Kapitel 24
Der Abend war viel zu früh zu Ende gegangen. Gordon und ich hatten noch Ewigkeiten geredet, und mittlerweile war es bereits halb elf. Im laufe des Abends war mir aufgefallen, dass er immer die Augenbrauen zusammenzog, wenn er nachdachte, und dass er die perfektesten Spaghetti-Rollen mit seiner Gabel zauberte, die ich jemals gesehen hatte. Aber mit italienischem Blut wurde einem das auch quasi in die Wiege gelegt, oder?
Außerdem hatte ich erfahren, dass nur die Linie seines Vaters italienisch war, wohingegen seine Mutter aus Schottland stammte. Das war auch der Grund, weshalb sie hier das Restaurant eröffnet hatten und er einen schottischen Namen trug statt eines italienischens.
Gegen einen Zweitnamen hatte seine Mutter allerdings nichts tun können, und so kam es, dass er doch allen ernstes Gordon Nino Alessandro Fellini hieß.
Während er das erzählt hatte, hatte ein peinlich berührter Ausdruck auf seinem Gesicht gelegen, was mich noch mehr zum Lachen gebracht hatte.
Alles in allem war das Date so großartig gewesen, dass ich mich fragte, weshalb ich nie in meinem Leben so etwas getan hatte.
Als wir vor meiner Haustür standen, bedankte ich mich lächelnd für den tollen Abend.
"Kein Problem. Das nächste Mal lernst du meine Familie kennen", versprach er zwinkernd.
Mein Herz fing bei diesen Worten an zu flattern. Es würde ein nächstes Mal geben.
Bevor ich mich komplett zum Affen machte, indem ich irgendetwas peinliches tat, wie zum Beispiel kichernd auf und ab zu hüpfen, wandte ich mich schnell ab und fummelte in der Dunkelheit am Türschloss herum.
Die Tür schwang auf, und ich drehte mich mit einem nervösen Lächeln zu ihm um.
"Also dann..."
Ehe ich reagieren konnte, lehnte sich Gordon nach vorne und küsste mich ganz leicht auf die Wange. So leicht, dass ich dachte es mir eingebildet zu haben, wäre da nicht das Kribbeln, das sich wie ein Lauffeuer über meinen ganzen Körper verteilte.
Er drehte sich um und verschmolz schon nach wenigen Schritten mit den Schatten.
Langsam drehte ich mich um und schloss die Haustür hinter mir. Gordon hatte mich geküsst.
Er hatte mich geküsst.
Was bedeutete das? Ich konnte noch nicht sagen, was ich für ihn empfand. Es war zwar ein unglaublicher Abend gewesen, aber trotz allem kannte ich ihn erst seit einigen Tagen.
Doch egal, wie sehr mein Gehirn darum kämpfte, die Herrschaft über meinen Körper zurück zu erhalten, ich schaltete es aus und konzentrierte mich nur auf das Gefühl, als seine Lippen meine Wange berührt hatten.
"Wo warst du?"
Vor Schreck fuhr ich zusammen und drehte mich hektisch zu Niall
um, der mit verschränkten Armen in der Küchentür lehnte und auf eine Antwort wartete.
"Ich war... ich hatte eine Verabredung", sagte ich. Meine Stimme hörte sich zum Teil schuldig, teils herausfordernd an.
Niall rieb sich die Augen und sah mich an. "Okay. Du hattest ein Date. Würdest du so freundlich sein, mir das nächste mal Bescheid zu sagen, wenn du einfach so verschwindest?"
Ich wusste nicht wieso, aber in mir keimte Wut auf.
"Was interessiert dich das? Ich kann sein, wo, wann und mit wem ich will!"
"Das ist mir klar. Sag mir einfach vorher Bescheid."
"Ich bin dir doch keine Rechenschaft schuldig!"
Auch seine Stimme wurde nun lauter. "Kannst du dir vorstellen, dass ich mir Sorgen gemacht habe?"
"Du bist doch nicht mein Vater!"
"Aber wir sind hier verdammt noch mal im Zeugenschutzprogramm! Wir schweben in Lebensgefahr!" brüllte er mich an.
Darauf konnte ich nichts erwidern, ich drehte mich wortlos um und stapfte hoch in mein Zimmer, nicht ohne vorher noch ordentlich die Tür zugeknallt zu haben.
Was war nur los mit mir? Ich verhielt mich wie eine pubertierende vierzehnjährige, dabei war ich fast erwachsen.
Ich fasste unter mein Kopfkissen und holte mein kleines Stoffschweinchen hervor, das ich bereits besaß, seit ich denken konnte, und vergrub meine Nase in seinem Fell. Es roch nach Zuhause, und in diesem Moment überrollte mich eine Welle aus Heimweh.
Vermisste meine Familie mich? Was machte Grace in diesem Moment?
Und wann wurde der Täter endlich gefasst? Je länger die Ermittlungen dauerten, desto mehr Zeit musste ich hier verbringen.
Aber hier war Gordon. Und Wicked. Wenn ich diese Zeit hier überstehen wollte, musste ich das beste aus allem machen.
Und die erste Anlaufstelle wäre ein gutes Verhältnis zu Niall.
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