34. Kapitel
Wenige Biegungen später trafen wir auf Snape in Begleitung von Finëa, Jessie und Cedric. Snape blickte so finster drein wie immer, sah aber ziemlich erleichtert aus, als er unseren Trupp bemerkte. Jessie und Cedric kamen auf uns zugestürmt und schlangen die Arme um Kaspar und mich, während Finëa breit grinsend vor uns stehen blieb.
«Ich wusste, dass ihr beide es schafft. Je hundert Punkte für Finjarelle würde ich sagen», sagte sie strahlend und zwinkerte uns zu. «Oder ... machen wir je hundert Punkte für Gryffindor draus, meinen Sie nicht, Professor Snape?»
«Höchstens fünfzig», grummelte Snape, lächelte aber dabei. Ich lächelte zurück.
«Na, wir werden ja sehen, ob die Stundengläser auf Sie gehört haben oder auf mich», sagte Finëa grinsend. «Dann schlage ich vor, dass ihr weiterhin diesem wunderschönen Phönix folgt.»
Natürlich schlossen sich die vier uns an und so waren wir zu zehnt, als wir in Professor McGonagalls Büro platzten. Einen Moment lang herrschte Stille und alle starrten uns an, wie wir da verdreckt, schleimbeschmiert und mit Blut und/oder Tinte überströmt in der Tür standen. Dann ertönte ein scharfes Fauchen, das und allen die Haare zu Berge stehen liess, und gleichzeitig ein Schrei:
«Ginny!», rief Mrs Weasley, die vor dem Kamin gesessen hatte. Sie sprang auf, Mr Weasley folgte ihr, und beide stürzten sich auf ihre Tochter.
Ich sah an ihnen vorbei. Das Büro von Professor McGonagall, einst Finëas Büro, war ziemlich voll. Nebst der Hauslehrerin von Gryffindor war auch Dumbledore da – wann war er zurückgekommen? Dann waren da noch weitere Erwachsene. Als erstes erkannte ich Amos Diggory, der sich an den Weasleys vorbeidrängte und Cedric in die Arme schloss.
«Wo warst du, Junge? Weshalb warst du nicht im Gemeinschaftsraum?», murmelte er in Cedrics Haar. «Ich hatte solche Angst.»
Ein weiterer Mann kam nach vorn. Mr Silver, Jessies Vater, der ebenfalls seine Tochter in die Arme zog.
Erst dann erkannte ich die beiden letzten Gestalten im Raum, die sich immer noch im Schatten hielten, aber etwas nähergekommen waren. Blonde Locken leuchteten im Dunklen und ich erkannte den Umriss von Gawain. Und neben ihm stand Ma. Ich schob mich zwischen den sich Umarmenden hindurch zu Ma, blieb aber etwas unsicher vor ihr stehen. Wir waren hier in aller Öffentlichkeit ... wollte sie wirklich ...? Ma nahm mir die Entscheidung ab, in dem sie mir Gryffindors Schwert abnahm, es Gawain in die Hand drückte und mich dann in eine Umarmung zog, die mir beinahe die Luft abschnürte.
Mrs Weasley hatte inzwischen von Ginny abgelassen und ihren jüngsten Sohn in die Arme geschlossen, dann Harry und dann schloss sie Kaspar in die Arme. Dieser blinzelte überrascht über die unerwartete Umarmung, dann schlich sich jedoch ein Lächeln in seine Mundwinkel und müde schmiegte er sich in die Umarmung. Mrs Weasley tätschelte seinen Rücken als ob sie bemerkt hätte, wie nötig Kaspar eine Umarmung hatte.
Finëa betrat nun ebenfalls den mittlerweile hoffnungslos überfüllten Raum und sah sich neugierig in ihrem ehemaligen Büro um, das doch sehr viel anders aussah als zu ihrer Zeit. Snape hingegen hielt sich im Hintergrund. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt noch da war.
«Ihr habt Ginny gerettet! Ihr habt sie gerettet! Wie habt ihr das geschafft?» rief Mrs Weasley, nachdem sie Kaspar losgelassen hatte.
«Das, glaube ich, würden wir alle gern erfahren», sagte Professor McGonagall mit matter Stimme.
Wir drängten uns alle näher, quetschten uns ins Büro hinein, um Harry zuzuhören. Es wurde richtig eng, bis Finëa ein paar Worte sprach, mächtige Worte, die in meinen Ohren widerhallten und woraufhin die Regale an den Wänden zurückwichen. Zwischen ihnen tauchten die Steinmauern auf, die über und über mit Symbolen bedeckt waren.
Professor McGonagall sah die ehemalige Fey und Hogwartsgründerin unversöhnlich an. «Ich ziehe es vor, mein Büro in seinem bisherigen Zustand zu behalten», sagte sie, «ohne schwarzmagische Symbole an den Wänden.»
Wir übrigen besahen uns die Symbole. Ich erkannt in einigen alte Runen, die wir im Unterricht durchgenommen hatten, aus den meisten wurde ich jedoch nicht schlau. Ma und Gawain gingen jedoch aufmerksam an den Wänden entlang.
«Das ist ... eine Geschichte», bemerkte Gawain und fuhr mit seinem Zeigefinger einigen Zeilen entlang.
«Die Geschichte von Hogwarts», ergänzte Ma. «Warst du das, Finëa?»
Finëa nickte. «Helena und ich haben es uns zur Aufgabe gemacht, alle Geschehnisse in dieser Schule aufzuzeichnen. Irgendwie muss man sich ja die Jahrhunderte um die Ohren schlagen.»
Nun sahen alle Finëa überrascht an.
«Jahrhunderte?», echote Mr Weasley.
Finëa lächelte ihn an, wobei ihre spitzen Zähne zu sehen waren. Die gelben, schrägstehenden Augen und die lange Narbe auf ihrer einen Wange komplettierten den einschüchternden Gesamteindruck. «Darf ich mich vorstellen? Finëa di Finjarelle, geboren 812 nach Christus, gestorben – oder besser ermordet – im Jahr des Herrn 1013. Fey und fünfte Gründerin von Hogwarts», sagte sie und machte einen eleganten Knicks. Die Anwesenden starrten sie entgeistert an, woraufhin ihr spitzzahniges Lächeln nur noch breiter wurde. «Aber ich glaube, eigentlich wollten wir die Geschichte dieser Schüler hier hören und nicht die meine.»
Allgemeines Nicken. Harry sah noch kurz verwirrt zu dem überaus stofflichen Geist, bevor er vortrat und den sprechenden Hut auf den Schreibtisch von Professor McGonagall legte. Dann begann er zu erzählen: von einer körperlosen Stimme, die sich als der Basilisk herausgestellt hat, von Riesenspinnen im Verbotenen Wald, davon, wie sie den Eingang zur Kammer des Schreckens im Klo der Maulenden Myrte gefunden hatten ...
«Sehr gut», half Professor McGonagall ein wenig nach, als er innehielt. «Sie haben also herausgefunden, wo der Eingang ist und sind damit weitergekommen als wir es waren – und nebenher haben sie gut hundert Schulregeln in Stücke gehauen, könnte ich hinzufügen – aber wie um alles in der Welt sind sie da alle wieder lebend rausgekommen, Potter?»
«Wir ...», begann Harry und hielt dann inne. «Sie haben auch nach der Kammer des Schreckens gesucht?», fragte er verwirrt.
«Natürlich», erklärte Professor McGonagall resolut. «Nun ja, eigentlich war es vor allem Professor Snape – oder eigentlich diese vier hier.» Sie deutete auf meine Freunde und mich und nun sahen alle uns vier erwartungsvoll an.
«In der Samhainnacht – also Halloween», begann ich in die gespannte Stille hinein zu sprechen, «habe ich ein Ritual abgehalten, bei dem Professor Slytherin und Professor Gryffindor aufgetaucht sind. Dann ist Professor Snape aufgetaucht, um mich zu holen, weil die Kammer des Schreckens geöffnet wurde.» Ich sah hinüber zur Tür, in der sich immer noch der Umriss des Zaubertrankprofessors abzeichnete, aber jetzt begann er zu sprechen.
«Ich habe Slytherin nach der Kammer gefragt, aber er gab sich unwissend. Als dann das Ritual zusammenbrach, habe ich beschlossen, nach einer anderen Möglichkeit zu suchen, um einen Geist zu beschwören.»
«Professor Snape! Das ist dunkle Magie!», rief Mr Diggory entsetzt.
«Nicht zwingend», kam es von meiner Ma. «Das hängt vom Zauber ab.»
Ich nickte und erzählte weiter von unserer Suche nach einem Zauber, von den verschiedenen grausigen Ritualen, die ich in der Verbotenen Abteilung gefunden und die wir allesamt sofort verworfen hatten und davon, wie ich schliesslich das Orakel von Twr Avallach gefunden hatte, dass uns eine Lösung aufgezeigt hatte: ein atlantidischer Ritualzauber. Keine schwarze Magie. Aufmerksam hörten die Erwachsenen zu, als ich den Aufbau und Ablauf des Rituals schilderte.
«Und es hat Sie fast umgebracht – das haben Sie vergessen zu erzählen, Miss Seanorth», ergänzte Professor McGonagall.
Ich sah betreten drein, fuhr dann aber damit fort, wie Kaspar, Cedric, Jessie, Finëa und ich heute Abend die verschiedenen Teile zusammen gepuzzelt und schliesslich herausgefunden hatten, wo die Kammer des Schreckens lag.
«Da untern im Kerker ist einfach so ein Eingang zur Kammer des Schreckens?», fragte Mrs Weasley entsetzt.
«Nun, 'einfach so' ist das auf keinen Fall zu nennen, Mrs Weasley», erklärte Finëa. «Bei diesem ehemaligen Klassenzimmer handelt es sich um einen der bestgeschützten Räume in ganz Hogwarts. Einen Ort, wo man mächtige Zauber und Rituale üben konnte und Duelle die sonst womöglich grossen Schaden angerichtet hätten. Zwischendurch hat Godric den Raum auch als Trainingshalle für seine Schwertkämpfer genutzt, wenn es draussen zu kalt oder zu nass war», fügte sie verschmitzt lächelnd hinzu.
«Kaspar hatte Zugang zum Raum», sagte ich, ging aber nicht auf Nachfragen dazu ein. Stattdessen sah ich zu Harry, der mich neugierig ansah und nickte meinem Halbbruder zu, damit er weitererzählte. Kaspar warf mir einen dankbaren Blick zu und ich nickte leicht. Ich hatte nicht vor irgendwelche Geheimnisse auszuplaudern, wenn es sich vermeiden liess. Nicht über Kaspars Herkunft, meine Verwandtschaftsverhältnisse oder über unser kleines, gemeinsames Problem ... auch wenn letzteres schwierig werden könnte ...
Harry erzählte davon, wie er in die Kammer gelangt war und Ginny gefunden hatte und Voldemort und sein Tagebuch. Er schilderte das Gespräch, erzählte wie Voldemort den Basilisken gerufen hatte und verstummte dann und sah unsicher zwischen Kaspar und mir hin und her.
Es war Ma, die die Situation in die Hand nahm. «Nichts von dem, was nun gesagt wird, wird diesen Raum jemals verlassen», grollte sie und griff dann nach Gawains Hand, der wiederum seine an Finëa weiterreichte. Mit der anderen Hand griff Ma nach der Dumbledores. «Al», sagte sie auffordernd und Dumbledore gab ihr seufzend die Hand.
Mit einem lauten «BUMM» knallte die Tür zu und ein Riegel schnappte ein. Die Luft im Raum schien sich zu verdichten, die Atmosphäre lud sich auf. Ich erkannte, dass das ein Zauber werden würde und packte Finëas Hand und dann Harrys, der seinerseits wiederum Rons Hand nahm, bis sich schliesslich ein geschlossener Kreis gebildet hatte. Einige sahen ganz verdutzt aus über die plötzliche Kette, die anderen von uns waren entschlossen. Dann rauschte etwas durch unsere Hände hindurch gemeinsam mit unverständlichen Worten, die Ma, Gawain und Finëa – und zu meiner Überraschung auch Dumbledore – sprachen. Einige versuchten sich loszureissen, doch die Magie hielt sie an Ort und Stelle. Erst als die Magie abflaute, konnten wir unsere Hände wieder loslassen.
«Was war das?», keuchte Mr Silver und sah die drei Fey der Reihe nach entsetzt an.
«Ein Zauber der verhindert, dass nur ein Sterbenswörtchen von diesem Gespräch den Raum verlässt», erklärte Ma und warf Mr Silver einen dieser Blicke zu, die einem erschaudern liessen. Dann sah sie auffordernd zu Harry, der etwas stockend weitererzählte: Davon, wie der Basilisk aufgetaucht war und von den beiden Obscurialen, die sich um die Schlange gewunden hatten, während Fawkes dem Basilisk die Augen ausgehackt hatte. Harry erzählte vom sprechendem Hut und wie er Gryffindors Schwert darin gefunden und den Basilisk getötet hatte. Dann verstummte er plötzlich und sah unsicher zu Dumbledore. Dieser lächelte kaum merklich.
«Was mich am meisten interessiert», sagte der Schulleiter sanft, «ist die Frage, wie Lord Voldemort es geschafft hat, Ginny zu verzaubern, wo meine Kundschafter mir doch sagen, dass er sich gegenwärtig in den Wäldern Albaniens versteckt.»
«Was mich am meisten interessiert», sagte der Schulleiter sanft, «ist die Frage, wie Lord Voldemort es geschafft hat, Ginny zu verzaubern, wo meine Kundschafter mir doch sagen, dass er sich gegenwärtig in den Wäldern Albaniens versteckt.»
Schockierte Stille breitete sich aus, nur durchbrochen von Mr Weasleys entsetztem Gestammel: «Was soll das heissen? Du-weisst-schon-wer? Hat Ginny verzaubert? Aber Ginny ist nicht ... Ginny war nicht ... oder?»
«Es war das Tagebuch», sagte Harry rasch, nahm es hoch und zeigte es Dumbledore. «Riddle hat es geschrieben, als er sechzehn war ...»
Gespannt hörte ich zu, wie Harry das erklärte, was ich aus den Gesprächsfetzen, die ich in der Kammer des Schreckens mitgehört hatte, nur hatte erahnen können: Wie das Tagebuch funktionierte und wie es Riddle gelungen war, sich Ginnys zu bemächtigen. Mr Weasley war ganz verblüfft, wie Ginny so leichtgläubig hatte sein können, diesem merkwürdigen Tagebuch zu vertrauen.
Dumbledore unterbrach Mr Weasleys Vorwürfe indem er Ginny in den Krankenflügel schickte und eine Tasse heissen Kakao verordnete. Mr und Mrs Weasley verliessen mit ihr das Zimmer und auch Snape folgte, da es nun an der Zeit war, die versteinerten aufzuwecken. Danach schickte Dumbledore McGonagall los, um die Hauselfen zu mobilisieren und lud auch die anwesenden Erwachsenen zum geplanten Fest ein.
Irgendwie schaffte er es dafür zu sorgen, dass auf einmal nur noch Harry und ich im Büro standen. Auch ich war bereits auf dem Weg nach draussen, aber Dumbledores Stimme hielt mich zurück.
«Miss Seanorth. Das Schwert.»
Überrascht sah ich auf das tinten- und blutbefleckte Schwert, das ich wieder in der Hand hielt. Gawain hatte es mir zurückgegeben und meine Hand hatte sich ganz natürlich um das Heft geschlossen.
«Würden Sie es bitte hierlassen? Ich denke nicht, dass Sie es heute nochmals brauchen werden», sagte Dumbledore sanft.
Widerstrebend trat ich an den Schreibtisch heran und legte es zögernd darauf ab. Es behagte mir nicht, es aus der Hand zu geben. Natürlich hatte Dumbledore recht: Ich brauchte es nicht mehr.
Dumbledore nickte mir zu und sah dann sanft lächelnd zur Tür. Ich war entlassen. Dem Schwert noch einen letzten, langen Blick zuwerfend, verliess ich das Büro, schloss hinter mir die Tür und ging in Richtung Grosse Halle. Auf meinem Weg dahin lief ein grosser, blonder Mann mit angewidertem Gesicht an mir vorbei und rannte mich fast über den Haufen.
«Pass auf, wo du hinläufst Mädchen», schnauzte er mich an, bevor er zügig weiterlief. Hinter dem Mann her strauchelte die kleine, gequälte Gestalt eines Hauselfs.
Verärgert starrte ich dem Mann nach, bevor ich mich wieder Richtung Halle wandte. Aber etwas hielt mich auf. An meinem Handgelenk zappelte etwas. Etwas Kaltes, Hartes streifte meine Hand und dann befreite sich Corvus aus Finëas Armreif. Der Rabe aus Obsidian krächzte und seine roten Granataugen sahen mich vorwurfsvoll an.
«Was?», fragte ich ihn ungehalten.
Er krächzte wieder und flog dann in die Richtung, aus der ich gerade gekommen war. Missmutig folgte ich ihm.
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