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Der Rest der Woche verlief relativ ereignislos.
Zayn war erst am Freitag, also gestern, wieder zur Arbeit erschienen, mit einem netten Veilchen sowie einer ganzen Reihe anderer Schrammen an allen sichtbaren Körperstellen und dem grimmigsten Gesichtsausdruck, den ich jemals bei irgendjemandem gesehen hatte.
Und glaubt mir, von Zayn hatte ich schon eine ganze Palette davon zu sehen bekommen.
Zu dessen eigenen Sicherheit hatte Liam sich davor gehütet, seinen Kollegen und besten Freund in das Geheimnis meiner wahren Identität einzuweihen – mit dem Resultat, dass der mich noch immer mit der gleichen Inbrunst hasste wie zuvor.
Wenn nicht sogar noch mehr. Und er schien großen Spaß daran zu haben, mich das jeden Tag spüren zu lassen.
Aber nun gut, solange er nicht plötzlich dazu überging, mich im Personalraum zu verprügeln, oder mich nach der Schicht heimlich im Klo ertränkte, wenn Liam gerade nicht hinsah, war mir das relativ gleichgültig.
Ich wusste nun ja, dass er sich lediglich um Liam sorgte und ihn beschützen wollte.
Und auch wenn es den betroffenen Personen beizeiten nicht gefiel, war Unwissenheit manchmal der beste Schutz. Je weniger Zayn wusste, desto besser war es für ihn. Wegen einer Sache, von der er keinen Schimmer hatte, konnte er immerhin nicht auf Rods mörderischen Radar landen, richtig?
Richtig.
Mit meinen Kollegen war ich wie gewohnt mithilfe von Telefonaten, Videosessions und Textnachrichten in Kontakt geblieben und hatte mich über den neuesten Stand der Ermittlungen am Laufenden halten lassen. Sie waren relativ zurückhaltend, was konkrete Aufträge betraf, wofür ich jedoch dankbar war, nachdem ich selbst ausdrücklich darum gebeten hatte. Auf keinen Fall wollte aktiv herumschnüffeln, nachdem ich mit Liam abgemacht hatte, mich aus allem herauszuhalten.
Ja, ich hatte Liam einen Teil der Wahrheit verschwiegen, was die Informationen betraf, die ich an die Polizei weitergegeben hatte.
Und ja, ich wusste, dass meine Kollegen im Hintergrund ganz bedeckt und mit größter Sorgfalt gegen Rod und seine Leute ermittelten, in der Hoffnung, das Herz des Clans rechtzeitig ausfindig machen zu können – im Optimalfall abgeschlossen durch einen Zugriff an Liams Übergabe. Dank mir wussten sie ja, dass diese Übergabe am letzten Tag dieses Monats stattfinden würde.
Während Liam selbst nach wie vor in dem Glauben war, dass die Polizei keinen Dunst von nichts hatte und alles auf die Art verlief, von der er sich einen Erfolg erhoffte.
Es war einfach fantastisch.
Ich müsste lügen, um behaupten zu können, dass es nicht an mir fraß, ihn absichtlich im Dunkeln zu lassen, wo wir beide nach dieser sonntäglichen Eskalation eigentlich beschlossen hatten, von nun an ehrlich miteinander zu sein.
Aber was das Thema Ehrlichkeit im Allgemeinen betraf ... nun ja.
Lasst es mich so formulieren: Es war nicht wirklich mein Spezialgebiet.
Komplett ehrlich war ich zu meinen Kollegen nämlich auch nicht gewesen – Harry war nach wie vor der Einzige, der von meiner besonderen Beziehung zu Liam wusste. Auch wenn er damit gedroht hatte, mir bestimmte Körperteile abzuhacken, sollte ich es dadurch schaffen, mich umbringen zu lassen.
Allerdings hielt sich mein schlechtes Gewissen dahingehend trotzdem in Grenzen, lediglich die Zwickmühle, in die ich Harry mit diesem Beschluss geschubst hatte, tat mir leid. Immerhin hätte Paul meiner Aussage, dass Liam Payne zu diesen Geschäften gezwungen wurde, niemals Glauben geschenkt, hätte er geahnt, dass ich gewissermaßen befangen war und ebenso gut vollkommen blind auf die Manipulation eines Kriminellen hereingefallen sein könnte.
Zusammenfassend belog ich im Moment also so ziemlich jede Person in meinem Umfeld. Harry ausgenommen.
Wäre ich nicht so davon überzeugt gewesen, das Richtige zu tun, würde ich mich nun ordentlich in meinem rabenschwarzen Gewissen suhlen.
Rod würde ihn immer und immer wieder finden. So lange, bis er sein Leben komplett dem Erdboden gleich gemacht hatte.
Und die Polizei wusste nach meinen vorangegangenen Ermittlungen ohnehin schon, was im LP lief, komplett ungeschoren würde Liam aus der Sache also von Grund auf nicht herauskommen.
Den Informationen nach, die ich mir von Harry hatte liefern lassen, sollte er im Falle des erpressten Drogenhandels aber mit einer relativ harmlosen Bewährungsstrafe davonkommen – solange nicht irgendwelche alten, noch nicht verjährten Delikte aus seiner Vergangenheit ans Tageslicht gerieten, die ihm vor Gericht zum Verhängnis werden könnten.
Aber an einen solchen Fall durfte ich gar nicht denken.
Fakt war: Zum jetzigen Zeitpunkt lag noch eine weitere komplette Woche zwischen uns und dem offiziellen Ende des Geschäftsverhältnisses, über die hinweg ich lieber darauf achten sollte, was mein vorlautes Mundwerk von sich gab.
Aber da Liam und ich ohnehin jede freie Minute dafür nutzten, einander an den unangemessensten Orten besinnungslos zu knutschen, rückte der ganze furchterregende Sachverhalt zugegebenermaßen recht oft in den Hintergrund. So oft, dass man es durchaus wohl schon als verantwortungslos bezeichnen hätte können.
Zayn war natürlich im höchsten Maße angepisst von uns. Mich konnte er ja ohnehin nicht leiden, aber nachdem er uns nun schon mehrmals praktisch auseinandertreiben hatte müssen, ließ er mich nun umso deutlicher spüren, was er von mir hielt.
„Nimm deinen Hintern von der Theke."
Unwirsch knallte er eine Box voll schmutzigen Geschirrs neben uns auf die Bar und starrte uns dann so lange finster an, bis Liam die Augen verdreht und mir von der Anrichte heruntergeholfen hatte. „Ihr seid euch dessen bewusst, dass ich den ganzen Laden allein ablaufen und die Gläser einsammeln musste?"
Liam seufzte und gab mir noch einen letzten, schnellen Kuss, bevor er sich seinem Kollegen zuwandte. „Sieh es positiv. Dafür musstest du dich nicht um die Sauerei hier kümmern."
Zayn ließ sich nicht dazu herab, ihm eine verbale Antwort zu geben. Stattdessen schnaubte er nur und dampfte dann sofort wieder in Richtung der Toiletten davon. Mich hatte er keines Blickes mehr gewürdigt.
Ich konnte nicht anders, als ihm in einem Anflug von Bedrückung hinterherzusehen. Wenn ich inzwischen eins begriffen hatte, dann, dass Liam und Zayn wie Brüder waren. Die Tatsache, dass Zayn noch immer felsenfest davon ausging, dass ich von Rod als Späher angeheuert worden war und Liam übel mitspielte, bedauerte ich inzwischen stärker, als ich zuvor angenommen hatte.
Nachdenklich sah ich zu Liam auf. „Ich bin gespannt auf seine Reaktion, wenn er erfährt, dass ich im Prinzip das genaue Gegenteil von Rods Leuten bin."
Liam zuckte die Achseln. Seine Finger hatten wie von selbst erneut liebkosend an meine Wange gefunden und ich kam nicht umhin, mich an ihn zu lehnen und mich der Berührung hinzugeben.
Liam war wie ein Magnet, dessen Wirkung man sich nicht entziehen konnte.
Und ich war ein liebeskranker Idiot, der süchtig war nach seinen Berührungen.
„Er wird dich einfach aus Prinzip weiterhassen, so wie ich ihn kenne." Er lächelte und sah sich nach Zayn um, bevor er noch näher an mich herantrat, um die Arme um mich zu schlingen. „Aber bald ist das vorbei. Nur noch eine Woche, dann bin ich frei und kann tun und lassen, was ich will. Keine Erpressungen mehr, keine Drogen, nichts."
Die ehrliche Überzeugung in seiner Stimme versetzte mir einen Stich, aber ich zwang mich dazu, sein Lächeln zu erwidern.
Das intensive, schokoladige Dunkelbraun seiner Augen leuchtete förmlich, als er sie über mein Gesicht hinweggleiten ließ und damit dieses wohlige Kribbeln in meinem Inneren verursachte, das grundsätzlich auf den Plan trat, wann immer er mich musterte.
Er müsste kein einziges Wort sagen, seine Berührung, seine bloße Anwesenheit waren schon mehr als genug, um jeden Moment zu einem Highlight werden zu lassen. Seine Präsenz war atemberaubend, aber nicht erdrückend, seine Hände auf mir haltgebend, aber nicht zu kräftig oder gar einengend, seine Lippen an meiner Schläfe schlichtweg liebevoll und voller Zuneigung.
Fuck. Ich liebte ihn.
Und ich wünschte mir nur noch, dass all das hier endlich vorbei war. Ganz ungeachtet dessen, womit wir danach konfrontiert wurden. Ich war mir sicher, dass so ziemlich alles besser war als eine Horde von Rods Leuten, die uns an die Gurgel wollten.
„... nach Hause, okay?", riss Liams Stimme mich aus meinem Gedankennachhängen und erinnerte mich daran, dass wir noch immer in einer innigen Umarmung an der Bar standen, obwohl wir die Grenze zum Feierabend längst überschritten hatten.
Verwirrt sah ich auf, ließ jedoch widerwillig zu, dass er von mir zurücktrat. „Was? Sorry, ich war kurz abgeschweift."
Er musterte mich in einer Mischung aus Belustigung und Zuneigung. „Ich sagte, dass ich dich wieder nach Hause fahre, wenn das für dich okay ist."
Ich legte den Kopf schief. „Das musst du wohl oder übel auch, nachdem du mich vor der Arbeit auch dort abgeholt hast. Es sei denn, du willst, dass ich hier übernachte."
„Ich hätte noch einen anderen Vorschlag." Und als sich daraufhin ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete, wusste ich schon, in welche Richtung dieser sogenannte Vorschlag abdriften würde. „Ich könnte dir auch mein Bett anbieten."
„Dort würden wir aber garantiert nicht schlafen."
In gespieltem Entsetzen legte er sich die Hand auf die Brust. „Was? Denkst du etwa, ich verfolge verdeckte Intentionen?"
Der strafende Stoß, den er daraufhin von mir zwischen die Rippen bekam, war nicht unbedingt sanft. „So verdeckt sind diese Intentionen nun auch wieder nicht, Payne. Oder denkst du, ich habe nicht bemerkt, wie du mich die ganze Schicht über angestarrt hast? Ich hatte beinahe Angst um meinen Hintern."
Sein darauffolgender Flunsch war geradezu liebenswürdig, aber mal abgesehen von einem halbherzig gemurmelten „Ich weiß nicht, was du meinst" verkniff er sich jedes weitere Argument.
Inzwischen hatte er offenbar begriffen, dass man gegen meinen Willen und meinen Trotz nicht ankam, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt hatte. Da konnte er seinen steinerweichenden Hundeblick noch so sehr perfektionieren, und glaubt mir, den beherrschte er auch jetzt schon ziemlich gut.
„Sorry, Li." Seufzend zog ich sein Shirt zurecht, das er sich vorhin nur nachlässig übergeworfen hatte, um so schnell wie möglich aus dem verschwitzten LP-Oberteil zu kommen. „So gern ich dieses Angebot annehmen würde, wäre das alles andere als klug. Es ist gut möglich, dass inzwischen jemand deine Wohnung überwacht. Meine Kollegen auf Streife sind auch relativ oft dort in der Gegend. Und wenn ich nach der Arbeit zusammen mit dir auftauche, könnte das eventuell für Fragen sorgen."
Liam gab ein Grunzen von sich. „Eventuell."
Seine Schnute war nun so trotzig, dass ich lachen musste. Neckend piekte ich ihm den Zeigefinger gegen die Wange. „Na gut, du Riesenbaby. Dann lass uns zusehen, dass wir heimkommen. Ich ziehe mich auch noch kurz um, dann bin ich sofort wieder bei dir."
„Das will ich doch auch hoffen." Er entließ meine Hände in die Freiheit, ließ es sich jedoch nicht nehmen, unsere Lippen ein weiteres Mal zu einem schnellen Kuss zu verbinden, bevor er mit dem Daumen zum Personalraum deutete. „Lass dich von Zayn nicht zu sehr ärgern. Der ist vorhin auch rein."
„Von diesem Psycho? Niemals."
„A-ha!" Triumphierend reckte er den Zeigefinger in die Luft. „Wusste ich doch, dass du ihn heimlich so nennst!"
Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen stieg. „Kannst du es mir verübeln?"
Liam tat so, als müsste er überlegen, lachte dann aber. „Nicht wirklich."
„Wenigstens sind wir uns da einig." Lächelnd stahl ich mir noch einen Kuss von ihm, bevor ich mich endgültig loseiste, um mich endlich dem Personalraum und meinen Klamotten zuzuwenden.
Es wurde immer schwieriger, mich auch nur für ein paar Minuten von ihm zu trennen, vom Dienstschluss nach einer Schicht ganz zu schweigen.
War diese Sucht nach der Nähe einer bestimmten Person etwas, was mit dem Gesamtpaket Verliebtsein einherging?
Vermutlich schon, angesichts dessen, wie wir es einfach nicht auf die Reihe bekamen, länger als zehn Minuten die Finger voneinander zu lassen.
Sehr zu Zayns Leidwesen.
Während ich nun eilig meine Sachen zusammensuchte und mir das helle Shirt überwarf, das ich am gestrigen Abend ohne hinzusehen aus meinem Schrank gezogen hatte (immerhin hatte ich nur Augen für Liam gehabt, der mich komplett ohne Voranmeldung abgeholt hatte), hörte ich Liam draußen an der Bar leise summend diverse Gegenstände umherrücken.
Das dümmliche Grinsen wollte gar nicht mehr von mir weichen. So holprig unser Weg auch gewesen war, hatte dieser Mann mein Herz so dermaßen schnell für sich beansprucht und beanspruchte es auch jetzt noch mit jeder verstreichenden Sekunde so dermaßen viel mehr, dass es schon fast an Peinlichkeit grenzte.
„Li, ich bin fertig, wir können." Prüfend warf ich einen letzten Blick zurück zu den Spinden, bevor ich aus dem Raum trat und das Licht losch.
Etwas umständlich schlüpfte ich in meine Lederjacke, bevor ich aufblickte, davon ausgehend, Liam an der Anrichte zu sehen – doch zu meinem Erstaunen lagen die Bar und der Rest des Clubs still und verlassen vor mir. Liam war nirgendwo zu sehen.
„Liam?"
Keine Antwort.
Stirnrunzelnd stellte ich meinen Rucksack ab. Vielleicht hatte er noch einen Abstecher zu den Toiletten gemacht? Oder einen kleinen, abschließenden Rundgang zum Bistro hinüber?
Dann erst fiel mir ein, dass ich vorhin auch Zayn gar nicht begegnet war, den ich eigentlich im Personalraum antreffen hätte müssen – es sei denn, er hatte das Gebäude durch den Anlieferzugang verlassen.
Bei dem Gedanken, dass Zayn sich heimlich durch die Hintertür verdrückt hatte, um uns nicht nochmal knutschen sehen zu müssen, musste ich trotz allem ein Grinsen verkneifen. Dieser Typ war einfach unglaublich. Vermutlich hatte Liam Recht damit, dass Zayn mich auf ewig hassen würde, ganz egal, ob ich nun der Feind war oder nicht.
Ein Geräusch aus der Richtung des Eingangsbereichs erregte meine Aufmerksamkeit und unterbrach meine amüsanten Gedankengänge.
Erwartungsvoll hob ich den Kopf, fest damit rechnend, dass Liam nun auf die Tanzfläche trat und augenbrauenwackelnd mit seinem Schlüsselbund wedelte, so wie er es immer tat, wenn er mich zum Gehen aufforderte – doch nichts dergleichen geschah.
Okay, das war nun definitiv ein bisschen merkwürdig.
Verwirrt tastete ich nach meinem Handy. „Liam, wenn du mich verarschen willst, dann Glückwunsch, es funktioniert. Aber können wir jetzt bitte fahren?"
„Fahren? Du hast es aber eilig."
Meinem Blut blieb nicht einmal mehr genug Zeit, um Temperaturen unter dem Gefrierpunkt erreichen.
In dem Bruchteil einer Sekunde, der mir als Reaktionszeit blieb, konnte ich gerade noch zusammenzucken und herumwirbeln – und sah dann nur noch eine geballte Faust auf mich zufliegen, bevor mich der Schlag auch schon hart ins Gesicht traf.
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Wo ist Liam denn nun so plötzlich hin?👀 Und Zayn?
Ähm, ja.
Cliffhanger-Alert, I'm sorry. Leider kann ich diesmal nicht einmal ein schnelles Update versprechen, aber ich bemühe mich🙈
Ansonsten freu ich mich wie immer über Sternchen und Kommis und wünsch' euch noch einen schönen restlichen Feiertag!🥰⭐🎀
Andi❤
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