4. Kapitel
Als der Hogwartsexpress am Bahnhof Hogsmeade anhielt, hatte ich gewaltigen Durst. Mein ganzer Mund klebte von der Schokolade, die ich wie aufgetragen restlos aufgefuttert hatte. Zusammen mit Kaspar, Jessie und Cedric bestieg ich eine Kutsche, während ich in Gedanken noch bei dem Gespräch war, dass wir nach Professor Lupins Weggang geführt hatten. Es war darum gegangen, weshalb Kaspar zusammengeklappt war und woran er sich erinnert hatte. Eine absolut schreckliche Erinnerung: Daran, wie er als Junge die Beherrschung verloren hatte und sein Obscurus das Kloster, in dem er aufgewachsen war, zerstört und alle Mönchen, Novizen und Laienbrüder dort getötet hatte. Klar, manche hatten es verdient – diejenigen, die ihn regelmässig verprügelt hatten, um ihm die Magie auszutreiben. Aber alle anderen ...
Die Kutsche fuhr durch das von den beiden Ebern flankierte Tor, dass das Schlossgelände begrenzte und schliesslich hielten wir vor dem Eingangstor.
Professor McGonagall fing Kaspar und mich in der Eingangshalle ab und kurze Zeit später auch Harry und Hermine. Ron, Jessie und Cedric schickte sie weiter in die grosse Halle, bevor sie uns zu ihrem Büro lotste.
Sobald wir dort waren, wies McGonagall uns an, uns zu setzen, während sie sich selbst hinter ihrem Schreibtisch niederliess. Ich sah mich neugierig um. Dieses Büro hatte einst Finëa di Finjarelle gehört. Die Wände hinter den Schränken und Regalen waren immer noch mit Symbolen und Runen bedeckt, die Finëa dort hingeschrieben hatte. Zauber und Aufzeichnungen zur theoretischer Magie. Mir fiel das Buch von Charlie wieder ein. Vielleicht könnten diese Runen mit der Hilfe dieses Buches Sinn ergeben? Wenn Professor McGonagall mich die Aufzeichnungen studieren liesse, was eher unwahrscheinlich war.
«Professor Lupin hat eine Eule vorausgeschickt, um mich zu benachrichtigen, dass Sie im Zug einen Ohnmachtsanfall hatten, Potter, Shade, Seanorth.»
Bevor einer von uns dreien etwas darauf erwiedern konnte, klopfte es an der Tür und Madam Pomfrey kam hereingewuselt. Harry und Kaspar neben mir wurden beide rot. Es schien ihnen peinlich, dass so viel aufsehen um sie gemacht wurde, dabei wusste Kaspar doch, wie schlimm es werden konnte, wenn man den Dementoren ausgesetzt war. Er hatte es bei Ma doch selbst gesehen. Allerdings war sie nicht umgekippt wie er – vermutlich jedenfalls. Und ich war auch erst umgekippt, nachdem ich mich mit dem Dementoren angelegt hatte.
«Ah, Sie drei. Haben Sie wieder etwas gefährliches angestellt?», sagte die Krankenschwester und wuselte um uns herum. «Sie sind alle drei ganz unterkühlt. Und sie zittern ja. Was haben Sie angestellt?»
«Es war ein Dementor, Poppy», informierte Professor McGonagall.
Sie tauschten düstere Blicke und Madam Pomfrey schnalzte missbilligend mit der Zunge. «Dementoren um die Schule herum aufstellen. Da werden sie nicht die Letzten sein, die zusammenbrechen. Fürchterliche Ungeheuer sind das, und wenn man bedenkt, wie sie auf Leute wirken, die ohnehin schon zart besaitet sind.»
«Ich bin nicht zart besaitet!», sagte Harry beleidigt, während ich schnaubte: «Zart besaitet! Ja klar.»
Professor McGonagall sah mich streng an. «Es ist eine absolut schlechte Idee, sich einem Dementor in den Weg zu stellen, Miss Seanorth!», fuhr sie mich ungewohnt heftig an. «Sie haben keine Ahnung, in welche Gefahr sie sich begeben haben.»
Entsetzt sah Madam Pomfrey mich an: «Das haben sie nicht getan.»
«Er hat Kaspar angegriffen – oder wie auch immer man das nennen soll. Jedenfalls ist Kaspar ohnmächtig geworden und ich habe ihn verteidigt. Das ist ja wohl nicht verwerflich», knurrte ich.
Madam Pomfrey schüttelte fassungslos den Kopf. Hermine und Harry wirkten entsetzt. McGonagall sah mich finster an, auch wenn für einen kleinen Moment Anerkennung in ihren Augen aufgeblitzt war.
«Was brauchen die drei?», fragte sie Madam Pomfrey forsch. «Bettruhe? Sollten sie die Nacht vielleicht im Krankenflügeln verbringen?»
«Mir geht's gut!», sagte Harry und sprang auf. Kaspar und ich pflichteten ihm bei. Uns ging es gut. Bloss nicht in den Krankenflügel – gleich am ersten Tag. Wie würde das denn aussehen?
«Nun, zumindest sollten sie ein wenig Schokolade bekommen», sagte Madam Pomfrey, die jetzt versuchte, in unsere Augen zu spähen.
«Haben wir schon», erklärte ich genervt. «Wenn, dann brauche ich ein Glas Wasser. Mein Mund ist vollkommen ausgedörrt von der Schokolade.»
«Ja, Professor Lupin hat welche verteilt», führte Kaspar aus.
«Mir auch», kam es von Harry.
«Ach, das war nett von ihm», sagte Madam Pomfrey anerkennend. «Also haben wir endlich wieder einen Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste, der seine Gegenmittel beherrscht?»
«Sind Sie sicher, dass Sie sich wohl fühlen?», fragte Professor McGonagall uns drei in scharfem Ton.
«Ja-a», sagte ich, während Kaspar und Harry ebenfalls bestätigten.
«Sehr schön. Warten Sie bitte draussen, während ich kurz mit Miss Granger über ihren Stundenplan spreche, dann können wir zusammen nach untern gehen.»
Die Auswahl war bereits vorbei, als wir die grosse Halle betraten, aber zum Glück kam das Festessen erst noch. Kaspar und ich folgten Harry und Hermine zum Gryffindor Tisch und liessen uns in Ermangelung anderer Möglichkeiten neben den beiden und Ron nieder. Trotz meiner Beteuerung gegenüber Professor McGonagall fühlte ich mich immer noch seltsam. Diese Dementoren hatten mir stärker zugesetzt als ich angenommen hatte. Vielleicht war es wirklich keine gute Idee gewesen, mich zwischen Kaspar und den Dementor zu stellen. Aber was hätte ich den sonst tun sollen?
Dumbledore trat vor und sein langer, silberner Bart schimmerte im Kerzenlicht. «Willkommen! Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts! Ich habe euch allen einige Dinge mitzuteilen, und da etwas sehr Ernstes darunter ist, halte ich es für das Beste, wenn ich gleich damit herausrücke, denn nach unserem herrlichen Festmahl werdet ihr sicher ein wenig bedröppelt sein ...»
Dumbledore räusperte sich und fuhr fort:
«Wie ihr mitbekommen habt, ist der Hogwarts-Express durchsucht worden, und ihr wisst inzwischen , dass unsere Schule gegenwärtig einige der Dementoren von Askaban beherbergt, die im Auftrag des Zaubereiministeriums hier sind.»
Ich schauderte. Hiess das, dass ich mich jetzt tagtäglich mit diesen Monstern herumschlagen musste? Monster die, anders als die meisten anderen, nicht von den paar Tropfen Feyblut in meinen Adern abgeschreckt wurden.
«Sie sind an allen Eingängen zum Gelände postiert», fuhr Dumbledore fort und mir fiel ein Stein vom Herzen, «und ich muss euch klar sagen, dass niemand ohne Erlaubnis die Schule verlassen darf, während sie hier sind. Dementoren dürfen nicht mit Tricks oder Verkleidungen zum Narren gehalten werden – nicht einmal mit Tarnumhängen. Es liegt nicht in der Natur des Dementors, Bitten oder Ausreden zu verstehen. Ich mahne daher jeden Einzelnen von euch: Gebt ihnen keinen Grund, euch Leid zuzufügen.»
Leg' dich nicht mit einem Dementor an, wenn es sich vermeiden lässt. Das gleiche sagte man auch über die Fey. Ich hatte gesehen, wie Gawain reagiert hatte, als Jared ihn herausgefordert hatte und ich war mir sicher, dass er sich dabei zurückgehalten hatte – sonst hätte der Dolch Jared nicht nur einen kleinen Kratzer zugefügt. Trotzdem würde ich mich lieber mit einem Fey anlegen als mit einem Dementor.
«Nun zu etwas Angenehmeren», fuhr Dumbledore fort, «Ich freue mich, dieses Jahr zwei neue Lehrer in unseren Reihen begrüssen zu können. Zunächst Professor Lupin, der sich freundlicherweise bereit erklärt hat, die Stelle des Lehrers für Verteidigung gegen die dunklen Künste zu übernehmen.»
Es gab vereinzelten, wenig begeisterten Beifall. Nur ein paar von uns Gryffindors und Cedric und Jessie klatschten wild in die Hände. Neben den anderen Lehrern ihn ihren besten Umhängen nahm sich Professor Lupin besonders schäbig aus.
«Schau dir Snape an!», zischte Ron in Harrys Ohr.
Mein Blick huschte zu meinem Vater und mir stellten sich die Nackenhaare auf, als ich sah, wie er Lupin ansah. Es war kein Geheimnis, dass er nur zu gern die Stelle des Lehrers für Verteidigung gegen die dunkeln Künste gehabt hätte, aber das hier war etwas anderes: blanker Hass.
«Zu unserer zweiten Neuernennung», fuhr Dumbledore fort. «Nun, es tut mir Leid, euch sagen zu müssen, dass Professor Kesselbrand, unser Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe, Ende letzten Jahres in den Ruhestand getreten ist, um sich noch ein wenige seiner verbliebenen Gliedmassen erfreuen zu können.»
«Och, ne», sagte ich. Ich hatte Professor Kesselbrand gemocht. Er war ein wirklich guter Lehrer gewesen und hatte meinen Freunden und mir damals auch mit dem Grimm geholfen – wenn auch unabsichtlich. Er war auch nicht sonderlich begeistert gewesen, als wir uns dann auf die Jagd nach dem Monster gemacht hatten – und es schliesslich gefangen hatten.
«Jedoch bin ich froh euch sagen zu können, dass sein Platz von keinem anderen als Rubeus Hagrid eingenommen wird, der sich bereit erklärt hat, diese Lehrtätigkeit zusätzlich zu seinen Pfilchten als Wildhüter zu übernehmen.»
Fanatischer Beifall brach am Gryffindortisch los.
«Das hätten wir doch erraten können!», brüllte Ron und hämmerte auf den Tisch, «wer sonst würde uns ein beissendes Buch auf die Liste setzen?»
Nachdem der Applaus aubgeflaut war, eröffnete Dumbledore – endlich – das Festmahl und ich langte herzhaft zu – zu allererst kippte ich ein grosses Glas Wasser herunter, um den klebrigen Nachgeschmack der Schokolade zu vertreiben.
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