Kapitel 25
Mir war klar, dass ich mich daneben benommen hatte und dass ich mich bei Niall entschuldigen musste. Obwohl wir einen Neuanfang gemacht hatten, war unser Verhältnis alles andere als gut und das letzte, was ich gebrauchen konnte, war noch mehr, was zwischen uns stand. Ich musste das mit ihm bereden, und je länger ich wartete, desto schwieriger würde es werden.
Seufzend stand ich auf. Es war bereits kurz vor zwölf, ich hoffte, dass Niall noch nicht schlief.
Doch auf mein Klopfen ertönte ein leises "Herein."
Vorsichtig betrat ich sein Zimmer. Mein Mitbewohner lag mit Klamotten und offenen Augen auf seinem Bett und schaute wortlos an die Decke.
"Ich, ähm... " ich räusperte mich und fing noch einmal von vorne an. "Ich wollte mich entschuldigen. Du hattest recht, ich habe mich falsch verhalten und-"
"Lass gut sein, Jenna."
Nialls Stimme klang müde und abgekämpft.
Ich schluckte. Wies er meine Entschuldigung ab? Würde er nich rausschicken?
Doch dann sagte er: "Wir dürfen uns nicht von solchen Sachen aus der Bahn werfen lassen. Wenn wir das hier wohl überstehen sollen, müssen wir miteinander klarkommen."
Erleichtert darüber, dass er genau so darüber dachte wie ich, nickte ich zustimmend.
Jetzt drehte er seinen Kopf und schaute mich an. In der Dunkelheit lag sein Gesicht im Schatten.
Ich erwiderte seinen Blick und lächelte schließlich zaghaft.
"Ab jetzt sage ich dir Bescheid, wenn ich weggehe. Oder wenn irgendwas anderes ist. Und wenn wir uns streiten, reden wir darüber, okay?"
Niall schwieg einen Moment, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er stand auf und lief auf mich zu. Bevor ich reagieren konnte, hatte er mich bereits in eine feste Umarmung gezogen.
Durch die Überraschung stand ich einen Moment stocksteif da, bis ich schließlich ebenfalls meine Arme um ihn legte.
Es war keine besonders innige Umarmung, aber es war ein Anfang. Ein guter Anfang.
Indem Niall das getan hatte, hatte er sich aufs Glatteis begeben. Er hatte ja nicht gewusst, wie ich reagieren würde, aber es hatte sich gelohnt.
Langsam entspannte ich mich und fing an, die Umarmung zu genießen. Doch bevor ich etwas unüberlegtes tun konnte, hielt er mich auf Armeslänge weg und fragte: "Alles wieder gut?"
Ich nickte. Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals. Es berührte mich, dass er trotz meiner Verhaltens so freundlich war.
Allerdings hatte er sich zu Anfang ja aber auch alles andere als nett verhalten. Wir waren quitt, beschloss ich.
Als ich schließlich in meinem Bett lag, schlief ich mit einem Lächeln ein.
Und wachte mit einem Schrei auf.
Es war der gleiche Albtraum gewesen wie letzte Nacht. Sobald ich die Augen schloss, sah ich den hämischen Gesichtsausdruck des Mörders vor mir.
Ich setzte mich in meinem Bett auf, holte zitternd Luft und fing an, eine Art Mantra immer wieder zu sagen, um mich zu beruhigen. Es war nur ein Traum. Nur ein Traum.
Ein leises Geräusch ertönte, und ich hielt den Atem an. Es schien aus der Wand zu kommen. Wieder hörte ich es, und diesmal konnte ich es als Klopfen identifizieren.
Tocktocktock. Tock.
Niall musste meinen Aufschrei gehört haben und aufgewacht sein. Vielleicht hatte er aber auch ebenfalls nicht gut geschlafen. Zögernd hob ich die Hand, ballte sie zu einer Faust und klopfte zurück.
Tock.
Eine Sekunde später antwortete er.
Tocktock?
Die Frage war klar. Alles okay?
Lächelnd klopfte ich zurück.
Tock, tocktock. Ja, alles okay.
Daraufhin kam keine Antwort mehr. Ich schaute auf meinen Wecker, die Leuchtziffern gaben 04:02 an.
Seufzend knipste ich das Licht aus und schloss erneut die Augen.
Ich stellte mir vor, wie Grace, meine Mutter und meine Brüder genau in diesem Moment schlafend in ihren Betten lagen. Grace würde leise im Traum reden, wie sie es manchmal tat. Meine Mutter würde ihre Finger verschlingen und wieder lösen, um sie dann wieder zu verschlingen. Im Wachzustand konnte sie das nie widerrufen, aber es war unglaublich interessant, sie dabei zu beobachten.
Bei Phil und Richard musste ich genauer nachdenken. Als ich klein war, hatte ich mit ihnen in einem Zimmer geschlafen, aber diese Zeit war auch vorbeigegangen, als wir älter wurden. Mir fiel ein, dass Richard im Schlaf immer halb aus dem Bett hing. Er war mehr als oft rausgefallen und mit Krach auf dem Fußboden gelandet, wo er seelenruhig weitergeschlafen hatte. Phil, der oben im Hochbett geschlafen hatte, vergrub sich oft unter einem Berg aus Kissen. Ich hatte nie verstanden wie er noch Luft bekam, aber es war, so erklärte er mir, die einzige Möglichkeit ohne Luftzug an den Ohren zu schlafen.
Jeder hatte wohl sein eigenen Schlafangewohnheiten. Ich würde wirklich gerne wissen, was meine waren.
Mit diesem Gedanken schlief ich ein.
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