Kapitel 39
Wenige Tage später fiel mir beim Frühstück etwas an Niall auf. Ich beugte mich vor und kniff die Augen zusammen. "Was ist los?" fragte er überrascht und wich etwas zurück. "Deine Haare hängen in meinem Marmeladentoast, Jenna." Doch ich fixierte weiterhin seine Haare. "Was ist denn da?" wollte er wissen und sah mich misstrauisch an. Schließlich lehnte ich mich grinsend zurück und sagte: "Ist das etwa ein brauner Haaransatz bei dir?" Niall fuhr sich sofort mit der Hand an die Stirn, als könne er das spüren. „Mist!" fluchte er. „Mist!" Ich versteckte mein breites Grinsen, indem ich ein großes Stück von meinem Toast abbiss.
Resigniert seufzend ließ schließlich er die Hand sinken und sah mich vorwurfsvoll an. „Und ich wette, in diesem Kaff kriegt man auch kein Haarfärbemittel."
„Da wette ich nicht dagegen", antwortete ich schulterzuckend. „Sieht so aus, als müsstest du jetzt eine Weile mit deinen richtigen Haaren rumlaufen." Bei seinem missmutigen Blick hörte ich auf zu scherzen. „Was ist denn so schlimm an braunen Haaren?"
„Sie stehen mir einfach nicht", antwortete er. „Und ich wollte eigentlich schon immer lieber blonde Haare haben. Keine Ahnung, warum- vielleicht, um mich ein wenig von den anderen abzuheben."
„Aha", meinte ich, obwohl ich nicht genau wusste, worüber er sprach. „Aber nimm's positiv. Mit braunen Haaren siehst du komplett anders aus als mit blonden. Und das ist doch gut, oder? Dann wirst du vielleicht nicht so schnell... wiedererkannt." Er zuckte die Achseln, stupste mich aber unter dem Tisch mit dem Knie an. Erleichtert grinsend aß ich den Rest des Toastes auf. Gestern Abend hatte ich die Tage, die ich bereits hier war, gezählt und war auf 24 gekommen. Dass wir nun schon seit über drei Wochen in Develon Hill waren, kam mir vor wie wenige Tage. Unglaublich, wie sehr sich mein Leben in der kurzen Zeit geändert hatte. Fast hatte ich Gefallen an allem hier gefunden- die verschlafene, ruhige Stimmung des Ortes war ein extremes Gegenteil zu London, der Stadt, in der zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas los war. Ich hatte außerdem selten so freundliche Leute kennengelernt. Es war fast zur Tradition geworden, dass ich mich jeden Morgen mit dem Bäcker unterhielt oder die Fleischerin mir ein Stück Wurst extra zusteckte. Marylin war immer noch so toll wie von Anfang an. Zwischen Niall und ihr war die Stimmung zwar immer noch ein wenig unterkühlt, aber auch das besserte sich allmählich. Ihren Freund Dean bekamen wir allerdings nur selten zu Gesicht. Wenn wir bei ihr waren, ging er uns meistens aus dem Weg und vermied Augenkontakt. Ein seltsamer Kerl, aber Marylin beteuerte immer wieder, wie lieb er sei. Dann war da noch Gordon. Das einzige Problem war, dass die Verständigung zwischen uns mehr als ungelenk vonstatten ging. Ich hätte nie gedacht, dass ich von Handys auf Zettelchen am Fenster und unter der Fußmatte umsteigen würde. Ansonsten konnte ich sagen, dass ich selten so glücklich gewesen war. Würde nicht über allem, was wir taten, ein unheilvoller Schatten hängen, der Niall und mich stets daran erinnerte, weshalb wir hier waren, hätte ich das Ganze als zutiefst entspannenden Urlaub gesehen. Auch Wicked entwickelte sich prächtig und sorgte dafür, dass Niall und mir niemals langweilig wurde. Angefangen bei verschleppten Schuhen bis hin zu plötzlichen Überfällen vom Schrank aus hatte der Kleine alles auf Lager. „Wir hätten ihn Gently nennen sollen", stöhnte Niall, als er die Federn betrachtete, die in seinem ganzen Zimmer verteilt waren. Von seinem Kissen dagegen war nur noch eine leere Hülle übrig. Während wir also damit beschäftigt waren, alles wieder aufzusammeln, sprang der Kater immer wieder auf das sich langsam erneut füllende Kissen und hatte riesigen Spaß dabei, die herabschwebenden Federn zu attackieren und anzufauchen.
Was mir weiterhin Sorgen bereitete, war, dass der Ring nicht mehr aufzufinden schien. Stundenlang hatten wir den Garten durchkämmt, jedes Stückchen Erde umgedreht. Nichts. Glücklicherweise hatte Marylin es bis jetzt noch nicht bemerkt. Auch wenn wir mittlerweile gut miteinander befreundet waren- wenn es um unsere Sicherheit ging, war sie knallhart.
Auch wenn unser Leben langsam aber sicher alltägliche Züge annahm, wurde es kein bisschen langweiliger. Es war eigentlich immer was los, und wenn man gerade nichts zu tun hatte, musste man nur vor die Tür treten, schon wurde man angesprochen. Auch die mittlerweile täglichen Besuche bei Gordon genoss ich sehr. Es faszinierte mich, wie gut wir zusammenpassten. Das fiel mir vor allem bei Kleinigkeiten auf. Er mochte die Gummibärchen, die ich nicht mochte und andersrum. So waren die Tütchen immer schon nach wenigen Augenblicken leer. Wenn ich mit Niall Gummibärchen aß, stritten wir uns so lange um die Grünen, bis einer sie an sich riss und einfach auffutterte. Gordon überraschte mich außerdem immer wieder mit süßen Aktionen. Erst vor wenigen Tagen hatte er nachts so lange Kieselsteine an mein Fenster geworfen, bis ich wach geworden war. Als ich dann draußen stand, hatte er mich lächelnd zu dem kleinen See im Garten geführt und mit mir gemeinsam die Sterne angeschaut. Obwohl ich vor nicht allzu langer Zeit über diesen Kitsch gelacht hatte, hatte ich die romantische Stimmung zutiefst genossen. Das war es, was ich besonders mochte: Dass ich mich bei Gordon einfach rundum wohlfühlte.
Nach dem Frühstück räumten wir den Tisch ab. Niall schien hibbelig und nervös zu sein, während ich noch mit der Müdigkeit zu kämpfen hatte und immer wieder gähnen musste. „Was ist denn heute bloß los mit dir?" fragte ich schließlich.
„Ich weiß es nicht. Ich schätze mal, ich bin nicht ausgelastet, vielleicht sollte ich gleich ein wenig Skateboard fahren gehen. Ja, das ist eine gute Idee. Kommst du mit?"
Ich schüttelte den Kopf. „Wenn ich im wachen Zustand schon auf meinem Hintern lande, möchte ich lieber nicht ausprobieren, was passiert, wenn ich im Halbschlaf ein rollendes Brett besteige. Aber viel Spaß dir!" Niall schulterte das Board. „Wie du willst. Ich schätze, ich bin in spätestens einer Stunde zurück, wenn du Lust hast, kannst du ja nachkommen." Ich nickte und winkte, als er die Einfahrt runterfuhr und dabei nicht ein kleines bisschen wackelte. Gespielt niedergeschlagen sagte ich zu Wicked: „Manche Menschen haben halt dieses irre Gleichgewicht. Das ist an mir leider vorbeigegangen." Dieser schaute mich gähnend an und sprang dann auf das Geländer des kleinen Treppchens vor der Haustür. Auf den Hinterbeinen stehend schlug er nach den letzten Schmetterlingen. „Du fährst bestimmt besser Skateboard als ich", grinste ich und streckte mein Gesicht den wenigen noch wärmenden Sonnenstrahlen entgegen.
Hey Ho, ihr da draußen! Habe spontan meine Nacht für dieses Kapitel verwendet. Und ja, es hat lange gedauert, aber dafür ist es auch länger als sonst :) Vielleicht schaffe ich es ja, in den Ferien noch an Kapitel 40 (!) zu arbeiten. Oh, und ein fettes Dankeschön für 37,7k Reads und 3,7k Votes! Könnte deswegen manchmal durch die Gegend rennen und Schmatzer verteilen.
Liebe Grüße, Eure Palodie ;)
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