37. Kapitel
Das grosse Atrium mit dem dunklen, polierten Parkettfussboden und den unzähligen goldenen Verzierungen und Gittern – Gold an der pfauenblauen Decke, an den Türumrandungen und den vielen offenen Kaminen entlang beider Seitenwände – lag still und verlassen da. Zu still und zu verlassen, immerhin waren wir hier im Herz der britischen Zauberergemeinschaft.
«Wo sind die Sicherheitszauberer abgeblieben?», fragte Sirius, dem das ebenfalls aufgefallen war.
«Willst du dich etwa beklagen, dass sie dich nicht gleich im Eingangsbereich festnehmen?», grunzte Mad-Eye ungehalten. «Los jetzt!»
Wir hasteten durchs Atrium, vorbei an einem Springbrunnen mit vergoldeten Figuren, zu den Aufzügen und quetschten uns zu siebt in eine Kabine. Irgendjemand wählte den Knopf für das richtige Stockwerk und der Aufzug setzte sich in Bewegung – tiefer hinab unter die Erde. Es kam mir vor wie ein schlechtes Omen.
«Mysteriumsabteilung», sagte eine kühle Frauenstimme, als der Aufzug stoppte und die goldenen Gittertüren aufglitten – wie ein Käfig.
Mad-Eye übernahm wieder die Führung, einen langen, schlecht beleuchteten Korridor hinab zu einer schlichten schwarzen Tür. «Zauberstäbe raus!», knurrte er, als er die Hand auf die Türklinke legte, seine Aufforderung war jedoch unnötig, denn wir alle hielten unsere Stäbe bereits bereit.
Er ging voraus in einen dunklen, kreisrunden Raum, an dessen Wänden blaue Fackeln leuchteten. Insgesamt zwölf Türen gingen von dem Raum ab, eine identisch mit der anderen.
«Wohin jetzt?», fragte Tonks flüsternd.
Alle Blicke richteten sich auf Mad-Eye.
«Wir nehmen uns einen Raum nach dem anderen vor», beschloss er und griff nach der erstbesten Türfalle, als ...
«Wartet! Ich höre Stimmen ...», sagte ich und legte den Kopf schief und lauschte.
«Das weiss ich! ... Gib sie ihnen bichd! Gib sie ihnen bichd, Harry!» Dann folgten Schreie, schreckliche Schreie, wie von jemandem, der unter dem Cruciatus-Fluch stand.
«Die Tür», sagte ich und deutete auf die Tür, die zu den Schreien führte.
Mad-Eye nickte mir zu und stiess die Tür so fest auf, dass sie gegen die Wand krachte. Die Ordensmitglieder stürmten in den dahinterliegenden Raum.
Der Raum war seltsam geformt. Er glich einem grossen, antik aussehenden Amphitheater; die Türen führten in die obersten Ränge. Unten, im Zentrum des Raums, in der Arena, erhob sich ein Felsen und darauf ein grober, steinerner Bogen. Sonst war da nichts. Nichts ausser meinem kleinen Bruder, Neville und mindestens zehn Todesser. Und sie alle starrten zu uns hoch. Das Krachen der Tür hatte jegliche Aussicht auf einen Überraschungsangriff zu Nichte gemacht. Meine Begleiter stürmten sofort los und liessen Flüche auf die Todesser hinabregnen, die sich in der Arena verteilt hatten. Ich folgte ihnen, beschwor mit meiner Feymagie einen Schutzschild und teilte mit meinem Zauberstab grosszügig Flüche aus, während ich versuchte, mich zu meinem Bruder durchzukämpfen.
Einer der Todesser sprang mir in den Weg und schickte mir einen Todesfluch entgegen, den ich mit der linken Hand, von der mein magischer Schild ausging ablenkte, während ich mit rechts einen Schockzauber austeilte, doch der Todesser war beinahe genauso schnell wie ich und lenkte den Zauber ab. Blitzschnell wechselte er zwischen Angriff und Verteidigung, während ich Schockzauber und Versteinerungszauber und alle möglichen Hexereien, die mir gerade in den Sinn kamen gegen ihn einsetzte. Trotz allem konnte ich nicht umhin zu bewundern, wie gut dieser Todesser im Duellieren war. Während ich mit meiner Feyschnelligkeit einen übernatürlichen Vorteil hatte, leistete er das alles allein mit den Fähigkeiten eines Menschen. Dann, endlich, war ich doch etwas schneller und mein «Petrificus Totalus!» traf ihn einen Sekundenbruchteil, bevor sein Schildzauber wieder voll intakt war. Arme und Beine des Todessers schnappten an seinen Körper und steif wie ein Brett fiel er vornüber. Ich wartete nicht darauf, bis sein Körper auf dem Boden aufschlug, sondern sah mich bereits nach meinem nächsten Gegner um – und nach Harry und Neville. Die beiden waren am Fusse der Steintreppe der Arena. Nevilles Füsse zuckten spastisch. Sirius war bei ihnen und redete eindringlich auf die beiden ein. Bestimmt sagte er ihnen, dass sie die anderen holen und verschwinden sollten, über den Kampflärm hinweg konnte ich sie jedoch nicht verstehen.
Dann sah ich aus den Augenwinkeln einen fallenden Körper ... bonbonfarbenes Haar ... Sirius konnte schon allein auf Harry aufpassen, er war viel erfahrener als ich, aber Tonks konnte jede Hilfe gebrauchen. Ich schoss durch die Arena, merkte gar nicht, wie ich pfeilschnell mehrere kämpfende Paare hinter mir liess ... Tonks fiel die steinernen Stufen hinab und blieb bewusstlos, Arme und Beine seltsam verrenkt im Sand der Arena nieder.
«Nein!», rief ich entsetzt und fiel neben ihr in die Knie. Sie war doch nicht ... nach Cedric nicht auch noch Tonks ... Hastig tastete ich nach ihrem Puls, doch meine Finger zitterten zu sehr. Stattdessen beugte ich mich mit dem Ohr über ihr Gesicht, beobachtete ihren Brustkorb und ihren Bauch um zu sehen, ob sie noch atmete ... bitte, bitte ... Merlin, Gott oder wer immer es da draussen gibt, lasst sie nicht tot sein!
Ich konnte keinen sanften – oder auch keuchenden – Atem an meinem Ohr spüren, sah keine Bewegung von Tonks Brustkorb oder Bauch. Nein! Panik stieg in mir hoch. Nein, das durfte einfach nicht sein! Irgendwo am Rande meines Geistes war mir bewusst, dass jetzt gerade ein sehr schlechter Zeitpunkt war, um in Panik zu verfallen, hier, mitten in einer Schlacht.
«Bitte, all ihr Götter, ich brauche Hilfe!» Es war kaum mehr als ein Murmeln und bestimmt würde niemand meinen Hilferuf hören in diesem ganzen Lärm. Und ohnehin zweifelte ich daran, dass dieses Stossgebet etwas ändern würde, doch dann ... dann waren da die Stimmen. Nicht die Schreie und Zauber der Ordensmitglieder und der Todesser. Es waren andere Stimmen. Erst undeutlich, nur Geflüster, kaum wahrnehmbar, doch dann wurde es deutlicher. Verwirrt sah ich zu dem steinernen Bogen. Die Stimmen kamen von dort und ... sie riefen nach mir.
«Adrienne ... Adrienne ... Adrienne ...», riefen die Stimmen. Leise, aber deutlich wahrnehmbar. «Adrienne ... Komm zu uns, Adrienne ... Bring sie zu uns, Adrienne ...»
*****
Etwas Seltsames weckte Pucey. Schlagartig setzte er sich auf, aber da war nichts. Jedenfalls nichts ungewöhnlicheres als Miles Bletchleys Schnarchen, mit dem er bald den ganzen Verbotenen Wald abgeholzt haben würde. Die anderen beiden schliefen ruhig in ihren Himmelbetten: ... Thomas Rockwood ... Clemens Warrington ...
Da war es wieder. Es war kein Geräusch, eher ... ein Gefühl. Ein Prickeln unter Puceys Haut. Er langte nach seinem Zauberstab auf dem Nachttisch und beschwor ein Licht. Erneut sah er sich um. Vielleicht kam das Kribbeln von irgendeinem Instinkt, der ihn vor etwas warnen sollte? Sowas gab es ja. Ein ähnlicher Instinkt hatte Pucey beim Quidditch mehr als einmal geholfen, in letzter Sekunde einem Klatscher auszuweichen. Aber das hier fühlte sich anders an. Eindringlicher. Und es liess Pucey keine Ruhe. Zögernd schwang er seine Beine aus dem Himmelbett und schlüpfte in seine Hausschuhe, dann stand er auf und griff nach seinem Morgenumhang.
«Was soll das, Adrian? Wir versuchen hier zu schlafen», knurrte ein ungehaltener Thomas Rockwood, als Pucey bereits halb den Schlafsaal durchquert hatte.
Pucey zuckte zusammen und sah sich dann nach seinem Hausgenossen um. Rockwood blinzelte ungehalten gegen das Licht von Puceys Zauberstab.
«Wenn du schlafen willst, dann solltest du lieber was gegen Miles Schnarchen unternehmen, Thomas», sagte er und zeigte zu Bletchley hinüber, der mittlerweile an seinem Himmelbett zu sägen schien. «Ich bin gleich weg.»
«Wohin geht es denn?», fragte Rockwood neugierig.
«Muss mal», brummte Pucey.
Rockwood kicherte. «Das Klo ist dort drüben, Adrian. Da lang geht es zum Korridor. Na los, raus damit: Wer ist sie?»
«Wer ist wer?», fragte Pucey verwirrt.
«Dein nächtliches Rendez-vous natürlich», erwiderte Rockwood. «Ich hoffe nur, es ist jemand akzeptableres als diese Seanorth, die dir ja offenbar gründlich den Appetit verdorben hat.»
«Ach so», machte Pucey und verliess dann ohne weitere Erklärung den Schlafsaal. Bevor er die Tür hinter sich ganz zu zog, hörte er noch ein gemurmeltes «Silencio!» und Bletchleys Schnarchen verstummte.
Im Korridor zum Gemeinschaftsraum und auch im Gemeinschaftsraum selbst war es mucksmäuschenstill. Trotzdem war dieses warnende Kribbeln stärker geworden. Pucey sah sich um und sein Blick fiel auf das Fenster zum Schwarzen See von wo ihm sein blasses Spiegelbild entgegen sah. Irgendetwas stimmte nicht damit. Stirnrunzelnd trat er näher und schreckte zurück. Die Adern an seinem Hals schienen hervorzutreten; eine Berührung bestätigte dies. Aber es war nicht nur an seinem Hals, sondern auch an seinen Händen, Handgelenken, Armen, ... Und überall schien es zu Kribbeln und zu Brennen. Was war das nur? Je länger Pucey nachdachte, desto schlimmer wurde das Brennen und er beschloss, hoch in den Krankenflügel zu gehen. Und er beeilte sich, denn es wurde immer schlimmer.
«Hier geblieben!», bellte eine kalte Stimme, als Pucey seine Füsse gerade auf die Treppe hoch zur Eingangshalle setzen wollte.
Pucey fuhr zusammen und drehte sich um. «Professor Snape», erkannte er seinen Hauslehrer, der mit raschen Schritten, entzündetem Zauberstab und einer noch finstereren Miene als üblich auf ihn zukam.
«Professor», sagte Pucey und ging Snape entgegen. «Ich wollte gerade hoch in den Krankenflügel», kam er Snapes Frage zuvor.
Misstrauisch kniff Snape die Augen zusammen und hielt Pucey die leuchtende Spitze seines Zauberstabs entgegen. Entsetzt schnappte der sonst so kalte, regungslose Professor nach Luft.
«Was haben Sie angestellt, Pucey?», stiess er hervor und musterte Pucey.
«Nichts, Professor», antwortete Pucey wahrheitsgemäss.
«Nichts», höhnte Professor Snape. «So etwas kommt nicht von nichts. Hier lang, Pucey.»
Snape dirigierte ihn einen Korridor hinunter, dann einen zweiten – weg von der Treppe nach oben zum Krankenflügel und tiefer hinein in die Kerker.
«Welchen Zauber haben Sie benutzt?», fragte Snape.
«Zauber, Sir?», fragte Pucey verwirrt.
«Lügen Sie mich nicht an, Pucey. Ihre Symptome lassen eindeutig auf Experimente mit schwarzer Magie schliessen», schnappte Snape. «Sie können froh sein, dass ich es war, der Sie aufgegabelt hat. Ich muss Sie hoffentlich nicht daran erinnern, dass die Verwendung dunkler Magie in Hogwarts verboten ist!»
Pucey konnte seinen Hauslehrer nur sprachlos anstarren.
«Und jetzt raus damit: Welcher Zauber war es? Hier hinein.»
Snape schob Pucey durch eine Tür und drückte ihn auf einen harten, unbequemen Stuhl. Sie waren in Snapes Büro angekommen.
«Raus damit, Pucey», knurrte Snape. «Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie es mir nicht sagen!»
«Ich weiss nichts von einem Zauber, Sir», brachte Pucey verzweifelt hervor. «Ich habe nicht mit schwarzer Magie experimentiert.»
Snape sah ihn finster an. Er glaubte ihm kein Wort.
«Ehrlich, Professor.»
Sein Hauslehrer überging seine Worte.
«Sie rücken besser schnell damit raus, bevor Sie irreversible Schäden davontragen», knurrte Snape. «War es ein Blutzauber?»
«Ich habe nicht –», protestierte Pucey, wurde dann aber blass, als er sich an etwas erinnerte.
«Also ...?», fragte Snape.
«Ein Blutzauber», flüsterte Pucey und seine Stimme zitterte. «Ich habe geschworen, Adrienne zu beschützen.»
«Sie ausgemachter Dummkopf! Meine Tochter braucht keinen Schutz!», wetterte Snape. «Und wenn, dann nicht von Ihnen!»
«Aber Adrienne ist in Gefahr, Sir!», protestierte Pucey, dem nun plötzlich klar wurde, was dieses Kribbeln ihm sagen wollte.
«Das weiss ich», knurrte Snape.
Pucey blinzelte seinen Hauslehrer überrascht an.
«Wie kam es zu dem Schwur? Wie war der genaue Wortlaut?», fragte Snape wieder ganz geschäftsmässig.
Pucey wusste nicht, was er vom Verhalten seines Lehrers halten sollte. Es schien ihn überhaupt nicht zu kümmern, dass seine Tochter in Gefahr schwebte.
«Raus damit, Pucey», drängte Snape. «Bevor Ihnen der Blutschwur zum Verhängnis wird. Dieser Schwur wird Sie töten, wenn Sie ihm nicht folge leisten.»
Pucey wurde blass. Er wollte nicht sterben. Und kein Geheimnis über irgendwelche verbotenen nächtlichen Aktivitäten war es Wert, dafür draufzugehen.
«Es war an Halloween», begann Pucey. «Ich habe gesehen, dass Adrienne sich rausgeschlichen hat. Ich war neugierig und bin ihr gefolgt. Sie ging zu diesem Hain, bei dem Professor Kesselbrand Pflege magischer Geschöpfe unterrichtet hat. Sie betrat den Hain und ich folgte ihr in sicherem Abstand. Und dann habe ich gesehen, wie sie ein Ri–» Ein plötzliches Würgen und heftiges, schmerzendes Brennen würgten Puceys Stimme ab. Er setzte erneut an: «Sie hat ein Ritual–» Erneut kam dieses Brennen, diesmal heftiger als zuvor. Das Atmen viel ihm schwer.
«Sprechen Sie nicht weiter», sagte Snape. «Ich verstehe schon: Sie haben Adrienne bei ihrem Samhainritual beobachtet. Haben Sie auch die Geister gesehen? – Nein, antworten Sie mir nicht!», sagte Snape schnell, als Pucey schon den Mund öffnete. «Ich nehme an, Adrienne oder einer der Geister hat Sie schwören lassen, kein Wort über das zu verlieren, was Sie an diesem Abend dort gesehen und gehört haben. Aber niemals hätten Sie von Ihnen verlangt zu schwören, Adrienne zu beschützen. Sie sind nur ein Mensch, ein gewöhnlicher Schüler – sie wären niemals in der Lage, Adrienne zu beschützen. Also, weshalb haben Sie das getan?», fragte Snape.
«Cedric Dig–», setzte Pucey an, aber eine neue Welle Schmerz drückte ihm die Kehle zu. Sein Hals schien zu brennen, als stünde er in Flammen; um seinen restlichen Körper stand es nicht viel besser. Trotzdem begann er zu zittern.
«Diggory mag Sie vielleicht gebeten haben, Adrienne zu beschützen, aber auch er hätte Sie keinen Blutschwur darauf ablegen lassen!», wetterte Snape.
Pucey sah auf die Schreibtischplatte. Weshalb hatte er es getan? Weshalb hatte er diesen Blutschwur abgelegt? Ja, er hatte Diggory versprochen, Adrienne zu beschützen, aber dieser hatte nie auf einem Schwur bestanden. Anders als dieses seltsame Mädchen mit dem Schwert ... und als Pucey dann beim Schwören war, hatte er einfach noch einen weiteren Schwur hinzugefügt, ohne darüber nachzudenken. Er hatte sich keinerlei Gedanken darüber gemacht. Offenbar ein Fehler.
«Zurück zur eigentlichen Frage: Wie war der genaue Wortlaut des Schwurs?», fragte Snape.
Pucey dachte nach. «Ich glaube das war '... und ich schwöre, auch bei meinem Blut' – weil ich ja vorher schon –»
Snape wedelte unwirsch mit der Hand.
«Äh ... ja», machte Pucey und setzte erneut an. «Ich glaube es war '... und ich schwöre, auch bei meinem Blut, Adrienne zu beschützen.'»
Schweigen herrschte nach Puceys Worten. Snape sah ihn eindringlich an und Pucey knetete unruhig seine Hände – oder versuchte es. Jese noch so kleine Ader war dick und geschwollen und behinderte sine Bewegungen.
«Das ist alles?», fragte Snape nach einer gefühlten Ewigkeit.
«Ja, Sir, das ist alles», erwiderte Pucey.
«Kein 'Ich schwöre bei meinem Leben' oder 'bei meiner linken Hand'?»
«Nein, Sir», sagte Pucey verwirrt.
«Nun, immerhin etwas», sagte Snape und fixierte Pucey. «Ich Schwur war äusserst unpräzise – wobei man von Ihnen kaum etwas anderes erwarten konnte. Wir werden versuchen, den Schwur so gut es geht zu Ihren Gunsten auszulegen. Fürs Erste: In dem Sie mir davon erzählt haben, dass Adrienne in Gefahr ist, haben Sie bereits Ihr möglichstes getan, um Sie zu beschützen, merken Sie sich das!»
Sofort schienen die Schwellungen zurückzugehen und Pucey atmete erleichtert auf. Snape nickte und etwas wie Erleichterung zeichnete sich auf dem sonst so regungslosen Gesicht ab.
«Ich bezweifle allerdings, dass das alles ist, was der Zauber verlangt», sagte Snape und beobachtete die immer noch geschwollenen Adern. «Geben Sie mir Ihre Hand, Pucey», sagte Snape und etwas irritiert streckte Pucey dem Professor seine rechte Hand entgegen.
«Die andere Hand.»
Pucey tat wie geheissen.
Snape betrachtete die Hand und untersuchte sie. Überraschend sanft strichen kühle Finger über Puceys Handfläche. Dann blitzte plötzlich etwas metallisch auf und nur Augenblicke später schnitt etwas kühl und scharf in Puceys Handfläche. Der Schmerz folgte sofort und Pucey zuckte zusammen.
«Still halten!», knurrte Snape.
Die Klinge des Messers hatte kaum Puceys Haut berührt, aber sie war so scharf, dass selbst diese flüchtige Berührung die obersten Hautschichten durchschnitt. Die oberflächliche Wunde begann sofort zu bluten und das heftiger, als sie eigentlich sollte.
«Sie haben einen Blutschwur geschworen», erklärte Snape diese Tatsache. «Und nun versuchen Sie, nicht auf meinen Schreibtisch zu tropfen.»
Gehorsam formte Pucey seine Hand zu einer Schale, in der sich das Blut sammelte, bis Professor Snape mit einer frisch polierten, silbernen Schale zurückkehrte, die er unter Puceys Hand stellte – gerade noch rechtzeitig, denn nun floss das Blut über und landete mit einem unheimlichen Zischen in der Schale. Geschockt starrte Pucey das Gefäss an in dem sich immer mehr seines Bluts sammelte. Es war zwar ein offenes Geheimnis unter den Slytherins, dass ihr Hauslehrer dunkle Magie praktizierte, aber das mitzubekommen, hätte Pucey nie gedacht.
«Sie sind derjenige, der mit Blutmagie experimentiert hat», wies Snape ihn zurecht, der offenbar Puceys Gedanken erraten hatte. «Und nun nehmen Sie diese Schale und kommen Sie mit.»
Snape stand auf und Pucey griff hastig nach der Silberschale und tat es ihm gleich. Währenddessen machte sich der Lehrer an einem Bücherregal an der Rückwand seines Büros zu schaffen. Das Regal schwang beiseite und gab den Weg frei in ein ... Wohnzimmer? Snape winkte Pucey, ihm zu folgen und kurz darauf fand Pucey sich in einem Raum wieder, der das Wohnzimmer seines Hauslehrers sein musste.
«Legen Sie sich hin», wies dieser Pucey an und deutete auf ein Sofa. «Und tropfen Sie nicht die Polster voll!»
Etwas umständlich streckte Pucey sich auf dem Sofa aus. Es war nicht sonderlich bequem – das Sofa war zu kurz für ihn und er musste den Arm die ganze Zeit zur Seite ausstrecken, damit das Blut auch ja in die Schale und nicht sonst wo hin tropfte. Snape beobachtete ihn dabei mit schmalen Augen. Dann tat der Zaubertrankprofessor etwas, dass wohl beide nicht erwartet hatten: Snape holte ein Kissen und eine Decke, schob Pucey das Kissen unter den Kopf, fragte ihn, ob er es bequem hatte – daraufhin folgte einiges Herumgerutsche auf dem Sofa, bis Pucey eine Position gefunden hatte, in der er es einige Zeit aushalten würde – dann deckte Snape ihn zu.
«Sie sollte beten, dass Adrienne ausser Gefahr ist, bevor Sie zu viel Blut verlieren», sagte Snape danach.
Pucey blinzelte und setzte zu einer Frage an, was Snape damit meinte, da richtete dieser bereits seinen Zauberstab gegen Pucey. Ein roter Lichtblitz zuckte auf und Pucey verlor das Bewusstsein, als der Schockzauber ihn traf.
*****
Ich erhob mich, fasste Tonks schlaffen, bewusstlosen Körper unter den Achseln und zog sie ohne grosse Anstrengung zu dem Felsen mit dem steinernen Bogen hinüber, während immer noch die unsichtbaren Stimmen flüsterten.
«Komm, Adrienne, komm zu uns ... bring sie zu uns, Adrienne ... wir können euch helfen ... Adrienne ... Adrienne ...», flüsterten sie.
«Was zum Teufel tust du da, Adrienne?», schrie mir eine laute, raue Stimme ins Ohr, doch ich hörte nicht auf sie und zog Tonks weiter.
«Verdammt, Adrienne!», jemand packte mich grob an den Schultern und schüttelte mich, so dass ich Tonks loslassen musste. Ihr schlaffer Körper sank in den Sand der Arena.
«Komm wieder zu dir! Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Moment!», rief mein Angreifer. Ein Schlag traf mich ins Gesicht und ich fauchte wütend. Mein Angreifer zeigte sich davon unbeeindruckt. «Vergiss diesen Bogen! Wir haben andere Probleme!»
«Tonks, wir müssen Tonks zu ihnen bringen, sie können ihr helfen!», entgegnete ich und versuchte mich zu befreien.
«Tonks wird schon wieder. Wach auf, Adrienne!»
Ein weiterer Schlag, der mich ganz wuschig machte. Verwirrt blinzelte ich und sah Jakes Wikinger Haarpracht vor mir. Hinter ihm blitzten Zauber auf. Natürlich, wir waren mitten in einem Kampf.
«Wir müssen Tonks helfen!», sagte ich verzweifelt. Ich konnte sie nicht sterben lassen. Ich hatte schon Cedric nicht helfen können, also musste ich wenigstens versuchen, ihr zu helfen. «Und sie haben gesagt, dass sie das können.» Entschlossen deutete ich zum steinernen Bogen, der nun direkt vor uns in die Höhe ragte. Ich hatte Tonks bis zum Felsen getragen, auf dem der Bogen thronte.
«Adrienne, was auch immer diese Stimmen dir gesagt haben, du darfst ihnen nicht trauen. Du weisst nicht, was sich hinter diesem Bogen verbirgt. Vielleicht können Sie Tonks helfen, vielleicht nicht, aber das kannst du nicht wissen», sagte Jake eindringlich. Ich wollte etwas sagen, protestieren, doch Jake liess mich nicht zu Wort kommen. «Wir werden unser bestes tun um Tonks zu helfen, aber jetzt nicht, wir sind mitten in einem Kampf, wir können uns jetzt nicht um sie kümmern. Kannst du das verstehen?» Er sah mich an. Sah eindringlich in meine schwarzen Augen, die Augen meines Vaters, das einzige an meinem Aussehen, das ich nicht verändert hatte.
Schliesslich nickte ich. «Ich glaube, ich verstehe es», sagte ich leise und versuchte die flüsternden Stimmen zu ignorieren, die hier, so nahe am steinernen Bogen noch lauter und deutlicher waren.
«Hier sind noch drei!», rief plötzlich eine Stimme und ein grüner Blitz zischte auf uns zu.
Schnell stiess ich Jake von mir, er flog zu einer Seite zurück und ich stolperte meinerseits rückwärts und der Todesfluch prallte wirkungslos zwischen uns auf den Felsen. Sofort riss Jake seinen Zauberstab hoch und stürzte sich auf den Todesser.
«Das heisst, es sind noch zwei. Eine ist noch frei!», rief er lachend, während er sich in den Kampf mit Jake stürzte.
Gleich zwei Todesser kamen um den Felsen herumgestürzt und griffen nun mich an. Geistesgegenwärtig gelang es mir meine Feyschutzzauber zu beschwören, bevor der erste Zauber mich traf. Und trotzdem ... gegen zwei Todesser gleichzeitig kam ich schlichtweg nicht an; all meiner Schnelligkeit, meiner Reflexe und den unzähligen Stunden Übung mit meinem Vater zum Trotz. Sie hatten einfach viel mehr Erfahrung, waren viel raffinierter und verschlagener als ich. Sie trieben mich rückwärts. Der Sand unter meinen Füssen verwandelte sich in Fels. Schritt für Schritt näherte ich mich dem Steinernen Bogen. Die flüsternden Stimmen wurden immer deutlicher. Jakes Warnung hallte in meinen Ohren wieder, während ich verzweifelt versuchte nicht noch mehr Boden zu verlieren. «Du weisst nicht, was sich hinter diesem Boden verbirgt.» Wussten die Todesser es? Jedenfalls trieben sie mich geradezu darauf zu – jedes Mal, wenn ich versuchte, zur Seite auszubrechen, schnitten sie mir den Weg ab.
Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig:
«DUBBLEDORE!», schrie Neville hell erfreut und trotz seiner durch seine blutende, gebrochene Nase beeinträchtigten Worte, war allen Anwesenden klar, was gemeint war. Dumbledore war gekommen. Der Schulleiter von Hogwarts kam in den Raum gestürzt und eilte die steinernen Stufen herab in die Arena.
Mit ihm rauschte eine verschwommene Gestalt herein, die nur Sekundenbruchteile später einen meiner Angriffe zur Seite rammte. In ihren Händen glomm Magie, die sie nun auf meinen zweiten Angreifer schleuderte.
Nur ein Paar hatte die Ankunft der beiden Neuankömmlinge offenbar noch nicht mitbekommen: Sirius und Bellatrix Lestrange duellierten sich immer noch ganz in meiner Nähe. Sirius wich dem roten Lichtblitz aus, den Bellatrix auf ihn feuerte und lachte sie aus.
«Komm schon, du kannst es doch besser!», rief er und seine Stimme hallte in dem Gewölberaum wider.
Der zweite Lichtblitz traf ihn direkt auf die Brust.
Das Lachen auf seinem Gesicht war noch nicht ganz verloschen, doch seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Sirius stürzte und prallte gegen mich, stiess mich zur Seite. Sein Sturz wurde durch mich zwar abgebremst, aber auch abgelenkt und so fiel sein geschockter Körper nun direkt auf den uralten, steinernen Bogen zu, fiel durch den leicht im nicht vorhandenen Wind flatternden Vorhang, hinter dem sich die unsichtbaren Stimmen verbargen, die zuvor meinen Namen gerufen hatten. Nun wechselten sie ihren Text und flüsterten stattdessen einen anderen Namen: «Sirius ... Sirius ... Sirius ... Willkommen, Sirius ... willkommen Zuhause ...»
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