40. Kapitel
Ein paar Tage später ging das Schuljahr zu Ende. Gegen Abend würden meine Freunde und mein Bruder per Hogwarts-Express in London eintreffen, doch noch war es nicht so weit. Im Moment sass ich mit Ma, Gawain, Jake und Remus in unserer Küche in Londinium beim Frühstück.
«Ich werde nicht zulassen, dass Harry wieder zu den Dursleys geschickt wird!», insistierte Jake gerade und sah Ma wütend an. «Harry ist mein Sohn, also sollte er bei mir wohnen!»
«Und wie willst du erklären, weshalb du dich in den letzten fünfzehn Jahren nicht um ihn gekümmert hast, Jake? Was wirst du sagen, wenn man dich fragt, wo du dich versteckt hast? Weshalb du keine Verantwortung übernommen hast?», erwiderte Ma kühl. «Hast du vielleicht etwas zu verbergen? Ein finsteres Geheimnis?»
«Ich habe kein finsteres Geheimnis zu verbergen!», brauste Jake auf. «Ich war psychisch angeschlagen und habe danach für den AZMGUK gearbeitet, Kathleen, das weisst du genau!»
«Ich schon ...», erklärte Ma.
«James», seufzte Remus, «ich glaube, was Kathleen sagen will, ist, dass die meisten Leute nicht verstehen werden, weshalb du dich versteckt hast.»
«Sollen die Leute doch denken, was sie wollen!», fuhr Jake auf.
«Verdammt, Krone! Du kannst nicht einfach mitten in der Öffentlichkeit auftauchen und Harry mit zu uns holen! Begreif das doch endlich mal, du Sturkopf», redete Remus Jake ins Gewissen.
«Es ist mir egal! Begreif du das doch endlich mal, Moony. Ihr alle», gab Jake zurück und sah uns Reih um finster an, wobei er auch mich nicht aussparte.
«Und was, wenn wir Harry bei den Dursleys abholen?», fragte ich in die nachfolgende Stille hinein. «Das haben wir schliesslich auch schon mal gemacht.»
Ma schüttelte den Kopf. «Aber das war vor Voldemorts Rückkehr. Nun wird das Zaubereiministerium Harrys Zuhause überwachen lassen.»
«Und wenn wir Scrimgeour um Erlaubnis fragen, ob Harry bei uns wohnen kann? Immerhin wäre er in Londinium bestimmt sicherer als in irgendeiner Muggelstadt.»
«Nein, Adrienne, der Zaubereiminister würde niemals zulassen, dass wir Harry derart seinem Einfluss entzögen. Einmal ganz davon abgesehen, dass Scrimgeour den Auserwählten niemals einer ehemaligen Schwarzmagierin anvertrauen würde», sagte Ma.
«Hmm ... und was, wenn Harry einfach zwischen Kings Cross und dem Zuhause der Dursleys verschwindet?», überlegte ich.
«Das gäbe einen Skandal sondergleichen», mahnte Remus. «Ausserdem wollen wir Harrys Onkel und Tante doch lieber aus der Sache heraushalten, oder nicht? Egal wie schrecklich sie sein mögen.»
«Sehr schrecklich, das versichere ich dir, Moony», sagte Jake düster.
«Und trotzdem», beharrte Remus, «wenn Harry nicht mit ihnen zuhause ankommt, dann wird das sicherlich auch für sie Folgen haben.»
«Aber was, wenn es so aussieht, als wäre er dort angekommen?», fragte ich.
Fragend sahen Ma, Gawain, Jake und Remus mich an.
«Mein Vater hat mir von einem Zaubertrank erzählt, der es ermöglicht, die Gestalt von jemand anderem anzunehmen – Vielsafttrank», erklärte ich.
«Den zu Brauen dauert einen Monat», warf Remus ein.
«Nun ja ...», druckste ich herum, «ich habe welchen.»
«Ach ja? Wie das?», kam es von Remus, ein leichtes Misstrauen schwang in seiner Stimme mit.
«Von Sev natürlich», erklärte ich. «Er schenkt mir zu Geburtstag und Weihnachten oft irgendwelche Tränke.»
«Und weshalb ausgerechnet den Vielsafttrank?», Jake klang offen misstrauisch.
«Weshalb nicht?», mischte Ma sich ein. «Adrienne ist erwachsen und verantwortungsvoll genug, diesen Trank einzusetzen. Wie viel hast du davon?», fragte sie mich.
«Genug damit Harry und ich die Rollen tauschen können», erklärte ich mit einem hinterhältigen Grinsen.
Remus seufzte. «Ich fürchte, das hat sie eindeutig von ihrem Vater.»
Am späteren Nachmittag fanden wir uns alle am Bahnhof Kings Cross ein, wobei unsere kleine Gruppe um einige weitere Mitglieder des Phönixordens verstärkt wurde. Mad-Eye Moody war da, der mit dem tief über sein magisches Auge gezogenen Bowler genauso finster und furchterregend aussah, als hätte er ihn nicht aufgehabt; in seinen Händen hielt er seinen knorrigen langen Stock, sein Körper war in einen bauschigen Reisemantel gehüllt. Dann war da noch Tonks, deren helles, bonbonrosa Haar im Sonnenlicht schimmerte, das durch die schmutzigen Scheiben des Bahnhofdachs hereinsickerte; sie trug eine stark geflickte Jeans und ein hellviolettes T-Shirt mit der Aufschrift Schicksalsschwestern und hatte sich bei Remus untergehackt, der immer noch etwas blass im Gesicht war. Trotz längerer Diskussionen am Frühstückstisch war er immer noch nicht hundert Prozent überzeugt von meinem Plan. Vor den dreien standen Mr und Mrs Weasley in ihren besten, nicht zusammenpassenden Muggelsachen, sowie Fred und George, die beide brandneue Jacken aus Drachenleder trugen. Wie sich herausgestellt hatte, hatten die Zwillinge Hogwarts nur wenige Wochen nach mir verlassen, nachdem Umbridge sie bei einem ihrer Streiche ertappt hatte. Ma, Gawain, Jake und ich hielten uns im Hintergrund. Jake und ich hatten beide unser Tarnaussehen angenommen – zumindest fürs Erste. Kurz darauf stiess Jessies Vater Mr Silver zu uns und begann ein Gespräch mit den Weasleys.
Nach und nach strömten die Hogwartsschüler in den Muggelbahnhof, portioniert von dem Fahrkartenkontrolleur auf Gleis neundreiviertel, der dafür sorgte, dass nicht plötzlich eine Horde Zauberlehrlinge den Bahnhof überfüllte und für Aufsehen sorgte. Als erstes machte ich den roten Schopf von Ginny in der Menge ausfindig und direkt neben ihr das silbrig blonde Haar von Luna Lovegood. Ihre Eltern winkten Ginny zu und diese verabschiedete sich von Luna, die im selben Moment ihren Vater ausfindig gemacht hatte. Während Mr und Mrs Weasley ihre Tochter begrüssten, liess ich meinen Blick weiter über die Menge schweifen und hielt Ausschau: Nach Jessie, nach Kaspar, nach meinem Bruder ... und, wenn ich ehrlich zu mir war, auch nach ... ihm ...
«Miss Seanorth.»
Mein Kopf fuhr herum, als ich seine Stimme erkannte und verriet mich dadurch.
Da stand er, Pucey, hatte meine Ma angesprochen und sah nun verwirrt zu mir hinüber, bevor sich seine Augen weiteten.
«Adrienne? Bist du das?», fragte er leise und kam zu mir hinüber. «Ein ziemlich guter Verwandlungszauber. Ich hätte dich nie erkannt.»
«Adrian», es war kaum mehr als ein Flüstern. Hastig sah ich mich um. «Wo sind deine Eltern?»
«Nicht hier, keine Sorge», er grinste dieses schiefe Grinsen, dass mir immer so auf die Nerven ging. «Da ich Apparieren kann, sehen sie keinen Grund, mich vom Bahnhof anzuholen. Wie geht es dir? Ich habe gehört, der Haftbefehl gegen dich wurde aufgehoben.»
«Ja, wurde er. Mir geht es gut. Ich konnte sogar meine UTZ-Prüfungen im Ministerium ablegen–»
«Hm-hm», wurden wir von Jake unterbrochen. Er warf Pucey und mir einen strengen Blick zu.
«Sie sind aber nicht der getarnte Professor Snape, oder?», fragte Pucey ihn.
«Nein, bin ich nicht, aber Sie sollten auch in meiner Gegenwart nicht mit Adrienne flirten», erklärte Jake verärgert.
«In meiner auch nicht, Adrian Pucey», kam es nun warnend von Gawain.
Väter. Davon hatte ich einfach zu viel.
«Oh, guten Tag, Mr Carlion», sagte Pucey und klang nun deutlich eingeschüchtert. «Und Sie sind ...?», fragte er Jake.
«James Potter», stellte Jake sich vor, griff nach Puceys Hand und sah ihn eindringlich an. «Ich zähle in dieser Sache auf Ihr Schweigen, Mr Pucey. Genauso wie in allem anderem, was meine Stieftochter betrifft. Egal ob Sie mit ihr zusammen sind oder nicht.»
«Adrian? Was machst du denn hier?», erklang im nächsten Moment Jessies Stimme und sie und Kaspar gesellten sich zu unserer Gruppe. «Oh, gute Tarnung, Adrienne, steht dir.»
«Gute Tarnung?», erwiderte ich. «Nicht wirklich, wenn du mich innert kürzester Zeit durchschaust, Jessie.»
«Nun ja, du musst zugeben, dass ich dich ziemlich gut kenne, Adrienne», sagte Jessie grinsend. «Deines war das einzige Gesicht hier, dass ich nicht kannte und trotzdem scheint es, als würdest du schon ewig zu dieser Gruppe gehören. Hättest du dich von den anderen ferngehalten, ich hätte dich nicht erkannt.»
«Sie kommen!», schnauzte Mad-Eye, bevor ich etwas erwidern konnte und nickte in Richtung von drei Teenagern, die sich durch die Menge zu uns hindurch schoben. Ron, Harry und Hermine, die sogleich mit je einer festen Umarmung von Mrs Weasley begrüsst wurden, bevor auch die anderen sie begrüssten.
«Und was macht dieser Slytherin hier?», fragte Ron, als er Pucey entdeckte. «Und wer ist sie?» Die zweite Frage galt natürlich mir.
«Meine Güte, Ron, dass ist Adrienne, wer denn sonst», sagte Hermine und verdrehte die Augen. Ich sollte mir wirklich eine bessere Tarnung zulegen.
«Ich mag es nicht, wenn meine Schwester mit einem Slytherin ausgeht», sagte Harry direkt an Pucey gewandt.
Pucey lachte. «Das ist nicht deine Entscheidung, Potter.»
Verärgert kniff Harry die Augen zusammen und funkelte Pucey an.
«Ach, hört auf damit. Deswegen sind wir nicht hier.» Wie viel besser die Welt nur wäre, wenn Brüder und Väter nicht die ganze Zeit versuchen würden, sich in die Partnerwahl ihrer Schwestern und Töchter einzumischen. Umgekehrt würden sie es ja auch nicht dulden.
«Genau», grunzte Mad-Eye, «wir dachten, wir könnten einen kleinen Plausch mit deiner Tante und deinem Onkel halten.»
«Ich weiss nicht, ob das eine gute Idee ist», sagte Harry prompt.
«Du weisst ja gar nicht, was die Idee ist», erwiderte Jake grinsend und klopfte mir auf die Schultern. «Woher auch? Deine Schwester ist ein durchtriebenes Genie und hat den Plan fast ganz alleine ausgeheckt.»
«Was für einen Plan?», kam es von mehreren Seiten.
«Los jetzt, aufteilen», brummte Mad-Eye. «Mr Silver: Sie und Ihre Tochter reisen am besten schon einmal ab – wir sehen uns dann später. Mr Pucey: Verschwinden Sie endlich. Aus irgendeinem Grund befürchte ich, Sie viel zu bald wiederzusehen. Los jetzt.»
Pucey verdrehte die Augen und zog nach einem viel zu kurzen Kuss ab – oh ja, ich würde dafür sorgen, ihn möglichst bald wiederzusehen. Auch Jessie und ihr Vater verabschiedeten sich.
«Na dann, Phase eins beginnt», erklärte Mad-Eye und deutete über seine Schulter. Sein magisches Auge spähte offenbar durch seinen Hinterkopf, denn dort hinten standen die drei Dursleys, die angesichts des Empfangskomitees meines Bruders sichtlich entsetzt wirkten.
Ich setzte mich in Bewegung, dicht gefolgt von Mad-Eye, Ma und Jake. Harry, Ron und Hermine schlossen sich unserer Gruppe ebenfalls an, genauso wie Gawain, Remus, Arthur und Tonks. Kurz bevor wir die Dursleys erreichten, wirkte ich mit meiner Feymagie einige Stille- und Verwirrungszauber, die dafür sorgen würden, dass die Passanten uns nicht beachteten, dann hatten wir die drei erreicht.
Ich baute mich direkt vor Onkel Vernon auf. Ich hatte keine Angst vor ihm – mit meinen Feykräften und meiner Magie konnte er mir nichts anhaben – und ich wollte, dass er wusste, dass ich ihn nicht fürchtete.
«Wer sind Sie?», blaffte er mich an.
«Ich bin Ihre Nichte Adrienne», sagte ich kalt und liess meine Tarnung fallen: Die kurzen, schwarzen Haare wuchsen rasch und färbten sich rot, mein Gesicht wurde etwas breiter, das Kinn etwas weniger spitz und die grüne Narbe kehrte auf meine Wange zurück. Voller entsetzen beobachteten die Dursleys meine Verwandlung. Harry, Ron und Hermine hingegen waren schwer beeindruckt.
«Es freut mich Sie wiederzusehen, Mr Dursley, Mrs Dursley. Oder soll ich Onkel Vernon und Tante Petunia sagen?», fragte ich mit einem kühlen Lächeln auf den Lippen, das die Augen nicht erreichte.
«Du ... du siehst aus wie Lily, aber du bist ... ganz anders als sie», flüsterte Tante Petunia und sah mich mit entsetzt aufgerissenen Augen an. «... grausam ...»
«Plaudern können wir später, Tantchen, der Heimweg wird lange genug dafür sein», sagte ich schmunzelnd. «Fürs Erste hören Sie mir erst einmal zu.»
Doch Onkel Vernon dachte nicht daran: «Was wollen Sie damit andeuten? Sie haben doch nicht ernsthaft vor, uns zu begleiten? Wie kommen Sie zu der abwegigen Idee, dass ich das Ihnen erlauben würde? Noch so ein seltsames, undankbares Balg will ich auf keinen Fall in meinem Haus haben!», röhrte er.
«Werden Sie nicht», erklärte ich unbeeindruckt von seinem Gepolter. «Tatsächlich werden Sie gar keins mehr in ihrem Haus haben, wenn Sie sich an meinen Plan halten.»
Onkel Vernon blinzelte überrascht und war tatsächlich still und ich beschloss, die Chance zu ergreifen.
«Wir werden es so aussehen lassen, als würde Harry wie immer mit Ihnen gehen, während er in Wahrheit jedoch zu Jake geht – also zu seinem Vater James Potter. Ich kommen an Harrys Stelle mit Ihnen – aber keine Sorge, Sie werden mich nicht den ganzen Sommer an der Backe haben, heute Abend werde ich mich wieder von Ihnen verabschieden und heimgehen.»
Ich lächelte die Dursleys an, die mich misstrauisch musterten und auch Harry, Ron und Hermine wirkten nicht überzeugt.
«Aber wie soll das funktionieren, Adrienne?», fragte Harry. «Du siehst mir nicht besonders ähnlich, vorher nicht und schon gar nicht mit Mums roten Haaren.»
Schelmisch verzog ich die Lippen. «Deshalb brauche ich ja ein paar Haare von dir – und du kriegst welche von mir.»
«Oh!», kam es von Hermine, die als Erste begriff. «Vielsafttrank.»
«Exakt.»
«Vielsaft-was?», echote Onkel Vernon.
«Vielsafttrank», erklärte Harry. «Das ist ein Zaubertrank, der es ermöglicht, das Aussehen einer anderen Person anzunehmen. Adrienne will, dass wir die Plätze tauschen.»
«Genau», bestätigte ich. «Da ich volljährig bin, kann ich jederzeit aus Ihrem Haus verschwinden und disapparieren, sobald die Leute, also vor allem das Ministerium und Ihre Nachbarn, glauben, dass Harry wieder zuhause ist.» Abwartend sah ich zwischen den Anwesenden hin und her. «Also dann, Harry, ein paar Haare bitte. Zwei reichen», forderte ich meinen Bruder auf und kramte in meiner Handtasche nach drei Phiolen. Alle waren mit dem unappetitlich schlammfarbigen Trank gefüllt. Dann riss ich eines meiner langen, gelockten, roten Haare aus meiner Mähne, entkorkte eine der Phiolen und stopfte das Haar hinein. Der Trank zischte und blubberte und verfärbte sich schliesslich zu einem dunklen blau.
«Oh, hübsch», kommentierte Hermine, die den nun blauen Inhalt musterte. «Sieht sehr viel appetitlicher aus als–» Sie verstummte schlagartig.
«Als vorher?», schlug ich vor, während ich Harry die beiden anderen Phiolen reichte.
«Ähm ja, genau, als vorher», sagte sie hastig und spähte dann zu Harry, der seine Haare nun ebenfalls abgefüllt hatte und dessen Trank gerade dabei war, einen hübschen Goldton anzunehmen.
«Auch nicht schlecht, würde ich sagen», kommentierte ich und nahm Harry die beiden Fläschchen ab. «Hier bitte schön, trink das», ergänzte ich und reichte ihm mein Fläschchen, während ich bereits eine von Harrys Phiolen wieder entkorkte. Entschlossen setzte ich die Phiole an meine Lippen und trank sie in einem Zug leer. Trotz seiner ansehnlichen Farbe, schmeckte der Vielsafttrank immer noch widerlich. Kaum hatten Harry und ich unsere Tränke geschluckt, begannen unsere Züge blasen zu werfen und sich wie heisses Wachs zu verziehen. Es war ein genauso seltsames, wie unangenehmes Gefühl, wie ein Brennen, dass in meinem Magen begann und sich dann rasch in meinem ganzen Körper verbreitete, bis in die Zehen- und Fingerspitzen und meinen Körper aufblähte oder versengte, um ihn Harrys Erscheinungsbild anzupassen. Verzweifelt versuchte ich während der ganzen Prozedur keinen Muskel zu rühren und mir nicht anmerken zu lassen, wie weh es tat.
Dann war es vorbei und ich blinzelte in den kleinen Kreis Freunde, die Harry und mich umgaben. Ich konnte nur Schemen wahrnehmen.
«Meine Güte ... du siehst wirklich schlecht, Harry», sagte ich und kniff die Augen zusammen in dem vergeblichen Versuch, meine Sicht etwas zu verbessern.
«Hier, Adrienne», sagte eine seltsam vertraute Stimme. Jemand drückte mir etwas Drahtiges in die Hand und half mir, es aufzusetzen. Harrys Brille. Ich blinzelte ... und blickte in mein eigenes, grinsendes Gesicht.
«Du siehst dafür extrem gut», sagte die seltsam bekannte Stimme. Meine eigene Stimme.
«Das liegt wohl an meinen Feykräften», murmelte ich und blinzelte wieder. Obwohl ich dank der Brille nun wieder sehen konnte, war ich mit dem Resultat trotzdem nicht recht zufrieden. Die Welt schien immer noch irgendwie verschleiert, nicht ganz so scharf und klar wie ich es gewohnt war. Ausserdem schienen die Laute gedämpft und meine Wahrnehmung auch sonst eingeschränkt.
«Ma? Gawain? Könnt ihr auf Harry achten, falls er nicht mit meinen Feykräften zurechtkommt?», fragte ich die beiden Fey, deren Präsenz ich nach wie vor spüren konnte.
«Natürlich», sagte Ma und Gawain legte meinem Doppelgänger beschützerisch eine Hand auf die Schulter. Harry fühlte sich sichtlich unwohl und ich musste mir ein Lachen verkneifen, besonders, als Gawains Erheiterung gegen meine Gefühlsbarrieren stiess.
«Versuch dich etwas zu entspannen, Harry, das fällt sonst auf», riet ich meinem Bruder heiter.
«Das reicht nun mit dem Getrödel», knurrte Mad-Eye. «Wir haben nicht ewig Zeit, bis der Trank seine Wirkung verliert. Adrienne: Du sorgst dafür, dass du von möglichst vielen Leuten mit Onkel und Tante gesehen wirst. Potter: Du gehst zusammen mit Kathleen, Carlion und Shade nach Londinium; sobald ihr dort seid, kannst du zu deinem Vater und Remus. Adrienne nimmt deine Sachen mit und bringt sie später vorbei», fasste Mad-Eye Phase zwei des Plans zusammen.
Harry und ich nickten beide und ich griff nach dem Gepäckwagen mit Harrys grossem Schulkoffer und dem Eulenkäfig. Bei allen Göttern war dieses Ding schwer! Ich hatte ziemlich Mühe, es anzuschieben. Offenbar hatte ich mit dem Vielsafttrank auch meine Kraft eingebüsst. Das war nicht fair. Aber schliesslich gelang es mir doch, den Wagen anzuschieben.
«Also los!», rief ich den drei Dursleys zu und forderte sie auf, mir zu folgen. Mit einem Zwinkern verabschiedete ich mich von den anderen. Ich würde sie bald wiedersehen.
Die Wirkung der ersten Phiole Vielsafttrank verlor sich etwa zehn Minuten Autofahrt ausserhalb von London, nachdem wir uns durch einigen Stau in der City hatten durchquälen müssen. Ich sass auf der Rückbank von Onkel Vernons Wagen. Der Wagen war zwar gross – und protzig – doch neben meinem Cousin Dudley blieb leider nicht mehr besonders viel Platz. Dieser Junge war einfach zu fett. Und ausserdem stank er. Nicht besonders fest, doch für meine sensibilisierten Sinne war es äusserst unangenehm, gerade da ich so nahe neben ihm sass. Ein kleiner Zauber half dem glücklicherweise schnell ab.
«Keine Absonderlichkeiten in meinem Wagen!», bellte Onkel Vernon, der bemerkt hatte, dass ich irgendetwas gemacht hatte.
«Es war nur wegen des Gestanks», erklärte ich freimütig und mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen.
Onkel Vernon lief rot an vor Wut und auch Dudley neben mir drehte sich wütend zu mir um, die Hand schon halb erhoben und zur Faust geballt.
«Vergiss nicht, dass ich nicht so wehrlos bin wie andere Frauen, Dudley», warnte ich ihn scharf. «Ich bin immer noch eine Hexe und da ich volljährig bin, darf ich ausserhalb der Schule zaubern.»
«Aber nicht vor Muggeln», kam es überraschend von Tante Petunia während Dudley höhnte: «Du hast nur Angst, weil du es sonst nicht mit mir aufnehmen könntest.»
«Äusserst schlecht erzogen», zischte ich meinen Cousin an und fixierte ihn dabei mit eben jenem Blick, den ich mir bei Ma und Snape abgeschaut hatte.
Dudley, der eben noch den grössten Teil der Rückbank eingenommen hatte, schrumpfte in sich zusammen, als hätte er einen Schrumpftrank genommen.
«Ich bin mehr als es scheint», zischte ich.
«Du erinnerst mich an ... ihn», kam es von Tante Petunia vom Beifahrersitz her, wobei sie mich im Rückspiegel beobachtete. «An diesen Jungen.» Sie sah mich gleichermassen irritiert wie eindringlich an und rümpfte dabei ihre Nase. «Überheblich ... hämisch ... grausam.»
«An wen?», kam es gleichzeitig von Onkel Vernon, Dudley und mir.
«Diesen Jungen, der meiner Schwester alles über ihre absonderliche Welt erzählt hat. Ich habe manchmal gehört, wie er ihr von Hogwarts erzählt hat und von diesen Dementoren und dem Zauberergefängnis und allerlei anderen Dingen. Du erinnerst mich an ihn.»
«Du meinst diesen schrecklichen James Potter, Petunia?», fragte Onkel Vernon.
«Nein ... einen anderen Jungen», Tante Petunia schüttelte langsam den Kopf. «Er wohnte einige Strassen weiter, in einem Quartier namens Spinner's End. Passender Name für einen Spinner wie ihn.»
«Und wie hiess dieser Junge?», hakte ich ungeduldig nach.
Ein äusserst verächtlicher Blick traf mich. «Das spielt keine Rolle. Der Name wird dir ohnehin nichts sagen.»
Ein Knurren drang aus meiner Kehle, so bedrohlich, dass Onkel Vernon zusammenschrak und das Auto einen Schlenker in die Nachbarspur machte. Tante Petunia schlug sich die Hand aufs Herz und Dudley wurde noch kleiner und sah mich verstört an. Ein selbstzufriedenes Grinsen legte sich auf meine Lippen. Ich hatte ihnen gesagt, dass ich mehr war, als ich zu sein schien, aber sie hatten es mir nicht glauben wollen.
«Er hiess Snape. Severus Snape», sagte Tante Petunia hastig.
Ich horchte auf. «Tatsächlich?» Dann hatte mein Vater Lily also schon vor ihrer Zeit in Hogwarts gekannt. Und sie waren damals schon befreundet gewesen. Irgendwie süss.
Tante Petunia sah mich durch den Rückspiegel scharf an. «Kennst du ihn?», fragte sie streng.
«Ja, er ist Lehrer in Hogwarts – unterrichtet Zaubertränke. Und er ist mein Vater», erklärte ich stolz.
«Natürlich ... die Augen ... kamen mir gleich bekannt vor ... bereits bei unserer ersten Begegnung ...», murmelte Tante Petunia und musterte mich weiterhin im Rückspiegel. Ihr Blick war unangenehm eindringlich und so beschloss ich, die Augen zu schliessen und den Rest der Autofahrt zu verschlafen.
Dudley weckte mich kurz vor Ankunft im Ligusterweg mit einem zaghaften Rütteln an der Schulter. Es war mittlerweile später Abend. Die Strassen wurden nur noch von den Strassenlaternen beleuchtet und es waren nur noch wenige Menschen unterwegs. Es schien fast unnötig, noch einmal den Vielsafttrank einzunehmen, aber ich tat es trotzdem. Plan war Plan und Harry hatte Recht: meine roten Locken waren mit seinem strubbeligen schwarzen Schopf nicht zu verwechseln und auch mein Tarnaussehen sah meinem Bruder nicht besonders ähnlich – bis auf die struppigen, schwarzen Haare. Sobald ich den Vielsafttrank geschluckt und sich mein Aussehen verändert hatte, waren auch meine Sinne wieder schlechter und meine körperliche Kraft weniger, weshalb ich einige Mühe hatte, meinen Koffer aus dem Kofferraum zu hieven, als Onkel Vernon in der Einfahrt zu Nummer vier parkierte. Dudley sah feixend zu, wie ich mich abmühte, während sein Vater seine Schulsachen für ihn ins Haus trug. Offenbar hatten die Dursleys auch ihn an diesem Tag von der Schule abgeholt. Ich warf ihm einen verärgerten Blick zu, während ich den Koffer und Eulenkäfig samt Hedwig ins Haus schleppte. Hoffentlich hatten die Nachbarn Harrys angebliche Ankunft zuhause mitbekommen.
«Wo gehst du eigentlich zur Schule, Dudley?», fragte ich aus reiner Neugier, als die Tür endlich hinter uns beiden ins Schloss fiel und ich mich nicht mehr wie Harry verhalten musste.
«S-S-Smeltings», stotterte er. «W-W-Wieso?»
«Einfach», antwortete ich schulterzuckend. «Wie ist es da so? Sicher langweiliger als in Hogwarts», ich grinste hinterhältig, «aber gefällt es dir?»
«Jaa?», er klang unsicher.
«Was soll das?», klang Onkel Vernons schroffe Stimme aus dem Wohnzimmer, gefolgt von ihm selbst samt misstrauisch zusammengekniffenen Schweinsäuglein.
«Ich betreibe lediglich höfliche Konversation mit meinem Cousin», erklärte ich heiter und sah mich dann im Flur um. Es sah alles noch genau so aus wie bei meinem ersten und letzten Besuch hier vor annähernd zwei Jahren.
«Wann verschwindest du endlich?», fragte Onkel Vernon verärgert.
«Sobald ich wieder meine eigene Gestalt angenommen habe», erklärte ich ruhig. «Vielleicht auch etwas später.» Zum Beispiel, wenn die Strassenlaternen draussen ausgeschaltet wurden. Dann könnte ich mich in den Schatten meines Obscurus tarnen.
«Du hoffst wohl auf ein Abendessen?», höhnte Onkel Vernon.
«Gegen einen Happen hätte ich tatsächlich nichts einzuwenden», erwiderte ich und versuchte dabei an meinem heiteren Lächeln festzuhalten, was mir langsam ehrlich schwerfiel. Dieser Mann ging mir gehörig auf die Nerven.
«Dann komm in die Küche ... Adrienne?», klang es aus einer Tür weiter den Flur hinab.
«Das ist nicht dein Ernst, Petunia!», röhrte Onkel Vernon.
Seine Frau erwiderte nichts und mit einem siegessicheren Grinsen in Richtung Onkel Vernon folgte ich der Stimme meiner Tante in die Küche. Sie stand am Herd und hatte bereits zwei Pfannen auf die Platten gestellt. Es dauerte nicht lange, bis ein köstlicher Duft den Raum erfüllte. Dudley hatte mittlerweile ebenfalls seinen Weg in die Küche gefunden und sah verunsichert zwischen seiner Mutter und mir hin und her, die ich immer noch aussah wie Harry. Aber der Vielsafttrank würde bald seine Wirkung verlieren. Bei Merlin, ich konnte es kaum erwarten. Ich vermisste mein eigenes Ich. Meine Sinne, meine Kraft. Meinen Körper.
«Dudley, bitte decke den Tisch», forderte Tante Petunia ihn auf.
Dudley sah seine Mutter überrascht an und Onkel Vernon ging sofort dazwischen: «Du kannst von unserem Sohn doch nicht verlangen, den Tisch zu decken! Das kann der Junge übernehmen!»
«Der Junge ist eigentlich eine Frau und kennt sich hier nicht aus», warf ich ein und fing mir einen bösen Blick von Onkel Vernon ein. «Aber ich kann es natürlich trotzdem übernehmen», fügte ich hinzu und hob meinen Zauberstab, bereits ahnend, welche Reaktion ich damit hervorrufen würde. Und tatsächlich: Onkel Vernon wurde sofort totenblass und wich vor mir zurück.
«Dudley, bitte», wiederholte Tante Petunia, ohne auf unser Geplänkel einzugehen und mein Cousin kam ihrer Bitte tatsächlich nach.
Als das Essen dann fertig zubereitet war, hatte der Vielsafttrank wieder seine Wirkung verloren und ich sass als ich selbst am Küchentisch, gemeinsam mit Onkel und Cousin, und liess mir von Tante Petunia eine grosszügige Portion in meinen Teller schöpfen, was Onkel Vernon mit einem Murren kommentierte. Ein normaler Mensch hätte seine Worte vermutlich nicht verstanden, aber mit meinen sensiblen Sinnen stand es anders: Er beklagte sich darüber, dass ich sie noch zu armen Tagen ässe und dass der Junge nie so viel bekommen hätte. Tante Petunia warf ihm einen scharfen Blick zu. Weil sie nicht wollte, dass ich davon erfuhr? Oder weil sie sich schuldig fühlte, meinen Bruder all die Jahre vernachlässigt zu haben? Ersteres schien mir weitaus wahrscheinlicher.
Das Essen verlief schweigend. Die ganze Zeit hing eine unangenehme Spannung über der Küche und sowohl Tante Petunia als auch Dudley schienen ihre Blicke nicht von mir abwenden zu können, während Onkel Vernon schmollend auf seinen Teller blickte. Er war der Einzige, der hin und wieder versuchte, das Schweigen zu brechen und zwar indem er Dudley nach seinem Schuljahr ausfragte. Doch Dudley war durch meine Anwesenheit zu verunsichert, um zu antworten.
«Ich werde noch bleiben, bis die Strassenlaternen gelöscht werden», verkündete ich schliesslich, nachdem die Mahlzeit beendet war. «Dann kann ich leichter verschwinden.»
Tante Petunia nickte nur, während Onkel Vernon spöttisch sagte: «Wie ein Dieb in der Nacht.»
«Sie wollen doch auch nicht, dass mich jemand sieht?», gab ich im selben Tonfall zurück.
«Vernon, willst du nicht ins Wohnzimmer gehen und dir die Wiederholung der Abendnachrichten im Fernsehen ansehen?», ging Tante Petunia dazwischen.
Zu meiner Überraschung willigte Onkel Vernon ein.
«Dudley? Bist du nicht müde von dem langen Tag?», wandte sie sich an ihren Sohn, nachdem ihr Mann die Küche verlassen hatte.
Dudley schüttelte den Kopf und dann, endlich, wohl ebenso zu meiner wie zur Überraschung seiner Mutter, sprach er: «Nein, ich will nicht ins Bett. Ich will mehr wissen.»
«Mehr worüber?», fragten Tante Petunia und ich gleichzeitig.
«Über alles. Über die Zauberei», flüsterte Dudley.
Tante Petunia sah so entsetzt aus, als würde sie auf der Stelle in Ohnmacht fallen.
Mir schlich sich ein Lächeln auf die Lippen. «Was möchtest du denn genau wissen?»
Und dann brach ein Damm und Fragen über Fragen sprudelten über Dudleys Mund, angefangen dabei, wie man denn genau wisse, ob man ein Zauberer sei – nur wenn man nach Hogwarts durfte? – oder ob man auch sonst zaubern lernen konnte. Offenbar war er all die Jahre unglaublich eifersüchtig auf meinen kleinen Bruder gewesen.
«Ich habe eine Freundin – Joanne. Wir sind gemeinsam aufgewachsen, als ich noch nicht wusste, dass ich eine Hexe war», erzählte ich lächelnd. «Letzten Sommer hat sie entdeckt, dass sei ebenfalls magisches Potenzial hat. Nicht viel, aber dennoch ausreichend für kleine Zaubereien.»
«Wie?», verlangte Dudley beinahe verzweifelt zu wissen.
«Wie genau weiss ich nicht. Gawain, der Freund meiner Ma – also der Frau, die mich grossgezogen hat», sagte ich mit kurzem Blick zu Tante Petunia, «hat es ihr beigebracht. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr uns gerne besuchen», schlug ich vor, in Erinnerung an meinen letzten Besuch hier, als Jake Dudley bereits einmal das gleiche Angebot gemacht hatte. Ich kramte einen Fetzen Pergament und einen Kugelschreiber aus meiner Handtasche und notierte eine Adresse. Es war eine Adresse in London, von wo aus man eine Nachricht der beiden nach Londinium weiterleiten würde. «Hier könnt ihr euch melden, wenn ihr mit der magischen Hälfte eurer Verwandtschaft Kontakt aufnehmen wollt», sagte ich schmunzelnd und schob die Notiz über den Küchentisch zu den beiden hin.
Irgendwann gingen draussen die Strassenlaternen aus. Tante Petunia, Dudley und ich hatten bis dahin zusammen in der Küche gesessen und geredet. Dudley hatte mir richtiggehend Löcher in den Bauch gefragt und Tante Petunia hatte erzählt, dass auch Lily meinen Vater so ausgefragt hatte, bevor sie nach Hogwarts kamen. Meine Tante hatte dann immer versucht die beiden zu belauschen, denn in ihrer Anwesenheit weigerte mein Vater sich, über die Zaubererwelt zu sprechen, egal wie sehr Tante Petunia sich dafür interessierte.
«Na dann ...», brach ich schliesslich das Schweigen, das eingetreten war, als uns allen klar war, dass dieser letztendlich doch noch gemütliche Abend nun zu einem Ende gekommen war. «Ich muss nun los ...»
Tante Petunia und Dudley nickten, auch wenn beide nicht besonders begeistert wirkten. Onkel Vernon wäre allerdings begeistert davon, wenn ich endlich aus seinem Haus verschwand, aber er war schon vor einer Weile nach oben verschwunden und so blieb mir seine Fratze und ein hässlicher Kommentar diesbezüglich erspart.
«Ihr ... ihr habt ja meine Adresse ... wir können also schreiben ...», sagte ich, während ich mich erhob. «Dann ... geh ich wohl mal.»
Dudley nickte, plötzlich wieder überfordert, während Tante Petunia ebenfalls aufstand.
«Wir begleiten dich noch zur Tür, Adrienne. Dudley», forderte sie ihren Sohn auf, der sich umgehend ebenfalls erhob.
Im Flur nahm ich Harrys Schulkoffer hoch und Hedwigs Käfig samt der ungeduldig schuhuhenden Eule, beides schien wieder ganz leicht, und ging gefolgt von Tante und Cousin zur Haustür. An der Schwelle blieb ich unsicher stehen.
«Also dann ... es war schön, mal wieder hier zu sein. Danke fürs Essen Mrs– Tante Petunia und fürs Gespräch. Ich würde mich freuen, euch beide bald einmal wiederzusehen», sagte ich und meinte es auch tatsächlich so, was mich doch etwas erstaunte.
«Hat mich ebenfalls gefreut», kam es unsicher von Dudley, während Tante Petunia mich mit einer Umarmung überraschte.
«Es tut mir so leid», flüsterte sie an meinem Ohr. «Wie alles gekommen ist, dass ich mich mit Lily zerstritten habe, dass wir nie eine Familie sein konnten, das alles ...» Ich konnte spüren, wie ihre Schultern bebten und sie gegen ein Schluchzen ankämpfte. «Pass auf dich auf, Adrienne. Ich weiss, dass dieser böse Zauberer – Lord Voldemort – wieder da ist und wenn er damals Jagd auf Lily gemacht hat, jagt er nun vielleicht auch dich. Nicht dass ich irgendeine Ahnung hätte, was in den Köpfen von solchen Irren vor sich geht», versuchte sie ihren Gefühlsausbruch noch mit einem Hauch Verachtung zu tarnen.
Nicht nur vielleicht. Zu gern hätte Voldemort mich in seine Hände bekommen, das wusste ich. Nicht aus den gleichen Gründen wie bei Lily und Jake, sondern weil ich ein Obscurial war. Aber davon sagte ich nichts. Stattdessen schmunzelte ich nur und sagte: «Ich kann mich verteidigen, keine Sorge.»
«Lily und James haben vermutlich auch so gedacht», ermahnte sie mich.
«Tante Petunia, so sehr ich Lily äusserlich auch ähnle ... unsere Fähigkeiten sind ganz unterschiedlich ausgeprägt. Meine Ma hat dafür gesorgt, dass ich kämpfen kann. Ich habe fast schon das Gefühl, als habe sie mich die ganzen letzten Jahre gedrillt, damit ich für einen echten Kampf gewappnet bin.» Ich lachte. «Du brauchst dir wirklich keine Sorgen um mich zu machen, ich bin alles andere als wehrlos.»
«Nun ja ... wenn man es genau nimmt, dann ist dein Zauberstab nur ein Stück Holz und ohne ihn bist du wehrlos», warf nun plötzlich Dudley ein.
«Nein», sagte ich vehement. «Auf die meisten Hexen und Zauberer trifft das zwar zu, aber ich habe auch andere Möglichkeiten mich zu verteidigen – und deshalb braucht ihr euch keine Sorgen zu machen.»
«Nun gut», lenkte Tante Petunia schliesslich ein, bevor sie sich mit einer weiteren Umarmung verabschiedete. Dudley und ich gaben uns die Hand, dann hob ich Koffer und Käfig hoch und konzentrierte mich auf meine Schatten.
«Versucht nicht zu erschrecken», warnte ich die beiden vor und legte meine Hand auf den Türknauf. Als ich die Klinke nach unten und die Tür aufschob, waberten die Schatten auf, so dass kein einziger Lichtstrahl aus dem Flur nach draussen fiel. Ein Keuchen kam von Tante Petunia und ein entsetztes Quieken von Dudley, als ich mit einem letzten Blick zurück in den undurchdringlichen Schatten verschwand und die Tür hinter mir schloss.
In meine Schatten gehüllt huschte ich die Einfahrt zur Nummer vier hinab und den Ligusterweg entlang bis ich weit genug entfernt war, dass es mir unauffällig schien zu disapparieren, dann liess ich mit einem leisen Knall den Ort von Harrys Kindheit hinter mir.
Immer noch in Schatten gehüllt tauchte ich viele, viele Meilen entfernt in London nahe beim Altersheim am Eingang zu Londinium wieder auf. Nach Londinium zu apparieren war aufgrund der verschärften Sicherheitsmassnahmen ja nicht mehr möglich und so musste ich den Eingang nehmen, der sich in einer halb verfallenen Ziegelsteinmauer verbarg, die seit den Tagen des römischen Reichs dort stand. Auf dem Weg zur Mauer liess ich meine Schatten fallen und wurde auch prompt von einem Wächter ins Visier genommen, der wissen wollte, was ich hier tat – als junge Dame allein zu dieser späten Stunde noch unterwegs. Ich war mir nicht sicher, ob er seine Formulierung der gegenwärtigen Situation geschuldet war oder ob er in einem anderen Jahrhundert hängen geblieben war, kam ja gelegentlich vor, wenn man mit Unsterblichen zu tun hatte. Schliesslich liess der Wächter mich aber passieren und ich betrat die verborgene Stadt.
Anders als in London, wo zu jeder Zeit ungezählte Lichter brannten, war es in Londinium fast vollkommen dunkel. Die vereinzelten Strassenlaternen waren bereits alle gelöscht und die vereinzelten Personen, die noch unterwegs waren, hatten ihr eigenes Licht dabei. Ich beschwor eine Lichtkugel und machte mich auf den Weg zu Jakes Haus, um Harrys Koffer und Hedwig samt Käfig abzuliefern.
Jakes Haus war eines der wenigen, dass noch hell erleuchtet war und als ich eintrat, drang mir Lärm entgegen. Ich stellte Harrys Schulkoffer im Eingangsbereich ab, liess Hedwig endlich aus ihrem Käfig und folgte dem Stimmengewirr ins Wohnzimmer, wo eine kleine Gesellschaft versammelt war. Jake, Remus und Harry waren natürlich da, Mad-Eye und Tonks und sogar die Weasleys – Mr und Mrs Weasley, sowie die Zwillinge, Ron und Ginny. Dann waren da noch Ma, Gawain, Kaspar und Jessie. Über ihren Köpfen hing ein Spruchband das in grossen Buchstaben verkündete: «Willkommen zu Hause, Harry!»
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Nun, das wars – zumindest für dieses Buch. Ich hoffe es hat euch gefallen.
Fortsetzung folgt, allerdings weiss ich noch nicht genau, wann ich das erste Kapitel hochladen werde. Ich bin erst mal dabei, Ideen zu sammeln, wie genau es nun weitergehen soll, jetzt wo Adrienne nicht mehr in Hogwarts ist. Ein paar Ideen habe ich schon, leider noch keine so konkreten, wie ich mir das wünsche. Solltet ihr welche haben, könnt ihr diese gerne hier anbringen.
Wenn es dann soweit ist, und ich denn nächsten Teil von Adriennes Geschichte hochlade, werde ich es euch in einem Nachwort zu dieser Geschichte wissen lassen ;)
Bis dann ... liebe Grüsse
Eure Daydream-Fantasy
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