Kapitel 6
Man hatte uns mit auf das Polizeirevier genommen und uns zwei Zimmer zugewiesen. Sie waren überraschend gemütlich: Ich hatte einen Schreibtisch, ein Bett und sogar einen Fernseher. Dazu gab es noch ein Gemeinschaftsbad, was mich zwar nicht umhaute, aber hey, wir waren hier bei der Polizei und nicht im Hotel.
Es war schon ziemlich spät. Ich war um etwa ein Uhr von der Party gegangen, also müsste es jetzt um die drei Uhr sein, vielleicht auch später. Ich zog mir die Schuhe aus und legte mich ins Bett. Müde war ich zwar schon, aber ich hatte Angst, was ich sähe, sobald ich die Augen schließen würde.
Meine Gedanken rasten und ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Wussten meine Freunde und Familie, was passiert war? Machten sie sich Sorgen? Und was war mit dem Täter, suchte er bereits nach uns? Was, wenn er uns finden würde?
Meine Augen brannten vor Müdigkeit, und schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Leise stand ich auf und öffnete meine Tür. Sie war nicht abgeschlossen, da wir, laut Officer Beetle, keine Verbrecher waren und uns deshalb frei bewegen durften. Im Flur war alles dunkel, jedoch fiel aus einem Raum am Ende des Gangs ein Lichtschein auf den Boden. Zögerlich näherte ich mich und schaute hinein. Ein Polizist saß an einem Tisch über ein Blatt Papier gebeugt. Ich räusperte mich, woraufhin er zusammenfuhr und sie umdrehte. "Himmel, Miss!" keuchte er und drückte sich eine Hand aufs Herz. "Sie haben mich vielleicht erschreckt!"
Ich lächelte entschuldigend. "Nun, was kann ich für Sie tun?" Als er meinen Blick sah, fragte er: "Lassen Sie mich raten: Sie können nicht schlafen, hab ich recht?"
Ich nickte.
"Das haben wir hier öfters. Ich habe Schlaftabletten, die für einen tiefen und traumlosen Schlaf sorgen. Ich kann Ihnen eine geben, aber das muss unser Geheimnis bleiben, in Ordnung? Eigentlich darf ich nicht willkürlich Medikamente verteilen."
Er lächelte mich ermutigend an und drückte mir eine kleine Tablette in die Hand. "Gute Nacht, Miss."
Ich tapste zurück in mein Zimmer und spülte die Tablette mit etwas Wasser herunter. Schon nach wenigen Minuten wurden meine Augen schwer, und schließlich schlief ich ein.
Ich wurde von einem lauten Klopfen geweckt. Müde rollte ich mich auf den Rücken. "Ja?"
"Miss Collins, in einer halben Stunde fahren wir los zu Ihnen nach Hause, damit Sie Ihre Sachen packen können. Ihr Flug geht um 11:30 Uhr. Bitte seien Sie rechtzeitig fertig!"
Oh, richtig. Der Flug. Ich stand auf, zog mir meine Schuhe an und lief über den Flur ins bad. Glücklicherweise war ich allein, denn ich hätte ungerne eine weitere, womöglich männliche Person beim Duschen angetroffen. Als ich mein GEsicht im Spiegel betrachtete, fiel mir auf, dass ich nicht so schlimm aussah, wie ich befürchtet hatte. Zwar hatte ich dunkle Ringe unter den Augen, aber der tiefe Schlaf schien mir gutgetan zu haben.
Auf einem Waschbecken standen Einmalzahnbürsten. Ich nahm mir eine und verließ kurze Zeit später das Bad. In meinem Zimmer gab es nichts mehr, dass mir gehörte, also machte ich mich auf den Weg zur Eingangshalle. Außer mir war noch keiner da. Ich lehnte mich an eine Wand und ließ meine Gedanken treiben, vermied aber bewusst die Geschehnisse letzter Nacht. Schließlich ertönten Schritte, und zu meiner Überraschung bog der Junge um die Ecke. Jetzt konnte ich ihn auch richtig mustern: Er trug eine dunkelgraue Jeans und einen zerknitterten Pullover, auf dem in Großbuchstaben "I'm a superhero" stand. Er war nicht besonders groß. An seinem Gesicht fielen mir als erstes die blondgefärbten Haare auf, und ich runzelte die Stirn. Welcher Junge färbte sich bitte die Haare? Ich kannte keinen. Seine Augenfarbe konnte ich nicht erkennen, aber mir war es eh unangenehm, ihn so anzustarren. Ich hatte genug gesehen, um zu wissen, dass er nicht schlecht aussah.
Er schaute mich etwas unsicher an und meinte: "Hey, ich bin Niall. Du...du bist nicht zufällig ein Fan?"
Verwirrt starrte ich ihn an. Was meinte er bitte?
"Naja, also du kennst mich sicherlich, oder? Ich kann dir auch ein Autogramm geben, und dann ignorierst du mich einfach?" fragte er weiter.
Misstrauisch machte ich einen Schritt zurück.
"Hör zu," wie war nochmal sein Name? Irgendwas mit N. Nico? Niels?
"Niels- ich weiß nicht, was die letzte Nacht mit deinem Gehirn gemacht hat, aber ich habe absolut keine Ahnung, wer du bist. Und so, wie du dich aufführst, will ich das auch gar nicht wissen."
Niels öffnete und schoss seinen Mund. Dabei machte er ein bisschen den Eindruck eines verblödeten Kamels.
Schließlich sagte er: "Tut mir wirklich leid. Vergiss einfach, was ich gesagt habe, okay? Ich bin noch nicht ganz wach." Er lächelte mich entschuldigend an und hielt mir seine Hand entgegen.
Nach kurzem Zögern schüttelte ich sie und meinte: "Ich bin Jenna."
"Freut mich dich kennenzulernen, Jenna" sagte er und grinste immer noch.
Das werden wir sehen, dachte ich still.
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