrerin erwartet: Professor Umbridge sass in ihrer flauschigen rosa Strickjacke und der schwarzen Samtschleife auf dem Kopf hinter dem Lehrerpult und beobachtete, wie wir eintrudelten und uns setzten. Pünktlich zu beginn der Stunde stand sie auf und trat vor die Klasse.
«Einen guten Tag ihnen allen!», sagte sie und wartete.
«Guten Tag», murmelten einige.
Doch Umbridge hatte sich da offenbar etwas anderes erwartet. «Tss, tss», machte sie. «Das reicht aber nicht, oder? Ich möchte, dass Sie 'Guten Tag, Professor Umbridge' antworten. Noch einmal, bitte: Guten Tag, Klasse!»
«Guten Tag, Professor Umbridge», sagten wir im Chor. Ich konnte nicht anders, als dabei die Stirn zu runzeln. Kein anderer Lehrer hatte ein Problem damit.
«Schon besser», sagte Professor Umbridge zuckersüss. «Das war nicht allzu schwer, nicht wahr? Und nun Zauberstäbe weg und Federn raus, bitte.»
Einiges missmutiges Murmeln und Geraschel folgte, während wir alle Feder, Pergament und unsere Bücher hervorkramten. Währenddessen klopfte Professor Umbridge mit ihrem Zauberstab gegen die Tafel und Wörter erschienen darauf:
Verteidigung gegen die dunklen Künste
Eine Rückkehr zu den Grundprinzipien
«Ihr Unterricht in diesem Fach bisher sehr unstet und bruchstückhaft. Der ständige Wechsel der Lehrpersonen, von denen einige keinem vom Ministerium anerkannten Lehrplan folgten ... Es überrascht mich, dass es überhaupt so viele von Ihnen in den UTZ-Kurs geschafft haben», stellte Professor Umbridge fest.
«Nur dank Professor Lupin», hörte ich jemanden flüstern. «Ohne den wären wir aufgeschmissen gewesen ...»
Professor Umbridge kniff die Augen zusammen und sah sich nach dem Schüler um, der gesprochen hatte. Alle schwiegen wir. «Eines möchte ich klarstellen: Ich werde in meinem Kurs keinerlei Geflüster dulden. Solange ich spreche, solange hören Sie mir zu und machen sich Notizen. Miteinandersprechen dürfen Sie bei Partnerarbeiten, sofern Ihre Gespräche das Thema des Unterrichts betreffen. Alles andere werden Sie ausserhalb dieses Klassenzimmers bereden. Verstanden?», fragte sie.
Alle schwiegen, einige Schüler gaben nickend ihr Einverständnis, doch Professor Umbridges Augen blieben schmal.
«Wenn ich Sie etwas frage, erwarte ich, dass sie mit 'Ja, Professor Umbridge' oder 'Nein, Professor Umbridge' antworten. Also: Haben Sie die Regeln betreffend Gespräche in meinem Unterricht verstanden?»
«Ja, Professor Umbridge», sagten wir wieder im Chor und Professor Umbridge nickte zufrieden.
«Nun denn, wir werden in diesem Jahr einen sorgfältig strukturierten, vom Ministerium anerkannten Kurs durchführen und uns dabei nebst praktischen Übungen auf die Theorie konzentrieren, die in diesem UTZ-Kurs bisher zu kurz kam. Schreiben Sie bitte folgendes ab.»
Wieder klopfte Professor Umbridge gegen die Tafel; die erste Botschaft verschwand und an ihre Stelle traten die «Ziele des Kurses».
1. Verständnis der Grundprinzipien defensiver Magie
2. Erkennen von Situationen, in denen defensive Magie auf rechtlicher Grundlage eingesetzt werden kann
3. Defensive Magie in entsprechenden Situationen in angemessener Form einsetzen
Einige Minuten lang war nur das Kratzen der Federn zu hören, während wir uns alle beeilten, die Kursziele abzuschreiben. Als wir schliesslich die Federn zur Seite legten, fragte Professor Umbridge: «Haben alle ein Exemplar der Theorie magischer Verteidigung von Wilbert Slinkhard und Praktische Defensive Magie angemessen einsetzen von Lilibert Sanders?»
«Ja, Professor Umbridge», hallte es durch das Klassenzimmer.
«Gut, dann schlagen Sie alle bitte die Theorie magischer Verteidigung auf Seite fünf auf und lesen Sie die Kapitel eins bis fünf, die sich mit den Grundlagen beschäftigen. Schreiben Sie sich Unklarheiten auf, damit wir diese in unseren gemeinsamen Lektionen nächsten Montag klären können. Dies sind gleichzeitig Ihre Hausaufgaben, sollten Sie heute nicht fertig werden. Fangen Sie an.»
Missmutig starrte ich auf das Buch. Das waren mehr als achtzig Seiten zu lesen, wie sollten wir das in einer bereits angebrochenen Doppelstunde bewältigen können? Mürrisch blätterte ich zu Seite fünf und begann zu lesen – und bereute es kurz darauf sofort. Dieses Buch war unglaublich langweilig und mühselig geschrieben und es wurde auch nicht besser, aber da half alles nichts.
Immerhin war meine letzte Stunde dieses Tages – Arithmantik – wieder etwas interessanter. Nebst den obligatorischen Informationen über UTZ-Prüfungen, Kooperationsfächer und Kursprogramme, erklärte Professor Vektor mir noch, wie sie sich das mit dem Unterricht für mich vorgestellt hatte: Ich würde von nun an im regulären Kurs der Siebtklässler dabei sein und wir würden einfach einmal schauen, wie gut ich mitkam. Zu Anfang würde ich noch Sonderaufgaben erhalten und viel in meiner Freizeit arbeiten müssen, um den Stoff der sechsten Klasse aufzuholen, aber ich solle auch versuchen, dem Unterricht zu folgen. Insgesamt schien die Professorin überzeugt, dass ich das hinbekommen würde und bot mir mehrfach an, bei Unklarheiten und Fragen auf sie zuzukommen. Wahrscheinlich hatte Jessie recht, wenn sie sagte, dass ich Professor Vektors Lieblingsschülerin war.
Und wenn wir schon bei den Lieblingsschülern waren: Eines stand bereits an diesem Abend fest: Mein kleiner Bruder war Professor Umbridges Hassschüler. Gleich am ersten Schultag hatte Harry es geschafft, sich Nachsitzen einzuhandeln; offenbar, weil er mit Umbridge über die Rückkehr von Voldemort diskutiert hatte, die diese ganz im Sinne des Ministeriums leugnete.
Am Dienstag vor dem Mittag stand unsere erste Kooperationsstunde an. Eine Doppelstunde Kooperation 1, was die Fächer Verwandlung, Zauberkunst und Theoretische Magie vereinte. Bei unserer Ankunft im Klassenzimmer für Zauberkunst – dem grössten Klassenraum, was auch nötig war, da fast unser gesamter Jahrgang in diese Fächerkooperation hineingerutscht war – wurden wir von Professor McGonagall, Professor Flitwick und Professor Finjarelle erwartet.
Es war Professor Flitwick, der als erster das Wort ergriff: «Wie Sie alle bereits im Unterricht bei mir oder meinen beiden Kolleginnen gehört haben, geht es in diesen Lektionen um die Verknüpfung Ihres Wissens aus unseren drei verschiedenen Fachbereichen. Es wird keine UTZ-Prüfung über diese Fächer-Kooperation – oder eine andere Fächer-Kooperation geben –»
Ein kollektives, erleichtertes Aufseufzen ging durch die Reihen der Schüler und entlockte Professor Flitwick ein Lächeln. «Aber die Kooperation unserer drei Fächer soll Ihnen helfen, die einzelnen Fächer besser zu verstehen und Sie somit auch bei den Vorbereitungen auf Ihre UTZe unterstützen.»
Professor McGonagall übernahm das Wort von Professor Flitwick: «Die Zusammenhänge, die wir in diesem Kurs ergründen wollen, sind jene, die der Zauberei selbst zugrunde liegen und uns ein besseres Verständnis für das Wirken von Magie ermöglichen. Grundlegend für dieses Verständnis ist ein Fachgebiet, der in Hogwarts leider schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr unterrichtet wurde: die theoretische Magie. Ein Grossteil des Kurses wird sich deshalb mit diesem Thema befassen. Professor Flitwick und ich werden Ihnen jeweils die praktischen Anwendungen des theoretischen Wissens näherbringen. Nun denn, beginnen wir», sagte Professor McGonagall und klatschte in die Hände. «Professor Finjarelle, darf ich bitten?»
Professor Finjarelle nickte meiner Hauslehrerin zu, bevor sie vor die Klasse trat. Wie immer war die verstorbene Fey und fünfte Gründerin von Hogwarts eine einschüchternde Erscheinung. Wild und gefährlich wirkte Finëa di Finjarelle mit ihrem kaum zu bändigenden Haar, den gelben, schrägstehenden Augen, den spitzen Zähnen und der wüsten Narbe, die sich quer über ihre rechte Wange zog. Aber das wohl unheimlichste an ihr, war ihre Aura, die pure, angsteinflössende Macht, die alle Fey ausstrahlten. Und natürlich auch die schlichte Tatsache, dass Finëa di Finjarelle tot war und dennoch immer noch über solch eine Macht verfügte.
«Wie Professor McGonagall bereits angemerkt hat, bildet die theoretische Magie die Grundlage für ein tieferes Verständnis der Magie, weshalb dieser Fachbereich in den frühen Tagen unserer Schule bereits ab der ersten Klasse gelehrt wurde. Da dies nicht mehr der Fall ist, wird es für Sie schwieriger werden, die Zusammenhänge zwischen der Magie in ihrer Reinform und der angewandten Magie, die Sie in Form eines gelungenen – oder misslungenen – Zaubers sehen, zu begreifen. Wir werden uns deshalb erst einmal mit den grundlegenden Prinzipien theoretischer Magie auseinandersetzen. Für jene unter Ihnen, die meinen Kurs belegt haben, wird es eine Wiederholung sein.» Professor Finjarelle liess einen scharfen Blick über dir Klasse wandern. «Das Ziel des Gebiets der theoretischen Magie ist das Verständnis für das Wesen der Magie selbst. Die grundlegende Frage, die wir uns deswegen stellen müssen ist: Was ist Magie? Wer von Ihnen kann mir sagen, was Magie ist? Oder hat eine Vermutung, was Magie sein könnte?», fragte Finëa.
Sofort schnellten Hände in die Höhe. Es war eine simple Frage für alle, die das Fach Theoretische Magie belegt hatten.
Professor Finjarelle sah sich um. «Bitte jemand, der nicht in meinem Kurs ist.»
Sofort wurden die meisten Hände wieder heruntergenommen, nur einige wenige, mutige blieben oben. Finëa nickte einem Hufflepuff zu. «Mr ...?»
«Patrick O'Connor, Professor», stellte sich der Hufflepuff vor, mit dem meine Freunde und ich im Hogwarts-Express das Abteil geteilt hatten.
«Nun denn, Mr O'Connor, was ist Ihrer Meinung nach Magie?»
«Magie ist, wenn ein Zauberer oder eine Hexe mit dem Zauberstab etwas bewirkt, das ansonsten unmöglich ist oder etwas, dass normalerweise sehr mühselig ist, innert kürzester Zeit ohne grösseren Aufwand erledigt», erklärte Patrick.
«Und was ist mit all den merkwürdigen, unerklärlichen Vorfällen, die um junge Hexen und Zauberer geschehen? Ist das nicht auch Magie?», warf Professor Finjarelle ein.
«Oh», machte Patrick verlegen.
«Nichts desto trotz ist es eine gute Ausgangslage für die Erörterung unserer Frage, Mr O'Connor», sagte Professor Finjarelle. «Wer will einen weiteren Versuch wagen? Was ist Magie?»
Wieder reckten sich ein paar zögerliche Hände in die Höhe. Professor Finjarelle nickte einer Schülerin zu.
«Alicia Spinnet, Madam», stellte sich die Schülerin vor. «Magie ist die 'Kraft', die zum Beispiel bei Wingardium Leviosa den Gegenstand in der Luft hält oder die bei Reparo den kaputten Gegenstand zusammenfügt.»
Ein freudiges Lächeln legte sich auf Professor Finjarelles Lippen. «Das ist eine ausgesprochen gute Antwort. Nehmen Sie dafür zehn Punkt für Gryffindor, Miss Spinnet», sagte Professor Finjarelle und sah dann in die Klasse: «In der Theoretischen Magie nennen wir diese 'Kraft', die Miss Spinnet beschrieben hat, Energie. Wenn wir Magie nutzen, dann nutzen wir Energie, um einen Gegenstand schweben zu lassen oder einen kaputten Gegenstand zu reparieren. Ganz egal welcher Zauber Sie wirken, Sie brauchen immer Energie, damit dieser Gestalt annimmt.»
«Aber weshalb brauchen wir dann einen Zauberstab?», rief ein Schüler aus den hinteren Reihen. Es war ein Slytherin namens Thomas Rockwood mit dem ich Zaubertränke hatte.
Professor Finjarelle lächelte. Eine Feder stieg aus der ersten Pultreihe in die Höhe, gefolgt von einem Tintenfass und einem Blatt Pergament. Hoch über den Köpfen der Klasse, tunkte sich die Feder in die Tinte und schrieb etwas auf das Blatt Pergament, dass sich danach zu einem Papierflieger faltete, der auf Rockwoods Pult landete, während Feder und Tintenfass wieder auf den Tisch ihrer rechtmässigen Besitzer sanken.
«Entfalten Sie das Pergament und lesen Sie vor», forderte Professor Finjarelle.
Verblüfft starrte Rockwood auf den Papierflieger und tat wie geheissen.
Ja, weshalb brauchen wir einen Zauberstab, wenn es auch ohne geht?, hiess es auf dem Pergament.
«Ja, Mr O'Connor», sagte Professor Finjarelle zu Patrick, der seine Hand in die Höhe streckte.
«Weil es einfacher ist, deshalb brauchen wir einen Zauberstab. Und auch die Zaubersprüche, sie machen die Magie ebenfalls einfacher, aber wie bei den ungesagten Zaubern können sie auch weggelassen werden.»
«Korrekt», sagte Professor Finjarelle. «Fünf Punkte für Hufflepuff, Mr O'Connor.»
Die Kooperations-Doppelstunde, in der Finëa di Finjarelle Pergament, Feder und Tintenfass ohne Zauberstab hatte schweben lassen, war beim Mittagessen Gesprächsthema Nummer eins unter den Siebtklässlern. Für die meisten war die Tatsache, dass auch ohne Zauberstab Zauber gewirkt werden konnten, kaum fassbar.
«Eigentlich ist die Idee gar nicht so abwegig», erklärte Jessie, die sich wieder zu Kaspar und mir an den Gryffindortisch gesetzt hatte, «schliesslich wirken Kinder andauernd Magie ohne Zauberstab.»
Angelina, Alicia und Lee nickten nachdenklich, doch die Zwillinge schüttelten den Kopf.
«Aber das liegt daran, dass sie ihre Magie noch nicht kontrollieren können», wandte George ein. «Erst mit einem Zauberstab, können sie ihre Magie gezielt einsetzen.»
«Aber weshalb sollte es ohne Zauberstab nicht möglich sein?», fragte ich und fixierte ein paar Kartoffelstücke auf der goldenen Speiseplatte und liess diese stablos auf meinen Teller schweben.
«Angeberin!», rief Fred und warf ein Kartoffelstück nach mir.
In der Verwandlungshalbklasse am Nachmittag griff Professor McGonagall das Thema Energie wieder auf und ging darauf ein, wie sich dies in ihrem Fachbereich zeigte. In der Halbklasse Theoretische Magie gleich nach Verwandlung, wurde das Thema erneut aufgeworfen, diesmal von Finëa selbst.
Die anderen Fächerkooperationen waren nicht halb so faszinierend, wie die Kooperation von Verwandlung, Zauberkunst und Theoretischer Magie. Kooperation 2 umfasste Kräuterkunde, Zaubertränke und Alchemie, eine absolut sinnvolle Kombination, deren einziger Nachteil war – wie zumindest viele sagten – dass Professor Snape einer der Lehrer war und sie sich nach der Abwahl von Zaubertränke so gefreut hatten, ihn endlich los zu sein. Kooperation 3 bestand aus Alte Runen und Geschichte – nach dieser Stunde konnte ich es all jenen nachfühlen, die sich betrogen fühlten, als man ihnen erneut Snape vorgesetzt hatte; ich hatte mich so darüber gefreut, nie mehr Unterricht bei Professor Binns zu haben. Kooperation 4 schliesslich setzte sich aus Arithmantik, Astronomie und Wahrsagen zusammen.
Am Freitag nach dem Mittagessen versammelten wir Gryffindor-Siebtklässler uns in Professor McGonagalls Klassenzimmer zu unserer ersten 'Beratungsstunde Vertiefungsarbeit' wie es im Stundenplan hiess.
«Die Vertiefungsarbeit ist eine schriftliche Arbeit, in der Sie sich vertieft mit einem Fachbereich Ihrer Wahl auseinandersetzen», erklärte Professor McGonagall und sah jeden einzelnen von uns streng an. «Die Arbeit wird benotet und zählt wie eine UTZ-Prüfung, doch im Gegensatz zur Prüfung haben Sie mehr Zeit, an dieser Arbeit zu feilen, weshalb ich von Ihnen Allen gute Ergebnisse erwarte – besonders, da Sie das Thema – in Absprache mit mir – frei wählen können, solange Sie Ihre Wahl gut begründen können.»
Professor McGonagall fuhr damit fort, uns die formalen Kriterien wie Umfang und Aufbau der Arbeit zu erklären und wie wir vorgehen sollten. Langsam dämmerte mir, dass der freie Freitagnachmittag in meinem Stundenplan keineswegs so frei sein würde, wie ich angenommen hatte.
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