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Sie war so freundlich. Zu freundlich. Immer so nett. Taras verstand nicht wie man durchgängig so voller Freude sein konnte. Ihm selbst war alles egal. Es interessierte ihn eigentlich nicht, dass so viele Jaycees Freunde waren. Ihm selbst... ihm war eigentlich nichts wichtig. Nur, dass er nachts nicht allein sein musste mit seinen Träumen und jederzeit zu ihr gehen konnte.
"Warum bist du so fröhlich?", sprach Taras sie nach dem Unterricht darauf an. "Hast du keine Sorgen?"
Taras hatte das Gefühl, dass Jaycees Lächeln kurz ins Wanken geriet, doch der Moment war so schnell vorbei, dass Taras sich nicht sicher war, ob er sich das nur eingebildet hatte.
"Wieso sollte ich Sorgen haben?", antwortete sie freundlich. "Ich habe doch so viele nette Freunde."
Taras schluckte. "Du erinnerst mich...an jemanden." Taras konnte gerade noch die Tränen unterdrücken.
"Achso?" Jaycee schaute leicht verwundert. "Ich dachte ich wäre einzigartig." Sie lachte.
"Bist du auch.", antwortete Taras. "Du bist ihr nur ähnlich."
"Na dann hoffe ich, dass du diese Person nicht gehasst hast.", kicherte Jaycee und ging mit ihm aus dem Schulgebäude. "Lass uns nach Hause gehen."
"Nach Hause." Taras dachte daran, dass niemand da sein würde bis zum Abend und an seine Gedanken mit dem Kopf und den Fließen und... "Würdest du mir London zeigen?"
Jaycee drehte sich, vor Begeisterung strahlend, zu ihm um. "Aber gerne doch!"
"Danke." Taras sah sie an, direkt in die Augen und er glaubte Erleichterung darin zu sehen, aber er wollte es gar nicht so genau wissen.
"Dann zeige ich dir mein Lieblingscafé. Das beste Café der Stadt!" Jaycee grinste, hakte sich wie selbstverständlich bei ihm ein und zog ihn fröhlich mit.
Taras folgte ihr schweigend. Dem Mädchen, das viel kleiner als er war und vom Charakter her doch sehr viel größer.
Nur zehn Minuten, dann blieb Jaycee vor einem winzigen, unscheinbaren Café stehen, mit dem Namen Zum Haselnüsschen.
"Henry!", begrüßte sie den einzigen Angestellten fröhlich und umarmte den dunkelblonden Mann.
"Blümchen. Du warst seit fast einer Woche nicht mehr hier." Er erwiderte die Umarmung. "Und wer ist deine Begleitung?"
"Das ist Tarasios. Er ist neu in meiner Klasse. Taras das ist Henry. Chef vom Haselnüsschen und Freund aller Menschen." Jaycee grinste. "Wir machen Sightseeing nachdem wir hier was gegessen haben."
"Das Übliche?", fragte Henry.
"Ja." Jaycee setzte sich an einen der Tische.
"Und was nimmst du Taras?", wandte Henry sich an ihn.
"Einfach das Selbe.", antwortete er.
Jaycee und Henry grinsten sich vielsagend an und Henry nickte. "Wenn du dir sicher bist." Dann ging er hinter die Theke und handwerkelte mit allerlei Zeug herum.
"Ich habe dieses Café nur durch Zufall entdeckt und es als das Beste Londons bewertet. Weil Henry alles selbst bäckt und kocht und so. Er benutzt keine Fertiggerichte.", erzählte Jaycee und spielte dabei gedankenverloren mit einer ihrer Haarsträhnen.
"Interessant.", murmelte Taras.
Henry servierte zwei Stück Erdbeertorte, was ja noch normal war, aber das Getränk war ungewöhnlich. Es war in einem Blutrot mit einer Zitronenscheibe am oberen Rand des Glases und verströmte einen scharfen Geruch.
Taras nippte daran und hustete. "Was ist da alles drin?"
"Rum, Wodka, Amaretto und Gin.", zählte Henry auf. "Neja. Und rote Lebensmittelfarbe und etwas Erdbeersaft."
"Ich bin keine Alkoholikerin, aber ich kann ganz schön was aushalten.", lachte Jaycee. "Um mich betrunken zu machen musst du alle Register ziehen. Ich bin zwar erst siebzehn aber Henry weiß, dass ich das vertrage."
Sie sahen sich alle möglichen Lieblingsplätze von Jaycee an. Den Hydepark, eine belebte Straßenecke. Ein Baum, neben einer Bank. Und normale Sehenswürdigkeiten wie den Big Ben und das London Eye. Da Jaycee die Schlange vor dem Riesenrad jedoch als zu lang befand fuhren sie jedoch nicht hoch.
"Abends ist es sowieso viel schöner.", kommentierte sie.
Ihre Maske bröckelte nur einmal, als Tarasios neben ein paar Blumen am Straßenrand stehen blieb. Jemand hatte sie wohl für ein Unfallopfer dort platziert.
Er blieb daneben stehen, seufzte und sah Jaycee an. "Autounfälle sind grauenhaft, findest du nicht auch?"
Ja. Fand sie. Es war das Schlimmste was Jaycee kannte.
Sie trennten sich erst sechs Uhr und Jeder ging seiner Wege. Jaycee wappnete sich vor einer Zeit allein und versuchte so wenig wie möglich an die Einsamkeit zu denken.
Aber das Lächel konnte sie nicht mehr aufrecht erhalten während sie nach Hause rannte.
Ihre Mutter war da. Das bedeutete zwar, dass Jaycee nicht allein war, brachte aber trotzdem unangenehme Umstände mit sich.
"Wo warst du so lange?", war die erste Frage von Mrs. Ernest. "Und wo warst du heute Nacht?"
"Ich war bei einem Freund.", erwiderte Jaycee. In Gegenwart ihrer Mutter hatte nicht einmal Jaycees Maske Lust zu lächeln.
"Bei einem Freund? Warum gehst du mitten in der Nacht zu einem Freund?", jappste Mrs. Ernest und zeigte mit dem Kochlöffel auf Jaycee. "Ich habe dir tausende Male gesagt du sollst nach um acht nicht mehr raus."
"Was interessiert es dich denn?" Die Maske war nutzlos. Sie half nur bei Freunden. Nicht bei ihrer Mutter. "Du bist sowieso nie da. Und wenn ja, dann meckerst du mich an, warum ich denn so spät komme. Weil du nie da bist. Weil ich es hasse allein zu sein!"
"Aber mitten in der Nacht raus zu gehen ist gefährlich! Dir kann sonst was passieren!"
"Was interessiert es dich?", schrie Jaycee. "Du bist doch eh nie da um mich davon abzuhalten! Wann warst du denn das letzte Mal nicht nur zum Schlafen Zuhause? Das Letzte mal ist bestimmt schon einen Monat her!"
"Jetzt! Ich bin jetzt Zuhause.", erwiderte ihre Mutter. "Und wenn du nicht so selbstsüchtig wärst, dann würden wir heute gemütlich zusammen essen. Weil ich heute da bin!"
"Ich hasse dich! Wenn du wirklich für mich da wärst, dann würdest du mir zuhören. Und zwar so wie Dad!"
Die Hand von Mrs. Ernest klatschte auf Jaycees Wange. Diese, völlig überrumpelt, stolperte zwei Schritte zurück.
"Sprich... sprich nicht über deinen Vater.", flüsterte ihre Mutter, mit vor Wut unterdrückter Stimme. "Er..."
Ein Handy klingelte. Es war das von Mrs. Ernest. Einmal. Sie sah ihre Tochter an. Zweimal. Mrs. Ernest nahm das Telefonat an. Sie redete kurz, während Jaycee einfach nur in der Küche stand und ins Leere starrte.
"Ich muss zurück auf Arbeit. Dieses Gespräch ist noch nicht beendet.", sagte Mrs. Ernest nachdem sie aufgelegt hatte.
Jaycee wusste, dass das nicht stimmte. Dieses Gespräch würde nicht weitergeführt werden.
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