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Das Team bestand zunächst einmal aus Larry Stylinson (wie die zwei neckend von den Kollegen genannt wurden) und Paul Higgins als Einsatzleitung.
So weit, so gut.
Hinzu kamen noch zwei weibliche Mitglieder, die schlaksige Taylor, die zusammen mit Harry ihren Abschluss gemacht hatte, sowie die stellvertretende Stationsleitung, eine bebrillte Frau fortgeschritteneren Alters namens Karen.
Zu guter Letzt waren noch Lewis und Dan zu verzeichnen, die beide im Innendienst tätig waren. Ersterer, weil er zurzeit auf Krücken durch die Gegend gurkte, und Letzterer als Resultat eines Disziplinarverfahrens, worüber er sichtlich angepisst war.
Zu meiner Erleichterung gab es keine ausgedehnte Vorstellungsrunde mit Hobbys und allem, was dazugehörte, wobei mich das unter Polizeibeamten zugegebenermaßen ein wenig verstört hätte. Stattdessen wurde ich von Paul Higgins, der mir im Zuge meines Dienstantritts nun auch das Du anbot, in Anwesenheit sämtlicher Teammitglieder offiziell in aller Kürze willkommen geheißen und vorgestellt – um dann praktisch nahtlos zum Alltagsgeschäft überzugehen.
Was mir, offen gesagt, gerade recht war. Es gab nichts, was ich mehr hasste, als Frischfleisch zu sein und vor allen als solches vorgeführt zu werden. Da war es mir bedeutend lieber, mich unter die anderen zu mischen und simpel dem Einsatzleiter zuzuhören, der nun gerade die Zusammenhänge des neuesten Falls erläuterte.
„Wir ihr alle wisst, steht der LP-Club nach wie vor unter dem Verdacht, ein Knotenpunkt für den Handel von Ecstasy zu sein. Der Eigentümer selbst wird dahingehend verdächtigt, an einer langen Fallreihe von schwerer Körperverletzung und mehrfach versuchten Mordes beteiligt zu sein, die mit diesem Handel in Verbindung gebracht wird. Bisher haben wir nur einen anonymen Hinweis erhalten, der zwar durchaus glaubwürdig ist, aber dem es leider an untermauernden Beweisen fehlt. Die Kollegen aus dem 4er haben vor einiger Zeit einen Versuch gestartet, einzelne Beamte als Clubbesucher und interessierte Käufer einzuschleusen, aber das ..." Paul räusperte sich, während sein unheilvoller Blick für einen Moment zu Louis hinüberflackerte. „... ist ja gründlich in die Hose gegangen."
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Harry seinem Freund unter dem Tisch in einer besänftigenden Geste eine Hand aufs Knie legte. Louis' Gesicht war verkniffen und sein Körpertonus wirkte, als stünde er unter Strom. Als würde er Paul am liebsten ins Gesicht springen. Was angesichts seines Hitzkopfs wohl niemanden sonderlich überrascht, seine Karriere jedoch mit einem einzigen Schlag beendet hätte.
Im wahrsten Sinne des Wortes.
„Nach dieser Sache wurde der Fall an uns übertragen. Ich verlange höchste Einsatzbereitschaft und Sorgfalt im Vorgehen. Dieser Clan, der hier am Werk ist, weiß genau, wie weit er gehen kann, um Angst und Schrecken zu verbreiten, gleichzeitig aber der Polizei auf der Nase herumzutanzen."
Wieder unterbrach er sich, wobei ein weiterer nachdrücklicher Blick in Louis' Richtung ging. „Was dich betrifft, Tomlinson: Du wirst Lewis und Dan für die nächsten Wochen im Innendienst unterstützen. Du weißt, was das heißt. Protokolle, Berichte, Anträge. Und du weißt hoffentlich auch, dass du nach einer solchen haarsträubenden Aktion nicht überall so glimpflich davongekommen wärst."
Louis starrte ihn an. Dann holte er prompt mit grimmigem Gesicht Luft (ich zog schon Schlimmes befürchtend den Kopf ein), doch zum Glück brachte Harry seinen vorlauten Freund mit einem Tritt gegen das Schienbein zum Schweigen. Damit handelte er sich zwar einen finsteren Blick in Kombination mit einer unschönen Grimasse ein, aber zumindest hatte er es geschafft, eine weitere Eskalation abzuwenden.
Eskalieren war etwas, das Louis gut konnte. In sämtlichen Lebensbereichen.
Ich war nicht der Einzige, der erleichtert aufatmete. Taylor und Lewis tauschten ebenfalls einen vielsagenden Blick und schüttelten dann betreten die Köpfe. Sicherlich hatten sie schon vor Louis' Dienstantritt hier durch seine Beziehung mit Harry Bekanntschaft mit ihm gemacht und wussten um sein Temperament. Sein Temperament, das in ungezügelter Form in seinem Job absolut nichts, aber auch wirklich gar nichts zu suchen hatte.
Dennoch empfand ich Mitleid für ihn. Klar, er hatte eine große Klappe sowie ein Eifersuchtsproblem und ging mir meistens mit seinen dummen Sprüchen auf den Keks, von seiner schnippischen Besserwisserei ganz zu schweigen.
Aber trotzdem hatte er das Herz am rechten Fleck, war seinen Freunden treu und wollte seine Sache gut machen. Das war vermutlich auch der Grund, wieso er so verbissen versucht hatte, die schiefgegangene Mission auf eigene Faust noch irgendwie zu retten.
Dass er damit am Ende aber nur das Gegenteil erreicht und alles noch weiter verschlimmert hatte, verlieh der Situation einen zusätzlichen bitteren Beigeschmack.
Paul hatte unterdessen unbeirrt fortgefahren. „Wir können uns glücklich schätzen, dass die Mitarbeiter im Club keinen Wind davon bekommen haben, dass in diesem Chaos die Polizei beteiligt war. Wie auch immer. Jedenfalls nützt es nichts, sich ständig als Clubbesucher einzuschleichen. Vermutlich gehen diese Leute nach Einzelterminen vor, die sie spontan planen und über die nur die üblichen Kunden informiert werden, damit ja nichts nach außen sickert. Außerdem fällt man nach einiger Zeit auf, auch wenn man sich abwechselt, zumal die meisten von uns unter den Leuten hier im Viertel viel zu bekannt sind."
Der Einsatzleiter nahm einen Schluck aus der mit Hühnern bedruckten Kaffeetasse, die vor ihm auf dem Tisch stand. „Für ein sinnvolles Vorgehen brauchen wir jemanden, der sich mit einer triftigen Begründung dauerhaft, jede Nacht dort aufhalten kann, ohne Gefahr zu laufen, als Polizist erkannt und einen Kopf kürzer gemacht zu werden."
Taylor runzelte die Stirn. „Ein Undercover-Langzeiteinsatz also?"
„Exakt." Pauls Finger trommelten auf der Oberfläche des Konferenztisches, um den herum wir uns versammelt hatten. Aus den Augenwinkeln registrierte ich, wie Louis noch immer kochte. „Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht, um einen Fuß in diesen Schuppen zu bringen. Diese Schweine sind gewieft. Und gefährlich. Viel zu oft sind wir bei Razzien leer ausgegangen oder hatten Falschinformationen zu vermeintlichen Übergaben. Und dass mitwissende Personen von der Bildfläche verschwinden, ist auch keine Seltenheit."
Nachdenklich kratzte er sich am Kinn, während alle ihn gespannt beobachteten. Es war ihm anzusehen, dass er sich im Kopf bereits einen vagen Plan zurechtgelegt hatte, den er uns nun zu präsentieren gedachte.
„Und wer soll den Einsatz übernehmen?", meldete sich Harry mit seiner tiefen Stimme zu Wort. Seine Hand ruhte noch immer auf Louis' Bein und malte mit dem Daumen Kreise auf sein Knie. „Du wärst derjenige mit der meisten Erfahrung, aber wenn sie dich inzwischen nicht kennen, sind sie schlichtweg blind. Taylor ist auch bekannt. Und Karen sowieso."
Karen senkte den Blick auf ihre im Schoß gefalteten Hände hinab, während sich die übrigen Anwesenden in offensichtlicher Betroffenheit wanden – anscheinend wussten alle, warum Karen sich in diesem Einsatz zurückzuhalten hatte.
Alle außer ich.
Als der dumme Neue verstand ich natürlich nicht im Geringsten, worum es ging. Noch etwas, das ich mit ganzem Herzen verabscheute.
Zu meiner Dankbarkeit wertete Harry das Fragezeichen in meinem Gesicht auch als ein solches und lehnte sich über die Armlehne seines Stuhls zu mir hinüber, während die anderen das Gespräch nach der kurzen emotionalen Unterbrechung fortführten.
„Karens Sohn gehört der Club", murmelte er mir aus halb geschlossenen Mundwinkeln zu. „Er hat den Kontakt zu ihr sofort nach seinem Schulabschluss abgebrochen. Sie hat seit knapp acht Jahren kein Wort mehr mit ihm wechseln können. Und jetzt steht er unter dem Verdacht, als führender Kopf in Dealer-Kreisen unterwegs und an Fällen schwerer Körperverletzung beteiligt zu sein. Das nimmt Karen ganz schön mit, wie du dir sicherlich vorstellen kannst."
Bestürzt biss ich mir auf die Lippe. Und ob ich mir das vorstellen konnte. Zwar hatte ich Karen heute erst kennengelernt, aber sie machte einen sehr warmherzigen, mütterlichen Eindruck. Auf keinen Fall wirkte sie wie jemand, der seinen Sohn dazu treiben könnte, bei der ersten Gelegenheit aus dem Elternhaus zu türmen und sämtliche Verbindungen zu kappen.
Aber wer war ich schon, um über Dinge urteilen zu dürfen, in die ich keinerlei Einblick hatte? Richtig, niemand. Schon gar nicht, wenn man die betreffende Person seit ungefähr zehn Minuten kannte.
„Niall."
Ich schrak hoch, als mein Name fiel. „Ich ... was? Tut mir leid, ich war kurz abgeschweift." Dann erst ging mir auf, dass alle mich anstarrten, und sofort wurde ich nervös. „Ähm ... was ist los?"
Paul bedachte mich mit einem eindringlichen Blick. „Es wurde eben beschlossen, dass du den Einsatz übernehmen wirst."
Ha-ha-ha.
Pauls Miene blieb unbewegt.
Moment. Was?
Entsetzen erfasste mich. „Ich soll ... was?!" Kurz hielt ich inne, um einmal tief durchzuatmen. „Auf keinen Fall. Das ist doch sinnlos. Ich komme frisch aus der Ausbildung, habe praktisch null Erfahrung mit nichts, also ..."
„... also ist das die perfekte Gelegenheit für dich, wertvolle Erfahrungen zu sammeln", schnitt Paul mir lächelnd das Wort ab. „Komm schon, Horan. Die letzten zweieinhalb Jahre meiner Tätigkeit als Dozent habe ich zu zwei Dritteln damit verbracht, dich zu Sachen zu überreden, die du am Ende allesamt perfekt gemeistert hast."
In meinem Kopf rauschte es, während ich mir instinktiv palettenweise Gegenargumente zurechtlegte.
Nein! Auf keinen Fall würde ich diese Mission übernehmen. Ich wäre dort komplett auf mich allein gestellt, dürfte mich nicht mit meinen Kollegen blicken lassen, dürfte nur sporadisch in Kontakt mit ihnen bleiben, müsste mich als eine komplett andere Person ausgeben, für weiß Gott wie lange.
Dafür fehlten mir Mut, Können und Erfahrung.
„Ohne den ganzen Plan in Frage stellen zu wollen, aber wieso ausgerechnet ich?" Leicht panisch vollführte ich eine anklagende Geste in Richtung meines besten Freundes. „Was ist denn zum Beispiel mit Harry?"
Zu meinem Missfallen schüttelte der langsam den Kopf. „Zwecklos. Ich wohne schon mein ganzes Leben in diesem Stadtteil. Und auch wenn man mich nicht persönlich kennt, weiß man zumindest vom Sehen her, dass ich Polizist bin. Mich kannst du als Kandidat vergessen."
„Genau", griff Paul den Aspekt eifrig auf. „Du, Niall, bist vor drei Tagen hierhergezogen, kennst außer uns vermutlich noch niemanden, warst noch nicht beruflich oder privat groß auf den Straßen hier unterwegs. Niemand kennt dich." Voll Begeisterung schnippte der Einsatzleiter mit den Fingern, während die anderen bekräftigend nickten. „Das macht dich zum perfekten Kandidaten."
Stöhnend fasste ich mir an die Stirn. Wie hatte ich heute beim Aufstehen auch nur ansatzweise an einen einigermaßen gechillten ersten Arbeitstag denken können? Und wie hatte ich annehmen können, dass all die fremden Leute mein größtes Problem sein würden?
Und jetzt saß ich hier, drauf und dran, eine Verantwortung übertragen zu bekommen, die weit über mein Vertrauen in mich selbst hinausschoss.
Harry stieß mich mit dem Ellbogen in die Seite, aufmunternd nickend. „Komm schon, Nialler. Das ist deine Chance auf einen fabelhaften Karriereeinstieg."
...oder auf ein Vollfiasko, das meine Karriere beendete, bevor sie überhaupt richtig beginnen hatte können.
Hin- und hergerissen zwischen Gefühl und Verstand rang ich um Worte. All meine neuen Kollegen blickten mich erwartungsvoll an, mit Ausnahme von Louis mit seiner braunen Strubbelfrisur, der noch immer mürrisch einen Punkt auf dem Tisch fixierte, als wollte er die hölzerne Oberfläche mit Lasern durchbohren.
Fuck.
Noch keine Stunde war ich hier und schon erwarteten alle Meisterleistungen von mir.
Fuck.
„Okay. Ich mach's."
Und obwohl danach alle in Gejubel und übertriebenes Beifallklatschen ausbrachen, während mir sogar Louis knapp zunickte, kam ich nicht umhin, meine Entscheidung sofort zu bereuen.
Mein gutes Gefühl hielt sich bei der Sache in Grenzen.
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Meins auch. Damn.
Das Niam-Meeting steht kurz bevor😏
Aus Zeitgründen spare ich mir die lange Abschlussrede diesmal, sondern wünsch' euch einfach einen schönen Abend💖
Dankeschön fürs Lesen, Kommentieren und eure ganzen Sternchen!🥺
Liebe Grüße!
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