77| Unexpected
Kapitel 77
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
-
Raphael hat große, braune Augen.
Raphael hat braune Haare.
Raphael ist groß.
Ich kneife meine Augen zusammen, als er mit dem Draht, mit dem wir Skulpturen Formen sollen, herumfuchtelt.
Er sieht aus wie ein Bär und ist ziemlich tollpatschig. Dennoch habe ich das Gefühl, dass unsere Gruppenarbeit gut wird.
Sarah hat Talent, Raphael eine unglaublich ausgefeilte Technik. Wenn ich die Beiden dabei betrachte, wie sie den Draht formen, frage ich mich, was ich dazu beitragen kann. Habe ich überhaupt genug Talent für das alles hier?
Wahrscheinlich nicht.
"Melody, gibst du mir bitte die Zange da?", fragt mich das braunhaarige Mädchen und lässt mich zusammenzucken. Ich nicke und reiche sie ihr.
"Danke"
Geschickt knipst sie ein Stück von der Skulptur ab.
"Willst du nicht auch etwas machen?", fragt mich Raphael nach einer Weile.
"Ich muss mal auf die Toilette", murmele ich und stehe auf, wobei ich meinen Stuhl fast umkippe.
Aus irgendeinem Grund macht mir das alles Angst. Ich weiß nicht wieso. Ich habe das Gefühl, dass ich dem allen hier nicht gewachsen bin.
Sarah ruft mir etwas hinterher. Ich höre sie nicht mehr. Meine Schritte beschleunigen sich.
Sie hallen in dem langen Gang wieder.
Mit meiner Hand drücke ich die Tür zur Toilette auf.
Schnell setze ich mich auf den Toilettendeckel, denn Schwindel überfällt mich. Was ist nur mit mir los? Wieso ist alles so... Ich weiß nicht einmal, wie ich es beschreiben soll.
"Melody?", höre ich Sarah rufen.
Das ging schnell. Ich hätte nie gedacht, dass sie sich wirklich die Mühe macht, nach mir zu suchen. Vor allem nicht so schnell.
Kein Wort verlässt meinen trockenen Mund.
Von: melody.cobain@ gmail.com
An: muffin.lover@ gmx.de
Betreff: ...
Ich brauche dich.
-M
Meine Augen verweilen auf dem Bildschirm.
"Hey, ich weiß dass wir uns nicht kennen, aber ich mache mir Sorgen. Wahrscheinlich denkst du dir, dass mich das nichts angeht und du hast Recht. Du musst wissen, dass es für uns alle nicht einfach ist, hier zu sein, auch wenn das unser Traum ist. Der ganze Druck macht mich wahnsinnig. Deshalb wollte ich dir sagen, dass du gerne zu mir kommen kannst.
Denn wenn du jemanden zum Reden brauchst... Ich bin da"
Mein Blick ruht immer noch auf dem Handy.
"Überleg es dir", damit verlässt sie den Raum. Ich atme aus.
Die E-Mail sende ich nicht ab. Er soll nicht von mir denken, dass ich alleine nicht klarkomme. Er soll nicht denken, dass ich schwach bin.
-
Ich stecke den Schlüssel in das Schloss meiner Tür. Vier Umdrehungen. Noch weitere vier Schlösser zum Aufschließen und die Tür geht auf.
Ben ist noch nicht da, was mich zum Lächeln bringt. Ich habe die Wohnung für mich alleine.
Sechs Schritte bis zur Küche.
"Don't want to be an american idiot", singe ich eine Liedzeile und springe in der Küche herum.
Wahrscheinlich sieht es total dämlich aus. Trotzdem macht es unheimlich viel Spaß, wie ein Idiot in der Küche herum zu springen.
Während ich mit dem Hintern wackele schlage ich ein Ei auf.
"A nation controlled by the media"
Das Spiegelei ist ziemlich schnell fertig. Gierig schlinge ich es sofort in mich hinein, nachdem ich mir eine Gabel geschnappt und mich aufs Sofa gepflanzt habe.
Kein Sternemenü, aber es erfüllt seinen Zweck. Zumal ich fünf Eier, eine Paprika, Zwiebeln und Tomaten reingehauen habe. Shawn mag keine Tomaten.
Mein Gehirn ist schon total verseucht. Wieso muss ich immer an ihn denken?
Kein Mann oder keine andere Person sollte mein Leben bestimmen. Doch habe ich das Gefühl, dass er es tut. Nicht weil er es will, sondern weil ich es zulasse.
Wieso fällt mir hier alles so schwer?
Wahrscheinlich war es zu einfach gedacht, dass mir alles in den Schoß fallen würde.
Wie naiv war ich bitte?
Ich wechsele das Fernsehprogramm. Eine langbeinige Moderatorin blickt mir entgegen. Mit einer quietschenden Stimme beginnt sie das nächste Thema anzusprechen.
"Manchmal erscheinen die Stars ja wie übernatürliche Wesen. Dennoch müssen einige Fans anscheinend erst noch lernen, dass sie trotzdem nur Menschen sind. Dies musste der kanadische Singer-Songwriter Shawn Mendes heute Mittag am eigenen Leibe erfahren. Einige Fans respektierten anscheinend seine Privatsphäre nicht und bedrängten ihn. Daraufhin bekam der 20-Jährige eine Panikattacke.
Schon Anfang des Jahres gab es einen solchen Vorfall.
Wir können nur an alle Fans appellieren die Stars wie normale Menschen zu behandeln"
Mein Magen zieht sich zusammen. Er hat eine Panikattacke bekommen. Es ist nicht das erste Mal. Noch nie hat er mit mir darüber geredet. Doch wünschte ich, ich wäre für ihn da gewesen.
Aus irgendeinem Grund mischt sich gerade alles zu einem widerlichen Nachgeschmack. Ich fühle mich unwohl. Hier bin ich falsch.
Sofort stehe ich auf und laufe in die Küche. Ich greife nach dem nächst Besten alkoholischen Getränk.
Einen Moment halte ich inne. Mein Blick liegt auf der Wodkaflasche. Ich habe mich nie betrunken und werde es jetzt sicherlich nicht tun. Ich stelle sie wieder hin.
Wie ist meine Gefühlslage von unglaublich gut zu dem hier geworden?
Ich weiß es nicht. Irgendwie fühle ich mich leer.
Auf der Ferse drehe ich mich um und greife nach der Flasche.
-
Es klingelt an der Tür. Bestimmt hat Ben seinen behinderten Schlüssel vergessen.
"Wie oft habe ich gesagt, dass du deinen Schlüssel mitnehmen sollst?", lalle ich und reiße die Tür auf. Moment, ich lalle?
"Um Himmels Willen Melody!", sagt eine Stimme, die nicht die von Ben ist.
"Shawn", flüstere ich irritiert und füge noch hinzu, "Was machst du hier?"
"Du hast mir geschrieben, dass du mich brauchst. Hier bin ich. Anscheinend tust du das wirklich"
Es bilden sich Sorgenfältchen auf seiner Stirn.
"Das habe ich nicht. Hab's gelöscht", dementiere ich.
"Doch...", er zieht sein Handy heraus.
"Du musst es mir nicht zeigen", sage ich und schüttele meinen Kopf.
"Melody bist du betrunken?", hakt er nach.
"Kann sein", ich grinse. An dem Arm ziehe ich ihn herein.
###
There's going to be drama, guys.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro