32. Kapitel
Als ich erwachte, stürzte alles wieder auf mich ein. Cedric! Cedric! Ich musst zu Cedric! Ich musste zu ihm! Er konnte nicht tot sein! Ich musste ihn aufwecken!
Ich sprang auf, doch starke Hände, die genauso fest zitterten wie meine, hielten mich fest und drückten mich auf ein Bett.
«Geben Sie Adrienne den Beruhigungstrank! Nicht mir!», knurrte Gawain.
«Ich gebe ihn Adrienne, wenn Sie Ihren trinken, Mr Carlion. Runter damit.» Die resolute Stimme gehörte Madam Pomfrey.
«Nein!», sagte Gawain stur.
«Gib ihn mir, Poppy.» Das war die ruhige Stimme meines Vaters, der sich gleich darauf über mich beugte. «Du musst dich beruhigen, Adrienne. Trink das.» Sev reichte mir eine Phiole. «Es ist ein Beruhigungstrank. Er wird dir helfen, wieder klar zu denken.»
Ich wollte nicht klar denken, ich wollte zu Cedric. Aber ich wusste genau, dass mein Vater mich nicht gehen lassen würde, bevor ich diesen Trank getrunken hatte. Verärgert riss ich ihm die Phiole aus der Hand und stürzte ihren Inhalt in einem Zug hinunter. Die Wirkung setzte augenblicklich ein: Mein Atem wurde ruhiger, ich verspürte nicht länger den Drang, um mich zu schlagen und meine Gedanken wurden klarer ... was die Sache aber nicht besser machte. Langsam wurde mir bewusst, was geschehen war ..., dass Cedric tot war ...
«Und jetzt Sie, Mr Carlion!», befahl Madam Pomfrey und flösste Gawain ebenfalls eine Phiole Beruhigungstrank ein, bevor sie ihn auf ein Bett neben mir verfrachtet.
Erstaunt sah ich mich um: Ich war im Krankenflügel. Und anders als sonst schien hier rege Aktivität zu herrschen.
«Madam Pomfrey, wo ist Harry?», rief eine beunruhigte Mrs Weasley.
Genau. Harry. An meinen Bruder hatte ich gar nicht mehr gedacht.
Doch Madam Pomfrey wusste nicht, wo er war.
Nur wenige Minuten später kam mein Bruder von Jake und Dumbledore gestützt in den Krankenflügel, hinter den beiden her trabte ein grosser, schwarzer Hund. Harry sah grauenhaft aus. Voller Dreck und Blut, seine Kleider an verschiedenen Stellen zerrissen und zahlreiche blutige Kratzer und Wunden.
«Harry! Oh Harry!», rief Mrs Weasley, als sie ihn sah und stürmte auf ihn zu, doch Dumbledore hob die Hand.
«Molly, bitte hören Sie mir einen Augenblick zu. Harry hat heute Abend Schreckliches durchlitten. Und er musste es eben für mich noch einmal in allen Einzelheiten schildern. Was er jetzt braucht, ist Schlaf, Ruhe und Frieden. Wenn er möchte, dass ihr alle bei ihm bleibt», fügte er mit Blick auf Ron, Hermine und Bill zu, die sich ebenfalls im Krankenflügel drängten, «dann tut es. Aber ich will, dass ihr ihm erst Fragen stellt, wenn er bereit ist zu reden, und gewiss nicht mehr heute Abend.»
Die vier nickten.
«Jake, ich nehme an, du bleibst auch ...?», fragte Dumbledore.
«Natürlich!», sagte Jake.
«Direktor», sagte Madam Pomfrey mit starrem Blick auf den grossen, schwarzen Hund. «Darf ich fragen, was –»
«Dieser Hund wird eine Weile bei Harry bleiben», sagte Dumbledore knapp. «Ich versichere Ihnen, er ist sehr gut erzogen.»
Während Madam Pomfrey Harry ein Bett aussuchte – eines ganz in der Nähe von meinem – und ihm dann einen Pyjama gab und Harry sich umzog, wandte Dumbledore sich zu meiner kleinen Gruppe zu, bestehend aus mir, meinem Vater und Gawain, der nur noch halbwach auf dem Bett neben meinem lag.
«Adrienne, Kathleen musste in einer dringlichen Angelegenheit nach London zurückkehren; wir werden später sicher in Ruhe darüber sprechen können. Severus, bitte begleiten Sie mich, ich muss mit Ihnen sprechen.»
«Natürlich, Direktor», sagte mein Vater und folgte dem Schulleiter, als dieser den Krankenflügel verliess und die Tür hinter sich schloss.
Kaum waren die beiden aus dem Raum, kamen Jake und der schwarze Hund zu mir herüber.
«Alles gut?», fragte Jake und strich über meine roten Locken, die ich von Lily geerbt hatte. Ich konnte nur müde nicken.
Der Hund bellte leise und stiess mich dann mit der Schnauze an, wie um mir zu sagen, ich solle gefälligst aufstehen.
«Von wegen gut erzogen», murmelte ich müde.
Jake lachte, während Sirius beleidigt guckte.
Ich musste eingeschlafen sein, denn laute Stimmen weckten mich.
«Wie geht es dir, Adrienne?», hörte ich Jessies Stimme direkt neben mir. Sie und Kaspar hatten sich neben mein Bett gesetzt, während ich geschlafen hatte. Jake und Sirius sassen wieder neben Harrys Bett. Und Gawain schlief im Bett neben mir. Er sah genauso müde und erschöpft aus, wie ich mich fühlte.
Aufgebrachte Stimmen und das Geräusch von Schritten näherten sich dem Krankenflügel. Die Tür wurde aufgestossen und knallte mit einem lauten BENG gegen die Wand.
«Bedauerlich zwar, gleichwohl, Minerva –» War das die Stimme des Zaubereiministers Cornelius Fudge?
Die zweite Stimme erkannte ich jedoch sofort: «Sie hätten es niemals mit ins Schloss bringen dürfen!», rief Professor McGonagall. «Wenn Dumbledore das erfährt –»
Der Zaubereiminister schritt zügig durch den Krankensaal und sah sich um. Ihm auf den Fersen folgten Professor McGonagall und mein Vater.
«Wo ist Dumbledore?», fragte der Minister Mrs Weasley.
«Er ist nicht hier», antwortete Mrs Weasley erzürnt. «Dies ist ein Krankensaal, Minister, denken Sie nicht, es wäre besser –»
Die Tür schwang erneut auf – diesmal ohne gegen die Wand zu knallen – und Dumbledore kam herein gerauscht.
«Was ist passiert?», fragte er in scharfem Ton sah zwischen Professor McGonagall und dem Zaubereiminister hin und her. «Warum stören Sie die Ruhe? Minerva, ich bin überrascht, Sie hier zu sehen – ich hatte Sie gebeten, Barty Crouch zu bewachen –»
Der Turnierrichter? Weshalb musste er bewacht werden? Wieso war er hier, nahm aber nicht als Richter am Turnier teil?
«Es ist nicht mehr nötig, ihn zu bewachen, Dumbledore!», entgegnete Professor McGonagall schrill. «Dafür hat der Minister gesorgt!»
Noch nie hatte ich Professor McGonagall so ausser sich gesehen. Flammend rote Flecken waren auf ihren Wangen zu sehen, ihre Hände waren zu Fäusten geballt und sie bebte vor Zorn.
«Als wir Mr Fudge mitteilten, wir hätten den Todesser gefangen, der für die Geschehnisse dieser Nacht verantwortlich war», sagte mein Vater in gedämpftem Ton, «da glaubte er offenbar, seine eigene Sicherheit sei gefährdet. Er bestand darauf, einen Dementor zu rufen, der ihn zum Schloss begleitete. Er brachte ihn mit in das Büro, in dem Barty Crouch –»
«Ich hatte ihm laut und deutlich gesagt, dass Sie nicht damit einverstanden seien, Dumbledore!», brauste Professor McGonagall auf. «Ich hatte ihm gesagt, Sie würden es niemals erlauben, dass Dementoren das Schloss betreten, aber –»
«Meine Verehrteste!», dröhnte Fudge, der ebenfalls zornig wirkte, wenn auch bei Weitem nicht so in Rage wie Professor McGonagall. «Als Zaubereiminister steht mir allein die Entscheidung zu, ob ich jemandem zu meinem Schutz mitbringe, wenn ich einen möglicherweise gefährlichen –»
Doch Professor McGonagalls Stimme liess die von Fudge untergehen: «Kaum hat dieses ... dieses Etwas das Büro betreten», schrie sie und deutete am ganzen Leib bebend auf Fudge, «da stürzte es sich auf Crouch und ... und ...»
Professor McGonagall rang nach Worten, um zu beschreiben, was sie gesehen hatte. Ich konnte mir recht gut vorstellen, was passiert war: Der Dementor hatte Mr Crouch geküsst. Blieb nur die Frage wieso? Das Crouch ein Todesser war konnte ich mir nicht vorstellen. Es passte einfach nicht. Dann eher Moody, der versucht hatte, mich zu töten. Er war viel wahrscheinlicher als der strenge, über korrekte Mr Crouch, der sogar das ganze Regelwerk des Trimagischen Turniers auswendig kannte. Eine Person, die derart regelversessen war, konnte doch unmöglich ein Todesser sein. Es ergab einfach keinen Sinn.
«Nach allem, was wir wissen, ist er sicher kein grosser Verlust!», polterte Fudge. «Offenbar war er für mehrere Morde verantwortlich!»
Es wurde immer verwirrender.
«Aber jetzt kann er nicht mehr aussagen, Cornelius», sagte Dumbledore. Er sah Fudge scharf an, stellte einen Blick zur Schau, der mich sehr an meine Ma erinnerte. «Er kann uns jetzt nicht mehr sagen, warum er diese Menschen getötet hat.»
Fudge liess sich nicht einschüchtern. «Warum er sie getötet hatte?», polterte er. «Da braucht man doch nicht lange zu rätseln! Er war ein durchgeknallter Irrer! Laut Minerva und Severus glaubte er offenbar, er hätte das alles auf Anweisung von Du-weisst-schon-wem getan!»
«Lord Voldemort hat ihm tatsächlich Anweisungen erteilt, Cornelius», sagte Dumbledore. «All diese Morde geschahen im Zuge eines Plans, Voldemort seine alten Kräfte zurückzugeben. Dieses Vorhaben ist gelungen. Voldemort hat seinen Körper wieder.»
Entsetzte Stille machte sich breit, nur durchdrungen vom ein oder anderen nach Luft schnappen oder entsetzen Keuchen. Kaspar und Jessie neben mir sahen genauso schockiert aus, wie ich mich fühlte. Der Einzige, der keine Miene verzog, war Gawain, der trotz McGonagalls schrillen Ausrufen immer noch schlief.
«Du-weisst-schon-wer ... ist zurück?», stammelte der Zaubereiminister schliesslich und starrte Dumbledore unverwandt an. «Lächerlich. Nun hören Sie, Dumbledore ...»
«Wie Minerva und Severus Ihnen zweifellos gesagt haben», entgegnete Dumbledore, «hat Crouch vor uns ein Geständnis abgelegt. Unter dem Einfluss von Veritaserum schilderte er uns, wie er aus Askaban herausgeschmuggelt wurde und wie Voldemort – der über Bertha Jorkins von Crouchs Fortleben erfahren hatte – kam, um ihn aus den Händen seines Vaters zu befreien, und ihn dann einsetzte, um Harry in die Fänge zu bekommen. Und dieser Plan ist gelungen, muss ich Ihnen sagen. Crouch hat Voldemort geholfen zurückzukehren.»
Doch der Zaubereiminister wollte Dumbledore einfach nicht glauben. Stattdessen begann er gegen Harry zu ziehen, spielte darauf an, dass mein Bruder gestört war, genauso verrückt wie dieser Todesser sein musste.
«Sie haben Rita Kimmkorn gelesen, Mr Fudge», erklang die leise Stimme meines Bruders.
Der Minister errötete leicht, doch ein sturer, widerwilliger Zug trat nun auf sein Gesicht.
«Und wenn schon», sagte er mit Blick auf Dumbledore. «Was, wenn ich herausgefunden habe, dass Sie gewissen Tatsachen über den Jungen unter der Decke halten? Ein Parselmund, ja? Und ständig irgendwelche merkwürdigen Anfälle –»
Ein gefährliches Fauchen durchschnitt die Luft im Krankenflügel und der Zaubereiminister und die drei Professoren fuhren zu meiner kleinen Gruppe herum. Erst als ihrer aller Blicke auf mir lagen und die Augen des Zaubereiministers sich vor Schreck weiteten, wurde mir bewusst, dass das Fauchen von mir kam.
«Miss Norvik ...», sagte der Minister leise. «Vielleicht sollten Sie sich eher um die Mutter dieses Mädchens sorgen, Dumbledore. Kathalena Norvik war die ergebenste Anhängerin Grindelwalds. Eine grausame Mörderin und noch dazu ein Halbwesen! Sie ist kein Mensch, Dumbledore. Sie ist zu allem fähig!»
«Ich vertraue Kathleen vollkommen, Cornelius, und sie hat nichts mit der gegenwärtigen Situation zu tun. Es geht hier um Voldemort. Darum, dass er zurück ist. Darum, was nun getan werden muss», sagte Dumbledore eindringlich.
Doch der Zaubereiminister starrte ihn nur an und schüttelte, immer noch dieses seltsame, ungläubige Lächeln im Gesicht, den Kopf.
«Hören Sie doch, ich habe gesehen, dass Voldemort zurückkam!», rief Harry. «Ich habe die Todesser gesehen! Ich kann Ihnen Namen nennen! Lucius Malfoy –»
«Malfoy wurde entlastet!», sagte der Zaubereiminister sichtlich entrüstet. «Eine hoch angesehene Familie – Spenden für wohltätige Zwecke –»
Harry liess sich nicht beirren. «Mcnair!», fuhr er fort.
Mein Bruder zählte weitere Namen auf, aber der Zaubereiminister wollte nichts davon wissen.
Ich jedoch fand es ganz interessant. Jake, der neben Harry sass, ebenfalls, seinem finsteren, aber zufriedenen Gesichtsausdruck nach zu schliessen.
Wieder begann der Minister Rita Kimmkorns Artikel ins Feld zu führen, bestand darauf, dass Harrys Aussagen nicht glaubwürdig seien – haltlose Anschuldigungen – Voldemort konnte unmöglich zurück sein –
Wut stieg in meiner Brust auf und auch Professor McGonagall wurde wütend und konnte schliesslich nicht mehr an sich halten.
«Sie Dummkopf!», schrie sie. «Cedric Diggory! Mr Crouch! Diese Morde sind nicht die zufälligen Taten eines Verrückten!»
«Ich sehe keinen Beweis für das Gegenteil!», rief der Zaubereiminister nicht weniger zornig und mit scharlachrot angelaufenem Gesicht. «Mir scheint, als wären Sie alle entschlossen, eine Panik auszulösen, die all das ins Wanken bringen soll, was wir in den letzten vierzehn Jahren aufgebaut haben!»
So wie ich das sah, wankten all diese Dinge bereits. Ich glaubte meinem Bruder. Wenn er sagte, dass Voldemort zurück war, dann glaubte ich ihm, auch wenn ich mir fest das Gegenteil wünschte. Aber die Augen zu schliessen und den Kopf in den Sand zu stecken, wie der Zaubereiminister es offenbar bevorzugte, war keine Lösung dieses Problems. Wenn er das tat, dann würde seine angenehme Welt nur noch schneller fallen. Wenn er nichts unternahm, dann hatte er bereits verloren.
«Voldemort ist zurück», wiederholte Dumbledore. «Wenn Sie diese Tatsache unverzüglich zur Kenntnis nähmen, Fudge, und die notwendigen Schritte einleiteten, könnten wir die Lage immer noch meistern. Der erste und wichtigste Schritt ist, Askaban der Kontrolle der Dementoren zu entziehen –»
«Lächerlich!», rief der Minister. «Die Dementoren abziehen! Man würde mich aus dem Amt werfen, wenn ich so etwas vorschlagen würde! Viele von uns können nachts doch nur deshalb ruhig schlafen, weil sie wissen, dass die Dementoren in Askaban Wache halten!»
«Wir anderen schlafen nicht so ruhig, Cornelius», entgegnete Dumbledore, «denn wir wissen, dass Sie die gefährlichsten Anhänger Lord Voldemorts unter die Obhut von Kreaturen gestellt haben, die sich ihm anschliessen werden, sobald er sie dazu auffordert! Die Dementoren werden Ihnen nicht treu bleiben, Fudge! Voldemort kann diesen Kreaturen mehr Bewegungsfreiheit für ihre Kräfte und Gelüste bieten als Sie! Sobald er die Dementoren für sich gewonnen und seine alten Anhänger um sich geschart hat, werden Sie dir grösste Mühe haben, ihn auf seinem Eroberungsfeldzug zurück zu ebenjener Macht aufzuhalten, die er zuletzt vor vierzehn Jahren innegehabt hat!»
Der Zaubereiminister öffnete und schloss seinen Mund, als gäbe es keine Worte, die seinen Zorn über diese unverschämte Forderung ausdrückten.
«Der zweite Schritt, den Sie tun müssten – und zwar sofort», drängte Dumbledore weiter, «bestünde darin, Gesandte zu den Riesen zu schicken. Bieten Sie ihnen die Hand der Freundschaft an, und zwar jetzt, bevor es zu spät ist, oder Voldemort wird ihnen wie damals einreden, er sei der einzige Zauberer, der ihnen ihre Rechte und Freiheiten geben würde!»
«Gesandte zu den Riesen?», kreischte Fudge, der nun offenbar seine Sprache wiedergefunden hatte. «Was soll dieser Irrsinn? Wenn die magische Gemeinschaft davon Wind bekommt, dass ich auf die Riesen zugehen – die Leute hassen sie, Dumbledore, und das nicht ohne Grund! Sie sind grausam! Und dumm! Als nächstes schlagen Sie noch vor, wir sollen uns mit Drachen verbünden oder irgendwelchen Halbwesen wie Zentauren!»
«Die Drachen auf unsere Seite zu ziehen, wäre doch eher unrealistisch», entgegnete Dumbledore fest. «Aber Bündnisse mit anderen magischen Geschöpfen, wären ebenfalls von Vorteil. Ich habe Kathleen Seanorth bereits losgeschickt zum AZMGUK, um nach Möglichkeiten dafür zu suchen.»
«Der AZMGUK? Sie wollen den Muggeln von all diesen Lügenmärchen, die der Junge verbreitet erzählen? Sie werden sie Aufscheuchen wie ein Schwarm Bienen und unbegründete Panik verbreiten! Sie gefährden damit die Existenz unserer Welt!»
«Sie sind mit Blindheit geschlagen», sagte Dumbledore mit erhobener Stimme und glühenden Augen. Eine Aura der Macht umgab ihn, stark und bedrohlich wie die Aura der Fey und beinahe genauso einschüchternd. «Geblendet durch Ihren Ehrgeiz, Cornelius! Wie immer legen Sie zu viel Wert auf die sogenannte Reinheit des Blutes! Sie sehen einfach nicht, dass es nicht darauf ankommt, als was jemand geboren ist, sondern darauf, was aus ihm wird! Ihr Dementor hat soeben den letzten Spross einer unserer ältesten reinblütigen Familien zerstört – und sehen Sie doch, was dieser junge Mann willentlich aus seinem Leben gemacht hat! Ich sage es Ihnen noch einmal – tun Sie, was ich Ihnen vorgeschlagen habe, und in Ihrem Ministerium und draussen in der Zaubererwelt wird man Sie als einen unserer kühnsten und grössten Zaubereiminister in Erinnerung behalten. Legen Sie die Hände in den Schoss – dann werden Sie in die Geschichte eingehen als der Mann, der beiseite trat und Voldemort eine zweite Möglichkeit bot, die Welt zu vernichten, die wir wieder aufzubauen versuchten!»
«Verrückt», flüsterte der Zaubereiminister und wich zurück. «Wahnsinnig ...»
Stille trat ein. Alle Anwesenden schienen erstarrt zu sein unter Dumbledores Worten und dieser Aura der Macht, die vertraut und fremdartig den ganzen Raum erfüllte. Alle starrten Dumbledore und den Zaubereiminister an.
«Wenn Ihr Wille, die Augen zu verschliessen, Sie so weit bringt, Cornelius», sagte Dumbledore, «dann trennen sich nun unsere Wege. Sie müssen tun, was Sie für richtig halten. Und ich – ich werde tun, was ich für richtig halte.»
In Dumbledores Stimme lag nicht die Spur einer Drohung; es war eher Resignation.
Doch der Zaubereiminister brauste auf: «Jetzt reicht es aber, Dumbledore! Ich habe Ihnen immer freie Hand gelassen. Ich hatte eine Menge Hochachtung vor Ihnen. Ich war vielleicht mit einigen Ihrer Entscheidungen nicht einverstanden, doch ich habe den Mund gehalten. So ohne weiteres hätte kein anderer Ihnen erlaubt, Werwölfe einzustellen oder Hagrid zu behalten oder selbst zu entscheiden, was Sie Ihren Schülern beibringen, ohne Rücksprache mit dem Ministerium. Doch wenn Sie jetzt gegen mich arbeiten wollen –»
«Der Einzige, gegen den ich zu arbeiten gedenke», entgegnete Dumbledore», ist Lord Voldemort. Wenn Sie gegen ihn sind, Cornelius, dann bleiben wir auf derselben Seite.»
Offenbar fiel dem Zaubereiminister darauf keine Erwiderung ein. Er wippte eine Weile auf seinen kleinen Füssen und drehte seinen Bowler in den Händen.
Als er schliesslich den Mund aufmachte, lag etwas Flehendes in seiner Stimme: «Er kann nicht zurück sein, Dumbledore, das ist unmöglich ...»
Mein Vater trat vor, ging an Dumbledore vorbei und krempelte seinen rechten Ärmel hoch. Er streckte seinen Unterarm aus und zeigte ihn dem zurückschreckenden Fudge. Ich wusste genau, was dort zu sehen war.
«Hier, sehen Sie», sagte mein Vater barsch. «Hier. Das Dunkle Mal. Es ist nicht mehr so deutlich, wie es vor gut einer Stunde war, als es dunkelrot glühte, aber Sie können es noch immer sehen. Der dunkle Lord hatte jedem Todesser dieses Zeichen eingebrannt. Es diente uns als Erkennungszeichen und er benutzte es auch, um uns zu sich zu rufen. Wenn er das Mal irgendeines Todessers berührte, mussten wir sofort an seine Seite apparieren. Dieses Zeichen hier ist das ganze Jahr über deutlicher geworden. Wie auch das von Karkaroff. Warum, glauben Sie, ist Karkaroff heute Nacht geflohen? Wir beide spürten das Mal brennen. Wir beide wussten, dass er zurückgekehrt war. Karkaroff fürchtet die Rache des dunklen Lords. Er hat zu viele seiner Gefolgsleute verraten und weiss, dass sie ihn nicht mir offenen Armen empfangen werden.»
Der Minister wich vor meinem Vater zurück und schüttelte den Kopf. Er schien kein Wort von dem aufgenommen zu haben, was mein Vater gesagt hatte. Stattdessen starrte er angewidert auf das hässliche Mal an seinem Arm.
Mein Vater schob den Ärmel wieder nach unten und fing dann meinen Blick auf. In seinen Augen erschien ein trauriges Lächeln voller Schuldgefühle und Resignation.
Mein Blick huschte hinüber zu Jake, der so aussah, als würde er gleich explodieren, und meinen Vater mit brennendem Blick beobachtete. In seiner Miene sah ich mehr Hass als jemals zuvor.
Mittlerweile hatte der Zaubereiminister wutschnaubend den Krankenflügel verlassen.
Dumbledore wandte sich nun uns zu.
«Es gibt einiges zu tun», sagte er. «Molly ... ich glaube wohl zu Recht, dass ich auf Sie und Arthur zählen kann?»
Mrs Weasley bestätigte entschlossen.
«Dann muss ich Arthur eine Botschaft schicken», sagte Dumbledore. «Alle, die wir von der Wahrheit überzeugen können, müssen sofort benachrichtigt werden, und Arthur hat den richtigen Posten, um mit den Leuten im Ministerium Verbindung aufzunehmen, die nicht so kurzsichtig sind wie Cornelius.»
«Ich gehe zu Dad», sagte Bill und stand auf. «Und zwar sofort.»
«Bestens», sagte Dumbledore und nach einigen weiteren Worten und der Mahnung zur Verschwiegenheit verliess Bill den Krankenflügel.
Dumbledore wandte sich an Professor McGonagall und bat sie, Hagrid und, wenn sie denn einverstanden war auch Madame Maxime, in sein Büro hochzubringen. Vermutlich die Gesandten, die er zu den Riesen schicken wollte.
Madam Pomfrey wurde beauftragt, in Professor Moodys Büro zu gehen, wo sie eine Hauselfe namens Winky finden würde, um die sie sich kümmern sollte.
Dumbledore vergewisserte sich, ob die Tür verschlossen war, nachdem Madam Pomfrey den Krankenflügel verlassen hatte, bevor er erneut die Stimme erhob.
«Und nun», sagte er, «ist es an der Zeit, dass zwei der hier Anwesenden preisgeben, wer sie wirklich sind. Sirius ... James ...»
Der grosse schwarze Hund sah zu Dumbledore auf, dann verwandelte er sich in Sekundenschnelle in einen ausgewachsenen Mann.
Mrs Weasley schrie auf und sprang von Harrys Bett zurück. «Sirius Black!», kreischte sie und deutete mit dem Finger auf den Animagus.
Ron versuchte, sie zu beruhigen.
Mein Vater hatte nicht geschrien und war auch nicht zurückgewichen, aber auf seinem Gesicht war eine Mischung aus Zorn und Entsetzen zu sehen, als er seines alten Schulfeinds ansichtig wurde.
«Der!», raunzte er und starrte Sirius an, dem nicht weniger Abscheu ins Gesicht geschrieben stand. «Was tut der hier!»
«Er ist meiner Einladung gefolgt», sagte Dumbledore und sah die beiden abwechselnd an, «wie auch Sie, Severus. Ich vertraue euch beiden. Es ist an der Zeit, dass ihr die alten Streitigkeiten begrabt und euch gegenseitig vertraut.»
Die beiden beäugten sich lauernd.
«Fürs Erste», sagte Dumbledore mit einer Spur Ungeduld in der Stimme, «gebe ich mich auch mit dem Verzicht auf offene Feindseligkeiten zufrieden. Ihr werdet euch jetzt die Hände reichen. Ihr seid jetzt auf derselben Seite. Die Zeit ist knapp, und wenn die wenigen von uns, die die Wahrheit kennen, nicht zusammenhalten, gibt es für keinen von uns Hoffnung.»
Doch weder Sirius noch mein Vater bewegten sich auch nur einen Zentimeter.
«Jetzt gib dir einen Ruck, Tatze, Dumbledore hat Recht», sagte Jake und trat vor. Er hatte den falschen Bart verschwinden lassen und sein Haar hatte wieder seine normale, kohlrabenschwarze Farbe angenommen. Wie er so neben Harrys Bett stand, sah er aus wie der Doppelgänger meines Bruders, nur ein bisschen älter.
Als mein Vater ihn bemerkte, verloren seine zuvor wutgeröteten Wangen ihre Farbe und er wurde kreideweiss. Augen und Mund entsetzt aufgerissen, wich er zurück. «Du ... nein ... das kann nicht ... unmöglich ...», stotterte er. «Ich ... habe dich gesehen ... war da ... habe nach Lily gesucht ... Du bist tot! Ich habe deinen Leichnam gesehen!»
«Ich fühle mich ausgesprochen lebendig, danke der Nachfrage», sagte Jake grinsend und streckte meinem Vater dann die Hand entgegen. «Friede?»
Sev starrte die Hand ungläubig an und Sirius sagte: «Das kann nicht dein Ernst sein, Krone! Bist du übergeschnappt?»
«Dumbledore hat Recht, Tatze. Wir können es uns nicht leisten, Zeit mit kindischen Streitereien zu vergeuden.»
Sirius sah seinen besten Freund vollkommen schockiert an, während Jake sich wieder meinem Vater zuwandte.
«Ich meine es ernst, Severus», sagte er fest. «Für Lily und für Adrienne.»
Langsam trat Sev näher und legte schliesslich seine Hand in die von Jake. Jake hielt sie fest.
«Es tut mir leid, all dieser Blödsinn, den wir in der Schule getan haben, diese ganzen Streiche, Beleidigungen, ... Es war dumm ... und falsch ... und es tut mir leid. Friede?»
Sev sah Jake an, als habe er ihn noch nie zuvor gesehen, dann erwiderte er heiser: «Friede.»
«Du bist wahnsinnig, Krone!», rief Sirius aus und schüttelte ungläubig den Kopf. «Vollkommen wahnsinnig!»
«Jetzt lass den Blödsinn, Tatze. Los, du bist dran.»
Angewidert näherte Sirius sich den beiden und ergriff dann Sevs Hand. «Friede», murmelten beide, dann liessen sie sich los, als hätten sie sich verbrannt.
«Gut», sagte Dumbledore und trat zwischen Sirius und Sev. «Nun habe ich Aufträge für euch. Fudges Haltung, wiewohl nicht unerwartet, ändert alles. Sirius, ich muss dich bitten, sofort abzureisen. Du musst Remus Lupin, Arabella Figg und Mundungus Fletcher alarmieren – die alten Kämpfer.»
Sirius nickte entschlossen.
«Gawain!», rief Dumbledore nun zu meiner kleinen Gruppe hinüber.
Gawain blinzelte müde und rappelte sich mühsam auf.
Dumbledore beobachtete ihn nachdenklich, schüttelte dann jedoch den Kopf.
«James ... kann ich dich an Gawains Stelle losschicken, um die Leute in Londinium zu alarmieren?»
«Natürlich, Professor», sagte Jake. «Ich werde mit dem kleinen Senat sprechen, aber sie werden sicher noch mit Ihnen und Kathleen sprechen, bevor sie die Stadt befestigen lassen. Es bedeutet sicher einiges an Aufwand, ganz Londinium abzusichern.»
«Das ist gut», sagte Dumbledore. «Und gibt es eine Möglichkeit von Londinium Unterstützung zu erhalten?»
«Vom kleinen Senat sicher nicht; sie müssen sich darum kümmern, die Stadt und die Bewohner zu schützen, aber es gibt einige, die Kathleen, Gawain und ich zusammentrommeln könnten. Allerdings werden die meisten von ihnen noch nie von Voldemort gehört haben.»
«Das macht nichts», sagte Dumbledore und winkte ab. «Jede und jeder, der sich gemeinsam mit uns gegen Voldemort und seine Anhänger verbünden will – ob diese Personen bereits von ihm gehört haben oder nicht – ist und willkommen.»
«Dann gehe ich», beschloss Jake. «Komm, Tatze, es geht zurück nach Londinium.»
Jake zauberte seine Wikingerhaarpracht wieder herbei, während Sirius sich in den grossen schwarzen Hund verwandelte und gemeinsam verliessen sie den Krankenflügel.
«Severus», sagte Dumbledore an meinen Vater gewandt, «Sie wissen, was ich von Ihnen verlangen muss. Wenn Sie willens sind ... wenn Sie bereit sind ...»
«Das bin ich», sagte Sev. Seine Stimme zitterte leicht und in seinen schwarzen Augen glitzerte es eigenartig.
«Viel Glück», sagte Dumbledore mit einem Anflug von Besorgnis auf dem Gesicht.
Mein Vater nickte und kam dann zu mir.
Er beugte sich über mein Bett und strich mir durch meine roten Locken. «Ich komme zurück, versprochen», flüsterte er, dann verliess auch er den Krankenflügel.
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