76. Kapitel
Harry:
Der Tag scheint niemals zu enden. Niemals. Immer wieder klettere ich die Leiter nach oben. Inzwischen bin ich so oft gesprungen, dass ich gar nicht mehr mitzählen kann. Ich gähne, als ich oben stehe und dann nach vorne gehe. Ein Blick zu meiner Mum verrät mir, dass ich Bestleistung zu erbringen habe. Ich schüttle meine Arme aus und lasse die Schultern kreisen. Ich bin ein Profisportler, das sollte ich nicht vergessen. Ich gehöre zu den besten der besten und so sollte ich mich auch verhalten. Mum sagt immer, dass sich eine Goldmedaille auch verdient sein will. Man bekommt diese Auszeichnung eben nur, wenn man der Beste ist.
„Du wirst besser. Du schaffst es endlich, gerade ins Wasser einzutauchen. Merk dir das bis morgen", sagt sie vier oder fünf Sprünge später, als ich aus dem Becken klettere. „Dann... uhm... kann ich jetzt ins Bett?" – „Du musst ausgeruht sein", antwortet sie mir und ich nehme mir mein Handtuch. Ich trockne mich ab und beschließe, in meinem eigenen Zimmer zu duschen, anstatt hier. Mum wartet am Ausgang und schaut auf ihr Handy. „Ich gehe davon aus, du kennst den Weg zu deinem Zimmer. Gemma und ich sind wo anders untergebracht." – „Ja, natürlich", nicke ich und lächle kurz. Mum sieht mich eindringlich an. „Ich denke, du weißt, dass das mit diesem Mann heute Morgen ein Fehler war, oder?" – „Uhm..." – „Harry, ich bitte dich. Muss ich wirklich mit zu deinem Zimmer kommen? Es wird doch hoffentlich nicht irgendwer gleich dort auf dich warten, oder?" Mahnend sieht sie mich an. Sofort schüttle ich den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Das wird nicht passieren. Ich muss schlafen vor morgen", rattere ich die Antwort herunter.
Einen kurzen Moment lang sieht Mum mich skeptisch an. Dann nickt sie zufrieden. „Okay. Schön, dass du deinen Fehler verstanden und daraus gelernt hast. Gute Nacht." – „Schlaf gut, Mum", antworte ich ihr etwas leiser und sehe zu, wie sie sich auf dem Absatz umdreht und geht. Ich stehe in der kühlen Nacht mit noch nassen Haaren vor der Trainingshalle. Ich seufze. Ich sollte wirklich schlafen. Ich sollte nicht... nein, ich werde nicht zu Louis gehen. Ich gehe zu den Aufzügen. Jetzt zu Louis zu gehen, wäre selten dämlich. Was ist, wenn meine Mum mit erwischt? Was ist, wenn sie doch noch einmal zurück kommt, um zu sehen, ob ich auch wirklich allein bin? Ich muss einfach nur kurz duschen und dann schlafen gehen. Genau. Das ist das Beste für mich.
Der Fahrstuhl fährt nach oben. Ich starre die silberfarbene Tür an und meine Gedanken fliegen durcheinander. Ich muss ins Bett. Ich in völlig fertig und muss mich dringend ausruhen. Die Türen öffnen sich wieder. Ich laufe einfach weiter, als wäre ich in Trance. Vielleicht schlafe ich ja schon und träume das hier nur. Oder ich schlafwandle. Vielleicht. Erst als ich klopfe, merke ich, was ich hier tue. Scheiße. Ich sollte nicht hier sein. Ich sollte vor meinem Zimmer stehen und es selbst öffnen und... „Hi." Louis steht vor mir. Er hat die Tür geöffnet uns sieht mich verwundert an. „Ich habe ehrlichgesagt nicht mit dir gerechnet." Ich starre ihn an wie ein vollkommener Idiot. „Curly?" Ich zucke innerlich zusammen, als er mich so nennt. „Uhm... hi." – „Willst du nicht reinkommen?", fragt er und geht einen Schritt zur Seite.
Will ich das? „Ich glaube, ich sollte gehen. Ich sollte nicht... uhm..." – „Komm rein, sonst sieht dich noch jemand", antwortet er mir, als ich nicht mehr weiter weiß. Ich nicke und er schließt hinter mir die Tür. Dann dreht er sich zu mir. „Warst du duschen?" – „Was?" – „Du hast nasse Haare." – „Nein, ich muss noch duschen gehen", antworte ich und sehe mich um. Die Bettdecke ist zur Seite geschlagen. Oh nein. „Warst du... hast du schon geschlafen?" – „Nicht wirklich", antwortet er mir, aber ich glaube nicht, dass das stimmt. Louis kommt mir einen Schritt näher. Ich sehe ihn nur an. Er streicht mir die nassen Locken aus der Stirn. „Warst du wirklich bis gerade noch trainieren?" Ich zucke mit den Schultern. „Ja, schon. Es war notwendig." Louis seufzt. „Wollen wir duschen gehen und dann kuscheln?" Ich atme aus und bin... erleichtert? Ja, ich denke, so könnte man dieses Gefühl beschreiben.
Louis lächelt und macht das Licht im Badezimmer an. Er führt mich in den Raum und schaltet das Wasser an. „Du hast doch bestimmt schon geduscht", fällt mir ein, als Louis sich die Shorts auszieht. „Wer sagt, dass man nicht zweimal duschen kann." – „Uhm..." – „Oder willst du lieber allein duschen gehen?", fragt er mit ruhigem Ton. Ich merke, dass er es nicht schlimm finden würde, wenn es so wäre, aber ich schüttle den Kopf. Ich möchte sehr gerne mit ihm duschen. Er lächelt und öffnet seine Hand. Ich nehme sie und folge ihm in die Dusche.
Louis spricht nicht viel. Er fängt an, meine Haare zu waschen Er massiert meine Kopfhaut geduldig und ich schließe die Augen. Ich könnte auf der Stelle einschlafen. Louis lässt sich Zeit. Kurz denke ich darüber nach, dass er eigentlich selbst schlafen sollte, aber jetzt wo ich so hier stehe... jetzt ist es auch schon egal. Er nimmt sich das Duschgel. „Okay?" – "Mhm?" - „Dass ich dich wasche." – „Mhm. Ja", antworte ich müde. Louis schmunzelt. „Du musst dringend ins Bett, oder?" – „Mhm..." Er küsst meine Stirn und meine eh schon müden Knie geben beinahe nach.
Louis ist vorsichtig. Er wäscht meinen ganzen Körper und küsst mich hier und da. Auf die Schulter, auf meine Fingerknöchel, auf meinen Oberschenkel und als er wieder aufsteht auch wieder meine Stirn. Himmel, ich liebe das hier.
„Meine Haare sind noch nass. Ich kann die Locken aber nicht föhnen", fällt mir ein , als ich mit der Zahnbürste im Mund vor dem Spiegel stehe. „Wir legen einfach ein trockenes Handtuch auf das Kissen und frottieren sie vorher", schlägt Louis vor. Ich nicke und lehne mich gegen ihn. „Ich muss morgen früh raus. Ich muss in meinem Zimmer sein, wenn meine Mutter kommt." – „Ich habe den Wecker schon gestellt, Love." Ich schließe die Augen. Ich will hier nie wieder weg. Ich will einfach bei Louis bleiben.
Wir klettern ins Bett und ich stütze mich auf meinen Unterarm. „Ist es wirklich okay, dass ich heute Nacht hier bleibe?" – „Ich habe mich schon gefragt, wann ich dich das nächste Mal küssen kann", antwortet er mir schmunzelnd. „Aber du hast mich noch nicht geküsst." – „Weil du müde ist und du erst einmal ins Bett solltest." – „Deswegen? Nicht weil... also..." – „Weißt du, was du sagen willst?", fragt er mich schmunzelt. Ich zucke mit den Schultern. „Irgendwie ja, aber irgendwie auch nicht. Ich dachte, nachdem ich... also... verdammt", fluche ich und seufze. „Ich meine, weil es heute nicht so gut liefen." – „Das warst nicht du, das war deine Mum schuld." – „Aber..." – „Kein aber", widerspricht er mir. Ich lächle und lege mich hin. Louis mustert mich. „Küsst du mich jetzt?", frage ich vorsichtig.
Er küsst mich. Er küsst mich so sanft und liebevoll, dass mir fast schwindelig wird. Es ist nicht heiß und stürmisch, es ist süß und warm und angenehm und lässt mein Herz flattern. Es flattert wie verrückt und wenn ich nicht so müde wäre, würde ich sagen, dass kann gerne die ganze Nacht so weiter gehen. „Ich habe dich vermisst... ist das komisch?", frage ich ihn. Er schmunzelt. „Nein, absolut nicht. Ich habe dich auch vermisst." – „Schaffen wir es die nächsten Tage? Meine Mum wird bleiben." Louis zögert einen Moment. Mein Herz sackt ab. „Nicht? Wenn dir das zu viel ist, kann ich das verstehen und ich kann auch in mein Zimmer gehen und..." – „Harry, stopp", unterbricht er mich sofort. „Ich will dich, okay? Ich will mit dir zusammen sein. Ich weiß, dass es mit deiner Mutter etwas... kompliziert werden könnte, aber das klappt schon, okay?" – „Versprochen?", frage ich überfordert und gleichzeitig glücklich.
„Du willst doch auch mit mir zusammen sein, oder?", fragt er hingegen nur. Ich nicke sofort. „Ja. Auf jeden Fall." – „Dann schaffen wir das schon", antwortet er und küsst mich wieder. Meine Augenlider fallen wie von selbst und ich lehne mich ihm entgegen. Die Decke hüllt uns warm ein und ich vergesse für einen Moment, dass in knapp sechs Stunden der Wecker schon wieder klingelt und ich definitiv direkt aufstehen und nicht mehr noch eine halbe Stunde mit ihm kuscheln kann.
Meine Augen bleiben einfach zu, als Louis den Kuss beendet. Ich bleibe liegen und spüre, wie er durch meine Locken streicht. „Ich bin froh, dass du hergekommen bist", sagt er leise. „Ich auch", antworte ich und kuschle mich an Louis. Er schließt die Arme um mich und zieht an sich heran. „Morgen werde ich wieder zusehen. Wenn du magst, suche ich mir einen Weg, um hinter die Absperrung zu dir zu kommen. Das klappt schon. Sonst sitze ich wieder oben bei meiner Familie und winke dir vor jedem Sprung", sagt er und streicht mir dabei immer wieder durch die Haare.
„Du wirst das morgen schaffen. Ich konnte es gar nicht glauben, als ich dich heute gesehen habe, du warst unglaublich gut. Wirklich, ich war sehr beeindruckt, als du in der zweiten Runde diesen Sprung über Kopf gemacht hast, Das war der Wahnsinn, Love. Ich habe ja schon schiss, wenn ich da oben nur stehe und du machst einfach einen Handstand und lässt sich da runterfallen..." Mehr höre ich nicht wirklich, während ich wegdrifte. Ich weiß nur, dass Louis leise weiterspricht und mit durch die Haare streicht, bis ich eingeschlafen bin.
-- -- -- -- --
Harry hat sich zu Louis geschlichen. Meint ihr das geht gut? Wird Harrys Mutter das bemerken?
Love, L
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro