26. Kapitel
Fassungslos starrte ich Black an. Aber Peter Pettigrew war doch tot. Black hatte ihn selbst getötet ...
«Sie sind verrückt, alle beide!», sprach Ron aus, was ich dachte.
«Lächerlich!», sagte Hermine matt.
«Peter Pettigrew ist tot!», sagte Harry. «Er hat ihn umgebracht. Er deutete auf Black.
«Das wollte ich», murmelte er, «aber ich hab es nicht geschafft.»
Verblüfft starrte ich den Zauberer an, der nun seit fast einem Jahr die ganze Zaubererwelt in Angst und Schrecken versetzte. Wegen einer Tat, die er gar nicht begangen hatte ...?
«Sie sagten, Sie hätten noch eine Rechnung mit jemandem zu begleichen ... Meinten Sie ...?»
Black nickte, während Harry, Ron und Hermine fassungslos zwischen uns hin und her sahen.
«Was soll das, Adrienne, weshalb sprichst du so mit ihm?», fragte Harry entgeistert.
«Alle dachten, Sirius hätte Peter umgebracht», sagte Lupin bedächtig und liess dabei die verzweifelt strampelnde Ratte in Rons Händen nicht aus den Augen. «Ich selbst habe es zwölf Jahre lang geglaubt – Peter hat Sirius in die Enge getrieben und Sirius hat ihn getötet. Doch die Karte des Rumtreibers lügt niemals ... das hier ist unser alter Freund Peter.»
«Leute, ich verschwinde», sagte Ron zitternd und versuchte aufzustehen, doch Lupin zückte seinen Zauberstab und deutete auf Krätze.
«Ich könnt gehen, wann ihr wollt, alle vier», sagte er ruhig. «Aber Peter müsst ihr hier lassen.»
Es war Wahnsinn, blanker Wahnsinn, was Lupin da erzählte. Ein totgeglaubter Zauberer sollte sich jahrelang als Ratte versteckt haben. Und trotzdem war ich neugierig: War die Ratte wirklich ein nicht gemeldeter Animagus, wie Black und Lupin behaupteten? Es wäre schlüssig, immerhin war Black auch einer. Und Lupin behauptete auch, dass seine Freunde alle Animagi geworden waren, weil er ein Werwolf war.
Lupin wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als es hinter ihm laut knarrte. Die Tür des Schlafzimmers war von allein aufgegangen. Lupin runzelte die Stirn, ging dann hinüber und sah auf den Korridor hinaus.
«Keiner da ...»
«Hier spukt es!», kommentierte Ron.
«Keineswegs», sagte Lupin und sah immer noch ratlos zur Tür. «In der Heulenden Hütte hat es nie gespuckt ... das Heulen und Schreien, das die Leute im Dorf hörten, das stammte von mir.»
Er wichte sich das angegraute Haar aus den Augen. «Ich will euch alles erzählen. Ihr habt ein Recht, es zu erfahren – besonders du, Harry. Nichts davon hätte geschehen können, wenn ich nicht ein Werwolf wäre. Aber wo soll ich anfangen?»
Lupin sah ernst und müde aus, als er weitersprach: «Also, ich denke, alles fing damit an, dass ich gebissen wurde. Ich war noch ein ganz kleiner Junge, als es geschah. Meine Eltern haben alles versucht, aber damals gab es noch keine Heilung. Der Trank, den Professor Snape und Adrienne für mich gebraut haben, ist eine ganz neue Entdeckung. Er schützt mich, müsst ihr wissen. Wenn ich ihn in der Woche vor Vollmond einnehme ... ich kann mich dann in meinem Büro einrollen, als harmloser Wolf, und warten, bis der Mond wieder abnimmt. Bevor jedoch der Wolfsbann-Trank entdeckt wurde, verwandelte ich mich einmal im Monat in ein ausgewachsenes Ungeheuer.»
Lupin erzählte davon, wie er als kleiner Junge Angst gehabt hatte, niemals nach Hogwarts zu dürfen – weil er ein Werwolf war und damit eine Gefahr für alle um ihn herum. Doch als Dumbledore Schulleiter wurde, befand dieser, dass es kein Problem sei, Lupin aufzunehmen, solange man nur gewisse Vorbereitungen traf. Zu diesen hatte gehört, dass man die Heulende Hütte baute und den Geheimgang zu ihr und auch, dass man die Peitschende Weide am anderen Ende des Tunnels gepflanzt hatte, damit niemand Lupin in die Heulende Hütte folgen konnte, wenn er gefährlich war.
«Doch abgesehen von meinen Verwandlungen war ich so glücklich wie nie im Leben. Zum ersten Mal hatte ich Freunde, drei grossartige Freunde. Sirius Black ... Peter Pettigrew ... und natürlich deinen Vater, Harry. James Potter.
Meinen drei Freunden konnte natürlich nicht entgehen, dass ich einmal im Monat verschwand. Ich liess mir alle möglichen Geschichten einfallen. Meine Mutter sei krank und ich müsse sie zu Hause besuchen ... Ich hatte fürchterliche Angst, sie würden mich verlassen, wenn sie herausfänden, was in mir steckte. Doch wie du, Hermine, fanden sie natürlich die Wahrheit heraus ... Und sie liessen mich nicht im Stich. Im Gegenteil, sie taten etwas für mich, das meine Verwandlungen nicht nur erträglich machte, sondern zur schönsten Zeit meines Lebens: Sie wurden Animagi.»
«Mein Dad auch?», sagte Harry erstaunt.
«Ja, allerdings», sagte Lupin und erklärte, wie seine drei Freunde es geschafft hatten, diese überaus komplizierte Verwandlung zu erlernen.
«Aber wie konnten Sie Ihnen damit helfen?», fragte ich verwirrt.
«Anders als Fey konnten sie mir nicht in ihrer menschlichen Gestalt beistehen, aber als Tiere schon. Ein Werwolf ist nur für Menschen und menschenähnliche Geschöpfe gefährlich. Ausgenommen natürlich die Fey», meinte Lupin und sah mich lächelnd an. «Jeden Monat schlichen sie sich unter James' Tarnumhang aus dem Schloss. Sie verwandelten sich ... Peter, als der Kleinste, konnte unter den peitschenden Weidenzweigen hindurchschlüpfen und den Knoten berühren, der sie erstarren lässt. Dann schlitterten sie hinunter in den Tunnel und kamen zu mir ins Haus. Unter ihrem Einfluss war ich weniger gefährlich. Mein Körper war immer noch der eines Wolfes, doch wenn ich mit ihnen zusammen war, fühlte ich mich eher wie ein Mensch.»
Lupin schilderte, wie die Vier bald entdeckten, was sie in ihrer Animagusgestalt sonst noch so tun konnten. Wie sie bei Vollmond zusammen über das Gelände und durch den Wald streiften. Wie sie als Freunde so vieles über das Schloss und die Ländereien herausgefunden hatten – viel mehr als alle Schüler vor ihnen – und wie sie beschlossen hatten, die Karte der Rumtreiber zu schreiben. Dann wandte sich das Gespräch meinem Vater zu und der Feindschaft zwischen ihm und Lupins Freunden, von der Lupin mir bereits früher berichtet hatte. Im Zuge dieser Feindschaft hatten Black und James Potter Sev einen Streich gespielt – sie hatten ihm erzählt, wie er in den Geheimgang unter der Peitschenden Weide gelangen konnte, um Lupin zu folgen – und er hätte das auch, wenn Harrys Vater ihn nicht im letzten Moment aufgehalten hätte.
«Und aus diesem Grund kann Snape Sie nicht leiden?», sagte Harry langsam. «Weil er dachte, Sie hätten von Sirius' Scherz gewusst?»
«So ist es», erklang eine kalte Stimme an der Wand hinter Lupin und wir alle zuckten zusammen. Mein Vater riss sich den Tarnumhang vom Leib, sein Zauberstab wies drohend auf Lupin.
«Den habe ich unter der Peitschenden Weide gefunden», sagte Snape und warf den Tarnumhang beiseite, ohne den Zauberstab auch nur kurz von Lupins Brust abzuwenden. «Recht nützlich, Potter, ich danke ...»
Mein Vater wirkte erschöpft, doch auf seinem Gesicht spiegelte sich ein Ausdruck des Triumphs, als er schilderte, wie er sie gefunden hatte – die Karte der Rumtreiber, die Lupin vergessen hatte zu löschen, bevor er sein Büro verliess.
«Ich habe den Schulleiter immer wieder gewarnt, das Sie Ihrem alten Freund Black dabei helfen, in die Schule zu kommen, Lupin, und hier ist der Beweis.»
«Severus, Sie machen einen Fehler», sagte Lupin eindringlich. «Sie haben nicht alles gehört –»
Doch mein Vater wollte nicht mit sich reden lassen, er verspottete Lupin und schliesslich schossen dünne Seile aus seinem Zauberstab und fesselten Lupin und Black.
«Warte, Sev!», traute ich mich schliesslich zu rufen. «Lass sie erklären! Du hast nicht alles gehört –»
«Sei still, Adrienne!», fauchte er mich an.
«Professor Snape, es ... es würe nichts schaden zu hören, was sie zu sagen haben, o-oder?», sprang Hermine mir beiseite.
«Miss Granger, auf Sie wartet bereits der Schulverweis», bellte Snape. «Sie, Potter und Weasley haben alle Regeln gebrochen und befinden sich in Gesellschaft eines verurteilten Mörders und eines Werwolfs.» Von mir sagte er kein Wort. «Auch wenn es das erste Mal in Ihrem Leben sein sollte, halten Sie den Mund!»
«Aber wenn – wenn es einen Irrtum gab –», traute Hermine sich dennoch zu sagen und in diesem Moment bewuderte ich sie für ihren Mut, meinem Vater derart Paroli zu bieten, wo er sie doch mit diesem dunklen, wütenden Raubkatzenblick anstarrte, der beinahe an den von Ma heranreichte.
«Sei still, du dumme Göre!», schrie Snape und sah plötzlich ziemlich verstört aus. «Red nicht über Dinge, die du nicht verstehst!»
In meinem Bauch ballte sich Wut zusammen. Wie konnte er es wagen, so mit Hermiene zu sprechen, so mit uns allen umzugehen, so ... so ...
Unterdessen tauschten er und Black Beleidigungen und Drohungen.
«Kommt mit, allesamt», sagte er schliesslich. Er schnippte mit den Fingern und die Enden der Seile, die Lupin fesselten, flogen ihm in die Hände. Ich hatte gar nicht gewusst, dass er ebenfalls stablose Magie beherrschte. «Ich ziehe den Werwolf. Vielleicht haben die Dementoren auch ein Küsschen für ihn übrig. Los jetzt.»
Ich schoss vor. Ich konnte nicht zulassen, dass er Black und Lupin an die Dementoren auslieferten. Sie beide waren unschuldig – ich glaubte ihnen, auch wenn ich den Beweis, die verwandelte Ratte, noch nicht gesehen hatte.
«Aus dem Weg, Adrienne, du hast schon mehr als genug Ärger», schnarrte er. «Wenn ich nicht hergekommen wäre, um euch vieren die Haut zu retten –»
«Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen – wie du eigentlich wissen müsstest. Und ich kann auch andere beschützen. Ausserdem ... wenn sie mir etwas hätten antun wollen, dann hatten Professor Lupin und auch Black bereits mehr als genug Gelegenheiten dazu gehabt», fauchte ich, doch mein Vater stiess mich grob beiseite.
Harry war da und nahm meinen Platz ein. «Professor Lupin hätte mich diese Jahr schon hundert Mal umbringen können», erklärte er trotzig. «Ich war oft mit ihm allein, er gab mit Unterricht gegen die Dementoren.» Das erklärte den Patronus beim Spiel gegen die Ravenclaws. «Wenn er Black helfen wollte, warum hat er mich nicht schon längst erledigt?»
«Woher soll ich wissen, war im Hirn eines Werwolfs vor sich geht?», zischte Snape. «Aus dem Weg, Potter.»
«Sie sind jämmerlich!», rief Harry. «Nur weil Sie in der Schule zum Narren gehalten wurden, wollen Sie jetzt nicht mal zuhören!»
«Ruhe! So spricht man nicht mit mir!», kreischte Snape und Spucke flog aus seinem Mund. Er wirkte wie ein Irrer. Ich war abgestossen von diesem Bild. War dieser Mann wirklich mein Vater?
«Wie der Vater, so der Sohn, Potter! Gerade habe ich dir den Hals gerettet, du solltest mir auf den Knien dafür danken! Wär dir recht geschehen, wenn er dich umgebracht hätte! Du wärst gestorben wie dein Vater, zu hochmütig, um zu glauben, er hätte sich in Black getäuscht – geh jetzt aus dem Weg, oder ich räum dich fort – aus dem Weg, Potter!»
Die Wut in meinem Magen platzte und ich explodierte zu rasender Finsternis. Ungezähmt schossen meine wirbelnden Schatten nach vorn, um dieser Ungerechtigkeit ein Ende zu machen.
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