Die Liebe ...
Valentinstag; das Fest der Liebe. Einer der schönsten Tage im Jahr. Ein Tag, auf den man sich freuen sollte. Denn an diesem Tag würde man seinem liebsten Menschen ganz viel Aufmerksamkeit schenken.
Doch für Kawanishi tat dieser Tag besonders weh. Es war nicht irgendein Tag. Nein, an diesem Tag sah man überall turtelnde Pärchen. Alle waren glücklich und zeigten ihre Liebe offen, für alle sichtbar.
Eine Liebe, wie sie ihm verwehrt blieb. Er war alleine. Er hatte keinen Partner, den er heute umsorgen konnte, den er heute mit Liebe überhäufen konnte. Da war es doch normal, dass er den anderen nicht allzu gerne bei ihrem Glück zusah, oder nicht?
Normalerweise mied er die Innenstadt an diesem Tag. Noch etwas mehr als sonst im Frühjahr oder Sommer, wenn so viele Paare gemeinsam unterwegs waren. Unnötig quälen wollte er sich nun wirklich nicht. Und er musste es sich ja auch nicht extra vor Augen führen, dass er Single war. Das wusste er auch so. Jeden Tag, wenn er alleine aufwachte, wurde er daran erinnert. Und auch wenn er abends alleine vor dem Fernseher saß, wusste er es. Unangenehm und schmerzhaft wurde er immer wieder aufs Neue daran erinnert.
Doch der Valentinstag hatte noch aus einem anderen Grund einen besonders bitteren Beigeschmack, der das Alleinsein an diesem Tag nur noch unerträglicher machte. Es war schließlich sein Geburtstag. Und zu allem Übel auch noch der Tag, an dem er ihn damals abgewiesen hatte. Als hätte es nicht noch schlimmer kommen können.
Er hatte wirklich gedacht, der Ältere würde ihn auch mögen. Damit hatte er auch nicht ganz unrecht, nur mochte Yamagata ihn eben auf eine andere Art als er ihn. Das hatte er ihm unmissverständlich klargemacht.
Wieso hatte er nicht einfach seine Klappe halten können? Wieso hatte er sich ausgerechnet bei ihm plötzlich getraut, doch etwas zu sagen? Hätte er einfach geschwiegen, hätten sie dieses Gespräch nie geführt... Dann wären sie jetzt womöglich noch Freunde. Beste Freunde. So, wie sie es vorher gewesen waren. Vor diesem Gespräch. Vor dem Valentinstag...
Schmerzhaft kamen die Erinnerung an diesen Tag zurück in sein Gedächtnis. Erinnerung, die er Jahr für Jahr unterdrückte und die er heute ganz sicher nicht herausbrechen lassen würde. Das konnte und wollte er nicht zulassen.
Unbewusst lief er schneller. Hier waren zu viele Menschen, zu viele verliebte Pärchen und er wollte einfach nur nach Hause. Die Arbeit hatte ihn schon genug ausgelaugt, er war schon früh aufgestanden und außerdem hatte er Hunger, da musste er sich nicht noch unnötig lange auf den Beinen halten. Jetzt nach Hause, etwas essen und sich vor den Fernseher verkriechen, am besten noch etwas Eis dabei. Ja, das klang doch nach einer guten Idee.
Als er ein nur allzu bekanntes Lachen hörte, blieb er jedoch abrupt stehen und blickte in die Richtung, aus der er das Lachen gehört hatte.
Wieso hatte er nicht einfach weiterlaufen können? Wieso war er stehen geblieben und wieso zur Hölle hatte er sich auch noch umdrehen müssen? Wäre er einfach weitergegangen, hätte er ihn nicht gesehen; Yamagata, glücklich, mit einer Frau an seiner Seite.
Für den Bruchteil eines Augenblicks blitzten die braunen Augen des Älteren zu ihm herüber, doch noch bevor sie hätten Blickkontakt halten könnte, wandte Kawanishi den Blick ab.
Trocken schluckte er, versuchte, diesen bitteren Geschmack herunterzuschlucken, den er plötzlich im Mund hatte. Vergeblich, der Geschmack blieb, wurde immer präsenter, immer unangenehmer.
Schnell löste er sich aus seiner Starre und lief los, noch schneller als zuvor. Er musste hier weg. Und das so schnell wie möglich.
Er konnte spüren, wie er immer schlechter Luft bekam. Der Anblick gerade eben hatte das in ihm ausgelöst. Eine so unsinnige Reaktion, für die er seinen Körper verfluchen könnte. Doch ändern konnte er es nicht. Er war eifersüchtig.
Auch nach all den Jahren hatten seine Gefühle für den Libero nicht nachgelassen. Auch nach all den Jahren liebte er ihn über alles.
Er sollte an der Seite Yamagatas sein und nicht irgendeine Frau.
Das war nicht richtig.
Das war einfach so verdammt unfair.
~~~
Immer schneller lief er, bis er beinahe rannte. Seine Atmung ging unregelmäßig und auch sein Herzschlag war weit vom Normal entfernt. Was hatte dieser kurze Augenblick nur mit ihm angestellt? Er hatte sich fest vorgenommen, nicht mehr daran zu denken und doch hatte es gereicht, ihn zu sehen, um dieses Versprechen, dass er sich vor Jahren gegeben hatte, zu brechen.
Er war schon ein gutes Stück gerannt, doch hinter der nächsten Ecke blieb er stehen und lehnte sich keuchend gegen die Hauswand. Die Augen hielt er geschlossen, womöglich könnte er den Tränen so noch etwas länger Einhalt gewähren. Das hoffte er zumindest, hatte während der letzten Schritte bereits bemerkt, dass seine Sicht zu verschleiern begann.
Nur ganz langsam beruhigte sich sein Atmen wieder etwas, doch seine Gedanken wirbelten immer schneller in seinem Kopf herum. Und ganz langsam bröckelte diese mühevoll errichtete Wand, die all den Schmerz von damals weggeschlossen hielt.
~*~
Mit einem Lächeln auf den Lippen stand er vor Yamagatas Zimmer, in der Hand eine selbstgemachte Schokolade in Herzform. Heute würde er es ihm sagen. Heute war der perfekte Tag. Valentinstag und sein Geburtstag, es war einfach perfekt. Welcher Tag würde denn besser passen? Freudig klopfte er, öffnete die Tür schwungvoll, nachdem er von innen das „Herein" gehört hatte.
Der Ältere stand gerade vor seinem Kleiderschrank, hatte sich nach dem Training umgezogen. Er sah gut aus, mit den ungestylten Haaren, die ihm wirr ins Gesicht hingen und nach dem Duschen noch leicht tropften, sie waren noch nicht ganz trocken. Er mochte die dunklen Haare des Liberos. Hochgestylt gaben sie ihm einen rebellischen Hauch und wenn er sie ungestylt trug, so wie jetzt, umrahmten sie sein Gesicht so schön. Manchmal, wenn er ihn ärgern wollte, hatte er ihm schon durch die Haare gewuschelt, die sorgfältig gerichtete Frisur dabei komplett ruiniert. Doch das Lachen, das er Yamagata damit entlocken konnte, war die Schimpferei allemal wert.
Langsam ging Kawanishi auf ihn zu, das Lächeln hatte seine Lippen keine Sekunde verlassen.
„Alles Gute zum Geburtstag, Hayato." Die Schokolade hielt er hinter dem Rücken versteckt. Eins nach dem anderen.
„Oh, du hast daran gedacht. Danke dir", lachte Yamagata und drehte sich zu ihm um.
Schnell und unüberlegt zog er den Kleineren in eine Umarmung. Das war nichts Neues, sie hatten sich schon ein paarmal umarmt und doch fühlte es sich heute anders an. Ob das wohl an dem lag, was er gleich sagen würde?
„Ich hab noch eine Kleinigkeit für dich", flüsterte er ihm ins Ohr, ehe er ihn losließ und ihm die Schokolade reichte.
„Ach Taichi, das wäre doch nicht nötig gewesen."
„Doch, das war doch das Mindeste."
„Dank-"
„Aber... ähm das war noch nicht alles. Ich ... uhm... ich muss dir noch was sagen." Erst in diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er sich zwar um das Wann gesorgt hatte, dabei aber das Wie total vergessen hatte. Und so endete das perfekt geplante Liebesgeständnis in einem einzigen Stottern. „Ich... uhm... ach verdammt. Hayato, ich liebe dich."
Peinlich berührt hatte er die Augen zusammengekniffen, öffnete sie erst wieder, als Yamagata sich regte.
„Oh."
Wie ein Schlag traf ihn dieser eine Laut. Regungslos hob er den Kopf, sah in Yamagatas geschocktes Gesicht. Das war Antwort genug. Er brauchte gar nicht mehr zu sagen. Er wusste auch so, dass seine Gefühle unerwidert bleiben würden. Und schmerzlich bewusst wurde ihm, dass er die Freundschaft, die sie bis zu dem Augenblick verband, gerade zerstört hatte. Ein einziger Satz hatte gereicht, die Verbindung zwischen ihnen zu kappen. Schnell wandte er sich ab, gab dem Älteren gar keine Chance, noch etwas zu sagen. Er wollte es nicht hören. Es gab nichts, was Yamagata jetzt noch sagen könnte, nichts, was irgendetwas ändern würde.
Im Gehen flüsterte er: „Es tut mir leid." Er drehte sich nicht einmal mehr um, zog die Tür hinter sich zu und lief zurück auf sein Zimmer, verfluchte sich während des gesamten Weges.
Das war das letzte Mal, dass sie miteinander gesprochen hatten. Yamagata hatte noch einige Male versucht, mit ihm zu reden, doch er hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, zu antworten. Er hatte es in den Augen des Liberos gesehen. Mitleid, Trauer und noch einiges, was er nicht deuten konnte. Immer wieder beteuerte Yamagata, dass es doch nicht schlimm wäre, dass er mit seinen Gefühlen kein Problem hätte und dass es doch an ihrer Freundschaft nichts ändern würde.
Doch Kawanishi wusste, dass das nicht stimmte. Es hatte sich bereits etwas geändert. Yamagata sah ihn anders an, als noch vor dem Tag. Und er hasste es. Es war schon schlimm genug, zu wissen, dass er nicht das gleiche für ihn fühlte, doch es jeden Tag aufs Neue in seinem Blick zu sehen, das war doch etwas anderes.
Ja, es mochte sein, dass der Libero damit klarkam, dass Kawanishi etwas für ihn empfand, das er nicht erwiderte. Doch er kam nicht damit klar und das war das größere Problem an der ganzen Situation. Sein Herz war gebrochen und damit musste er erst einmal klarkommen. Alleine.
Nach einigen Versuchen, mit Kawanishi zu reden, die der Mittelblocker alle gekonnt abblockte, hatte Yamagata dann auch langsam aufgegeben. Er hatte es zwar immer mal wieder versucht, doch Kawanishi hatte es nicht geschafft, darauf einzugehen. Immer waren diese dunklen Gedanken in seinem Kopf, dass Yamagata das nur aus Mitleid tun würde. Aus Mitleid und dem schlechten Gewissen, ihn abserviert zu haben.
~*~
Kawanishi hatte nicht einmal bemerkt, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. Erst, als ihm ein paar der salzigen Perlen vom Kinn auf die Hand tropften, realisierte er es. Schnell wischte er sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Er war schließlich noch nicht zu Hause, da konnte er gerne darauf verzichten, von irgendjemandem beim Heulen erwischt zu werden.
Er hatte es doch so gut geschafft, alles unter Verschluss zu halten. Wieso ausgerechnet heute?
Tief atmete er durch, ehe er sich wieder in Bewegung setzte und weiterlief.
Erneut blitzte das Bild von vorhin vor seinem inneren Auge auf. Yamagata, Hand in Hand mit dieser Frau. Vermutlich seiner Frau. Krampfhaft versuchte er, den stechenden Schmerz zu ignorieren, der sein Herz durchfuhr. Nur noch drei Blocks, dann war er zu Hause. Dort konnte er seine Gefühle herauslassen. Doch bis dahin musste er durchhalten.
Mit der Tür, die ins Schloss fiel, fielen auch die ersten Tränen. Jeglicher Widerstand war aufgegeben, es war zwecklos es überhaupt nur zu versuchen und das wusste er. Er hatte das alles viel zu lange unterdrückt, als dass er das noch länger schaffen konnte. Nicht, nachdem er vorhin schon beinahe eingeknickt war.
Heulend brach er zusammen, rutschte mit dem Rücken an der Tür herunter, bis er auf dem Boden kauerte. All die Gefühle, die er jahrelang unterdrückt hatte, brachen auf einen Schlag aus ihm heraus.
Wieso konnte sein Herz nicht einfach akzeptieren, dass Yamagata und er nicht zusammengehörten? Wieso versuchte es mit aller Gewalt, ihm einzureden, dass sie perfekt füreinander wären? Wieso konnte er nicht loslassen?
Wie oft hatte er sich all diese Fragen schon gestellt?
Dabei war es doch ganz einfach:
Die Liebe war und blieb unfair.
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