42| Unexpected
Kapitel 42
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
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Der durchschnittliche Augenkontakt zweier Menschen beträgt genau 3,3 Sekunden. 3,3 Sekunden, in denen eine ganze Welt auf den Kopf gestellt werden kann. 3,3 Sekunden, in denen sich dein Gehirn dafür entscheiden kann, deine Augen noch weitere 60 Sekunden auf einer ganz bestimmten Person ruhen zulassen. Ein Moment, der sich in meinen Verstand gebrannt hat, sodass ich einfach nicht anders kann, als ihn immer und immer wieder in einer Endlosschleife abzuspielen. Die Musik, die durch die Konzerthalle dröhnt, ist wie verschwommen, nur unklar zuhören. Denn meine Gedanken sind so unglaublich laut. So laut, dass ich Angst habe, sie würden irgendetwas in mir zerreißen. Ich will diesen Moment, ich brauche ihn. Das Kribbeln, dass durch meinen ganzen Körper gefahren ist, die Art, wie mein Herz fast stehen geblieben ist. So, als wäre ein Blitz direkt in mich hineingefahren. Es ist unglaublich kitschig, aber meine Gedanken spielen verrückt. Ich fühle mich so, als wäre von der Sekunde an, in der ich ihn gesehen habe, alles anders. Eine Grundüberholung meiner selbst. Luisa rüttelt mich an meiner Schulter. Ich wende meinen Kopf zu ihr und sehe sie an.
„Alles okay?", fragt sie mich, während sie ihre Augenbrauen hochzieht.
„Glaubst du an...Ach vergiss es!", murmele ich und blicke zu dem braunhaarigen Jungen im Hintergrund. Meine Augen verlieren komplett den Fokus, ich blicke einfach nur noch in ein verschwommenes Wirrwarr an Menschen.
„Sag schon!", gibt die Rothaarige von sich. Doch ich wage es gar nicht, es auszusprechen. Zu lächerlich ist der Gedanke, dass das was gerade passiert ist wirklich so etwas wie Liebe auf den ersten Blick sein könnte. So etwas gibt es nicht. Es ist irrational. Irrationalität ist etwas für Leute, die nicht selbständig denken können, sondern an etwas glauben müssen, weil sie es sich nicht anders erklären können. Ich kann rational denken, ich habe es nicht nötig an ein Märchen zudenken, das Kindergartenkindern eingetrichtert wird. Wahre Liebe und Liebe auf den ersten Blick. Ich schüttele meinen Kopf und fokussiere meinen Blick wieder.
„Wo warst du denn gerade eben?", fragt mich Luisa nun und sieht so aus, als hätte sie die ganze Zeit versucht mich zum Leben zu erwecken.
„Adelaide Street", singe ich die Textstelle mit, die der Sänger genau in dem Moment singt.
„Du bist mir vielleicht eine Nudel!", gibt meine Cousine kopfschüttelnd von sich und dreht sich wieder zu dem Weltstar.
„Wollen wir versuchen ein bisschen weiter nach vorne zukommen?", fragt uns nun Kat, welche sich bis gerade eben in einer Trance befunden hat. Ausgelöst durch die sanfte Stimme des Jungen, der kaum älter als ich sein dürfte.
„Vielleicht sieht er dich nochmal!", fügt Luisa dann noch hinzu. Ich nicke zögerlich. Aber die Versuchung, dass der Mensch, der all das in meinem Verstand ausgelöst hat, mir noch einen dieser Momente schenken könnte, ist zu groß. Ein diabolisches Lachen entflieht Luisas Mund. Dies wiederrum entlockt mir ein leises Lachen.
Zusammen quetschen wir uns weiter nach vorne durch. Es ist ein Wunder, dass wir es tatsächlich schaffen, in die erste Reihe zu gelangen. Ich hätte vermutet, dass es und nicht gelingt, da hier so viele kreischende Fans sind. Doch irgendwie haben wir es geschafft.
Sofort wende ich meinen Blick nach oben, in die Richtung, aus der die Musik kommt. Mit geschlossenen Augen schlägt er die Saiten seiner Gitarre an und beginnt somit ein neues Lied.
Nach ein paar Sekunden öffnet er seine Augen und blickt in die Menge. Seine Augen gleiten über die Massen an Menschen, so als würde er etwas suchen. Ich hasse mich dafür, dass ich bete, dass er mich wieder ansieht. Das was passiert ist, habe ich mir nur eingebildet. Und wenn es wirklich passiert ist, dann ganz sicher nur auf meiner Seite.
Seine Augen, sie sind karamellfarben, sie liegen ganz plötzlich auf mir. Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem Lächeln.
„I don't even know your name", singt der Junge den Refrain, während er mich nur kurz ansieht, dann aber wieder woanders hinschaut. Luisa boxt mich in die Seite und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich weiß, was sie mir sagen will.
„Das passt ja! Außerdem hat er dich schon wieder richtig lange angesehen! Man könnte meinen, dass ihr euch kennt!", lacht die Rothaarige. Ich falle in das Lachen ein.
Das Konzert geht weiter, auch wenn mein Verstand immer noch verrücktspielt. Shawn verursacht in mir Kicks, wie ich sie mir bei dem Konsum von Drogen vorstellen würde. Die Lichter um uns herum sind blau und hell und es scheint so, als würde alles ineinanderfließen. Die Musik, die Lichter, die Stimmen der Menschen um mich herum.
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„Es war keine gute Idee mit euch noch in eine Bar zugehen", sage ich und sehe die Beiden an, die aufgewühlt kichern.
„Ach quatsch, mach dich locker!", sagen sie dann wie aus einem Mund.
„Ich werde uns mal was zu Trinken holen. Etwas ohne Alkohol!", gebe ich grinsend von mir und blicke Kat an, die schmollend zu mir aufsieht. Luisa zuckt mit den Schultern.
„Deshalb sind wir ja nicht hier", sagt sie dann, während ich mich zum Gehen wende. Ich streiche mir durch meine blonden Haare, während ich auf die Bar zusteuere.
„Zwei Colas und ein Wasser bitte!", gebe ich meine Bestellung auf, während der Barkeeper mir seine Aufmerksamkeit geschenkt hat. Ein Stirnrunzeln sagt mir, dass hier definitiv nicht allzu oft Getränk bestellt werden, die nicht alkoholisch sind.
„Kein Versuch illegal Alkohol zu bestellen?", weckt mich eine Stimme aus meinen Gedanken. Mein Herz macht einen kleinen Sprung. Ich drehe mich um.
„Nein, gedenkst du denn einen zu starten?", frage ich grinsend und sehe den Jungen an. So viele Gedanken, die durch meinen Kopf gehen. Das Kribbeln ist wieder da und es erfüllt jede einzelne Faser meines Körpers. Auch wenn es unheimlich laut in der Bar ist, habe ich das Gefühl, als könnte ich meinen eigenen Herzschlag hören. Ich lege mir eine Hand auf die Brust und blicke auf die Lippen des Jungen. Dann auf seine Haare, zurück zu seinen Augen.
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