Kapitel 35
"Ein Fest also", sagte Niall, als wir später zusammen am Tisch saßen und Ravioli in uns reinstopften. "Was hältst du davon?"
Achselzuckend schob ich eine Ravioli auf dem Teller hin und her. "Keine Ahnung. Klingt doch ganz lustig, oder?"
"Ich weiß nicht. Wir sind da schließlich in einer großen Menschenmenge, und es gibt unzählige Möglichkeiten, sich zu verraten. Uns muss nur ein einziges Mal ein falsches Wort rausrutschen", meinte er mit gerunzelter Stirn.
"Schon. Aber das kann uns schließlich überall passieren. Mach dir keinen Kopf, Niall, das wird schon."
Er schien nicht ganz überzeugt, sagte aber nichts mehr. Als wir beide fertig gegessen hatten, lehnte er sich zurück und grinste mich provozierend an. "Also, wie war das jetzt eigentlich mit deiner Tracht? Wann hast du die gekauft?"
"Am ersten Tag, da hat Marlin mich gezwungen, während du hier warst."
"Ach so. Ziehst du sie mal an?" Niall schaute mich mit großen Augen an.
"Auf keinen Fall! Und hör auf, so zu gucken. Dein Hundeblick zieht bei mir nicht." Ich gab mein bestes, ihn böse anzuschauen, scheiterte aber kläglich und seufzte. "Du wirst sie schon noch früh genug zu Gesicht bekommen, okay? Spätestens bei diesem... Dorffest."
Er verzog enttäuscht das Gesicht.
"Und ich bin sicher, dass Marylin dich auch noch zwingen wird, eine zu kaufen", fügte ich noch grinsend hinzu, worauf er sich in gespieltem Entsetzen die Haare raufte. Schließlich stand ich auf, räumte mein Geschirr ab und drehte mich um. "Ich geh noch ein bisschen nach draußen, um den Ring zu suchen, nur dass du dich nicht wunderst." Niall nickte und ich verließ die Küche. Im Flur fiel mir ein, dass meine Jacke noch oben im Bad war, wo ich nach unserer letzten Suche die Erdflecken rausgewaschen hatte. Also zog ich meine Schuhe seufzend wieder aus und lief zur Treppe. Dummerweise blieb ich bei der ersten Stufe mit meinem Fuß hängen und verlor das Gleichgewicht. Aus Reflex schnellte mein Arm vor und packte das Treppengeländer, an dem ich herumschwang, als ich nach hinten fiel. Ich landete krachend in der Nische unter der Treppe zwischen staubigen alten Kartons. Mein lautes Fluchen wurde von einem Hustenanfall übertönt, als ich beim Luftholen die Staubschicht der letzten fünfzig Jahre einatmete.
"Shit, alles okay?" rief in dem Moment Niall, der angelaufen gekommen war und besorgt zu mir runterschielte. "Nix passiert", presste ich zwischen erneutem Husten raus. Ich ergriff die Hand, die er mir entgegen streckte, und er zog mich mit einem kräftigen Ruck aus dem Chaos raus. Wieder auf beiden Füßen stehend, klopfte ich meinen Körper ab, wobei ich uns erneut in eine Staubwolke hüllte. "Uäh", beschwerte sich Niall. "Was hast du da drin überhaupt gemacht?
"Keine Ahnung, bin irgendwie hängengeblieben." Mit einem angeekelten Blick zupfte ich eine Spinne von meiner Schulter und schnipste sie zurück in die Ecke. Niall hingegen hatte sich interessiert zu den Kartons runtergebeugt. Langsam legte sich der Staubwirbel und er öffnete neugierig einen Karton. "Ich glaube, hier ist eine Dartscheibe drin oder so", sagte er und betrachtete ein viereckiges, flaches Päckchen in seiner Hand. "Auf jeden Fall etwas rundes."
"Mach schon auf", drängelte ich. Niall pulte an der Lasche rum und zog schließlich etwas raus, was mit einer feinen Noppenfolie überzogen war. Er streifte sie ab und ließ sie fallen, dann wandte er seine Aufmerksamkeit zurück auf das Ding. Oder besser gesagt, die Dinge. Wir schauten einen Moment lang auf seine Hände, dann riefen wir gleichzeitig: "Schallplatten!" Mein Herz vollführte einen kleinen Hüpfer. Ich dachte zurück an mein Zimmer, in dem ich im Regal ebenfalls eine beträchtliche Anzahl an Platten gesammelt hatte, und wurde aufgeregt.
"Hier sind noch mehr", sagte Niall dumpf, den Kopf in weiteren Kisten vergraben. "So viele, das müssen hunderte sein!" Er tauchte mit einem weiteren Arm voll auf und drückte mir den Stapel in die Hand. Drei weitere Stapel wurden auf dem Fußboden und der Treppe platziert. "Hier muss doch auch irgendwo ein Schallplattenspieler sein", murmelte er und ließ seinen Blick suchend durch das Chaos schweifen. "Wenn nicht, dann können wir damit herzlich wenig anfangen. Hilf mal mit suchen, Jenna."
Ich legte die Platten vorsichtig zu den anderen und kniete mich dann neben Niall. Wir durchkämmten eine Kiste nach der anderen, wobei er deutlich schneller war als ich, da ich es nicht lassen konnte, zwischendurch immer wieder liebevoll über die Oberflächen zu streichen. Dennoch war ich schließlich diejenige, die "Hier! Hier ist er!" schrie. Gemeinsam zerrten wir das schwere Ding aus dem Gerümpel hervor. Der Plattenspieler hatte sogar noch ein Grammophon und schien uralt, was mich sehr beeindruckte. Mittlerweile war der Marktwert eines solchen Spielers so gestiegen, dass ich mir nie so einen hatte leisten können. Er war in gutem Zustand, zwar ein wenig eingestaubt, aber das waren wir mittlerweile alle. Grinsend platzierte mein Mitbewohner ihn neben den Plattenhaufen und klopfte mit der Hand neben sich. Im Schneidersitz ließen wir uns auf dem Boden nieder und nahmen je einen Stapel Schallplatten in die Hand. "Mal schauen, was hier für Schätze schlummern", flüsterte ich aufgeregt und sah Niall an. "Bereit?"
"Bereit."
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