18. Kapitel
Funken aus Magie stoben durch den Raum. Die Wucht, mit der das Ritual brach, liess den ganzen Raum erzittern. Die Einmachgläser mit den in Formaldehyd eingelegten Tieren ruckelten in den Regalen und einige fielen hinunter. Die anderen zersprangen kurz darauf, als die restliche Macht des Zaubers mit einer gewaltigen Druckwelle durch den Raum, durch ganz Hogwarts und weit über die Ländereien hinaus rollte.
Meinen Vater, den Drittklässler und mich hatte die Explosion ebenfalls zu Boden geworfen und nur langsam rappelten wir uns wieder auf.
«Entschuldigen Sie, Professor Snape. Es tut mir leid. Das wollte ich nicht», stammelte der Drittklässler. «Ich hatte nicht vor, noch mehr zu zerstören, ehrlich nicht. Ich wollte das Glas reparieren ...!»
Professor Snape hob die Hand und Tristans Gestammel verstummte, während er blass auf seine Füsse starrte. Mein Vater griff nach seinem Zauberstab und mit einem einzigen, kurzen «Reparo» setzten sich alle Einmachgläser wieder zusammen und auch die verstreuten Papiere, die bei der Explosion durch den Raum geflattert und teilweise verbrannt waren, wurden wieder ganz und stapelten sich ordentlich auf Snapes Schreibtisch.
Fassungslos beobachtete der Drittklässler was vor sich ging und ärgerte sich bestimmt gerade grün und blau, dass sein Hauslehrer so einen Aufstand gemacht hatte wegen eines Glases, wo er doch sein ganzes Büro mit einem einzigen Zauber wiederherstellen konnte.
«Das war nicht das erste Mal, dass so etwas geschah», sagte Snape vorwurfsvoll, doch er sagte es weniger zu dem Jungen als zu mir. «Landers Magie ist unberechenbar und er muss lernen, sie zu beherrschen.»
Das war offensichtlich.
«Finëa könnte sicherlich helfen», schlug ich vor. «Viele Finjarelles hatten seltsame magische Gaben und Finëa hat ihnen immer helfen können ... und ...», fiel mir wieder ein und ich sah Tristan aufgeregt an. «Vielleicht ist Tristan sogar ein Finjarelle!»
«Wie bitte? Ich bin Slytherin!», sagte Tristan empört, während mein Vater seufzte.
«Ich werde nachsehen. Ich kann gleich hochgehen», bot ich an, doch mein Vater schüttelte den Kopf.
«Nicht mehr heute; bald ist Ausgangssperre. Und Sie, Landers, sollten schon längst in Ihrem Gemeinschaftsraum sein. Ich bringe Sie zum Slytherin-Gemeinschaftsraum. Seanorth, Sie beeilen sich hoch zu den Gryffindors zu kommen. Keine Umwege!»
Mein Vater sah mich streng an und ich beeilte mich zu nicken und ein möglichst ehrliches Gesicht aufzusetzen. Unter keinen Umständen würde ich mich davon abhalten lassen, gleich in den Gemeinschaftsraum der Finjarelles zu laufen und nachzusehen, ob Tristan Landers auf der Liste mit den Finjarelle-Schülern stand.
Eiligen Schrittes ging ich den Korridor hinauf Richtung Treppe zur Eingangshalle, während mein Vater mit dem Slytherin-Schüler in die andere Richtung ging. Ein breites Grinsen lag auf meinen Lippen, während meine Gedanken meinen Schritten vorauseilten zum Dachstock der Grossen Halle. Nur noch wenige Minuten und ich hätte Gewissheit und dann hätte Finëa einen neuen Schüler. Und wir hätten jemand weiteren, dem wir die Aufgabe, das Haus Finjarelle zurück zu bringen, übergeben konnten. Jemanden, der sogar offiziell in dieses Haus gehören würde, sobald es dieses wieder gab.
Noch nie hatte sich der Weg zur Eingangshalle und die Marmortreppe hoch so lange angefühlt wie jetzt und auch die Galerie über der Eingangshalle war noch nie so lang gewesen, noch das Schranklabyrinth. Und dann stand ich endlich da, im Gemeinschaftsraum der Finjarelles und konnte vor lauter dichtem, dunkelgrauen Rauch die Hand nicht vor den Augen sehen.
Ich legte eine Hand über Nase und Mund, um das Zeug nicht einzuatmen – es sah furchtbar ungesund aus und roch nach faulen Eiern. Mit der anderen Hand wedelte ich vor meinem Gesicht herum, im hoffnungslosen Versuch doch noch etwas zu sehen. Nur wenige Augenblicke später war der Rauch jedoch verschwunden und ich sah die Zwillinge an ihrem üblichen Versuchstisch stehen, die Gesichter so verrusst wie der Rauch kurz zuvor.
«Oh, Adrienne, entschuldige», sagte George, der mich als erster bemerkte und grinste verlegen. «Unsere neuste Idee will noch nicht so ganz.»
Neugierig ging ich zu den beiden hinüber und begutachtete ihre Alchemieaufbauten.
«Was soll es denn werden?», fragte ich.
«Wir suchen nach etwas, dass es ermöglicht, sich ungesehen vom Acker zu machen, weisst du. Wenn man schnell irgendwo verschwinden muss ... Und da haben wir an dich gedacht», erklärte Fred verlegen.
«An mich?»
«Na, du weisst schon, das mit den Schatten deines Obscurus ...», sagte Fred.
Ich zog eine Augenbraue in die Höhe. Den Zusammenhang zwischen diesem nach faulen Eiern stinkenden Rauch und meinem Obscurus konnte ich noch nicht ganz begreifen.
«Wenn du deinen Obscurus beschwörst, dann verschwindest du doch in seinen Schatten, wirst sozusagen unsichtbar», führte George aus.
«Nur wenn es bereits dunkel ist», präzisierte ich.
«Aber es funktioniert doch auch wenn es hell ist. Du kannst doch auch dann im Schatten verschwinden», sagte Fred und sah mich auffordernd an.
Seufzend sah ich die Zwillinge an. Ich hatte keine Lust auf irgendwelche Vorführungen; und ausserdem ... «Leute, es ist bereits dunkel und in ein paar Minuten ist Ausgangssperre.»
Damit kehrte ich den Zwillingen den Rücken und wandte mich den Listen mit den Finjarelle-Schülern zu. Alle drei waren sie von einem dünnen grauen Film überdeckt – genau wie der Rest des Gemeinschaftsraums. «Macht hier mal sauber, Jungs», rief ich den Zwillingen zu, bevor ich mich wieder auf die Listen konzentrierte; auf eine der Listen, die mit den jetzigen Drittklässlern. Und dort unter L fand ich Landers, Tristan.
Ein breites Grinsen zog sich über mein Gesicht und ich wandte mich erneut um, dieses Mal zu Finëas Portrait, und rief nach der fünften Gründerin: «Finëa, es gibt da einen Finjarelle-Schüler, der deine Hilfe gebrauchen könnte, um zu lernen, seine Gabe zu beherrschen.»
Natürlich war diese Neuigkeit das erste, das ich Kaspar und Jessie am nächsten Morgen beim Frühstück erzählte, und bereits in der Vormittagspause nahm Jessie Tristan beiseite, um ihm mitzuteilen, dass er sich nach dem Unterricht mit uns treffen sollte. Da Jessie Vertrauensschülerin bei den Slytherins war, fiel das nicht besonders auf und da mein Vater mich am Vorabend gebeten hatte, Tristan bei einem Zauber zu helfen, wurde er auch nicht sonderlich misstrauisch.
«Er ist aber alles andere als begeistert, dass er sich wieder mit diesem 'Blödsinn', wie er es nennt, auseinandersetzen muss», erklärte Jessie. «Ich habe ihm gesagt, dass Professor Snape möchte, dass er sich damit befasst – das ist ja nicht allzu weit hergeholt.»
Ich nickte. Mein Vater hatte es zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber ich war mir sicher, dass es in seinem Sinne war, wenn Tristan lernte, mit seiner Gabe umzugehen.
Dass Tristan nicht begeistert war, merkte man schon daran, dass er gleich zu maulen begann, als er Jessie und mich nach dem Unterricht traf. Erst maulte er darüber, dass auch Kaspar anwesend war. Dann maulte er, weshalb wir das nicht in den Kerkern üben konnten, sondern die Marmortreppe hinaufgehen mussten. Weiter maulte er, warum wir durch so abgeschiedene Flure gehen mussten und immer wieder beklagte er sich, dass er überhaupt keine Lust auf den ganzen Scheiss hatte. Ich wiederum war kurz davor zu maulen, dass er endlich mit dem Maulen aufhören sollte, aber es war Jessie, die schliesslich als erste die Geduld verlor und Tristan zusammenstauchte.
«Zwei Dinge, Landers», fauchte sie. «Zum einen hat Professor Snape entschieden, dass du lernen sollst, mit dieser Gabe umzugehen; zum andern ist es dir doch sicher recht, wenn du endlich deine Magie im Griff hast und nicht mehr von den anderen als Squib beschimpft wirst.»
Daraufhin hielt Tristan tatsächlich den Mund und folgte uns schweigend die Galerie über der Eingangshalle entlang durch die verrostete Tür auf den staubigen Dachboden und durchs Schranklabyrinth ...
Mit offenem Mund blieb Tristan stehen, als Jessie die hölzerne Wand am Ende des Schranklabyrinths zur Seite schob und den Blick auf den Gemeinschaftsraum der Finjarelles freigab. Lächelnd trat ich neben Tristan und folgte seinem Blick. Der Gemeinschaftsraum der Finjarelles war ein grosser, luftiger Raum, der sich über die gesamte Breite der Grossen Halle erstreckte. Der Giebel ragte hoch über uns auf und von den Dachsparren hingen grosse, runde Kerzenleuchter, die den Raum erhellten. Zu beiden Seiten des Dachbodens boten Lukarnenfenster einen atemberaubenden Ausblick über die Ländereien: Unter dem fahlen, perlmuttgrauen Novemberhimmel, der jeden Morgen schwere Fröste und eisige Luft brachte, sah man bis zu den Bergen hinter dem Verbotenen Wald, die in den letzten Tagen langsam Schneekuppen bekommen hatten. Unter den Fenstern zogen sich zu beiden Seiten Bücherregale entlang. In der Mitte des Raumes standen Sessel und Sofas, Tische und Stühle – und etwas zur Seite geschoben einige zusammengeschobene Tische mit abenteuerlichen Versuchsaufbauten. An der Stirnseite des Raumes war ein grosser Kamin, in dem ein gemütliches Feuer loderte und zu beiden Seiten hingen grosse Banner, die einen Raben auf weissem Grund zeigten – das Wappen der Finjarelles. Über dem Kamin schliesslich hing ein grosses Portrait von Finëa, das sich bewegte, wie alle Portraits in Hogwarts es taten, doch dieses hier war anders: Finëa wandte sich nicht nur unserer kleinen Gruppe zu, kurz darauf verliess sie ihr Portrait und kam vom Kamin her auf uns zu, lachend über Tristans erschrockenen Gesichtsausdruck.
«Willkommen im Haus Finjarelle, Tristan. Ich bin Professor Finëa di Finjarelle, fünfte Gründerin von Hogwarts und derzeit Hauslehrerin meines Hauses», begrüsste sie ihren neusten Schüler. «Es freut mich, dass du da bist. Adrienne meinte, du brauchst Hilfe im Umgang mit deiner Gabe?»
Tristan nickte unsicher.
«Keine Sorge, du wirst dich daran gewöhnen, was es bedeutet, ein Schüler des Hauses Finjarelle zu sein. Es ist nicht gross anders als bei den Slytherins, aber hier wirst du nicht ausgelacht oder geärgert werden aufgrund deiner Gaben, sondern man wird dich akzeptieren und du wirst lernen, sie zu beherrschen», versprach Finëa und streckte Tristan eine Hand entgegen.
Dieser sah die Hand skeptisch an. «Aber ich will kein Finjarelle-Schüler sein. Der Sprechende Hut hat mich nach Slytherin geschickt», protestierte er.
Finëa lachte erneut. «Mir hat der Hut gesagt, dass du dich am besten für Finjarelle eignest, aber da es das Haus Finjarelle offiziell nicht gibst, musste er dich natürlich in ein anderes Haus stecken. Fürs Erste zumindest ...»
Misstrauisch sah Tristan Finëa an.
«Keine Sorge, du wirst weiterhin im Gemeinschaftsraum der Slytherins wohnen, mit den Slytherins den Unterricht besuchen, an ihrem Haustisch sitzen und ihr Wappen tragen – genau wie Kaspar und Adrienne bei den Gryffindors sind und Luna Lovegood bei den Ravenclaws», versicherte Finëa ihm. «Aber du bist auch ein Finjarelle, Tristan. Als deine Hauslehrerin ist es meine Aufgabe, deine besonderen Talente zu fördern und das werde ich tun. Du besitzt ein besonderes Talent für Magie, Tristan, ein Talent das weit über alles hinausgeht, von dem gewöhnliche Hexen und Zauberer auch nur träumen können.»
Zweifelnd beobachtete Tristan Finëa. Sein Blick sagte klar, was er dachte: Seiner Meinung nach war dieses Talent nichts, was man sich erträumte – es war ein Fluch.
Finëa ging nicht darauf ein.
«Du kannst die Magie fühlen, habe ich nicht recht? Du spürst, wenn jemand in deiner Nähe zaubert. Und manchmal siehst du auch, wenn jemand an einem entfernten Ort zaubert – dann bekommst du für einen kurzen Moment nichts mehr mit von dem, was um dich herum geschieht. Du hast Unfälle deswegen, verpasst wichtige Dinge im Unterricht und wirst von den anderen ausgelacht», zählte Finëa auf. Tristans Gesicht wurde bei jedem ihrer Worte finsterer. «Ich vermute, deshalb hast du Wahrsagen gewählt, in der Hoffnung diese 'Visionen' besser zu verstehen. Sie haben jedoch nichts mit der Gabe eines Sehers zu tun – was du tust, ist ganz anders. Unglaublich. Geradezu unerhört.» Finëa sah ihn scharf an. «Du, Tristan, du verbindest deine Wahrnehmung mit dem Weltenstrom. Du greifst auf seine Magie zu; aber du kannst es nicht kontrollieren.»
Ungläubig sah Tristan Finëa an und er war da nicht der einzige. Kaspar, Jessie und ich starrten die verstorbene Fey ebenso mit offenen Mündern an. Den Weltenstrom? Tristan sollte auf den Weltenstrom zugreifen können? Einfach so? Ich wusste, dass es möglich war, durch ein Ritual auf die Ströme der Magie zuzugreifen, die weit unter uns die ganze Welt durchzogen. Wo sich diese Ströme kreuzten, waren Orte grosser Macht, sogenannte Kraftorte. Manche dieser Orte waren so erfüllt von der Kraft der Weltenströme, dass sogar Muggel sie fühlen konnten. Oft hatte man an solchen Orten Kirchen gebaut – oder Ritualstätten und Steinkreise. Der Steinkreis im Verbotenen Wald bezeichnete einen solchen Ort.
«Nun komm, Tristan, fürs Erste werde ich dir beibringen, die Weltenströme ganz bewusst wahrzunehmen», entschied Finëa. «Stell deine Schultasche beiseite und dann komm hierher in den Zirkel», sagte sie und deutete auf einen grossen, weissen Kreis direkt vor dem Kamin. «Im Zirkel lässt es sich leichter grosse Magie praktizieren. Und ihr drei», wandte sie sich an Kaspar, Jessie und mich, «habt ihr nicht irgendwelche Hausaufgaben zu erledigen?»
Wir nickten grinsend und setzten uns dann an einen der Tische und begannen, unsere Schulsachen auszubreiten. Professor McGonagall hatte uns einen komplizierten Aufsatz über Beschwörungszauber aufgegeben. Dasselbe Thema sollten wir für Professor Finjarelle theoretisch beleuchten, während mein Vater einen zwei Fuss langen Aufsatz über Amortentia wünschte und Professor Sprout eine Zusammenstellung aller schottischer Moorpflanzen mit Heilwirkung wollte. Für Professor Umbridge mussten wir weiter in diesem stinklangweiligen Buch lesen, Professor Vektor hatte uns einen ganzen Stapel komplizierter Arithmantik-Berechnungen aufgegeben und von Professor Babbling hatten wir einen besonders langen Runentext bekommen, den es zu Übersetzen galt. Nur Professor Flitwick war einigermassen gnädig gewesen und liess uns nur verschiedene Zauber üben. Und dann war da natürlich noch unsere Vertiefungsarbeit, an der wir arbeiten mussten – ich würde meine zum Thema Fluchbrechen schreiben. Ich war aber auch selbst schuld, so viele Fächer belegt zu haben.
Der Morgen des ersten Quidditchspiels dämmerte kalt und klar herauf, doch das eisige Wetter tat der Vorfreude auf das Spiel keinen Abbruch. Die Grosse Halle war voller lautem Stimmengewirr und die Stimmung war ausgelassener als üblich. Wo man hin sah, entdeckte man entweder rote Löwen- oder grüne Schlangenbanner – wobei erstere deutlich überhand nahmen, da sich die meisten Hufflepuffs und Ravenclaws auf die Seite der Gryffindors schlugen. Die Slytherins stellten sich dem entgegen, indem sie umso lauter und enthusiastischer ihre Mannschaftskameraden anfeuerten und die Gryffindorspieler ausbuhten, sobald diese die Halle betraten. Kaspar und ich setzten uns zu den anderen Siebtklässlern, will heissen: zur Hälfte unseres Quidditchteams und dem Stadionsprecher. Katie sass ebenfalls dabei, nur Harry und Ron hatten sich neben Hermine gesetzt. Es dauerte nicht lange, bis Angelina ihre Mannschaft aufscheuchte und zum Quidditchstadion hinabführte. Kaspar und ich blieben sitzen – keiner von uns verspürte den Drang früher als unbedingt notwendig in die Eiseskälte draussen zu kommen. Schliesslich wurde es aber auch für uns Zeit und wir folgten den anderen Schülern nach draussen.
Fest eingemummelt in unsere Winterumhänge und die Drachenhandschuhe übergezogen, bahnten wir uns einen Weg die Treppen hinauf auf die Tribünen. Kaspar und ich nahmen weder in der Slytherin-Kurve – natürlich nicht – noch in der Fankurve der Gryffindors Platz, ein alter Kompromiss, damit wir gemeinsam mit Jessie das Spiel verfolgen konnten. Einige Plätze weiter liessen sich Patrick O'Connor und Elias Montan nieder. Elias schien ziemlich gelangweilt, ja sogar verärgert über den ganzen Trubel, während Patrick noch hibbeliger als üblich auf das Spielfeld hinab sah, wo nun die beiden Mannschaften aufmarschierten.
«Für die Gryffindors: Kapitänin Angelina Johnson, Alicia Spinnet und Katie Bell als Jäger, die Zwillinge Fred und George Weasley als Treiber, ihr Bruder Ronald Weasley als Hüter und als Sucher Harry Potter!», rief Lee als Stadionsprecher die Spieler auf. «Für die Slytherins: Kapitän William Montague, Clemens Warrington und Adrian Pucey als Jäger, Vincent Crabbe und Gregory Goyle als Treiber. Als Hüter Miles Bletchley und als Sucher Draco Malfoy!»
Die Kapitäne gaben sich die Hand, dann bestiegen alle ihre Besen und auf Madam Hoochs Pfiff hin, die die Schiedsrichterin machte, wurden die Bälle freigelassen und die Spieler schossen in die Höhe.
Angelina eroberte sofort den Quaffel und legte los; Lee als Stadionsprecher war voll in seinem Element: «Und das ist Johnson – Johnson mit dem Quaffel, was für eine Spielerin ist dieses Mädchen, ich sag das schon seit Jahren, aber sie will immer noch nicht mit mir ausgehen –»
«JORDAN!», schrie Professor McGonagall mahnend dazwischen.
«– nur 'ne Spassnachricht, Professor, ist doch ganz interessant – und sie ist unter Warrington durch, hat Montague stehen lassen, sie – autsch – hat einen Klatscher von Crabbe von hinten abgekriegt ... Montague fängt den Quaffel, Montague fliegt zurück übers Feld und – hübscher Klatscher war das jetzt von George Weasley, Klatscher an den Kopf von Montague, der lässt den Quaffel fallen, Katie Bell fängt ihn, Katie Bell aus Gryffindor gibt einen Rückpass zu Alicia Spinnet und Spinnet ist auf und davon –», rief Lee, während das ganze Stadion tobte: Alle schrien und buhten, feuerten an und sangen.
«– saust an Warrington vorbei, weicht einem Klatscher aus – war knapp, Alicia – und die Leute lieben das, hören wir ihnen einfach mal zu, was singen sie denn?»
Lee hielt inne, um zu lauschen und der zuvor in all dem Trubel nur undeutlich zu verstehende Gesang stieg nun laut und klar aus dem grünsilbernen Meer in der Slytherin-Kurve empor:
«Weasley fängt doch nie ein Ding,
schützt ja keinen einz'gen Ring,
so singen wir von Slytherin:
Weasley ist unser King.
Weasley ist dumm wie 'n Plumpudding,
lässt jeden Quaffel durch den Ring.
Weasley sorgt für unsern Gewinn,
Weasley ist unser King.»
«– und Alicia gibt zurück zu Angelina!», rief Lee hastig und lauter als sonst, um den Gesang zu übertönen.
«Das ist wirklich unfair! So was macht man nicht!», regte sich Patrick ein paar Plätze weiter auf.
«Sie versuchen nur Weasleys Selbstvertrauen zu untergraben, das ist eine vollkommen sinnvolle Strategie», erläuterte Elias gelassen.
«Es ist trotzdem nicht richtig!», mischte sich Kaspar verärgert ein. «Patrick hat recht, so was gehört sich nicht.»
«Wir werden ja sehen, ob es funktioniert ...», meinte Elias.
Unterdessen ging das Spiel weiter und Angelina war auf direktem Weg zu den Ringen: «Komm schon, Angelina – sieht aus als wäre sie frei vor dem Hüter! – SIE SCHIESST – SIE –aaaah ...»
Der Hüter der Slytherins, Bletchley, hatte den Schuss abgefangen und warf den Quaffel Warrington zu, der damit im Zickzack zwischen Alicia und Katie davonraste, während der Hohngesang weiter anschwoll.
«Wenn schon, dann müsste es heissen 'Bletchley ist dumm wie 'n Plumpudding'», spottete Jessie über ihren eigenen Hauskameraden. «Sind wir ehrlich: Quidditch ist das Einzige, von dem der Idiot halbwegs etwas versteht. Ich war jedes Jahr überrascht, dass er die Jahresendprüfungen bestanden hat, und noch überraschter war ich, als ich ihn Anfang letztes Jahr in Hogwarts getroffen habe.»
Fragend sah ich meine beste Freundin an.
«Er hat nur zwei ZAGs geschafft und beide nur mit Ach und Krach», erklärte Jessie. «Ich hätte nicht gedacht, dass sie ihn überhaupt für das UTZ-Niveau zulassen.»
«Jetzt werden wir's gleich sehen ...», sagte Elias zu Patrick und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder aufs Spiel.
«– und da ist Warrington mit dem Quaffel, Warrington auf dem Weg zum Tor, ausser Reichweite der Klatscher, hat nur noch den Hüter vor sich –»
Der Gesang der Slytherins schwoll weiter an und Lee musste ins magische Megaphon schreien, damit er noch zu hören war: «Das ist nun die erste Bewährungsprobe für den neuen Gryffindor-Hüter Weasley, Bruder der Treiber Fred und George und vielversprechendes neues Talent in der Mannschaft – komm schon, Ron!»
Aber Ron hielt nicht: Er war hektisch nach unten gestürzt, die Arme weit ausgebreitet – und der Klatscher war direkt zwischen seinen Armen hindurch in den Mittelring gesaust.
«Tor für Slytherin!», drang Lees Stimme durch das Jubeln und Buhen und den weiter anschwellenden Gesang:
«WEASLEY IST DUMM WIE 'N PLUMPUDDING
LÄSST JEDEN QUAFFEL DURCH DEN RING ...»
«Ich würde sagen, es hat funktioniert», resümierte Elias die Strategie der Slytherins zufrieden, während Lee weiter tapfer gegen den Gesang anbrüllte.
«WEASLEY SORGT FÜR UNSERN GEWINN,
WEASLEY IST UNSER KING ...»
Aber Lee war nicht der Einzige der brüllte. Ich brüllte auch – zum einen, weil ich anders nicht zu verstehen gewesen wäre, und zum anderen, weil ich mich gerade dermassen ärgerte. «Sag mal, hast du sie noch alle?!», schrie ich Elias an. «Das ist einfach nur gemein und hinterhältig, unfair ..., unanständig ..., beleidigend ..., respektlos ...!» Mir gingen die Adjektive aus.
Elias liess sich von meinen Worten nicht irritieren. «Natürlich ist es das, aber es gibt keine Regel, die es untersagt, die gegnerischen Spieler zu beleidigen und zu verhöhnen. Damit müssen sie schon fertig werden ... und Weasley wird damit nicht fertig. Euren Hüter könnt ihr vergessen.»
Wütend funkelte ich ihn an, auch wenn ich wusste, dass Elias recht hatte.
«– und wieder hat ihn Warrington», brüllte Lee, «der an Pucey abgibt, Pucey ist an Spinnet vorbei, nun mach schon, Angelina, du packst ihn – also doch nicht – aber hübscher Klatscher von Fred Weasley, ich meine, George Weasley, ach, was soll's, einer der beiden jedenfalls, und Pucey lässt den Quaffel fallen und Katie Bell – ähm – lässt ihn auch wallen – und wieder Montague mit dem Quaffel, Slytherin-Kapitän Montague fängt den Quaffel und er fliegt davon, das Feld hoch, nun aber los, Gryffindors, lasst ihn auflaufen!»
Aber Ron liess den Quaffel durch. Jubel und Hohngeschrei von den Slytherins, kollektives Stöhnen von den Gryffindor-Fans.
«– und Pucey ist wieder an Alicia vorbei und auf direktem Weg zum Tor, halt ihn auf Ron!»
Und wieder hielt Ron nicht. Wenn das so weiter ging, würden die Slytherins uns platt machen, wie sie es immer gross rumposaunten, aber seit Jahren nicht geschafft hatten. Nun, auch ein blindes Huhn fand wohl einmal ein Korn ... auch wenn es nicht unbedingt bei diesem Spiel hätte sein müssen ... Aber dann ...
«– und Katie Bell von Gryffindor umfliegt Pucey, täuscht Montague an, hübscher Schlenker, Katie, und sie wirft zu Johnson, Angelina Johnson übernimmt den Quaffel, sie ist an Warrington vorbei, auf dem Weg zum Tor, nun mach schon, Angelina – TOR FÜR GRYFFINDOR! Es steht vierzig zu zehn, vierzig zu zehn für Slytherin und Pucey hat den Quaffel ...»
Dieses Mal kam der Radau endlich einmal von den Gryffindor-Fans, untermalt vom furchteinflössenden Brüllen eines Löwen. Erschrocken sah ich mich um, wie so viele andere auch, und entdeckte einige Bankreihen weiter vorne Luna Lovegood mit einem Hut, der einen lebensgrossen Löwenkopf darstellte und bedrohlich brüllte.
«– Pucey wirft zu Warrington, Warrington zu Montague, Montague zurück zu Pucey – Johnson greift ein, Johnson übernimmt den Quaffel, Johnson an Bell, das sieht gut aus – ich meine, schlecht – ein Klatscher von Goyle aus Slytherin trifft Bell und wieder ist Pucey im Ballbesitz ... Moment, was ist das? Harry Potter, Sucher der Gryffindors, schiesst auf seinem Feuerblitz los, er muss den Schnatz gesehen haben, und nun folgt ihm Malfoy ... dort unten, kaum zusehen, am Fusse der Torstangen flattert etwas Goldenes ... Seht ihr es?», rief Lee aufgeregt.
Kopf an Kopf mit Malfoy fegte mein Bruder übers Feld, beide die Hand ausgestreckt ... ein letzter Richtungswechsel ... und Harry zog seinen Besen nach oben, seine Hand mit dem Schnatz triumphierend in die Höhe gestreckt. Ein Blick auf den Punktestand ... der Schnatzfang durch Harry hatte den Rückstand restlos aufgeholt und Gryffindor hatte gewonnen! Wie der grösste Teil des Publikums sprang ich auf und klatschte euphorisch. Lunas Löwenhut brüllte, was der Zauber hergab, Patrick skandierte genau wie Lee: «Sieg für Gryffindor! Sieg für Gryffindor! SIEG FÜR GRYFFINDOR!» und Kaspar gab Jessie einen überschwänglichen Kuss.
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