Kapitel 3
Habe Mut, dich deines eigenes Verstandes zu bedienen.
- Immanuel Kant, deutscher Philosoph
Einige Tage später:
Laute Musik und Stimmen, Lachen, Jubelrufe, wenn jemand die Dartscheibe getroffen hatte - es herrschte erfreute Stimmung in der Bar.
»Agent Moore«, sagte Garcia, die auffällige, aber interessante Kleidung trug, »ich hätte niemals von Ihnen geglaubt, dass Sie so ein Partytier sind.«
»Na ja, was soll ich sagen? Manchmal ist es wichtig, dass man auch mal die Sau rauslässt. Vor allem bei einem Job wie unserem.« Ich hob den Humpen Bier zum Prosten, dann trank ich daraus.
Garcia stieß Jennifer Jareau an. »Ich liebe sie.«
Die anderen lachten. Alle, bis auf Reid.
»Sind Sie immer so?«, fragte ich ihn mit gerunzelter Stirn.
Verwirrt sah der Mann mich an. »Wie so?«
»Sie meint deinen Stock im Arsch, Reid«, sagte Morgan und schlug ihm lachend auf die Schulter. »Das ist nicht unbedingt anziehend für Frauen.«
»Ich hab ... ich hab nicht für Frauen ...« Reid unterbrach sein Gestammel und ließ den Kopf sinken, was Morgan wieder zum Lachen brachte.
»Sie müssen Ihn verstehen«, sagte dieser an mich gewandt. »Er ist etwas schüchtern.«
Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. »Tatsächlich«, sagte ich und trank einen weiteren Schluck von meinem Bier.
»Sie sind also Special Agent vom FBI aus Washington«, sagte Emily Prentiss.
Ich nickte. »Ja, so ist es.«
»Versuchen Sie ein Profil zu erstellen«, sagte Reid auf einmal.
Überrascht sah ich ihn an. »Wie bitte?«
»Ja, gute Idee.« Prentiss lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Erstellen Sie ein Profil von einem von uns.«
»Das kann ich nicht.« Nervös trank ich einen Schluck von meinem Bier.
»Kommen Sie.«
»Nein.«
Reid hob den Kopf. »Dann spielen Sie Schach gegen mich. Wenn ich gewinne, müssen Sie mich analysieren. Wenn Sie gewinnen, dürfen Sie sich irgendetwas wünschen.«
»Etwas wünschen?« Schmunzelnd sah ich ihn an.
»Ja.«
»Na dann. Ein Schachspiel also.« Ich erhob mich. »Aber nicht heute. Morgan, haben Sie Lust, zu tanzen?«
»Die Frau fordert den Mann auf.« Morgan grinste keck, ergriff meine Hand und führte mich auf die Tanzfläche.
»Ich glaube, Reid hat ein Auge auf Sie geworfen«, sagte Morgan, als wir tanzten.
»Das glaube ich nicht«, entgegnete ich. »Er ist es einfach nicht gewohnt, mit Frauen zu sprechen, denk ich.«
»Vielleicht haben Sie doch die Begabung zum Profiler. Sie können versetzt werden, wenn Sie wollen.«
»Nein, danke. Ich liebe meinen Job.«
»So unterschiedlich sind wir gar nicht. Wir benutzen nur unser Köpfchen, ihr eure Waffe.«
»Schießen Sie nie?«
»Doch. Aber das ist nicht unsere Hauptaufgabe.«
Ich nickte verstehend und wandte ihm den Rücken zu, weitertanzend. »Sie meinten, ich wäre ein guter Mensch«, sagte ich.
»Wie bitte?«
»Zu Wayne. Sie sagten, ich wäre ein guter Mensch, ich wäre unschuldig. Woher wollen Sie das wissen?«
Morgan zog mich abrupt zu sich herum, so dass ich ihm in die Augen sah. »Lediglich ein Gefühl.«
»Kein Profiler-Trick?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich.«
»Agent Moore!«, rief Reid auf einmal zu uns herüber und ich wandte mich ihm zu. »Ein Anruf für Sie.«
Er wedelte mit meinem Handy, und ich ließ Morgan los und ging zu Reid herüber.
»Danke.« Ich nahm ihm mein Handy ab und ging nach draußen. »Kaitlyn Moore, was kann ich für Sie tun?«
»Kate, hier ist Fornell. Ich rufe wegen Ihrer Eltern an.«
»Meine Eltern? Was ist mit ihnen?«
»Sie sind ... sie sind ...«
»Sie sind was? Fornell, spucken Sie's aus. Geht's ihnen gut?«
Mein Boss schwieg bedrückt.
»Fornell!«, herrschte ich ihn an - allmählich wurde ich unruhig.
»Sie sind tot.«
Die Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Einige Lidschläge stand ich einfach nur da - regungslos, wortlos.
»Nein«, sagte ich irgendwann. Mein Mund war trocken. »Das kann ... nicht sein. Ich hab heute Morgen noch mit ihnen ... telefoniert ...«
»Kate ...«, sagte Fornell vorsichtig.
»Nein!« Tränen stiegen in meine Augen. »Fornell, hören Sie auf mit dem Scheiß!« Sofort legte ich auf.
»Kaitlyn?«, erklang auf einmal Morgans Stimme in meinem Rücken.
Ich wandte mich ihm zu. Tränen rannen meine Wangen hinunter. Verzweifelt hielt ich mir den Mund zu, um das Schluchzen zu ersticken.
»Was ist los?«
Ich schüttelte nur den Kopf, und Morgan zog mich in seine Arme und fuhr mir beruhigend durch meine Haare.
Los Angeles
Ich betrat zögernd das Haus meiner Eltern. Der vertraute Geruch stieg sofort in meine Nase, doch vermischt mit dem Geruch des Todes, drehte sich mein Magen um.
»Sie müssen sich das nicht ansehen«, sagte Agent Fornell, der mir den Weg zum Wohnzimmer versperrte.
»Doch, das muss ich«, sagte ich mit fester Stimme.
Ich drängte ihn zur Seite und betrat das Zimmer. Erneut drehte sich mein Magen um. Ich unterdrückte den Drang, mich zu übergeben.
Die Leichen waren schon fortgebracht worden, doch anhand des Blutes, welches auf dem ganzen Sofa verteilt war, wusste ich, dass es ein grausamer Tod gewesen war.
»Es sollte wie Selbstmord aussehen«, hörte ich Fornell in meinem Rücken sagen.
»Es war keiner«, flüsterte ich kopfschüttelnd. »Sie hätten nie einen Grund dazu gehabt, sich selbst ...« Ich sprach nicht weiter.
»Hatten Ihre Eltern irgendwelche Feinde?«, erklang auf einmal Agent Gideons Stimme.
Ich wandte mich mit finsterer Miene um. Vor mir stand das ganze Profiler-Team.
»Verschwinden Sie«, zischte ich. »Sie haben hier nichts verloren.«
Beschwichtigend hob Morgan die Hand. »Wir wollen Ihnen nur helfen, Kaitlyn.«
»Wie wollen Sie mir helfen, huh? Sie sind tot!«
»Der Mörder läuft immer noch frei herum«, meinte Hotchner.
»Und Sie wollen ihn schnappen, oder was?« Mit finsterer Miene trat ich auf ihn zu. »Hören Sie mir zu, ich werd den Mörder fangen, klar? Sie halten sich da raus!«
»Nein«, sagte Fornell auf einmal. »Ihnen wird der Fall entzogen. Sie handeln aus Emotionen. Und da die Opfer Ihre Eltern sind, kann ich Ihnen nicht erlauben, am Fall zu arbeiten.«
Fassungslos sah ich ihn an. »Echt jetzt? Wollen Sie mir ernsthaft diesen Fall entziehen?«
»Geben Sie mir Ihre Waffe, Moore.« Mit ernster Miene streckte er mir seine Hand entgegen. »Ich kenne Sie. Sie geben nicht auf, ehe Sie den Täter haben.«
Mein Blick verdunkelte sich. Dennoch, wenn auch widerstrebend, reichte ich ihm meine Waffe.
»Die kriegen Sie wieder, wenn der Täter geschnappt wurde.« Demonstrierend wedelte Fornell mit der Waffe vor meinem Gesicht herum, dann wandte er sich ab.
Ich saß auf der Wache in LA, wo sich mein Team und das von Hotchner einquartiert hatte. Fornell hatte mir schon mehrere Male angeordnet, nach Hause zu gehen.
Welches Zuhause? Das Haus meiner Eltern war ein Tatort, die Wohnung in Quantico ein Ort, an dem ich zweimal angegriffen wurde. Seitdem blieb ich nur noch zum Schlafen dort. Ich hielt es kaum noch aus da, ohne daran zu denken, was geschehen war.
Und mein Haus in Washington? Ich würde mit Sicherheit nicht zurückfliegen und die Agents am Fall meiner toten Eltern arbeiten lassen. Allein.
All around pov.
»Michael und Jessica Moore«, sprach Garcia durch den Lautsprecher des Telefons. »Beide waren Richter in LA.«
»Okay, Garcia«, sagte Morgan. »Gibt es irgendwelche Anzeichen auf einen Feind der Moores?«
»Nein.« Garcia schwieg kurzzeitig. »Oh, das ist interessant. Die Moores sind gar nicht Kaitlyns biologische Eltern.«
Hotchner hob den Kopf. »Wie bitte?«
»Sie wurde 1991 von den Moores adoptiert. Da war sie sechs. Alle Unterlagen darüber, wer sie zur Adoption freigab, wurden gelöscht. Es gibt keine Informationen über das Leben vor dieser Zeit oder warum sie weggegeben wurde.«
»Danke, Garcia«, sagte Morgan und legte auf.
»Glaubt ihr, sie weiß davon?«, fragte Emily Prentiss in die Runde.
»Nein, und ich würde Sie bitten, Sie nicht darauf anzusprechen.« Fornell war im Türrahmen erschienen. Seine Miene war wie immer ernst.
»Sie war sechs, als sie adoptiert wurde«, meinte Morgan. »Und sie kann sich nicht daran erinnern?«
»Haben Sie schon mal etwas von Verdrängung gehört, Agent Morgan?«, fragte Fornell.
Jason Gideon richtete sich auf. »Ohne Ihnen nahetreten zu wollen, nehme ich an, dass ein traumatisches Ereignis ihre Kindheit geprägt hat. Mit sechs wurde sie an die Moores weitergegeben, und mithilfe von Therapien hat sie all das Schlimme verdrängt.«
»Wer, glauben Sie, ist der Mörder?«, fragte Emily.
Nachdenklich legte Reid seine Hand unters Kinn. »Vielleicht ihr biologischer Vater, der Rache an den Moores ausüben wollte? Er hat herausgefunden, dass man ihm seine Tochter genommen hatte und wollte nun Vergeltung, und das ist eindeutig die Tat eines Mannes, keiner Frau. Dafür war es zu gewalttätig.«
»Sind wir uns denn sicher, dass es sich um einen Rachemord handelt?«, fragte Morgan. »Welche Beweise gibt es dafür, dass eigentlich Kate das Opfer ist?«
»Kate?« Emily sah ihn mit hochgehobener Augenbraue an. Morgan ignorierte sie.
»Es ist nicht der Vater.« Kopfschüttelnd ließ Fornell sich auf einen der freien Stühle nieder. »Die Anweisung, das Mädchen wegzuschicken, kam von ganz oben. Wirklich ganz oben.«
Prüfend sah Gideon ihn an. »Warum nicht der Vater? Wissen Sie, wer es ist?«
»Nein. Alle Akten wurden gelöscht. Niemand weiß, wer der Vater ist. Und er hätte auch niemals herausgefunden, wo sich das Mädchen aufhält.«
»Und wenn doch?«
»Glauben Sie mir. Sie sind nicht der Einzige mit gutem Gespür. Es ist nicht der Vater.«
Mit diesen Worten erhob Fornell sich und verließ das Büro. Als die Tür zugeknallt wurde, erhob Kaitlyn sich hastig.
»Haben Sie etwas?«, fragte sie sofort.
»Gehen Sie in mein Hotelzimmer, Kate.« Fornell reichte ihr seinen Schlüssel. »Ruhen Sie sich aus. Wenn Sie sich ordnungsgemäß verhalten, werd ich Ihnen Informationen geben. Verstanden?«
Die braunhaarige Frau nickte. »Ja, Sir.«
Sie wirkte nicht glücklich, doch winkte sie mit den Schlüsseln und ging.
Kate pov.
Ich betrat das Hotelzimmer, warf die Schlüssel auf den Tisch und ließ mich kurz darauf hilflos auf der Couch nieder.
Ich ließ den Kopf sinken und fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Verzweifelt atmete ich aus.
Was soll ich nur tun?
Auf einmal klingelte mein Handy und ich holte es aus meiner Hosentasche und klappte es auf.
»Kate?«, erklang sofort Matts Stimme, bevor ich etwas sagen konnte.
»Ja.«
»Oh, Gott, es tut mir so leid. Fornell hat es uns erzählt. Ich dachte, wir sehen uns noch, aber du warst schon weg, als ich auf die Wache ging.«
»Danke, Matt«, sagte ich leise.
»Ist doch klar, Süße.«
Ich fuhr mir mit der kalten Hand übers Gesicht. »Wie oft noch? Du sollst mich nicht -«
»Süße nennen, ich weiß. Tut mir leid. Wenn du etwas brauchst -«
»Ruf ich an. Danke.«
»Ich bin immer für dich erreichbar.«
Mit diesen Worten legte er auf.
Verzweifelt warf ich mein Handy auf die Couch. Seine Worte halfen mir auch nicht.
1688 Wörter
Gleich geht's knallhart los. Kates Eltern sind tot - und das löst eine Menge Probleme aus.
Der richtige Vater des Mädchens ist jemand aus einen der beiden Serien. Ihr könnt ja schon mal raten xD
Was haltet ihr von dem Matt?
Und danke für die Kommis und Votes ❤
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